Skip to main content
Top
Published in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 3/2022

Open Access 11-05-2022 | Editorial

Von der IT-Leitung zur (Mit‑)Gestaltung der digitalen Transformation: die sich wandelnde Rolle der Führung in der IT

Authors: Susanne Strahringer, Markus Westner

Published in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Issue 3/2022

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
download
DOWNLOAD
print
PRINT
insite
SEARCH
loading …
Ende Februar 2022 berichtete das Wall Street Journal1, dass die Durchschnittsgehälter von CIOs in Nordamerika im Vorjahresvergleich um 21 % gestiegen wären. Dies ist umso bemerkenswerter als die Gehaltsentwicklung in den Vorjahren annähernd stagnierte und der zu beobachtende Gehaltsanstieg den anderer Top-Management-Rollen, wie z. B. des Chief Marketing Officers mit +15 %, deutlich übersteigt. Auch wenn uns für den deutschsprachigen Raum oder Europa keine Vergleichszahlen vorliegen, so erscheinen die von den Autoren aufgeführten Gründe nachvollziehbar: die Rolle des CIOs wird als zunehmend geschäftskritisch gesehen. Dabei geht es nicht mehr darum, den IT-gestützten Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten, sondern dass IT und Business strategisch und angebotsseitig zunehmend verzahnt werden. Der Bedarf nach strategischer IT-Führung prägt sich auch dahingehend aus, dass viele Unternehmen zu Interimsmanagementlösungen greifen, um Führungslücken im IT-Management innerhalb ihrer Organisationen zu füllen. Entsprechend ist der Markt für Interim-CIOs zwischen 2020 und 2021 um 83 % gewachsen2.
Lässt man diese Ergebnisse auf sich wirken und tritt gedanklich einen Schritt zurück, dann kann man diese Entwicklungen auch dahingehend interpretieren, dass die effektive Führung der betrieblichen IT-Funktion aus Sicht der Unternehmenspraxis wieder deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Aus Sicht der Forschung ist das keine grundlegend neue Einsicht. Hier wird für die Rolle des CIOs schon lange die Entwicklung weg von einem angebotsorientierten „IT-Leiter“ hin zu einem nachfrageorientierten „IT-Gestalter“ analysiert und propagiert bzw. einer Führungskraft, die beide Aspekte in sich vereint. Unstrittig ist, dass es effektiver IT-Führung bedarf, um die vielzitierte digitale Transformation von Unternehmen aus IT-Sicht mitzugestalten. In Praxis und Wissenschaft gibt es hinsichtlich der organisatorischen Ausgestaltung aber unterschiedliche Auffassungen. Die nachfrageorientierte Führung der IT kann beispielsweise in der Rolle eines CDOs erfolgen. Diese Rolle kann auf Augenhöhe mit der CIO-Rolle fungieren, oder die Rollen sind sich wechselseitig bei- bzw. untergeordnet. Viele Unternehmen verzichten auch auf die Rolle eines CDOs und sehen die CIO-Rolle in der entsprechenden Verantwortung.
Die entsprechenden Antworten, wie die IT-Führung in Unternehmen auszugestalten sei, ist Gegenstand vielfältiger Forschung und im Ergebnis situativ aber nicht abschließend zu beantworten. Das vorliegende Schwerpunktheft greift diesen Aspekt auf und beleuchtet die Zukunft der Führung in der IT. Der Titel wurde bewusst breit gewählt, denn das Forschungsfeld umfasst mehr als nur die CIO-Rolle, wie bereits oben angeklungen ist. Entsprechend haben uns viele Beiträge erreicht, die das Thema aus verschiedenen Perspektiven adressieren. Wir haben sie in drei Gruppen strukturiert, angefangen mit inhaltlich eher breit ausgelegten Beiträgen mit Bezug zur CIO-Rolle, gefolgt von einer Gruppe von Beiträgen mit Fokus auf der CDO-Rolle und schließlich mit Beiträgen, die sich mit IT-Führungsrollen im öffentlichen Sektor befassen. Wie immer beginnt das Heft mit einem Grundlagenbeitrag und endet diesmal mit einem abschließenden Querschnittsbeitrag, der uns allen zu denken geben wird.
