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2020 | Book

COVID-19

Versicherungs- und haftungsrechtliche Aspekte

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Table of Contents

Frontmatter
A. Geschlossene Gesellschaft(en)
Zusammenfassung
Die Corona-Krise hat weltweit inzwischen fast 500.000 Tote gefordert und über 6 Millionen Menschen mit dem neuen Virus infiziert. Vor aller Augen spielten sich Szenen ab, die man vorher nicht für möglich gehalten hatte. Zur Eindämmung der Pandemie wurden drastische Einschränkungen der Bürgerrechte für erforderlich gehalten, weil es fast überall für eine frühzeitige Testung und eine Zurückverfolgung der Ansteckungsketten bereits zu spät war, als das Ausmaβ der Entwicklung bekannt wurde. So hat ‘Corona’ drakonische Maβnahmen provoziert, die ihren Grund in der höchst virulenten Ansteckungsgefahr mit dem neuartigen Virus hatten und der damit verbundenen Möglichkeit einer Überforderung der Gesundheitssysteme. Der Einstieg in den ‘Shutdown’ war rasch bewerkstelligt, der Einstieg in den Ausstieg war (und ist) sehr viel schwieriger, weil zuverlässige Zahlen nur schwer zu haben waren (und sind), die Dunkelziffer hoch ist und die ergriffenen Maβnahmen stark kritisiert wurden, weil sie zum Teil inkonsistent und zum Teil unzureichend gewichtet waren (und sind). Die uns über Wochen und inzwischen Monate täglich erreichenden Statistiken sind schwer nachzuvollziehen, allzu ungenau sind die Angaben, die teilweise widersprüchliche Infektionszahlen produzierenden Tests und deren Interpretation durch Experten unterschiedlichster Disziplinen, was zu einer auβerordentlich breiten Meinungsdiversität geführt hat. Aber: Im internationalen Vergleich steht die Bundesrepublik mit einer vergleichsweise geringen Todesfallrate gut da und zu keiner Zeit bestand die Gefahr, dass die Intensivmedizin hierzulande überfordert sein könnte.
Theo Langheid
B. COVID-19-Pandemie — Ablauf und Hintergründe
Zusammenfassung
Der rasante Verlauf der Pandemie nahm seinen Ursprung Ende Dezember 2019 in der chinesischen StadtWuhan (Provinz Hubei). Dort traten Fälle einer bis dahin unbekannten Lungenkrankheit auf, die bei den eingelieferten Patienten zum Teil schwere Verläufe nahm.1 Bis zum 03.01.2020 wurden der WHO aus China 44 Erkrankte gemeldet. Als Ort der Infektion gilt ein Fisch- und Tiermarkt in Wuhan, da alle Erkrankten dort als Verkäufer oder Händler arbeiteten. Vermutet wurde zunächst eine Infektion mit dem SARS-Virus, mit dem sich in den Jahren 2002 und 2003 weltweit über 8.000 Menschen infizierten. Am 09.01.2020 bestätigten chinesische Gesundheitsbehörden aber den Nachweis eines neuen Coronavirus.2
Jendrik Böhmer
C. Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Zusammenfassung
Das Infektionsschutz- oder Seuchenrecht ist — das macht § 1 Abs. 1 IfSG unmissverständlich deutlich — eine spezialgesetzlich geregelte Materie des Gefahrenabwehr-/Polizei- und Ordnungsrechts.1 Bis zu Beginn der 2000er Jahre war die Rechtsgrundlage im Bundesseuchengesetz zu finden. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften legte die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Schröder im Januar 2000 den Entwurf des heutigen Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen, kurz Infektionsschutzgesetz („IfSG“), vor. Ausweislich des Regierungsentwurfs sollte hierdurch der Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten verbessert werden.2 So war unter anderem ein vom 3. Untersuchungsausschuss des 12. Deutschen Bundestags festgestelltes Defizit in der Erfassung und Analyse infektionsepidemiologischer Daten Auslöser der Novellierung.3 § 1 Abs. 1 des am 20.07.2000 verkündeten4 und seit dem 01.01.2001 geltenden IfSG stellt seither klar, dass Telos des IfSG vor allem ist, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern — eine Zielsetzung, die sich im Zuge der Corona-Pandemie neuen, auβergewöhnlichen Herausforderungen ausgesetzt sah.
