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2003 | Book

Erfolgsbedingungen von Demokratie im subsaharischen Afrika

Ein systematischer Vergleich ausgewählter Länder

Author: Matthias Basedau

Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Book Series : Junge Demokratien

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Table of Contents

Frontmatter

Theoretische und methodologische Grundlagen

1. Einleitung und Fragestellung
Zusammenfassung
Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts Anfang der 1990er Jahre erfasste die „dritte Welle der Demokratisierung“ (Huntington) auch das subsaharische Afrika.1 Zahlreiche altgediente Autokraten, bisweilen im Amt seit der Unabhängigkeit, sahen sich mit massiven Protesten konfrontiert, mussten abdanken oder zumindest Mehrparteienwahlen zulassen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen wurden in der letzten Dekade des Jahrtausends in ganz Schwarzafrika mit mehr oder weniger großer Regelmäßigkeit Wahlen abgehalten, bei denen mehrere Parteien miteinander konkurrierten. Während in einigen Staaten diese eher Fassadenfunktion zu besitzen schienen und scheinen oder von gravierenden Unregelmäßigkeiten begleitet waren, kann augenscheinlich in einigen anderen Ländern von einer substantiellen Demokratisierung gesprochen werden (z.B. Benin, Kap Verde, Namibia, Südafrika). Sie gesellten sich zu den wenigen funktionierenden Mehrparteiendemokratien, die schon vor 1990 existiert hatten (v.a. Botswana und Mauritius). Andere Länder hingegen erlebten (zwischenzeitliche) Zusammenbrüche der Demokratie (z.B. Gambia, Niger, Nigeria) oder das Abgleiten in Bürgerkriege (z.B. Burundi, Zaïre/D.R. Kongo, Somalia, Sierra Leone).
Matthias Basedau
2. Zu Untersuchungsdesign und Methode
Zusammenfassung
Jedes Untersuchungsdesign sollte eng an die Erfordernisse des konkreten Erkenntnisinteresses angebunden werden. Daher gilt es zunächst die Setzung von abhängiger und unabhängigen Variablen vorzunehmen. Diese Zuordnung des Status von unabhängigen und abhängiger Variable(n) — stets abhängig vom Erkenntnisinteresse des Forschers (vgl. Sartori 1991: 250) — erfolgt analog zur Formulierung der Fragestellung. Als unabhängige Variablen sollen jene Phänomene gelten, welche mutmaßlich ursächlich für die Ausprägung der abhängigen Variable — dem Erfolg oder Misserfolg von Demokratie — sind.
Matthias Basedau
3. Die abhängige Variable: Konzeptionelle Demokratiediskussion
Zusammenfassung
Das diffuse Konzept „Demokratie“, von vielen ohne definitorische Präzision gebraucht und in Anspruch genommen, stellt in diesem Rahmen das zentrale Konzept der Untersuchung bzw. der abhängigen Variable dar. Eine besondere Schwierigkeit besteht darin, dass es sich bei dem Begriff „Demokratie“ um ein normativ äußerst aufgeladenes Konzept handelt. Die positive Konnotation führt oft zu begrifflichen Konfusionen, da manche Autoren bisweilen sämtliche gesellschaftliche Wunschvorstellungen in das Konzept integrieren16 oder — das andere Extrem -, um politische Systeme oder Länder als Demokratien zu „retten“, nur bescheidene Anforderungen stellen. Dies verlangt nach einer eingehenden konzeptionellen Reflexion, die sich um die Frage „Was ist Demokratie?“17 dreht. Dabei soll zunächst nach einer kurzen Bestandsaufnahme der wichtigsten Konzepte ein metanormatives Anforderungsprofil für das geeignete Modell präsentiert werden. Daraufhin soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit das Dahlsche Modell der Polyarchie diesen Kriterien genügt. Im Anschluss wird unter besonderer Berücksichtigung der Aspekte Überleben, Konsolidierung und Dauerhaftigkeit das spezifische Demokratie(erfolgs-)konzept der Untersuchung festgelegt. Abgeschlossen wird die Behandlung des konzeptionellen Aspekts der Demokratie durch die konkrete Konzeptualisierung des Scheiterns von Demokratie.
