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2011 | Book

Hochaltrigkeit

Herausforderung für persönliche Lebensführung und biopsychosoziale Arbeit

Editors: Hilarion G Petzold, Erika Horn, Lotti Müller

Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Book Series : Integrative Modelle in Psychotherapie, Supervision und Beratung

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About this book

In der Politik wird die sogenannte Vergreisung der Gesellschaft meist als Problem gesehen, z.B. für die Rentenkassen oder das Gesundheitssystem, doch sind mit dem hohen Alter auch positive Aspekte verbunden: Das Buch beleuchtet in interdisziplinärer Sicht Probleme, Herausforderung und Chancen der Hochaltrigkeit - sowohl aus gesellschaftlicher, vor allem aber aus individueller Perspektive. Mit einem modernen, biopsychosozialen Ansatz werden wichtige Themen wie das alternde Gehirn, die psychologische Leistungsfähigkeit, Entwicklungsprozesse, Willensdynamik, Bewegungsaktivität in ihrer Bedeutung für Begleitung, Pflege, Bildungsarbeit, Psychotherapie und die Förderung einer Lebenskunst im hohen Alter ausführlich behandelt. Menschen, die mit Hochbetagten zu tun haben oder arbeiten, finden in diesem Buch nicht nur einen guten Überblick über die aktuellen wissenschaftlichen Entwicklungen in diesem interdisziplinären Arbeitsfeld, sondern auch viele Anregungen für den Umgang mit hochaltrigen Mitbürgerinnen und Informationen für ihr eigenes Altern.

Table of Contents

Frontmatter

Zum Geleit: Langlebigkeit – Herausforderung und Chance in einer. Gesellschaft des langen Lebens

Zum Geleit Langlebigkeit – Herausforderung und Chance in einer Gesellschaft des langen Lebens
Zusammenfassung
Wir leben in einer Gesellschaft des langen Lebens. Immer mehr immer ältere Menschen stehen immer weniger jüngeren Menschen gegenüber. Noch nie zuvor haben so viele Menschen eine so lange Lebenszeit gehabt wie heute. Sehen wir darin nicht ein Problem, sondern eine Chance!
Ursula Lehr