Jendrik Böhmer, Carsten Hösker
D. Schuldrecht — Moratorium gemäβ Art. 240 EGBGB
Zusammenfassung
Die Corona-Pandemie hat Legislative und Exekutive — wie bereits in den Kapiteln A. und B. ausgeführt — in mannigfacher Weise auf den Plan gerufen und verschiedenste Maβnahmen zur Folge gehabt. Nicht alle Maβnahmen waren sicherlich zwingend erforderlich, um das in Deutschland sehr gut erreichte Ziel der Eindämmung der Corona- Pandemie (das sog. flatten the curve1) zu erreichen. Dennoch sollte nichts von diesen Maβnahmen „verteufelt“ werden, so wie es in der öffentlichen Presseberichterstattung oder auch in der Politik zum Teil in unsachlicher Weise erfolgt ist, ohne dass hier konkrete Beispiele genannt werden sollen. Denn einen Fahrplan zum Umgang mit einer Pandemie gab es bislang in Deutschland nicht. Das mag zwar angesichts der bereits 2012 vom Robert-Koch-Institut aufgezeigten Gefahren2 ein Versäumnis von Legislative und Exekutive gewesen sein. Es sollte aber jetzt nur Anlass dazu geben, die einzelnen Maβnahmen sachlich und kritisch zu hinterfragen, um bei der nächsten Pandemie auf ein bereits ausgereiftes Maβnahmenpaket zurückgreifen zu können. Dass es insoweit Verbesserungsbedarf gibt, ist offenkundig, wie auch an dem im Folgenden behandelten Moratorium gemäβ Art. 240 EGBGB aus Sicht des Versicherungsrechts aufgezeigt werden soll.3
Joachim Grote, Martin Schaaf
E. AGB-Recht
Zusammenfassung
Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) bilden bei der Übertragung eines Risikos des Versicherungsnehmers auf den Versicherer das eigentliche Produkt. In den in den AVB niedergelegten Klauseln werden die zu versichernden Gefahren definiert und zu welchen Bedingungen der Versicherer diese im Einzelnen übernimmt, welche Risiken er nicht übernimmt und welche anderen Vertragsparameter für das Verhältnis der Parteien — etwa bei der Vertragsdurchführung oder im Schadenfall — gelten sollen. Deshalb sind Funktionalität und Bedeutung von AVB und deren Rechtskontrolle als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von §§ 305 ff. BGB für die Frage des Deckungsschutzes und seiner Ausgestaltung von maβgeblicher Bedeutung. Bei der Erstellung und Anwendung von AVB wird gemeinhin zwischen primären Leistungsbeschreibungen, die das eigentliche Leistungsversprechen in Form der Risikoübernahme konkretisieren, sekundären Leistungsbeschreibungen, in denen die Ausschlüsse von der Risikoübernahme definiert werden und tertiären Leistungsbeschreibungen, die Wiedereinschlüsse, also Ausnahmen von den Ausschlüssen, darstellen, unterschieden. Diese Unterscheidung spielt nicht für die Auslegung und die Wirksamkeitskontrolle der AVB eine Rolle, sondern auch bei der Beweisverteilung im Versicherungsprozess, weil in der Regel der Versicherungsnehmer nachweisen muss, dass die Voraussetzungen für das Bestehen eines Leistungsanspruchs gegeben sind (primäre und tertiäre Klauseln), während der Versicherer die Voraussetzungen von Ausschlüssen (sekundäre Klauseln) beweisen muss.
Theo Langheid
F. Betriebsschlieβungsversicherung
Dirk-Carsten Günther
G. Ausfallversicherung
Zusammenfassung
Reisebranche sicher zu den am meisten von der Corona-Krise betroffenen Geschäftszweigen. Das gilt in besonderem Maβe für Groβveranstaltungen, die nach Auffassung der Regierungen des Bundes und der Länder in der Infektionsdynamik eine groβe Rolle spielen und deshalb nach dem Bund-Länder-Beschluss vom 15.04.2020 mindestens bis zum 31.08.2020 untersagt bleiben.1 Das betrifft gröβere Konzerte in Stadien und Veranstaltungshallen2 sowie Festivals,3 Schützen- und Volksfeste,4 Ausstellungen und Messen,5 Sportveranstaltungen wie Spiele der Fuβballbundesliga6. Die für den Sommer 2020 geplanten Olympischen Spiele in Tokio sind auf Bitte der japanischen Regierung vom IOC zunächst einmal in das Jahr 2021 verlegt worden.7 Vom Ausfall betroffen sind ferner Film- und Fernsehproduktionen, die von.
