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Published in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 3/2022

Open Access 04-05-2022 | Schwerpunkt

Der Chief Information Officer als Forschungsgegenstand: Ein Blick zurück auf vier Jahrzehnte Forschung und ein Ausblick auf zukünftige Perspektiven

Authors: Simon Kratzer, Susanne Strahringer, Markus Westner

Published in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Issue 3/2022

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Zusammenfassung

Trotz der Relevanz und des Reifegrads des Forschungsbereichs Chief Information Officer (CIO) gibt es nur wenige Studien, die den aktuellen Wissensstand objektiv und umfänglich zusammenfassen. Die vorliegende Arbeit schließt diese Forschungslücke und präsentiert eine umfassende Literaturübersicht über das CIO-Forschungsfeld unter Verwendung der Hauptpfadanalyse. Anhand einer quantitativen und qualitativen Analyse von 438 Forschungsbeiträgen werden die zentralen Arbeiten in der CIO-Forschung und verschiedene Forschungsrichtungen identifiziert. Es zeigt sich, dass sowohl etablierte Forschungsrichtungen, wie z. B. ‚Entwicklung der CIO-Rolle‘ und ‚Hierarchische Position und Beziehungen des CIOs‘, als auch neu entstehende Forschungsrichtungen, wie z. B. ‚CIO als Business Enabler‘, wachsende Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auf der Grundlage der Ergebnisse werden vielversprechende weitere Wege auf dem Gebiet der CIO-Forschung aufgezeigt, z. B. solche, die den Einfluss neuerer Technologien untersuchen.
Notes

Zusatzmaterial online

Zusätzliche Informationen sind in der Online-Version dieses Artikels (https://​doi.​org/​10.​1365/​s40702-022-00878-5) enthalten.

1 Einführung

Mit der zunehmenden Bedeutung von Informationstechnologie (IT) und Informationssystemen (IS) in Unternehmen und der Notwendigkeit, neue Technologien zu nutzen, um Unternehmenswachstum zu ermöglichen, kommt der Rolle des Chief Information Officers (CIOs) als ranghöchster Führungskraft in der IT eine hohe Bedeutung zu. Entsprechend wird der CIO in der Wirtschaftsinformatikforschung umfassend untersucht, z. B. im Hinblick auf seine Rolle (Applegate und Elam 1992; Peppard et al. 2011), seinen Rang (Raghunathan und Raghunathan 1989) und seine Beziehungen zu verschiedenen Gruppen (Feeny et al. 1992; Preston et al. 2006). Die Rolle des CIOs, die als technischer Manager begann (Ives und Olson 1981), entwickelte sich über die Zeit zu einer Führungskraft, die inzwischen Teil des Top-Management-Teams (TMT) ist (Couger und Amoroso 1989; Stephens et al. 1992). Mit diesem Wandel veränderte sich die Rolle des CIOs von einer rein angebotsorientierten zu einer mehr und mehr nachfrageorientierten Rolle, die nicht nur die IT betreiben, sondern auch neue Geschäftsmöglichkeiten initiieren und ermöglichen muss (Chen et al. 2010), z. B. mit Hilfe von disruptiven Technologien (Li et al. 2021) und digitaler Transformation (Haffke et al. 2016; Pabst von Ohain 2019). Das Gleichgewicht zwischen angebots- und nachfrageseitiger Führung stellt CIOs vor widersprüchliche Prioritäten (Mehta et al. 2019). Da die Führung auf der Nachfrageseite rasch an Bedeutung gewinnt, müssen CIOs Ambidextrie beherrschen, um IT-gestützte Geschäftsinnovation und digitale Transformation voranzutreiben (Bekkhus und Hallikainen 2017; Kalgovas et al. 2014b).
Der CIO ist bereits seit fast 40 Jahren Gegenstand der Forschung, und das Feld zieht aufgrund seiner Relevanz nach wie vor hohe Forschungsaufmerksamkeit auf sich. Folglich haben frühere Arbeiten die CIO-Forschung untersucht und analysiert und Einblicke in das Forschungsfeld gegeben (z. B. Drechsler 2020; Hütter und Riedl 2017; Karahanna und Watson 2006). Alle bisherigen Ansätze sind jedoch entweder auf ein bestimmtes Thema aus der CIO-Forschung fokussiert oder sind durch die qualitative Methodik im Umfang limitiert. Ein ganzheitlicher und quantitativer Ansatz fehlt bisher, so dass ein State-of-the-Art-Beitrag der CIO-Forschung als Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Forschungsagenda nach wie vor als sinnvoll erscheint.
Der vorliegende Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Nach der Einführung werden die Ergebnisse früherer Literaturübersichten zur CIO-Forschung dargestellt. Darauf aufbauend wird die im Beitrag angewandte Methodik einer bibliometrischen Analyse und die Datenerhebung beschrieben. Die Ergebnisse dieser Analyse werden in Form dominierender Forschungsströmungen vorgestellt. In einem letzten Schritt werden Trends in der CIO-Forschung aufgezeigt und eine Forschungsagenda vorgeschlagen.