Hochaltrigkeit als gesellschaftliche Herausforderung

Frontmatter
Zur Dynamik der Bevölkerungsentwicklung im höchsten Alter
Zusammenfassung
Anfang des 21. Jahrhunderts hat die Lebenserwartung der in Europa lebenden Frauen ein Alter von 83 Jahren erreicht, während die Lebenserwartung der Männer bei 78 Jahren liegt. Wir wissen, dass die Lebenserwartung im Verlauf des 20. Jahrhunderts erheblich gestiegen ist, in Deutschland um mehr als 40 Jahre. Blickt man weiter in der Geschichte zurück, wird deutlich, dass die Lebenserwartung seit Mitte des 19. Jahrhunderts stetig angestiegen ist. Sie hat sich im Verlauf der letzten beiden Jahrhunderte nahezu verdoppelt. Wenn man die Zahlen zur Entwicklung der Lebenserwartung in einer Grafik darstellt, so ist ein demografisches Phänomen von einer großen Kontinuität beobachtbar. Die wesentlichen Gründe für diese Steigerung der Lebenserwartung sind Fortschritte in der medizinischen Diagnostik und Behandlung, bessere Ernährung, gesündere Wohnsituationen, Verbesserungen der sozialen Sicherheit und Möglichkeiten zur aktiven Vermeidung von Sterberisiken. Trotz der relativen Einheitlichkeit der Trends im internationalen Vergleich gibt es Unterschiede im Niveau zu verschiedenen Zeitpunkten. Es zeigt sich, dass der Prozess der Lebensverlängerung auch rückläufig sein kann bei der Verschlechterung der Lebensbedingungen, wie man es gegenwärtig in Russland beobachtet. Es gibt keine Garantie für langes Leben – die individuelle Lebensspanne ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels individueller Faktoren, z.B. der genetischen Disposition, der aktuellen Lebens- und Verhaltensweise, der allgemeinen Lebensbedingungen in früheren Lebensjahren und des Zuganges zur medizinischen Versorgung. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass Bildung eine wesentliche Rolle spielt. Menschen mit guter Bildung haben größere Chancen, bessere Lebensbedingungen und ein höheres Alter bei besserer Gesundheit zu erreichen. Es ist auch bekannt, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer. Dieser Sachverhalt führt zu einem höheren Anteil von Frauen im hohen Alter. Es kommen auf einen Mann etwa 3 Frauen im Alter 80 und älter und 7,5 im Alter 100 und älter (Berechnung nach Kannisto-Thatcher-Database).
Rembrandt Scholz
Die Hochaltrigen – eine neue Größe im Gefüge der Intergenerationalität
Zusammenfassung
Die in den letzten Jahrzehnten stark angestiegene Lebenserwartung der älteren Bevölkerung hat zu einer verstärkten demographischen Alterung von oben beigetragen. Auch in nächster Zukunft werden Zahl und Anteil hochaltriger Menschen voraussichtlich rasch ansteigen, und die Hochaltrigen gehören zu der am schnellsten wachsenden Bevölkerungsgruppe Europas. Da die Zunahme der Lebenserwartung im Alter häufig unterschätzt wurde, werden die Zahlen zur Entwicklung hochaltriger Menschen immer wieder nach oben angepasst. Ging in der Schweiz beispielsweise das Bundesamt für Statistik bei seinem Referenzszenario 2000-2060 davon aus, dass 2030 in der Schweiz gut 67‘400 Menschen 90-jährig und älter sein werden, wird beim neuesten Referenzszenario 2009-2050 für 2030 von nahezu 127‘000 90-jährigen und älteren Menschen ausgegangen. Ein wichtiger Einflussfaktor der zukünftigen Entwicklung ist das Altern geburtenstarker Jahrgänge (Baby-Boom-Generation); Jahrgänge, die das Pensionierungsalter insgesamt in besserer Gesundheit und mit besseren sozioökonomischen Kennwerten erreichen als frühere Generationen und die deshalb eine erhöhte Wahrscheinlichkeit aufweisen, sehr alt zu werden.
Fran÷ois Höpflinger
Zwischen Vitalität und Pflegebedürftigkeit: Stärken und Schwächen des hohen Alters
Zusammenfassung
