Knapp die Hälfte der weltweiten Investmentexperten erwarten, dass die Brexit-Verhandlungen in ein umfassendes Handelsabkommen für Waren und Dienstleistungen (25 Prozent) oder zumindest für das reine Warengeschäft (24 Prozent) münden werden. Das geht aus der aktuellen Brexit-Studie des CFA-Institutes hervor, die am 2. Mai veröffentlicht wurde. An der Studie haben insgesamt 974 Anlageexperten teilgenommen, davon 233 aus Großbritannien, 238 aus anderen EU-Ländern und 503 aus dem Rest der Welt.
Die Befragten aus Deutschland und der Schweiz sehen den harten Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU als wahrscheinlichstes Szenario an (30 beziehungsweise 35 Prozent). Die aktuelle Brexit-Studie belegt laut Susan Spinner, CEO der CFA Society Germany, "dass die Diskussion rund um das Thema nicht mehr so aufgeheizt ist wie noch in den Jahren zuvor." Dennoch befürchten 48 Prozent der deutschen Befragten ein Ausscheren, was den finanzaufsichtsrechtlichen Rahmen angeht. In der Studie des CFA-Instituts steigen derzeit allerdings die Zweifel daran, ob es überhaupt zu einem Ausstieg der Briten kommen wird. So halten es 15 Prozent der Befragten für wahrscheinlich, dass es gar keinen Brexit geben wird. Im Vorjahr haben damit nur 5 Prozent der befragten Investmentexperten gerechnet.
Brexit-Einigung gut für weltweite Konjunktur
Eine Brexit-Einigung würde der labilen weltweiten Konjunktur durchaus gut tun. Denn nur selten gingen die Meinungen zur globalen Konjunktur so weit auseinander wie zurzeit, beschreibt Autorin Carmen Mausbach in der Rubrik "Markt des Monats" der Juni-Ausgabe der „Anlagepraxis“ (Seite 2). Neben Großbritannien gehört auch die USA mit ihrem Präsidenten Donald Trump Mausbach zu den Beispielen für die große Unsicherheit, die in vielen Ländern herrsche, wie es mit Politik und Wirtschaft weitergehe.
Knapp drei Viertel der befragten Entscheider in Banken erwarten durch den Austritt von Großbritannien aus der Europäischen Union starke Veränderungen in ihrem Geschäft, vor allem bei Governance- und Kontrollprozessen. Das hat die Unternehmensberatung Horváth & Partners in ihrer Brexit-Studie vom 7. Mai herausgefunden. Unter anderem "Verträge und Produktbeschreibungen müssen angepasst werden, wodurch die Kundenbeziehung beeinflusst wird", sagt Rainer Zierhofer, Partner und Leiter des Beratungsbereichs Financial Industries bei der Unternehmensberatung. Die geringsten Auswirkungen erwarten die befragten Banker bei den Datenverwaltungs- und IT-Systemen.
Hessische Firmen rechnen mit möglichen Zollbarrieren
Im Falle eines ungeregelten Austritts ohne Abkommen und Übergangszeit rechnen auch zwei Drittel von 500 befragten hessischen Unternehmen mit negativen Auswirkungen auf das eigene Geschäft. So ist beispielsweise jedes zweite Unternehmen besorgt wegen möglicher Zollbarrieren. Das geht aus einer am 2. Mai veröffentlichten Studie der Hessen-Agentur hervor.
Trotz aller Bedenken der Unternehmen ist der hessische Finanzplatz Frankfurt im Wettbewerb der Finanzstandorte laut der Studie des CFA-Instituts aktuell der größte Brexit-Profiteur, gefolgt von Paris, Dublin, Luxemburg und Amsterdam. "Mittlerweile haben sich 20 Banken für einen Ausbau ihrer Tätigkeiten in Frankfurt oder eine Verlagerung nach Frankfurt entschieden", erklärt Hubertus Väth, Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance, gegenüber Springer Professional. Etwa eine Handvoll weiterer Banken seien bei der Entscheidung für den Finanzplatz am Main weit vorangeschritten.
Rund 1.000 zusätzliche Banker in Frankfurt
Väth erwartet, dass sich die Mehrzahl dieser Banken am Ende auch tatsächlich für die Rhein-Main-Region entscheiden wird. "Bis April 2018 dürften rund 1.000 zusätzliche Mitarbeiter in Frankfurter Banken ihre Arbeit aufgenommen haben", schätzt Väth. Die neuen Mitarbeiter werden Väth zufolge überwiegend aus den Bereichen Produktentwicklung und –strukturierung kommen, aber auch der Vertrieb, das Risikomanagement und der Bereich Marktfolge werde in Frankfurt verstärkt.