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2011 | Book

Die Ambivalenz des Vertrauens

Welche Bedeutung hat Vertrauen in organisationalen Veränderungsprozessen?

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Table of Contents

Frontmatter

Fragestellung, Grundlagen und Ziele

Frontmatter
Kapitel I. Einleitung, Ziele der Arbeit und Aufbau der Arbeit
Zusammenfassung
Die eminente Bedeutung des Phänomens Vertrauen spiegelt sich darin wider, dass verschiedene Wissenschaftsdisziplinen (Psychologie, Soziologie, Betriebswirtschaft und Medizin) sich damit auseinandersetzen. Rezente Publikationen zeigen, dass das Interesse am Phänomen Vertrauen keineswegs nachgelassen, sondern eher zugenommen hat. Die Google Suchmaschine weist im Jahr 2002 zum Begriff Vertrauen 867.000 Treffer aus, im Jahr 2009 sind es bereits 12.000.000. So ubiquitär der Begriff in der Alltagswelt ist, so vielfältig sind die Versuche seiner konzeptionellen Bestimmung. Vertrauen unterscheidet sich dabei in den einzelnen Fachdisziplinen, und es gibt keinen durchwegs geltenden Begriff. Der Reiz des Vertrauensbegriffs, so kann man schlussfolgern, ist dessen Lückenhaftigkeit. „Eine präzise Vorstellung von dem, was Vertrauen schafft oder Misstrauen erzeugt, ist nämlich keinesfalls leicht zu haben. Stattdessen kommt die Vertrauensrhetorik gesellschaftlich immer universeller zur Anwendung, ohne dabei eine entsprechende begriffliche Schärfe zu erreichen. (…) Bei einer solchen überbordenden Vertrauensrhetorik droht aber dem Vertrauensbegriff eher Sinnentleerung als Sinnbezeichnung.“ Es geht um Begriffs- und Messprobleme und um Voraussetzungen und Funktionen von Vertrauen. Dieser Status der Lückenhaftigkeit gilt insbesondere für die Organisationsforschung. Gerade hinsichtlich Zusammenarbeit in sozialen Systemen wird angenommen, dass es ein Mindestmaß an Vertrauen benötigt. Studien haben gezeigt, dass sich durch Vertrauen die Bereitschaft Informationen weiterzugeben, die Quantität und Qualität des Informationsaustausches, als auch die Bereitschaft anderen zuzuhören, erhöht. Die Funktion von Vertrauen für Organisationen wird unter diesen Gesichtspunkten genauer sichtbar. Auch wird die gegenwärtige Organisation durch Vertrauen in ihrem Potential, Komplexität zu erfassen und zu reduzieren, gestärkt. Eine entsprechende Vertrauensbasis ermöglicht es daher, in Bezug auf zukünftige Ereignisse mit größerer Komplexität bereits in der Gegenwart zu leben und zu handeln. Vertrauen stärkt also die Toleranz für Mehrdeutigkeiten.
Peter Raunicher
Kapitel II. Vertrauen aus psychologischer und soziologischer Sicht
Zusammenfassung
In den letzten Jahren ist wohl selten ein Wort so oft verwendet worden, wie der Begriff Vertrauen. Personen sollen Vertrauen in die Parteien, die Regierung und deren Politik, in die Produkte des alltäglichen Gebrauchs oder in die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft haben. Auch soll man Vertrauen in die Arbeitsplatzsicherheit, in die Konjunktur oder in die gesellschaftlichen Veränderungen haben. Selbst Glaubensgemeinschaften werben mit dem Etikett Vertrauen. Man will das offensichtlich Unkalkulierbare und Risikohafte in aktuellen Situationen durch Vertrauen in den Griff bekommen. Die Untersuchung des Begriffs wird dabei durch die Ausweitung seines Bedeutungsfeldes auf unterschiedliche Gebiete erschwert. Die nachfolgenden Kapitel geben einen kurzen Überblick zu den Werken verschiedener Autoren in der Vertrauensforschung. Als erstes werden Theorien aus der psychologischen Vertrauensforschung vorgestellt, im Anschluss wird auf die soziologische Sicht zum untersuchten Phänomen Vertrauen eingegangen.
Peter Raunicher
Kapitel III. Wissenschaftstheoretische Einordnung der Forschungsarbeit
Zusammenfassung
Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich mit der wissenschaftstheoretischen Einordnung der Forschungsarbeit. Im Sinne der erkenntnisleitenden Theorie ist die Arbeit dem Verständnis des radikalen Konstruktivismus zuzuordnen. Wahrnehmung und Handlung, als auch Interpretation geschehen folglich in einer ständigen Suche nach Bezügen, mittels denen Sinn hergestellt werden kann. Verstehen kann daher nur mittels Kommunikation stattfinden und ist zur selben Zeit Voraussetzung derselben. Hinsichtlich der paradigmatischen Einordnung hat die Arbeit von Burrell und Morgan einen Bezugsrahmen zur Systematisierung geboten. Der Forscher vertritt die Annahme, dass soziale Realitäten nicht als ‘harte Fakten’ gegeben sind, vielmehr müssen sie von den Mitgliedern einer Gemeinschaft konstruiert und interpretiert werden. Die Forschungsarbeit ist daher im Sinne der erkenntnisleitenden Theorie dem interpretativen Paradigma zuzuordnen. Im Anschluss daran wird auf die qualitative Sozialforschung und das damit zusammenhängende Forschungsverständnis und –vorgehen näher eingegangen. Das Ziel des qualitativen Ansatzes hat darin bestanden, „die Prozesse zu rekonstruieren, durch die die soziale Wirklichkeit in ihrer sinnhaften Strukturierung hergestellt“ worden ist. So versucht das vorliegende Forschungsvorhaben mittels teilnehmender Beobachtung und qualitativen Interviews Erkenntnisse zum Phänomen Vertrauen zu generieren. Die Interviews erlauben dabei einen zumindest kurzen und keinesfalls vollständigen Blick auf die eingefahrenen Denkgewohnheiten, die Interpretationsinhalte und –muster der Befragten hinsichtlich der aus ihrer Sicht erlebten Veränderungsprozesse und dem Forschungsgegenstand Vertrauen.
Peter Raunicher