Björn Seitz, Sven-Markus Thiel
H. D&O Versicherung
Zusammenfassung
Die COVID-19-Pandemie hat die Weltwirtschaft schwer getroffen. Zur Eindämmung der Pandemie wurden weltweit von Regierungen gravierende Maβnahmen ergriffen, die das Wirtschaftsleben in vielen Bereichen faktisch zum Erliegen gebracht haben. Viele Unternehmen sind durch den Einbruch der Nachfrage oder die Beeinträchtigung der eigenen Liefer- oder Fertigungskapazitäten von heute auf morgen mit erheblichen Umsatzeinbuβen bei gleichzeitig weiterlaufenden Kosten konfrontiert. Selbst vielen gesunden Unternehmen drohte in einer solchen Situation innerhalb kürzester Zeit ein Verzehr vorhandener liquider Mittel und im schlimmsten Fall die Insolvenz. Bisherigen Unternehmens- und Finanzplanungen wird plötzlich die Grundlage entzogen und aufgrund der Unvorhersehbarkeit der zukünftigen Entwicklungen sind neue Planungen mit erheblichen Unwägbarkeiten und Risiken behaftet. Geschäftsleiter müssen gerade in solchen Situationen entschlossen handeln und häufig sehr kurzfristig unternehmerische Entscheidungen von erheblicher Tragweite treffen, die bis dahin undenkbar erschienen. In vielen Fällen werden sich diese Entscheidungen rückblickend als zu weitgehend oder falsch herausstellen. Denkbar ist aber ebenso, dass Geschäftsleitern später vorgeworfen wird, sie seien auf die Folgen der Pandemie nicht ausreichend vorbereitet oder ihr Krisenmanagement sei mangelhaft gewesen.lage entzogen und aufgrund der Unvorhersehbarkeit der zukünftigen Entwicklungen sind neue Planungen mit erheblichen Unwägbarkeiten und Risiken behaftet. Geschäftsleiter müssen gerade in solchen Situationen entschlossen handeln und häufig sehr kurzfristig unternehmerische Entscheidungen von erheblicher Tragweite treffen, die bis dahin undenkbar erschienen.
Jan Kordes
I. Haftpflichtversicherung
Zusammenfassung
Die Behandlung von Haftpflichtansprüchen aufgrund von Schäden im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten ist aus Sicht der Haftpflichtversicherer keinen Besonderheiten unterworfen.
Carsten Hösker, Jendrik Böhmer
J. Aspekte des Personenschadens
Zusammenfassung
Im Rahmen der Regulierung von Schadenersatzansprüchen aus Haftpflichttatbeständen (z.B. § 823 BGB, § 7 StVG, § 1 HPflG) schuldet der Schädiger dem Geschädigten Schadenersatz, dessen Umfang sich u.a. nach § 249 BGB richtet. Voraussetzung ist, dass zwischen dem Verhalten des Schädigers und der Körperverletzung (haftungsbegründende Kausalität)1 sowie dem Schaden (haftungsausfüllende Kausalität) ein Kausal- und Zurechnungszusammenhang besteht.1 Hierbei verlangt die höchstrichterliche Rechtsprechung einen adäquaten Kausalzusammenhang.3
Tobias Mergner
K. Reiseversicherung
Zusammenfassung
Die COVID-19-Pandemie wirkt sich weltweit auf die Mobilität und die Reisemöglichkeit aus. Fast alle Länder verhingen Ein- und Ausreiseverbote. Basierend auf den Informationen des Robert-Koch Instituts aktualisiert das Auswärtige Amt beinahe täglich die Reisewarnungen. Den Reisenden drohen durch Lockdowns, Reisebeschränkungen, Quarantäneauflagen, Flug- und Hotelstornierungen erhebliche finanzielle Einbuβen.
Christina Eckes
L. Krankenversicherung
Zusammenfassung
Auch im Bereich der Krankenversicherung macht sich die COVID-19-Pandemie bemerkbar und löst zahlreiche rechtliche Fragen aus. Dies betrifft vor allem die Krankheitskostenvollversicherung als auch die Krankentagegeldversicherung.