2 Frühere Literaturübersichten der CIO-Forschung

Die CIO-Forschung war Gegenstand von Literaturübersichten in verschiedenen Publikationen (Drechsler 2020; Ghawe und Brohman 2016; Hütter und Riedl 2017; Karahanna und Watson 2006; Menz 2012; Shawosh 2018; Singh 2015). Alle genannten Literaturübersichten basieren auf qualitativ-deskriptiven Ansätzen mit begrenzten Stichprobengrößen. Die Durchführung einer deskriptiven Literaturübersicht ist anspruchsvoll und daher durch die Wissensstruktur, die Zeit und die Ressourcen der Autoren begrenzt (Raghuram et al. 2010). Daher ist die Anzahl der analysierbaren Arbeiten natürlich begrenzt und begründet die überschaubaren Stichprobengrößen.
Vier der bisherigen Literaturübersichten (Ghawe und Brohman 2016; Hütter und Riedl 2017; Menz 2012; Singh 2015) konzentrieren sich auf einen spezifischen Teilbereich der CIO-Forschung. Menz (2012) analysiert 39 Artikel und beschreibt die vorhandene Literatur zu funktionalen TMT-Mitgliedern, stellt sie einander gegenüber und vergleicht sie. Drei Jahre später klassifiziert Singh (2015) 28 Arbeiten in drei verschiedene Forschungsrichtungen und geht auf bestehende Lücken in der Forschung zur Effektivität der CIO-Rolle ein. Ghawe und Brohman (2016) konzentrieren sich auf Führungseigenschaften und -stile und entwickeln einen CIO-Führungsrahmen, indem sie insgesamt 48 Artikel analysieren. Hütter und Riedl (2017) identifizieren sechs Typen von CIO-Rollen in der bestehenden Literatur und entwickeln darauf aufbauend ein Modell der CIO-Rolleneffektivität, indem sie 98 Artikel in einem Zeithorizont von 35 Jahren analysieren. Dieser Beitrag ist der umfassendste unter den vorhandenen Übersichten.
Die anderen Literaturübersichten befassen sich mit dem CIO-Forschungsfeld in allgemeinerer Form. Die ersten, die die CIO-Forschung zusammenfassen und die vorherrschenden Themen identifizieren, sind Karahanna und Watson (2006) mit insgesamt sieben Strömungen aus einer Stichprobengröße von 43 Artikeln. Einige Jahre später fasst Shawosh (2018) die CIO-Forschung von 2007 bis 2017 zusammen und leitet einen Rahmen für die strategische Führung von Informationstechnologien sowie theoretische und praktische Implikationen ab. Die jüngste Veröffentlichung, der Artikel von Drechsler (2020), untersucht den Beitrag von IT-Führungskräften zum Unternehmenserfolg.
Die Literaturbestände, die diesen Übersichten zugrunde liegen, können nicht das gesamte CIO-Forschungsfeld abdecken, da das CIO-Forschungsfeld als reif einzuschätzen ist und eine so große Anzahl von Publikationen aufweist, dass diese nur mit quantitativen Methoden mit vertretbarem Aufwand erschlossen werden können. Quantitative Methoden sind insbesondere dann hilfreich, wenn es um die Identifikation der Hauptforschungsströmungen im Zeitverlauf geht.

3 Methodik und Datenerhebung

Im vorliegenden Beitrag wird daher mit einer bibliometrischen Analyse gearbeitet, bei denen Zitationsbeziehungen zwischen Arbeiten analysiert werden. Zitationsbeziehungen zwischen Forschungspublikationen werden als eine Möglichkeit angesehen, gegenseitige Bezugnahmen nachzuvollziehen und die Entwicklung des Wissens zu verfolgen (Garfield et al. 1964). Mit Hilfe der bibliometrischen Daten in der CIO-Forschung lässt sich ein Zitationsnetzwerk aufbauen, das die Wissensverbreitung in diesem Bereich veranschaulicht. Es gibt verschiedene quantitative Methoden zur Analyse solcher bibliometrischen Daten (Chen 2006). Im vorliegenden Beitrag wird die Hauptpfadanalyse verwendet (Hummon und Dereian 1989; Verspagen 2007), da sie nicht nur die Anzahl der Zitationen einer Arbeit berücksichtigt, sondern die Zitationsbeziehung zwischen zwei Arbeiten selbst analysiert.
Die Hauptpfadanalyse hat mehrere Vorteile. Erstens hilft sie, den Hauptwissensfluss eines Forschungsfeldes nachzuvollziehen und die Entstehung und Entwicklung von Forschungsströmen im Laufe der Zeit zu identifizieren (Liang et al. 2016; Liu et al. 2013). Zweitens identifiziert die Hauptpfadanalyse die direkte und indirekte Bedeutung eines Forschungsbeitrags innerhalb eines bestimmten Forschungsfeldes, indem sie die am häufigsten durchlaufenen Pfade einbezieht, hervorhebt und andere ausschließt (Hung et al. 2014). Drittens ermöglicht die Methode die objektive Identifizierung von Forschungsströmen durch Zitationsbeziehungen und vermeidet subjektive Interpretationen der Literatur und ihrer Forschungsfelder durch Forscher (Raghuram et al. 2010).
Um eine umfassende Anzahl an Veröffentlichungen zum Thema CIO zu erhalten, wurde die Zitationsdatenbank Scopus als Hauptdatenquelle für diese Studie verwendet. Abb. 1 gibt einen Überblick über den Prozess der Datenerhebung, -bereinigung und -aufbereitung. Um den Datensatz mit Artikeln zu ergänzen, die nicht in Scopus indexiert sind, wurden zum einen weitere Datenbanken durchsucht und zum anderen Zitationen aus den existierenden CIO-Literaturübersichten untersucht. Zusätzliche relevante Arbeiten wurden manuell zum Datensatz hinzugefügt.
Das aus den 438 identifizierten Publikationen entstehende Zitationsnetzwerk mit insgesamt 2376 Zitaten wurde mit einem selbst entwickelten Python-Skript erstellt. Um sicherzustellen, dass alle Zitate identifiziert werden, wurde ein Fuzzy-Matching von Titel und Erscheinungsjahr innerhalb der Referenzen durchgeführt und zusätzlich alle Referenzen, die der Algorithmus nicht mit einer exakten Übereinstimmung identifiziert hat, manuell überprüft. Wie schon in anderen Untersuchungen (z. B. Hung et al. 2014) wurde die Software Pajek (Batagelj und Mrvar 1998) verwendet, um den globalen Hauptpfad sowie die globalen Schlüsselrouten-Hauptpfade zu berechnen. Zu weiteren Details der Methodik siehe Online-Material 1 sowie Kratzer et al. (2022).