Analyse- und Reflexionsprozess

Frontmatter
Kapitel IV. Feedbackworkshop – Datenpräsentation und gemeinsame Reflexion der Ergebnisse
Zusammenfassung
Das vorliegende Kapitel zeigt, wie mit Hilfe von Netzwerkgraphiken die ersten Ergebnisse im Feedbackworkshop präsentiert und gemeinsam reflektiert worden sind. Die Netzwerkgraphiken bauen auf einem formalen Netz von lexikalischen Ausdrücken auf und haben als Instrument zur Skizzierung von ‘kognitiven Landkarten’ gedient. Neben den drei Netzwerkgraphiken zu den Themenbereichen Führungsgremium, Mitunternehmermodell und Vertrauen ist mit dem Gesamtüberblick eine wissenschaftliche Innovation – eine Netzwerkgraphik mit 278 Knotenpunkten - erstellt worden. Ausgearbeitete Netzwerkgraphiken in früheren GABEK Projekten haben zumeist nur über ein ¼ der Knotenpunkte verfügt. Die Graphik erweitert in ihrer Komplexität den bisher bekannten Rahmen von Netzwerkgraphiken als kognitive Landkarte.
Peter Raunicher
Kapitel V. Umsetzungsworkshop – Die gemeinsame Reflexion von Widersprüchen
Zusammenfassung
Einen Monat nach dem Feedbackworkshop hat mit dem Umsetzungsworkshop die nächste gemeinsame Veranstaltung stattgefunden. Als erstes sind der Gestaltenbaum und die Regeln für dessen Erarbeitung erklärt worden, anschließend sind einzelne Inhalte der Zusammenfassung und Ausschnitte aus der Hyper-HyperEbene in mündlicher Form vorgestellt worden. Die Teilnehmer haben zudem die vollständigen Inhalte in übersichtlicher und ausgedruckter Form erhalten und ein ausgiebiger Zeitrahmen hat ein Durchlesen und Auseinandersetzen mit den Texten erlaubt. Eine kurze gemeinsame Diskussion zu den Themenbereichen des Gestaltenbaums hat den ersten Teil des Umsetzungsworkshops abgerundet. Als nächstes - aufbauend auf dem Feedbackworkshop und der Auswahl von Widersprüchen und der Bestimmung von Handlungsfeldern – sind die zuvor ausgearbeiteten Kausalgraphiken präsentiert worden. Die Kausalgraphiken sind ein ausgesprochen hilfreiches Instrument für die Darstellung von Wirkungsbeziehungen gewesen. Die nachfolgenden Ausführungen gehen auf folgende Themenbereiche näher ein:
1.1.
Einfluss und Wirkung der Unternehmensphilosophie
 