Am 10. Mai 2002 erschien in der Zeitschrift Science ein Artikel, der die Ansichten über die Entwicklung der Lebenserwartung grundlegend veränderte. Jim Oeppen und James W. Vaupel widerlegten auf geradezu geniale Art und Weise die über Jahrzehnte hinweg wiederholt geäußerte Meinung vieler Forscher, dass die Lebenserwartung bald eine Obergrenze erreichen würde (Oeppen & Vaupel 2002). Ihr Ansatz war, nicht nur die Entwicklung der Lebenserwartung in einzelnen Ländern zu betrachten, sondern für jedes Jahr das Land zu berücksichtigen, das die weltweit höchste Lebenserwartung aufwies. Durch dieses Vorgehen wurde die Rekordlebenserwartung bestimmt. Die beiden Forscher haben nun die Entwicklung dieser Rekordlebenserwartung seit 1840 rekonstruiert und ihre Beobachtungen mit historischen und zeitgenössischen Expertenmeinungen und Prognosen verglichen. Die Analyse erbrachte zwei wichtige Ergebnisse: Erstens stellten sich viele der in den vergangenen 75 Jahren gemachten Behauptungen über vermeintliche Höchstgrenzen der Lebenserwartung regelmäßig wenige Jahre später als falsch heraus, weil diese dann bereits in einem Land durchbrochen worden waren. Zweitens zeigte die Entwicklung der letzten 160 Jahre, dass die Rekordlebenserwartung der Frauen stetig und kontinuierlich um ungefähr drei Monate pro Jahr (exakt 0,243 Jahre) angestiegen war. Sollte die Lebenserwartung bald ihre Obergrenze erreichen, würde man erwarten, dass sich der Zuwachs in der Rekordlebenserwartung verlangsamt. Doch genau das trifft nicht zu. Erstaunlich ist das Ausmaß der Konstanz und Regelmäßigkeit ihres Anstiegs. So lässt sich die Zunahme über 160 Jahre fast perfekt durch eine Gerade beschreiben. Wenn sich der lineare und kontinuierliche Zuwachs der Lebenserwartung in der Zukunft fortsetzt, dann wird im Jahr 2060 die Rekordlebenserwartung in einem Land auf der Erde – vermutlich Japan – 100 Jahre betragen. Die Ergebnisse der Studie haben gravierende Folgen für die Politik und die persönliche Lebensplanung. Denn viele der bisherigen offiziellen Prognosen, die auf der Annahme beruhen, die Obergrenze der Lebenserwartung sei bald erreicht, täuschen die Gesetzgeber und diejenigen, die für ihren Ruhestand planen und vorsorgen wollen, über die tatsächliche zukünftige Lebenslänge hinweg. österreich taucht in der Auflistung der Rekordlebenserwartung nicht auf. Trotzdem ist die Lebenserwartung von 32,7 Jahren für Männer und 36,2 Jahren für Frauen im Zeitraum 1868/71 auf 77,3 Jahre für Männer und 82,9 Jahre für Frauen im Jahr 2007 angestiegen. Der durchschnittliche jährliche Zuwachs in diesem Zeitraum beträgt 0,34 Jahre für Frauen und übertrifft sogar den Zuwachs der weiblichen Rekordlebenswartung (0,243 Jahre). Aus den Sterbetafeln für das Jahr 2007 ist weiter zu entnehmen, dass 84% der Männer und 92% der Frauen die Chance haben, das Alter von 65 Jahren zu erreichen. 80 Jahre alt werden 52% der Männer und 71% der Frauen. Zehn Jahre zuvor betrug die Chance, 80 Jahre alt zu werden, 41% (Männer) bzw. 63% (Frauen). Es ist ein bemerkenswertes Ergebnis, dass heutzutage mehr als die Hälfte der Männer und fast drei Viertel der Frauen das hohe Alter (80+) erreichen, eine Lebensphase, die von der Gerontologie und auch der Gesellschaft insgesamt bislang noch zuwenig beachtet und erforscht wird. Von allen 80-Jährigen werden wiederum 32% der Männer und 42% der Frauen 90 Jahre alt. Diese Möglichkeiten waren zehn Jahre zuvor deutlich niedriger (23% für Männer bzw. 34% für Frauen). In einem demografisch betrachtet sehr kurzen Zeitraum von 10 Jahren haben sich nicht nur die Chancen, ein hohes Alter zu erreichen erhöht, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, eine weitere Dekade zu leben, ist deutlich angestiegen. In keinem anderen Alterssegment ist eine solche Dynamik zu finden. Abbildung 1 und 2 sollen verdeutlichen, dass die zunehmende Hochaltrigkeit bei Männern ab ca. 1980, bei Frauen ab ca. 1970 eingesetzt hat. Das Rektangularisierungsmuster löst sich auf, der rechte Schenkel der Verteilung wandert immer weiter nach rechts. Dies bedeutet, dass auch im höchsten Alter die überlebenswahrscheinlichkeiten steigen, was mittlerweile den größten Beitrag zur Zunahme der Lebenserwartung liefert. Die Konsequenzen dieser rasant zunehmenden Hochaltrigkeit sind unklar. Es drängt sich die Frage auf, wie gut der Mensch für ein sehr langes Leben von 80, 90 oder sogar 100 Jahren ausgestattet ist.
Christoph Rott