4 Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse einer globalen Hauptpfadanalyse und einer sich anschließenden Analyse von Schlüsselrouten zur Identifikation von Abzweigungen vom Hauptpfad vorgestellt.1
Der zentrale Pfad der CIO-Forschung (Hauptpfad) besteht aus 16 Arbeiten von 1982 bis 2020, die von 34 Forschern verfasst wurden. Berücksichtigt man zusätzlich noch die wichtigsten Abzweigungen vom Hauptpfad, lassen sich insgesamt sieben Forschungsstränge identifizieren. Dies sind in zeitlicher Ordnung ihrer Entstehung: Entwicklung der CIO-Rolle (1982), Hierarchische Position und Beziehungen des CIOs (1989), CIO-Einflussverhalten (1994), Strategische IT-Ausrichtung (1999), Ernennung, Fluktuation und Vergütung von CIOs (2001), CIO als Business Enabler (2009) sowie CIO im öffentlichen Sektor (2011). Im Folgenden wird jeder Forschungszweig vorgestellt.

4.1 Entwicklung der CIO-Rolle

In den 1980er-Jahren entwickeln sich CIOs von technischen Managern, die sich auf den IT-Betrieb konzentrieren, zu Führungskräften, die Initiativen von strategischer Bedeutung für das Unternehmen leiten (Benjamin et al. 1985; Rockart et al. 1982). In den 90er-Jahren besetzen CIOs mit zunehmender Regelmäßigkeit Führungspositionen und werden oft sogar Teil des TMTs (Stephens et al. 1992). Außerdem berichten immer mehr CIOs direkt an den CEO und müssen als Voraussetzung ein umfassendes Geschäftsverständnis mitbringen, da sie mehr mit den Fachbereichen interagieren (Applegate und Elam 1992; Grover et al. 1993).
Die Bedeutung der IT in Unternehmen nimmt um und nach der Jahrtausendwende rapide zu. Von CIOs wird häufig erwartet, dass sie sich zu Unternehmensvisionären wandeln und sich auf die Unternehmensstrategie konzentrieren, während sie gleichzeitig die IT betreiben und eine hohe Rentabilität der IT-Investitionen erzielen sollen (Chun und Mooney 2009; Ross und Feeny 1999; Weill und Woerner 2013). Steigende IT-Investitionen führen dazu, dass Unternehmen die Rentabilität solcher Investitionen genauer prüfen. In der Folge erhält die Debatte über den Wert und die Effektivität von CIOs und deren Auswirkung auf die Unternehmensleistung erhöhte Aufmerksamkeit (Peppard 2010; Preston et al. 2008). Um die Effektivität von CIOs zu erhöhen, schlagen Peppard et al. (2011) vor, den geeigneten CIO aus fünf verschiedenen Rollentypen zu bestimmen, basierend auf der Kritikalität der IT für den Wettbewerbsvorteil sowie der Reife der IT-Führungsfähigkeiten in der Organisation. Außerdem kann die Art und Weise, wie CIOs wahrgenommen werden, ihre Rolle im Unternehmen beeinflussen. Gonzalez et al. (2019) stellen fest, dass bestimmte Stereotypen über CIOs die Wahrnehmung über deren Eignung für eine strategische Rolle beeinflussen. Jüngste Fortschritte in den Bereichen Analytics und Big Data lassen vermuten, dass sich die Rolle des CIOs ein weiteres Mal verändern wird (Morabito et al. 2016; Themistocleus et al. 2016).
So wie sich die Rolle des CIOs weiterentwickelt, ändern sich auch die Kompetenzen, die erforderlich sind, um die Rolle effektiv auszufüllen. Daher hat sich aus dem Hauptforschungszweig Entwicklung der CIO-Rolle ein Unterzweig entwickelt, der als CIO-Kompetenzen bezeichnet werden kann. Diese Veröffentlichungen befassen sich mit einer Vielzahl von erforderlichen Kompetenzen für die CIO-Rolle, z. B. IT-Managementfähigkeiten (Chen und Wu 2011), Wahrnehmungen bezüglich der erforderlichen Kompetenzen (Correia und Joia 2014; Joia und Correia 2018), Kompetenzen im digitalen Zeitalter (Noonpakdee et al. 2020) und Kernkompetenzen im Allgemeinen (van Toorn et al. 2019).