Im ersten Beitrag, der eine Einführung in das Forschungsfeld gibt, wird der State-of-the-Art der wissenschaftlichen Literatur auf Grundlage einer Zitationsanalyse aufgearbeitet und mit einem Blick in potenzielle zukünftige Forschungsthemen abgerundet. Thematisch auch eher breit ausgelegt ist der Beitrag von Brenner und Brenner, die in einem „Gespräch“ mit aktuellen und ehemaligen CIOs viele der Themenfelder und Herausforderungen, mit denen sich Top-IT-Führungskräfte auseinandersetzen müssen, facettenreich adressieren. So wird in diesem Beitrag z. B. von einem der Gesprächspartner klar vertreten, dass das Phänomen des CDOs schon wieder der Vergangenheit angehöre und in der Praxis die Einheit von nachfrage- und angebotsseitiger Führung angestrebt werde – eine Auffassung, die sich auch in den Wortbeiträgen anderer CIOs spiegelt. Im darauffolgenden Beitrag von Hillebrand et al. findet sich vieles von dem, was im Beitrag zuvor von einzelnen CIOs vertreten wurde, in einer breit ausgelegten Studie wieder. Um die Schlüsselfaktoren erfolgreicher CIOs herauszuarbeiten, stützen sich die Autoren auf eine Analyse von LinkedIn-Lebensläufen und auf Interviews mit 60 CIOs aus dem deutschsprachigen Raum. Angefangen vom Reiz entsprechender Positionen und bisheriger CIO-Erfolge, über notwendige Kompetenzen und Charaktereigenschaften, hin zu aktuellen und zukünftigen Tätigkeitsschwerpunkten und Herausforderungen entwickelt sich ein sehr gutes Bild davon, was es heißt und bedeutet, als CIO erfolgreich zu sein. Hinsichtlich der Relevanz einer dedizierten CDO-Rolle zeigt sich bei den Befragten kein einheitliches Meinungsbild. Der nächste und letzte der Beiträge, bei denen der Fokus auf der CIO-Rolle liegt, ist der Artikel von Winter und Ringwald, die der Frage nachgehen, wie es einer eher angebotsseitig ausgerichteten Rolle gelingen kann, darzustellen, welchen Beitrag sie zum Geschäftserfolg leistet. Der Vorschlag der Autoren propagiert, die Wirkungen des IT-Bereichs in den Vordergrund zu stellen. Dazu sollen der Wertbeitrag und der strategische Beitrag hervorgehoben werden. Weiterhin soll die Bezugnahme auf das, was und wie es gemacht wird, reduziert werden – und zwar sowohl in der Kommunikation als auch in der Gestaltung des gesamten CIO-Bereichs. Die Autoren schlagen als zentrales Instrument ein Wirkungsportfolio vor, das Wertbeiträge entlang der Dimensionen Wirkungszeitraum, -breite und -tiefe aufzeigt. Ob es CIOs gelingt, mit einer solchen Veränderung in der Darstellung und Strukturierung der eigenen Leistungen, Zusammenarbeit und Verständnis seitens der Fachbereiche und der Nicht-IT-Führungskräfte zu verbessern, bleibt abzuwarten. Die Fallbeispiele im Beitrag deuten zumindest darauf hin.
Die nächste Gruppe an Beiträgen behandelt die CDO-Rolle, geht also explizit von der Existenz einer solchen dedizierten nachfrageseitigen Rolle aus. Einen einführenden Beitrag in dieses Themenfeld bieten Hermes und Riedl mit einer Literaturanalyse und sich daraus ergebenden Handlungsempfehlungen für die Praxis. Im Beitrag von Back et al. geht es explizit um die Zusammenarbeit von CIO und CDO im Kontext digitaler Transformation und dem Anspruch von Unternehmen, organisationale Ambidextrie erreichen zu wollen, also gleichermaßen im Routinegeschäft effizient zu sein und daneben Erkundungsfreudigkeit in neuartigen Vorhaben zu zeigen und in diesen wirksam zu sein. Digitale Transformation ist auch der Kontext des Beitrages von Hess und Sciuk, ebenso ist auch das Zusammenspiel von Führungsrollen Gegenstand der Betrachtung, jedoch hier das von CEO und CDO, ein in der Forschung bislang selten betrachtetes Thema.