Matthias Basedau
4. Praktische Auswahl der Fälle
Zusammenfassung
Um eine möglichst valide Fallauswahl — wie unter 2. gefordert — vorzunehmen, soll die praktische Auswahl der Fälle mit einer Reflexion über Versuche beginnen, den Demokratiegehalt von politischen Systemen zu messen bzw. einzuschätzen. Der Vorstellung einiger Ansätze zur Messung bzw. Einschätzung vom Demokratiegehalt politischer Systeme folgt die Vornahme einer Vorauswahl von Demokratiefällen, aus der die Fälle „dauerhafter Demokratie“ mittels qualitativer Merkmale ermittelt werden. Daran schließen sich ähnliche, freilich teilweise qualitativere Operationalisierungen der Konzepte „autoritäre Regression“ und „dauerhafter Autoritarismus“ an.
Matthias Basedau
5. Die unabhängigen Variablen: Ansätze zur Demokratieätiologie
Zusammenfassung
Die Frage nach der Genese und Stabilität von Demokratie stellt einen zentralen Gegenstand der vergleichenden Politikwissenschaft dar (vgl. Thibaut 1996: 22). Es kann daher nicht verwundern, dass selbst bei einer flüchtigen Beschäftigung mit theoretischen Ansätzen zu den Ursachen für Überleben, Dauerhaftigkeit und Konsolidierung von Demokratie sich der Forscher -ähnlich wie beim konzeptionellen Aspekt der Demokratietheorie — mit einer gewaltigen Anzahl von Ansätzen konfrontiert sieht, so dass es kaum möglich ist, jede einzelne Überlegung nachhaltig und en detail zur Kenntnis zu nehmen. Es erscheint daher dringend geboten, der Flut von Gedanken durch einen allgemeineren, abstrakteren Zugriff Herr zu werden.
Matthias Basedau
6. Kausalanalytisches Gerüst, kausaltheoretische und methodologische Reflexionen
Zusammenfassung
Der erste Imperativ der theoretischen demokratieätiologischen Reflexion und Begutachtung des aktuellen Forschungsstandes für die konkrete Kausalanalyse besteht nun darin, die genannten zahlreichen Einflussfaktoren möglichst vollständig in die simultante Prüfung einbeziehen, wobei besonders afrikaspezifische Variablen wie z.B. Ethnizität oder Neopatrimonialismus zu berücksichtigen sind. Zweitens jedoch ist die Möglichkeit komplexer Kausalmechanismen zu bedenken. Dies setzt eine (meta-) theoretische Verortung der Variablen nach Ort, Zeit und Ansatzhöhe voraus, die Eklektizismus vermeidet und eine Kontrolle sequenzieller oder interaktiver Beziehungen zwischen den unabhängigen und intervenierenden Variablen theoretisch erleichtert, ohne aber zu einem allzu rigiden theoretischen Korsett zu fuhren.
Matthias Basedau
7. Präzisierung der Fragestellung
Zusammenfassung
Diese demokratieätiologischen und kausaltheoretisch bzw. methodologischen Überlegungen fuhren zu einer Präzisierung der Fragestellung in Form eines Fragenkatalogs, der folgendermaßen formuliert werden kann:
  • Gibt es Faktoren, die als notwendig oder hinreichend hinsichtlich der Demokratieentwicklung für die Untersuchungsfalle bezeichnet werden können?
  • Gibt es Variablen, die in probabilistischer Weise die jeweilige Entwicklung der Untersuchungsfalle generell zu erklären vermögen? Welche Faktoren sind in den Einzelfällen besonders erklärungskräftig? Lassen sich typologische Aussagen treffen?
  • Welches Gewicht haben die jeweiligen Analyseebenen und wie ist ihr Verhältnis zueinander? Wo existieren Sequenzbeziehungen zwischen den einzelnen Variablen? Wo sind zirkuläre Beziehungen zu beobachten?
  • Lässt sich ein generelles theoretisches Modell entwickeln? Wie ist es um externe Validität und die Prognosefähigkeit bestellt (v.a. Überprüfung eines Kontrollsamples)?
  • Ergeben sich methodische, theoretische und forschungspraktische Imperative?
  • Welche Schlussfolgerungen lassen sich für Politikberatung und political bzw. constitutional engineering ziehen?
Matthias Basedau