4.2 Hierarchische Position und Beziehungen des CIOs

Innerhalb dieses Forschungszweigs entwickeln sich vier Teilbereiche, nämlich Hierarchische Position des CIOs, CIO/CEO-Beziehung, CIO/TMT-Beziehung und Berichtsstruktur des CIOs.
Der Teilbereich Hierarchische Position des CIOs erscheint zuerst auf den Schlüsselrouten-Hauptpfaden in Form der Arbeit von Raghunathan und Raghunathan (1989). Mit der zunehmenden Bedeutung der IT in der Geschäftswelt müssen Organisationen die notwendigen Änderungen im Rang der IT-Führungskräfte abbilden (Karimi et al. 1996; Raghunathan und Raghunathan 1989). Um ihren „gehobenen Status“ widerzuspiegeln, erhalten einige IT-Manager bereits den Titel „Chief Information Officer“. Mit dem Aufstieg in das TMT müssen die CIOs ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in den Bereichen Geschäftsbetrieb sowie Strategie und Management erweitern (Karimi et al. 1996). Nach etwa 20 Jahren, in denen CIOs Teil von TMTs sind, wird der Wert der CIO-Präsenz diskutiert. Studien zeigen, dass die Einbeziehung des CIOs in das TMT zur langfristigen Unternehmensleistung beiträgt, da sie unter anderem die Heterogenität im TMT erhöht (Ranganathan und Jha 2008; Taylor 2015; Taylor und Vithayathil 2018). Dieser Effekt verstärkt sich bei Unternehmen in dynamischen Umgebungen (Hu et al. 2014). Außerdem kann sich ein Unternehmen mit einem CIO im TMT schneller von den Verlusten und Schäden durch IT-Sicherheitsverletzungen erholen (Zafar et al. 2016). Die Wahrscheinlichkeit solcher IT-Sicherheitsverletzungen ist bei einem risikoscheuen CIO sogar geringer (Feng und Wang 2019).
Der zweite Teilbereich der Forschung betrifft die CIO/CEO-Beziehung. Eine strategische Partnerschaft zwischen CIO und CEO, die ihre sich ergänzenden Kenntnisse, Fähigkeiten und Netzwerke kombinieren, ist erforderlich, um die IT erfolgreich als Wettbewerbsvorteil zu nutzen (Feeny et al. 1992; Gupta 1991). Je enger die Beziehung zwischen CIO und CEO ist, desto stärker sind die positiven Auswirkungen von IT-Investitionen auf die Unternehmensleistung (Li und Ye 1999). Wichtige Faktoren, die zur CIO/CEO-Beziehung und damit zum Unternehmenserfolg beitragen, sind Kommunikation (Hütter et al. 2016; Johnson und Lederer 2005) sowie gegenseitiges Vertrauen und Verständnis (Arnitz et al. 2017; Benlian und Haffke 2016; Johnson und Lederer 2010). Insbesondere Benlian und Haffke (2016) stellen fest, dass die tatsächlichen Meinungen der beiden Führungskräfte zu Business- und IT-Themen viel ähnlicher sind, als sie es wahrnehmen. Diese Wahrnehmungsverzerrung nimmt mit effektiverer Kommunikation ab.
Neben der Beziehung zum CEO ist die CIO/TMT-Beziehung eine wesentliche Voraussetzung für die Unternehmensleistung. Die Kluft im Verständnis zwischen dem CIO und dem TMT, die oft aus einem begrenzten Verständnis des CIOs für das Geschäft und des TMTs für IT resultiert, muss überbrückt werden, da sie sich negativ auf die strategische Ausrichtung der IT auswirkt (Feeny et al. 1992; Gupta 1991; Preston 2004; Preston et al. 2006). Ein gemeinsames Verständnis zwischen CIO und TMT ist u. a. eine wichtige Vorbedingung für die strategische IT-Ausrichtung und damit auch für den Unternehmenserfolg (Karahanna und Preston 2013; Preston und Karahanna 2009a).
Der letzte Teilbereich der Forschung, der sich aus diesem Zweig entwickelt, ist die Berichtsstruktur des CIOs. Der CIO berichtet in der Regel entweder an den CEO oder den CFO (Armstrong und Sambamurthy 1999). Die meisten Studien sprechen sich für eine direkte Berichtsstruktur des CIOs an den CEO aus, um das Bewusstsein für kritische Themen und das Verständnis des CIOs für strategische Anforderungen zu erhöhen (Preston und Karahanna 2009a; Raghunathan und Raghunathan 1989). Banker et al. (2011) hingegen argumentieren, dass der CIO nicht immer an den CEO berichten muss, um den strategischen Wert des CIOs aufzuzeigen, sondern dass Unternehmen die Berichtsstruktur an der strategischen Positionierung des Unternehmens ausrichten sollten. Während Unternehmen mit einer Differenzierungsstrategie dazu neigen, ihren CIO dem CEO zu unterstellen, bevorzugen Kostenführer den CFO als direkten Vorgesetzten des CIOs. Aljazzaf et al. (2019) zeigen, dass die optimale Berichtsstruktur von mehreren Faktoren abhängt und ihre Auswirkungen auf die Unternehmensleistung von Unternehmen zu Unternehmen variieren.

4.3 CIO-Einflussverhalten

Der Forschungszweig CIO-Einflussverhalten unterscheidet sich von anderen Zweigen dadurch, dass er nicht vom globalen Hauptpfad abzweigt, sondern auf diesem bleibt und ihn über mehrere Jahre hinweg prägt. Um strategische IT-Projekte erfolgreich voranzutreiben, müssen CIOs in der Lage sein, Einfluss auf ihre Kollegen im TMT auszuüben (Enns et al. 2001, 2003a, b). Ohne die erforderlichen Fähigkeiten zur Einflussnahme wird man, unabhängig vom technischen Hintergrund, möglicherweise gar nicht erst für die CIO-Rolle ausgewählt (Enns et al. 2003a). Die spezifischen Verhaltensweisen zur Einflussnahme müssen jedoch sorgfältig ausgewählt werden, da sie zu diametral entgegengesetzten Ergebnissen führen können. CIOs, die rationale Überzeugungskraft oder persönliche Ansprache ausüben, fördern tendenziell das Engagement des TMTs, während Austausch und Druck als Einflussverhalten zum Widerstand des TMTs führen (Enns et al. 2003b). Doch das Einflussverhalten von CIOs reicht nicht immer aus, um der negativen Wahrnehmung der IT-Organisation innerhalb des TMTs entgegen zu wirken (Hirschheim et al. 2003). Enns et al. (2007) empfehlen, spezifische Verhaltensweisen zur Beeinflussung je nach Art der Initiative (strategisch vs. inkrementell) und des CIO-Typs (echter Peer vs. unterstützender Untergebener) einzusetzen. Darüber hinaus schlagen Enns et al. (2011) eine Reihe von Faktoren vor, die helfen können, konkurrierende Werte zu überwinden, wenn Unterstützung für neue Projekte benötigt wird.