Einer ganzen Gruppe von möglichen IT-bezogenen Führungsrollen widmet sich der Beitrag von Paech und Vogel, die Ausschreibungen im öffentlichen Dienst inhaltsanalytisch auf Kompetenzen, Verantwortungen und Aufgaben hin untersuchen und Vorschläge für die Gestaltung der Zusammenarbeit und zur Abgrenzung der IT-Führungsrollen machen. Der Beitrag ist zudem der erste Beitrag in der dritten Gruppe von Beiträgen des Schwerpunktheftes, die sich allesamt mit dem öffentlichen Sektor beschäftigen. Dass das Themenfeld gleich mit drei Beiträgen, dabei zwei aus dem Hochschulumfeld, vertreten ist, deckt sich auch mit den Erkenntnissen des Grundlagenbeitrages, der das Thema „CIO im öffentlichen Sektor“ als ein seit zehn Jahren intensiver bearbeitetes und zugleich zukunftsträchtiges Forschungsfeld identifiziert. Schon der öffentliche Sektor selbst weist gegenüber der Privatwirtschaft erhebliche Unterschiede auf. Diese Spezifik verstärkt sich bei Hochschulen wegen der grundsätzlich anderen Führungsstruktur und -kultur der Gruppenuniversität mit Rektoraten und Präsidien an ihrer Spitze und der bisweilen besonderen Rolle der Verwaltungen in diesem System. Dies wird auch in den zwei Beiträgen mit Fokus auf Hochschulen deutlich. Auth und von der Heyde betrachten die CDO-Rolle im Kontext der digitalen Transformation an deutschen Hochschulen und von der Heyde und Gerl die CIO-Funktion und IT-Governance-Fragestellungen an bayerischen Hochschulen.
Der letzte Beitrag zum Schwerpunktthema adressiert ein wichtiges Feld, das sich mehr oder weniger deutlich durch alle vorherigen Beiträge zieht: die Herausforderung, qualifiziertes Personal für die Vielfalt der genannten IT-Führungsrollen zu finden. Die Vergangenheit deutet nämlich darauf hin, dass es bei der Besetzung von IT-Führungsrollen eher weniger Vielfalt gab. Sundermeier und Steenblock machen in ihrem Beitrag sehr anschaulich, dass und in welcher Form nach wie vor geschlechterbezogene Stereotype existieren, die das „Ankommen“ von mehr Frauen in den IT-Führungsrollen und in der IT im Allgemeinen behindern. Dieser schon lange existierenden Herausforderung werden wir als Lehrende, Forschende sowie Praktikerinnen und Praktiker hoffentlich perspektivisch mit Fortschritten begegnen können. Lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten! Der letzte Kurzbeitrag des Heftes, ein so genannter „Einwurf“, zeigt Ihnen auf, welcher Rahmen für entsprechendes Engagement im letzten Jahr geschaffen wurde und wie Sie sich dabei einbringen können.
Wie bei HMD-Heften üblich wird auch dieses Schwerpunktheft mit einer Auswahl von Spektrumsbeiträgen und zwei Buchbesprechungen abgerundet.
An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei allen Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe bedanken, die ihr Wissen mit uns und Ihnen teilen und auf diesem Wege wertvolle Einblicke in den aktuellen Stand und mögliche zukünftige Entwicklungen der Führung in der IT geben. Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine spannende Lektüre und hoffen, dass Sie neue Erkenntnisse aus den Beiträgen ziehen und einige Impulse für sich aufgreifen, mitnehmen und weitertragen können.
Susanne Strahringer und Markus Westner
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Our product recommendations

HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik

HMD liefert IT-Fach- und Führungskräften Lösungsideen für ihre Probleme, zeigt ihnen Umsetzungsmöglichkeiten auf und informiert sie über Neues in der Wirtschaftsinformatik (WI).

Metadata
Title
Von der IT-Leitung zur (Mit‑)Gestaltung der digitalen Transformation: die sich wandelnde Rolle der Führung in der IT
Authors
Susanne Strahringer
Markus Westner
Publication date
11-05-2022
Publisher
Springer Fachmedien Wiesbaden
Published in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Issue 3/2022
Print ISSN: 1436-3011
Electronic ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-022-00875-8

Other articles of this Issue 3/2022

HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 3/2022 Go to the issue

Premium Partner