Kausalanalyse

1. Strukturelle Ebene
Zusammenfassung
Die Prüfung allgemeiner demo- und geographischer Merkmale ohne größeres theoretisches Fundament dient sowohl einer ersten Einschätzung als auch der Kontrolle. Womöglich sind es bisweilen vermeintlich triviale Merkmale, die in genereller Hinsicht doch eine gewisse Aussagekraft besitzen.
Matthias Basedau
2. Intermediäre Ebene
Zusammenfassung
Die Beschäftigung mit der Variable „Institutionen“ setzt eine Begriffsklärung voraus, da tatsächlich kontrastierende Verständnisse bestehen. Dabei soll in diesem Kontext einem engeren Institutionenkonzept (vgl. Merkel/ Sandschneider/ Segert 1996: 10ff) der Vorzug gegeben werden, das Organisationen wie Verbände, Kirchen und Parteien etc. (zunächst) ausschließt und auf den Kernbereich der Polity, nämlich Regierungs- und Wahlsystem, Staatsstruktur sowie einigen Sonderregelungen fokussiert.
Matthias Basedau
3. Akteursebene
Zusammenfassung
Zweifellos stellt die politische Klasse oder Elite eines Landes — begriffen als der engere Kreis der Regierung und der Opposition — auf der Mikroebene einen zentralen Analysegegenstand für die Demokratiestabilität dar (vgl. Thibaut 1996: 32ff; Merkel 1994: 314ff). Diese Auffassung ist unmittelbar einleuchtend: Demokratisch (oder nicht) legitimierte Regierungen können zu autoritären Praktiken greifen, ihr Verhalten kann soziale Unruhen, institutionelle Krisen und/oder Militärputsche provozieren etc. Dahl (1971; 1989; 1996; 1998) benennt so prodemokratische Einstellungen v.a. politischer Akteure als eine zentrale Erfolgsbedingung für den Bestand der Demokratien. Huntington (1991a: 276f) betont die Verhaltensebene, wenn er neben der Akzeptanz der Demokratie den Umgang mit Kontextproblemen durch die Eliten zum „heart of the matter“. erklärt. Przeworski et al. (1996) verweisen auch auf „politisches Lernen“ der zentralen Akteure — potenziell im positiven wie negativen Sinne für die Demokratie — als wesentlichen Einflussfaktor. Nohlen (2000: 169) erkennt Defizite der politischen Eliten als Konsolidierungshemmnis für junge Demokratien in der Dritten Welt.
Matthias Basedau
11. Besondere historische Merkmale
Zusammenfassung
Bei der Würdigung zahlreicher Variablen des primären Beobachtungszeitraums wurde bereits, wenn es sich anbot, eine diachrone Perspektive eingenommen. Insofern behandeln die nächsten Kapitel besondere historische Merkmale, die über diese diachrone Betrachtungen hinausblicken. Begonnen werden soll dabei mit der Periode vor der Kolonialisierung des Kontinents.
Matthias Basedau
5. Externe Faktoren
Zusammenfassung
Der Einfluss internationaler Faktoren auf die Chancen der Demokratie wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. In den meisten der multifaktoriellen Ansätze der Demokratieätiologie werden externe Faktoren aufgeführt (z.B. Dahl 1996; 1998; Huntington 1991a;b; M.G. Schmidt 2000), es handelt sich aber zumeist um einen externen Faktor inmitten einer Reihe interner Variablen (vgl. I, 5.2). Für Dahl gehört 1998 die Abwesenheit der Penetration einer (demokratie-) feindlichen Macht immerhin zu den „essentiellen“ Bedingungen. Eine prononcierte Auffassung vertreten Przeworski et al. (1996: 43), welche aufgrund statistischer Berechnungen einen besonders starken Einfluss des internationalen Klimas, gemessen an der Anzahl der demokratischen Staaten auf der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt, erkannt haben wollen.
Matthias Basedau

