1980 | OriginalPaper | Chapter
Die Entscheidung des Parlamentarischen Rates für ein Verfassungsgericht als Hüter der Verfassung
Author : Klaus Stern
Published in: Verfassungsgerichtsbarkeit zwischen Recht und Politik
Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Included in: Professional Book Archive
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Die Entscheidung für ein Verfassungsgericht als Hüter der Verfassung ist im Parlamentarischen Rat bewußt getroffen worden. Sie war bereits im Entwurf des Herrenchiemseer Verfassungskonvents klar vorgezeichnet. Der Rechtspflegeausschuß des Parlamentarischen Rates war in dieser Grundsatzfrage einig; Diskussionen gab es lediglich in Detailfragen24. Dieser Feststellung bedarf es, um die mitunter gebrauchte Legende zu widerlegen, das Bundesverfassungsgericht habe durch eine ausgreifende Rechtsprechung seine weitreichende Kompetenz erst Schritt für Schritt usurpiert und sich nunmehr selbst, wie ein jüngstes Sondervotum meint, sogar zur „,Verfassungsgesetzgebungsinstanz‘ entwickelt“ und damit „zum (unkontrollierbaren),Herrn‘der Verfassung“25. Es besteht Anlaß daran zu erinnern, daß im Parlamentarischen Rat Vertreter aller Parteien die Institution eines Verfassungs-gerichtshofs als „Hüter der Verfassung“ mit Normenüberprüfungs-und Kompetenzabgrenzungsbefugnis verlangten26. Von niemandem angezweifelt fiel der Satz: „Entweder wird das Recht tatsächlich als die Grundlage der menschlichen Gesellschaft anerkannt und dann auch mit den notwendigen Garantien zu seiner Verwirklichung ausgestattet. Oder aber die politische Zweckmäßigkeit wird zum höchsten Prinzip erhoben, was dann wieder zu den gefährlichen Grunddogmen einer vergangenen Epoche hinführen würde, wonach eben Recht ist, was dem Volke oder der Regierung oder dem Staate nutzt.“27 Dieses Bekenntnis ist Ausdruck der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes. An diese zu erinnern, hielt das Bundesverfassungsgericht im Kalkar-Beschluß für angebracht28. Dessen Entscheidung sollte gerade von denen respektiert werden, die immer wieder einen der pouvoirs constitués, meist das Parlament, mit seiner angeblich unbeschränkten und unbeschränkbaren Souveränität gegen das Verfassungsgericht ins Feld führen. Die Bedeutung dieser verfassungsrechtlichen Fundamentalentscheidung möchte ich nun nach einigen, in der aktuellen Diskussion immer wieder erörterten Richtungen hin verfolgen.