Biopsychosoziale Dimensionen von Gesundheit und Krankheit im hohen Alter

Frontmatter
Das gesunde und das kranke Gehirn von Hochaltrigen – Neurobiologie des Gehirns im hohen Alter
Zusammenfassung
„Use it or lose it” – „Gebrauche Dein (Gehirn) oder Du verlierst es”. Ein sehr plakativer Ausspruch, aber wahrscheinlich gar nicht so weit von der Realität entfernt. Er stimmt mit der allgemeinen Beobachtung überein: Menschen, die im Alter körperlich und geistig aktiv bleiben, zeigen häufig eine größere geistige Frische. Tatsächlich gibt es mehr und mehr wissenschaftliche Befunde, die sich gut in dieses Bild einfügen. So konnte bei genetisch veränderten Mäusen, die Zeichen einer Alzheimer Erkrankung zeigen, beobachtet werden, dass aktive, mit einer interessanten Umgebung stimulierte Mäuse diese Veränderungen weniger ausgeprägt und später aufweisen (Lazarov et al. 2005). Gleichzeitig ist in allen epidemiologischen Untersuchungen zur Demenz die Anzahl an Ausbildungsjahren ein protektiver Faktor (Breitner et al. 1999). Es wird vermutet, dass ein solcher Zusammenhang auch mit der geistigen Aktivität in Beruf und Freizeit besteht (Stern 2006). Die Frage nach der Anzahl der Ausbildungsjahre in der Jugend ist aber ungleich einfacher und besser zu standardisieren.
Johannes Streffer
Altern und Genetik
Zusammenfassung
Es gibt Phänomene im Leben, die aus biologischer Sicht schwierig zu definieren sind. Dazu gehören „Gesundheit” oder „Altern”. So erstaunt es wenig, dass viele Theorien und Hypothesen über die Mechanismen des Alterungsprozesses bestehen, wie solche diesen verursachen oder beeinflussen können. Dass dem so ist, bedeutet, dass man das Geheimnis des Alterns letztlich noch nicht kennt. In diesem Beitrag werden diesbezügliche Beobachtungen der genetischen Forschung kurz zusammengefasst.1
Hansjakob Müller
Hochaltrigkeit und körperliche Aktivität
Zusammenfassung
Die mittlere Lebenserwartung des Menschen wird für den Bereich der Steinzeit mit 20 bis 30 Jahren angegeben. Im Jahre 1900 lag sie im deutschen Kaiserreich bei 39 Jahren für Männer, 45 Jahren für Frauen. Dann trat im 20. Jahrhundert eine geradezu dramatisch anmutende Verlängerung der Lebenserwartung ein. Nach den Angaben des statistischen Bundesamtes in Wiesbaden betrug die mittlere Lebenserwartung im Jahre 2008 für Männer in Deutschland 76 Jahre, für Frauen 82 Jahre (Abb. 1). Ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht abzusehen. Das höchste Lebensalter auf der Erde erreichen Japaner auf der Inselgruppe von Okinawa. Dort beläuft sich die mittlere Lebenserwartung auf über 90 Jahre, während sie in Japan selbst bei weiblichen Personen 85 Jahre beträgt, bei männlichen 79 Jahre. Die Ursachen für diese Differenzen sind im Detail unbekannt. Summarisch dürfte es einerseits eine Frage der Gene sein, andererseits die des Lebensmilieus im psychosozialen Sinne und der körperlichen Aktivität (Epigenetik). Speziell von letzterer soll im Folgenden die Rede sein.
Wildor Hollmann, Heiko K. Strüder, Julia Mierau
Psychologie der Hochaltrigkeit:Kognitive Entwicklung im hohen Alter
Zusammenfassung
In der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne (Baltes 1990; Martin &; Kliegel 2008) wird die Gleichwertigkeit aller Lebensphasen für die lebenslange Entwicklung betont. Während es für die meisten Altersbereiche Erkenntnisse über Entwicklungs- und Adaptationsprozesse und zur kognitiven Entwicklung gibt, ist die Psychologie des sehr hohen Alters aufgrund der bisher nur selten verfügbaren Längsschnittdaten stärker in der Charakterisierung von Eigenschaften von Personen als in der Charakterisierung von Entwicklungsprozessen. Wir gehen daher im vorliegenden Kapitel auf der Basis einer kurzen Geschichte der Psychologie des sehr hohen Alters zunächst der Frage nach, welche Längsschnittdaten international zu Prozessen kognitiver Entwicklung im sehr hohen Alter vorliegen. Anhand von drei beispielhaft ausgewählten Studien wird die Befundlage beschrieben. Schließlich gehen wir auf die besonderen methodischen und theoretischen Herausforderungen in der längsschnittlichen Erforschung des sehr hohen Alters ein und skizzieren einen konzeptionellen Rahmen für die zukünftige Erforschung von Entwicklungsprozessen im sehr hohen Alter.