Joachim Grote, Alexander Beyer
M. Lebensversicherung
Zusammenfassung
In der Lebensversicherung wird die COVID-19-Pandemie sowohl auf der Leistungsseite als auch auf der Kapitalanlageseite unterschiedliche Auswirkungen nach sich ziehen. Darüber hinaus stellen sich auch hier Fragen mit Blick auf das oben1 bereits behandelteMoratorium nach Art. 240 § 1 EGBGB.
Joachim Grote, Martin Schaaf
N. Rückversicherung
Zusammenfassung
Da Erstversicherungen in den verschiedenen Sparten — wie zuvor ausgeführt — in unterschiedlicher Weise von dem Coronavirus betroffen sind, schlägt das Coronavirus naturgemäβ auch auf Rückversicherungen entsprechend durch. Das ergibt sich schlicht aus den folgenden für das Rückversicherungsrecht allgemein als Handelsbräuchen anerkannten Grundsätzen, die in den Rückversicherungsverträgen nach deutschem Recht in der Regel auch ausdrücklich vereinbart sind — nämlich dem Schicksalsteilungsgrundsatz sowie dem Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers und der Folgepflicht des Rückversicherers1.
Joachim Grote, Fabian Triesch
O. Versicherungsaufsichts- und Versicherungsunternehmensrecht
Zusammenfassung
Die Corona-Pandemie strahlt in vieler Hinsicht auch auf das Versicherungsaufsichtsrecht1 und das Versicherungsunternehmensrecht2 aus. Dementsprechend ruft die Ba- Fin in Person ihres PräsidentenHufeld die Versicherungsunternehmen zur Wachsamkeit auf. Das Coronavirus wird derzeit als erhebliche Belastung für die Branche, nicht aber als systemisches Risiko eingeschätzt.3 Dementsprechend hat die BaFin mit Pressemitteilung vom 24.03.2020 erklärt, in der Corona-Krise ihre Aufsichtspraxis und ihre Maβnahmen anzupassen.4 Das bestehende Regelwerk des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) ermöglicht ein solches Vorgehen und das damit verbundene hohe Maβ an aufsichtsbehördlicher Flexibilität. Denn nicht nur der dem deutschen Verfassungs- und Verwaltungsrecht ohnehin immanente Verhältnismäβigkeitsgrundsatz, 5 sondern auch das europarechtlich im Versicherungsaufsichtsrecht verankerte und nach Satz 3 des Erwägungsgrundes Nr. 19 der Solvency II-RL6 umfassend zu berücksichtigende Proportionalitätsprinzip,7 das mit dem Verhältnisgrundsatz aus deutscher Sicht gleichbedeutend ist,8 geben den rechtlichen Rahmen dafür.
Joachim Grote, Martin Schaaf
P. Heilwesen
Zusammenfassung
Die sog. ‘Corona-Krise’ ist ein Jahrhundert-Thema für unser Gesundheitssystem. Kein anderer Bereich des Wirtschaftslebens ist so dramatisch und unmittelbar von den Ereignissen betroffen — vordergründig natürlich schon deshalb, weil SARS-CoV-2 krank macht und Kranke eben behandelt werden müssen. Aber die Probleme und Folgen für das Gesundheitssystem sind langfristig und vielschichtig. Wie kaum ein anderes Ereignis der letzten Jahrzehnte hat die ‘Pandemie’ Strukturen und Grundgedanken des Gesundheitssystems in Frage gestellt. Kritiker einer zunehmenden Ökonomisierung des Gesundheitssystems fühlen sich bestätigt;1 Diskussionen über eine marktwirtschaftliche Ausrichtung von Krankenhäusern werden auf einmal breitentauglich und leidenschaftlich diskutiert. Eine weitere Folge der Ereignisse ist die Erkenntnis, dass bestimmte Berufsgruppen ‘systemrelevant’ sind. Das Bewusstsein darüber, dass Pflegekräfte, Ärzte, Altenpfleger, Rettungssanitäter u.v.m. „Helden des Alltags“ sind, ohne dass dies in der Vergangenheit durchweg in ausreichendem gesellschaftlichem Gehβr, finanzieller Ausstattung und rechtlich angemessenen Arbeitsbedingungen zum Ausdruck kam, ist hoffentlich keine Eintagsfliege.
Cornelius Maria Thora, Thorsten Süü
Backmatter
Metadata
Title
COVID-19
Author
Dr. Theo Langheid
Copyright Year
2020
Publisher
VVW
Electronic ISBN
978-3-96329-340-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-96329-340-5