4.4 Strategische IT-Ausrichtung

Die strategische IT-Ausrichtung steigert die geschäftliche Wirksamkeit der IT, da sie eine bessere Planung und Risikominderung von IT-Projekten ermöglicht (Kearns und Lederer 2003; Kearns und Sabherwal 2006). Dieser Forschungszweig unterscheidet sich von den anderen Zweigen, da sich seine Arbeiten nicht direkt auf den CIO beziehen. Einerseits hat der CIO jedoch Einfluss auf die strategische IT-Ausrichtung, und andererseits können aus den Ergebnissen dieser Arbeiten Schlussfolgerungen für den CIO gezogen werden. Durch die prominente Platzierung des Forschungsstrangs auf dem Hauptpfad ist er nach wie vor ein wichtiger Teil des CIO-Zitationsnetzwerks. Der CIO ist der Hauptverantwortliche für die strategische Ausrichtung der IT, da seine Beteiligung an der Geschäftsplanung die Ausrichtung positiv beeinflusst (Kearns und Lederer 2003). Insbesondere die Geschäfts- und IT-Kenntnisse eines CIOs und, daraus folgend, die Fähigkeit, neue Geschäftsmöglichkeiten durch IT zu entwickeln und zu bewerten, tragen positiv zur Assimilation von IT und IT-bezogenen Fähigkeiten bei (Armstrong und Sambamurthy 1999; Wu et al. 2008). Das Hauptanliegen von CIOs ist es, eine Abstimmung mit den anderen Mitgliedern des TMTs zu erreichen (Johnson und Lederer 2010). Die kognitive Ähnlichkeit von Geschäfts- und IT-Führungskräften kann dabei helfen, diese Ausrichtung zu erreichen (Tan und Gallupe 2006). Preston und Karahanna (2009b) schlagen verschiedene Mechanismen für CIOs vor, um eine gemeinsame IT-Vision mit dem TMT herbeizuführen, die als Grundlage für die strategische Ausrichtung dient. Gerow et al. (2015) kommen zu dem Schluss, dass die Abstimmung von Geschäfts- und IT-Strategie allein nicht ausreicht, um die finanzielle Leistungsfähigkeit erheblich zu steigern. Die IT-Infrastruktur muss auf die Strategie abgestimmt sein, um höhere Gewinne zu erzielen. In neueren Studien wird der positive Einfluss der Unternehmenskultur auf die IT-Ausrichtung und ihre Verbindung mit der digitalen Geschäftsstrategie erörtert (Chtourou Ben Amar und Ben Romdhane 2019; Wunderlich 2018).

4.5 Ernennung, Fluktuation und Vergütung von CIOs

Der Forschungszweig Ernennung, Fluktuation und Vergütung von CIOs ist ein Sonderfall, da er sich aus zwei verschiedenen Forschungszweigen entwickelt hat: Strategische IT-Ausrichtung und CIO als Business Enabler. Mögliche Gründe für das Auftauchen eines Forschungsstroms aus zwei verschiedenen Zweigen sind, dass ein populärer Beitrag im jeweiligen Strom den früher veröffentlichten Beitrag nicht zitiert oder dass der zeitliche Abstand zwischen dem Auftauchen des Themas zu groß ist.
Mit der zunehmenden strategischen Bedeutung von IT-Fähigkeiten in Unternehmen ernennen immer mehr Unternehmen einen CIO (Chatterjee et al. 2001). Studien von Chatterjee et al. (2001) und Khallaf und Skantz (2007) kommen zu dem Schluss, dass solche Erstbesetzungen zu einer positiven Marktwahrnehmung und folglich zu einem Anstieg der Unternehmensbewertung führen. Khallaf und Skantz (2011) ergänzen diese Ergebnisse, indem sie die Verbesserung der langfristigen Unternehmensleistung untersuchen. Während die Ernennung einer neuen CIO-Position die langfristige Unternehmensleistung steigert, schneiden Unternehmen, die CIOs erneut ernennen, noch besser ab (Khallaf und Skantz 2011). Darüber hinaus stellen Khallaf und Skantz (2011) fest, dass Unternehmen, die zum ersten Mal eine CIO-Position einrichten, ihre Kostenstruktur senken und die Rendite steigern können. Neben der Unternehmensleistung erhöht die Ernennung einer neuen CIO-Position auch die F&E-Produktivität und die Innovationseffizienz (Hsu und Liu 2019; Khallaf und Skantz 2015). Alle genannten Effekte sind besonders stark bei IT-Firmen und Unternehmen in einem hochdynamischen Marktumfeld ausgeprägt.
Darüber hinaus wird in aktuellen Artikeln die Fluktuation von CIOs infolge von Schwächen in den IT-Kontrollsystemen oder Sicherheitsvorfällen diskutiert. Es wurde festgestellt, dass Sicherheitsverletzungen aufgrund von Systemmängeln die CIO-Fluktuation stark erhöhen (Banker und Feng 2019). Andererseits gibt es Hinweise darauf, dass Unternehmen ihre CIOs nach der Offenlegung von wesentlichen IT-Schwachstellen lieber in ihrer Position belassen, als sie auszutauschen (Li et al. 2019). Die Fluktuation von CIOs hat jedoch einen positiven Einfluss auf die Behebung von IT-Schwachstellen.
Schließlich gibt es einen kleinen Forschungszweig, der sich mit dem Thema CIO-Vergütung befasst und erörtert, was die Vergütung bestimmt und welche Faktoren weitere finanzielle Anreize setzen (Richardson et al. 2018; Yayla und Hu 2014).