Vera Schumacher, Mike Martin
Psychotherapie mit Hochbetagten
Zusammenfassung
Eine 83-Jährige mit einer depressiven Symptomatik, die zudem unter einer schweren Rückgratverkrümmung leidet und über eine Vielzahl weiterer Beschwerden klagt, meinte in einer Therapiestunde: „Wissen Sie, das mit dem Alter ist schon merkwürdig. Dass ich jetzt 83 Jahre alt sein soll, das kann ich nicht begreifen. Ja, wenn ich mich vor den Spiegel stelle, dann sehe ich meine Falten. Wenn ich aufstehen will, tut mir alles weh. Auch beim Spazieren gehen, merke ich, dass ich nicht mehr jung bin. Aber innerlich? Da fühle ich mich noch ganz jung, da bin ich so lebendig! Nur mein Körper, der macht halt nicht mehr mit. Das ist schon schwer zu fassen. Da hat der Herrgott mir nichts Gutes getan.”
Rolf D Hirsch
Musiktherapie mit Menschen im hohen Senium
Zusammenfassung
Wahrscheinlich hat nur ein Bruchteil der hochaltrigen Bevölkerung von Musiktherapie schon einmal etwas gehört oder sie gar schon „am eigenen Leib” erfahren. Dennoch soll sie hier als wirksame psychosoziale Interventionsmöglichkeit für Menschen im hohen Senium beispielhaft vorgestellt und empfohlen werden.
Lotti Müller
Hochbetagte Menschen zuhause – pflegen, begleiten und betreuen
Zusammenfassung
Menschen leben heutzutage länger und gesünder als je zuvor. Diese längere Lebenszeit stellt diverse neue Herausforderungen an die älteren und hochbetagten Menschen, ihr Umfeld und an die Gesellschaft. Im letzten Lebensabschnitt sind viele Menschen von schwereren chronischen Krankheiten und unterschiedlichen Behinderungen betroffen. Diese Probleme wachsen in dem Masse an, wie die Babyboomer älter werden. Dem Gesundheitswesen und für diesen Artikel besonders wichtig, der Gemeindekrankenpflege mangelt es an Kapazität und Wissen, die Bedürfnisse dieser chronisch kranken Menschen zu erfüllen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Pflege dieser Population teurer wird und die Verfügbarkeit von Pflegenden immer mehr schwindet. Positiv fällt hingegen ins Gewicht, dass ältere Menschen sehr oft gut mit ihren chronischen Krankheiten leben können und dass das Gesundheitswesen in der Schweiz, aber auch in anderen Ländern, bereits gewisse Vorkehrungen im Zusammenhang mit diesem demographischen Wandel unternommen hat. Insgesamt benötigt diese dringende Anpassung aber neue Wege in der Pflege, Betreuung und Begleitung hochbetagter Menschen. Der grösste Wunsch der meisten Menschen ist es, bis zu ihrem Tod zu Hause leben zu können. Dies widerspricht allerdings den heutigen Tatsachen, denn je älter Menschen werden, umso öfter wird ein Heimeintritt nötig, und zu Hause sterben können nur sehr wenige.
Ursula Wiesli
Hochbetagte in der Heimsituation
Zusammenfassung
Dass wir uns heute mit dem Begriff „hochbetagt” auseinandersetzen müssen, schulden wir dem medizinischen Fortschritt und der daraus resultierenden demografischen Entwicklung. Wir alle wissen, dass wir zu einer „alten” Gesellschaft werden, deren zusätzliches Kennzeichen eine Feminisierung des Alters bedeutet. Die Abstufungen sind uns hinlänglich bekannt: man spricht von alt, älter und hochbetagt, und sogar die Grammatik übt hier Einfluss:
„Das ist bekannt:
Eine ältere Frau ist jünger als eine alte Frau. Wie groß muss doch die Angst vor dem Alter sein, dass sie sogar die Grammatik vergewaltigt.“ (Bovenschen 2006)
In ihrem Buch bringt Silvia Bovenschen das Thema auf den Punkt. ähnlich wie wir in den 50er bis 70er Jahren Todesanzeigen vorfanden, die mit den Worten „plötzlich und unerwartet“ begannen, so scheint es heute mit dem älterwerden zu sein. Kaum einer beschäftigt sich in gesunden Tagen mit folgender Problematik: Wie will ich alt werden? Welch ein Wohnumfeld braucht es? Habe ich Barrierefreiheit?, bis hin zu der Frage: Gestalte ich meinen Lebensabend selbstbestimmt oder gestalten ihn andere?
Gerda Graf