1.2.
Abgänge langjähriger Mitarbeiter
 
1.3.
Einfluss und Wirkung von Führungskräften und Führungsstil
 
1.4.
Einflüsse und Wirkungen von/auf Vertrauen
 
Peter Raunicher
Kapitel VI. Realisierungsworkshop – Die Auswahl und Konkretisierung von Maßnahmen
Zusammenfassung
Aufbauend auf dem Umsetzungsworkshop wird im folgenden Kapitel auf die gemeinsame Konkretisierung und Festlegung der Maßnahmen im Realisierungsworkshop näher eingegangen. Im Workshop ist darauf geachtet worden, dass die untersuchte Organisation nicht - aus klassischer Betrachtungsweise der Organisationstheorie - als etwas Festgefügtes oder Stabiles und von außen Determiniertes betrachtet worden ist. Die Vorgehensweise hat auf der Annahme basiert, dass die untersuchte Organisation durch Eigenschaften des unmittelbaren Kontextes wie Ambiguität, Komplexität und Dynamik bestimmt worden ist. So sind auch die aus der Interaktion im Workshop entstandenen Geschichten nur durch den gebotenen Rahmen anschlussfähig (=nachvollziehbar) gewesen. Dies ist insbesondere für solche Geschichten (bspw. einzelne Ergebnisse der Untersuchung) hilfreich gewesen, die zunächst unbestimmt, unverständlich oder überraschend erschienen sind.
Peter Raunicher
Kapitel VII. Das Normen- und Wertesystem in der Organisation SACOL
Zusammenfassung
Das folgende Kapitel geht auf das Normen- und Wertesystem der untersuchten Organisation näher ein. Bei den Analysen ist zwischen den Bewertungen der IST-Situation (Wie ist die aktuelle Situation von Befragten während der Untersuchung beurteilt worden) und der SOLL-Situation (Die geäußerten Wünschen und Befürchtungen durch die Befragten) unterschieden worden. Zu Beginn ist immer auf die Gesamtheit – alle Befragten (AB) – eingegangen worden. Im weiteren Verlauf sind die Daten entsprechend den befragten Personen in die Kategorien Führungskräfte (FK) und Mitarbeiter (MA) eingeteilt und miteinander verglichen worden. Der Datenvergleich zeigt Auffassungsunterschiede zur wahrgenommenen Situation aus Sicht der zwei Gruppen im Unternehmen SACOL. In beide Analysen ist das gesamte verbale Datenmaterial eingeflossen. Die Anzahl der Nennungen durch die Befragten ist in Klammer [..] neben dem jeweiligen Merkmal angeführt. In den Tabellen und den Abbildungen sind die Merkmale in absteigender Reihenfolge abgebildet worden.
Peter Raunicher
Kapitel VIII. Die Zusammenfassung der Ergebnisse und Forschungsimplikationen
Zusammenfassung
Eine der wichtigsten Folgen von doppelter Kontingenz ist die Entstehung von Vertrauen bzw. Misstrauen. Vertrauen kommt also gerade durch das Wissen ins Spiel, dass ein Akteur auch anders handeln kann, als von ihm erwartet wird. Der Akteur kann den anderen beabsichtigt oder unbeabsichtigt über seine Intention im Unklaren lassen. Das Wissen über diese Möglichkeit könnte - würden die Akteure in einem nur sehr kurzfristigen und engen Sinne denken - zu einem unmittelbaren Verzicht auf soziale Beziehungen führen. Für die Bildung von sozialen Systemen sind daher ‘trotzdem Strategien’ erforderlich, es kann sich dabei um Vertrauen oder Misstrauen handeln. Wird also die Frage nach Vertrauen oder Misstrauen akut, „dann wird die Situation einerseits komplexer, problematischer und reicher an Möglichkeiten; „andererseits treten vereinfachende Prozesse der Reduktion, der Orientierung an wenigen prominenten Schlüsselerlebnissen“ ein. Ereignisse und Gegenstände, „die symptomatischen Wert zu haben scheinen, gewinnen besondere Relevanz und beherrschen die Auslegung anderer Umstände. (…) Sie werden zu ‘Gründen’ und ‘Beweisen’ dafür, dass Vertrauen bzw. Misstrauen gerechtfertigt sind.“
Peter Raunicher
Backmatter
Metadata
Title
Die Ambivalenz des Vertrauens
Author
Peter Raunicher
Copyright Year
2011
Publisher
Gabler
Electronic ISBN
978-3-8349-6601-8
Print ISBN
978-3-8349-2786-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-8349-6601-8