4.6 CIO als Business Enabler

Mit der zunehmenden Bedeutung der IT – nicht nur für die Bereitstellung von Dienstleistungen, sondern auch für das Wachstum des Unternehmens durch die Entwicklung von Produkten – entwickelt sich ein neuer Forschungszweig, der den CIO als Business Enabler analysiert. Innerhalb dieser Forschungsrichtung wurden die drei Teilbereiche Ambidextrie, Digitale Transformation und IT-gestützte Geschäftsinnovation identifiziert.
Der erste Teilbereich wird als Ambidextrie bezeichnet. Da das geschäftliche und technologische Umfeld in Unternehmen immer komplexer und dynamischer wird, verlagern sich die Aufgaben des CIOs vom reinen Betrieb der IT, d. h. der Führung auf der Angebotsseite, auf die zusätzliche Erschließung neuer Geschäftsmöglichkeiten, d. h. die Führung auf der Nachfrageseite (Al-Taie et al. 2013; Chen et al. 2010; Chun und Mooney 2009). Das Konstrukt der angebots- und nachfrageseitigen Führung wurde erstmals von Broadbent und Kitzis (2005) vorgestellt. Ein Rahmen, der diese Kombination zwischen explorativen und verwertenden Aktivitäten mit widersprüchlichen Prioritäten untersucht, wird als Ambidextrie bezeichnet (Kalgovas et al. 2014b). Kalgovas et al. (2014b) stellen spezifische Hindernisse für explorative und verwertende Aktivitäten sowie für den Ausgleich von „Explore“ und „Exploit“ vor. Um diese Hindernisse zu überwinden, geben Kalgovas et al. (2014a) mehrere Empfehlungen. Bekkhus und Hallikainen (2017) bieten einen dualistischen Werkzeugkasten für CIOs, um Ambidextrie zu erreichen. Chen et al. (2010) konzeptualisieren das Konstrukt der angebots- und nachfrageseitigen Führung und argumentieren, dass es sich für CIOs um ein gestuftes Reifegradmodell handelt, bei dem die angebotsseitige Führung die Grundlage und die nachfrageseitige Führung die fortgeschrittenere Stufe darstellt. Al-Taie et al. (2018) unterstützen dieses Argument und empfehlen außerdem, dass sich neu ernannte CIOs zunächst darauf konzentrieren sollten, „die Lichter am Brennen zu halten“, bevor sie zu strategischeren Zielen übergehen.
Der zweite Teilbereich befasst sich mit der digitalen Transformation. Die digitale Transformation spielt in Unternehmen eine immer größere Rolle. Um eine Organisation erfolgreich zu transformieren, muss man sowohl die Führung auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite nutzen (Haffke et al. 2016; Kohli und Johnson 2011). In dem Maße, wie die digitale Technologie in nahezu alle Teilbereiche eines Unternehmens vordringt, beginnen Unternehmen, eine eigene Rolle für das Management digitaler Fähigkeiten zu schaffen, nämlich den Chief Digital Officer (CDO) (Gerth und Peppard 2016; Haffke et al. 2016). Diese neue Rolle ermöglicht es dem CIO, sich wieder auf die Führung auf der Angebotsseite zu konzentrieren. Dieser Aufbau birgt jedoch das Potenzial für eine Überschneidung der Zuständigkeiten und damit für Konflikte, wenn beide Rollen nicht richtig aufeinander abgestimmt sind (Haffke et al. 2016).
Der jüngste Teilbereich der Forschung, der sich aus dem globalen Hauptpfad entwickelt, befasst sich mit dem CIO im Kontext der IT-gestützten Geschäftsinnovation. Saldanha und Krishnan (2011) stellen fest, dass bei CIOs eine direkte Berichtsstruktur an den CEO, die Beteiligung an der Produktentwicklung sowie die Interaktion mit Kunden positiv mit der Neigung eines Unternehmens zu IT-gestützter Geschäftsinnovation verbunden sind. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine bereichsüberschreitende Rolle des CIOs hin zu Einheiten außerhalb der IT von Vorteil ist. Malladi und Krishnan (2012) zufolge wirkt sich Cloud Computing außerdem positiv auf die strategische Ausrichtung des CIOs aus, da es ihm einen Teil der eher operativen Arbeit abnimmt. IT-Leistungsfähigkeit wirkt sich generell positiv auf die Rolle des CIOs bei IT-gestützten Geschäftsinnovationen aus (Wunderlich und Beck 2018).