Ergebnisse

1. Empirische Bestandsaufnahme
Zusammenfassung
Entgegen der ersten Annahmen lassen sich tatsächlich einige Variablenausprägungen bzw. Bedingungen identifizieren, die jeweils für sich genommen eine conditio sine qua non für den Erfolg der Demokratie bei den Untersuchungsfälle darstellen. Dazu gehören:
  • Ein Mindestmaß an demokratischer Integrität der (regierenden) Eliten: Ohne die Akzeptanz von Mindeststandards demokratischer Verfahrensregeln durch die Regierenden — nicht notwendigerweise der Opposition -ist der Erfolg der Demokratie unmöglich. Unter Einschluss des Konfliktverhaltens (Regierung und Opposition) kann die kombinierte politische Kultur ebenfalls als notwendige Erfolgsbedingung bezeichnet werden, deren Stimmigkeit überdies um zwei Fälle höher liegt.
  • Des weiteren ist nur ein geringeres Maß an gesellschaftlicher, meist ethnischer Violenz mit der Demokratie vereinbar. Dieses Mindestmaß darf zeitlich und regional isolierte Ereignisse mit niedriger Intensität und geringen Opferzahlen nicht überschreiten.
Matthias Basedau
2. Theoretische Betrachtungen
Zusammenfassung
Für eine Typologisierung können natürlich eine Reihe von Merkmalen berücksichtigt werden: Im Grunde alle, welche Teil der Untersuchung waren. Aber sicherlich erscheinen in dieser Hinsicht einerseits die Demokratieentwicklung bzw. der Status im Untersuchungssample und die als wichtigste Erklärungsfaktoren identifizierten Merkmale andererseits relevant. Eine solche typologische Einteilung hat angesichts der geschilderten Einzigartigkeit der Untersuchungsfälle ihre Grenzen; hier bestätigen sich die Reserven gegenüber leichtfertigen Annahmen von Kontexthomogenitäten für das sub-saharische Afrika (vgl. Teil I, 2.6). Im wesentlichen überwiegen die individualisierenden Bewertungen. Dennoch lassen sich einige Aussagen treffen:
Matthias Basedau
3. Schlussbetrachtung
Zusammenfassung
Die vorliegende Untersuchung sah sich in vielen Bereichen mit erheblichen Datenproblemen konfrontiert, die freilich für die afrikanistische Politikwissenschaft typisch sind. Dementsprechend ist zu wünschen, dass diese Bereiche verstärkt Gegenstand der Forschung werden: Dazu gehören v.a. zuerst einmal durchaus deskriptive Erhebungen zur sozialen Ungleichheit, der Rolle und Bedeutung der Zivilgesellschaft und Parteien, sowie im Bereich der Einstellungen bzw. der politischen Kultur der Bevölkerung, vielleicht auch was präkoloniale Herrschaftsformen angeht. Generell gibt es aber kaum einen Bereich, wo eine Vertiefung unangemessen wäre.
Matthias Basedau
4. Zusammenfassung
Zusammenfassung
Die Untersuchung der Erfolgsbedingungen von Demokratie im subsaharischen Afrika der 1990er Jahre wurde mittels eines Differenzverfahrens im Rahmen der vergleichenden Methode durch die Gegenüberstellung von Demokratiefällen (Langzeitdemokratien/erfolgreiche Neudemokratisierer) und Autoritarismusfällen (autoritäre Regressionen/dauerhafte Autoritarismen) in Anlehnung an das Polyarchie-Konzept von Robert A. Dahl bzw. ein davon abgeleitetes Konzept der „dauerhaften Demokratie“ vorgenommen.
Matthias Basedau

Literaturverzeichnis

IV. Zusammenfassung
Matthias Basedau
Metadata
Title
Erfolgsbedingungen von Demokratie im subsaharischen Afrika
Author
Matthias Basedau
Copyright Year
2003
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-663-09965-9
Print ISBN
978-3-8100-3820-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-663-09965-9