4.7 CIO im öffentlichen Sektor

CIOs sind auch für öffentliche Einrichtungen von großer Bedeutung, um das volle Potenzial der IT auszuschöpfen (Dawson und Watson 2011; Hussain et al. 2016). Da CIOs im öffentlichen Sektor mit anderen Herausforderungen konfrontiert sind als in der Privatwirtschaft, ist es nicht verwunderlich, dass ein separater Forschungszweig, CIO im öffentlichen Sektor, über diese spezifische Rolle aus dem Forschungszweig Entwicklung der CIO-Rolle hervorgeht (Dawson et al. 2016). Dawson und Watson (2011) identifizieren fünf Archetypen von CIOs des öffentlichen Sektors und kommen zu dem Schluss, dass der geschäftsorientierte CIO am effektivsten ist, da dieser Archetyp es versteht, sich mit den richtigen Stakeholdern abzustimmen und andere strategisch zu ignorieren. Dawson et al. (2016) zufolge muss der CIO entweder sehr viel Erfahrung als CIO im öffentlichen Sektor haben oder aus der Privatwirtschaft kommen, um effektiv Innovationen zu schaffen. Vor allem Einrichtungen auf lokaler Ebene oder in Entwicklungsländern haben jedoch Probleme, eine CIO-Position einzurichten, einen konkreten CIO zu gewinnen und diesen zu halten (Estevez und Janowski 2014; Hussain et al. 2016). Estevez und Janowski (2014) stellen daher eine Methodik für die Einrichtung und den Erhalt dieser Position vor. Darüber hinaus zeigen mehrere Studien Defizite bei der Aus- und Weiterbildung von CIOs im öffentlichen Sektor auf und geben Empfehlungen für deren Verbesserung (Estevez und Janowski 2013; Gharawi et al. 2014).
Die vorliegende Analyse zeigt mehrere Trends in der CIO-Forschung auf und bestätigt die Zukunftsfähigkeit lang bestehender Forschungsstränge. Mit Ausnahme des Forschungsstrangs CIO-Einflussverhalten, der 2011 stagnierte und hauptsächlich von einigen wenigen Forschern geprägt wurde, weist die kumulierte Anzahl der Veröffentlichungen in den identifizierten Forschungsströmen ein mehr oder weniger konstantes Wachstum auf. Dieses Wachstum deutet auf ein stetig wachsendes Interesse an der CIO-Forschung hin, da bereits seit langem bestehende Forschungsrichtungen weiterhin florieren, während sich neue Trends abzeichnen. Auch die Beiträge des vorliegenden Schwerpunktheftes lassen sich gut in diese Trends und Forschungslücken einordnen.
Die beiden Forschungsstränge Entwicklung der CIO-Rolle und Hierarchische Position und Beziehungen des CIOs bilden die Grundlage der CIO-Forschung, da sie in allen vorhandenen Literaturübersichten enthalten sind und auch durch die vorliegende Analyse bestätigt werden. Da die Auswirkungen der IT die Geschäftswelt stark verändern, sind auch die Rolle des CIOs selbst und sein Umfeld einem Wandel unterworfen und wecken daher das Interesse an diesen Forschungsbereichen.
In den letzten 20 Jahren haben sich in der CIO-Forschung aber auch mehrere neue Forschungsrichtungen entwickelt. Auf der Grundlage der Hauptforschungsströme und der zentralen Arbeiten, die durch die Analyse der Hauptpfade sowie durch frühere Literaturübersichten identifiziert wurden, werden im Folgenden Forschungslücken aufgezeigt und Themen für die künftige Forschung innerhalb der am meisten im Trend liegenden Forschungsströme vorgeschlagen. Abb. 2 zeigt eine Übersicht über die Hauptforschungsströme und die zukünftigen Richtungen in der CIO-Forschung innerhalb der drei am meisten im Trend liegenden Forschungsströme.
Innerhalb des Forschungsstroms Entwicklung der CIO-Rolle wurden Lücken identifiziert, wie sich die Rolle des CIOs im Hinblick auf das Aufkommen neuer Technologien, die strategische Ausrichtung des Gesamtunternehmens sowie im Kontext kleiner und mittlerer Unternehmen (KMUs) entwickeln muss. Während Morabito et al. (2016) die Auswirkungen der Big-Data-Analytik auf die Rolle des CIOs erörtern, gibt es nur sehr wenige Studien, die die Auswirkungen neuer Technologien, die mehr technisches Fachwissen erfordern oder wie KI auf anderen Ebenen eine Herausforderung darstellen, auf die Rolle des CIOs analysieren. Außerdem fehlt in der aktuellen Literatur ein klares Bild der CIO-Rollen, die in Abhängigkeit von der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens benötigt werden. Es wurde festgestellt, dass sich die traditionelle Wirtschaftsinformatikforschung und insbesondere die CIO-Forschung hauptsächlich mit großen Unternehmen befasst. KMUs sind jedoch ebenfalls zunehmend von Informationssystemen abhängig und benötigen ein ausgefeiltes IT-Management und eine entsprechende Führung (Cragg et al. 2013; Premkumar 2003). Da die Herausforderungen des IT-Managements in KMUs einzigartig sind (Premkumar 2003), ist eine Weiterentwicklung der CIO-Rolle im Kontext von KMUs erforderlich. Ein erster Ansatzpunkt für die Lösung des IT-Führungsproblems in KMUs zeichnet sich durch das Konzept sogenannter „Fractional CIOs“ ab, die jeweils mehrere KMUs zeitgleich als CIO betreuen, dabei aber wie ein klassischer CIO in die jeweiligen Organisationen integriert sind und sich damit deutlich von einem IT-Strategieberater oder einem Interimsmanager unterscheiden (Kratzer 2022).
Zum Forschungsstrom Entwicklung der CIO-Rolle leisten Brenner und Brenner (2022) im vorliegenden Schwerpunktheft einen Beitrag, in dem sie CIOs zu Wort kommen lassen, die ihre aktuelle Rolle beleuchten, aber auch aufzeigen, was sie für die Zukunft erwarten. Die in dem fiktiven Gespräch zu Wort kommenden CIOs beleuchten aber auch viele der anderen im Folgenden genannten Themenbereiche. Dies trifft auch auf den Beitrag von Hillebrand et al. (2022) zu. Die Autoren identifizieren Schlüsselfaktoren erfolgreicher CIOs, die beginnend bei persönlichen Eigenschaften über notwendige Konsequenzen bis hin zu gesetzten Schwerpunkten reichen, und führen diese in einem Rahmenwerk zusammen. Im Forschungsstrom Hierarchische Position und Beziehungen des CIOs wurden Lücken identifiziert, die sich mit der Entstehung neuer IT-Führungsrollen in einer Organisation befassen. Es gibt mehrere Studien zur Berichtsstruktur des CIOs (Aljazzaf et al. 2019; Banker et al. 2011; Raghunathan und Raghunathan 1989). Da die IT-Funktion in Organisationen jedoch reift, ist der CIO möglicherweise nicht die einzige IT-Führungskraft in der Organisation. Daher stellt sich die Frage, wie eine optimale Berichtsstruktur im Falle von zwei oder mehr IT-Führungskräften, wie einem CIO, CDO oder CTO, in einer Organisation gestaltet werden kann. Ähnlich wie die Berichtsstruktur war die Kommunikationshäufigkeit und -effektivität zwischen CIO und CEO sowie anderen TMT-Mitgliedern Gegenstand zahlreicher Studien (Hütter et al. 2016; Johnson und Lederer 2005), während andere IT-Führungskräfte, wie der CDO oder CTO, bisher nicht untersucht wurden.
Zum Feld Beziehungen des CIOs leisten Hess und Sciuk (2022) im vorliegenden Schwerpunktheft einen Beitrag, in dem sie die Beziehung zwischen CEO und CDO beleuchten. Das Thema Hierarchische Position wird im Beitrag von Sundermeier und Steenblock (2022) für den allgemeineren Fall von CTOs aus einer Gender-Perspektive betrachtet. Insbesondere geht es dort um die Frage, warum Frauen weiterhin seltener in die CTO-Rolle aufsteigen als ihre männlichen Kollegen und welche Stereotype dieses Muster nach wie vor festigen.
Der Forschungszweig CIO als Business Enabler mit den drei Hauptthemen Ambidextrie, Digitale Transformation und IT-gestützte Geschäftsinnovation weist das größte Potenzial für zukünftige Forschung auf. Die Beherrschung von Ambidextrie ist eine der größten Herausforderungen für CIOs (Bekkhus und Hallikainen 2017; Kalgovas et al. 2014b). Folglich sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren, die Auswirkungen von Cloud-Technologien sowie eine mögliche Aufteilung von angebots- und nachfrageseitigen Verantwortlichkeiten in getrennte Rollen vielversprechende zukünftige Forschungsfelder. Darüber hinaus benötigen CIOs bestimmte Eigenschaften (Pabst von Ohain 2019), und ein gegenseitiges Verständnis innerhalb des TMTs ist erforderlich, um die digitale Transformation voranzutreiben (Onay et al. 2018). Über den Einfluss anderer TMT-Mitglieder sowie des mittleren Managements auf eine erfolgreiche digitale Transformation ist jedoch wenig bekannt. Schließlich wird vorgeschlagen, die Auswirkungen der Unternehmensstrategie, des Kontexts und des Führungsstils auf die Fähigkeit des CIOs zu untersuchen, Geschäftsinnovationen zu ermöglichen und Wachstum zu fördern (Saldanha und Krishnan 2011).
Die Perspektive Business Enabler wird im vorliegenden Schwerpunktheft im Beitrag von Winter und Ringwald (2022) aufgegriffen, indem sie der Frage nachgehen, wie CIOs den strategischen Wertbeitrag der von ihnen verantworteten Unternehmensbereiche besser kommunizieren und darstellen können. Die Autoren schlagen CIOs vor, die Wirkungen ihrer Aktivitäten in den Vordergrund zu stellen und anstelle der Betonung des nach innen hin gerichteten „Was“ ihrer Tätigkeit, das „Warum“ stärker zu kommunizieren.
Im Kontext der digitalen Transformation betrachten Hermes und Riedl (2022) im vorliegenden Schwerpunktheft die Rolle des CDOs, auch in seiner Abgrenzung zum CIO. Auf die Überlappung von CIO und CDO in Verbindung mit dem Ambidextrie-Konzept fokussieren auch Back et al. (2022), in dem sie das Konzept eines Reifegradmodells „CDO-CIO Do-it Kit“ entwickeln, das neben Fragestellungen der CDO-CIO-Zusammenarbeit, u. a. auch Innovation, Digitalisierungsstrategie und Transformationsmanagement adressiert.
Dass auch öffentliche Einrichtungen den Anschluss an diese Themenfelder nicht verlieren wollen, zeigt sich an dem jüngst größere Beachtung erfahrenden Feld CIO im öffentlichen Sektor. Dieser Trend spiegelt sich auch im vorliegenden Schwerpunktheft wider, das gleich mit drei Beiträgen zu dieser Thematik aufwarten kann (Auth und von der Heyde 2022; Paech und Vogel 2022; von der Heyde und Gerl 2022). Zurückführen lässt sich diese Konzentration solcher Beiträge möglicherweise auf die besonderen Herausforderungen des öffentlichen Bereichs und hier insbesondere der Hochschulen während der Corona-Krise, die die Notwendigkeit eines Abbaus des Digitalisierungsrückstaus an deutschen Hochschulen mit großer Deutlichkeit aufgezeigt hat. Gerade diese jüngsten Entwicklungen durch die Krise mögen auch das eine oder andere Thema in der CIO-Forschung perspektivisch noch anders akzentuieren, als es die vorliegende Analyse ergeben hat. Die Wiederholung einer vergleichbaren Studie in kurzem Abstand könnte daher durchaus überraschende und andere Erkenntnisse liefern und weitere Wege in der CIO-Forschung vorschlagen, die sich zu beforschen lohnen.
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1
Zu einer ausführlicheren Darstellung von Vorgehen und Ergebnissen auf Grundlage einer aktuelleren Datenbasis siehe auch Kratzer et al. (2022).
 
Literature
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Metadata
Title
Der Chief Information Officer als Forschungsgegenstand: Ein Blick zurück auf vier Jahrzehnte Forschung und ein Ausblick auf zukünftige Perspektiven
Authors
Simon Kratzer
Susanne Strahringer
Markus Westner
Publication date
04-05-2022
Publisher
Springer Fachmedien Wiesbaden
Published in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Issue 3/2022
Print ISSN: 1436-3011
Electronic ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-022-00878-5

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