Zwischen Bewältigung und Lebenskunst – Hochaltrigkeit als individuelle Herausforderung

Frontmatter
Hochaltrigsein als Herausforderung
Zusammenfassung
Wenn es um „konkrete Alterserfahrungen” geht, muss sich jeder als „Alternder” betrachten und zeigen. Ich darf als die älteste Mitautorin dieses Bandes etwas von meinen Erfahrungenberichten.
Erika Horn
Bildungsarbeit mit Hochaltrigen
Zusammenfassung
Kürzlich wurden die neuesten demographischen Daten bekannt gegeben: In einigen Jahrzehnten wird jeder siebte Mensch in Deutschland älter als 80 Jahre sein. Die Zahl der Hochaltrigen ist die am meisten ansteigende Gruppierung in der Gesellschaft.
Ludger Veelken
Seelsorge mit Hochbetagten
Zusammenfassung
Die alten Damen im Heim halten Stofftiere an sich gedrückt- Teddybären, Enten und Hunde. Bis ins hohe Alter bleibt die Sehnsucht nach Zuwendung, Liebe geben und empfangen, nach einem Sinn in ihrem Leben, nach Vergebung, nach Nähe in der Bedrohung durch den Tod. Bei religiös geprägten Menschen findet die Sehnsucht ihren Ausdruck in Gebet, Meditation, Liedern, Gottesdiensten, Ritualen. Neben dieser Sprache gibt es Dialekte: Volksmusik, Zuwendung zu Tieren, Schimpfen, Klagen, Verstummen. „Seelsorge” kann daher nicht bedeuten, zwischen Mittagsschlaf und „Beschäftigungstherapie” auch noch „religiöse Bedürfnisse” abzudecken. Sie ist „Sprachfindung” (und hier beziehe ich „nonverbale” Sprache ausdrücklich mit ein) für den Hunger, den beide – der alte Mensch und Seelsorger und Seelsorgerin – empfinden.
Urte Bejick
Der Wille für gelingende Hochaltrigkeit
Ein Bietrag zum intergenerationalen Polylog und zu integrativen, bio-psy-cho-sozialen Maßnahmen für die Gewährleistung von Integrität und Wür-de im alter
Zusammenfassung
Ich habe als Titel dieser Arbeit das Thema des „Willens bis ins Hochbetagtsein” im Kontext dieses Bandes zu „Hochaltrigkeit als Aufgabe bio-psycho-sozialer Maßnahmen” gewählt. Ursprünglich wurde er als Festrede für Prof. Dr. Erika Horn (Haring 2008b) gehalten auf der zu ihrem 90. Geburtstag veranstalteten Tagung „Hochaltrigkeit als gesellschaftliche Herausforderung” – „Hochaltrigkeit als Aufgabe bio-psycho-sozialer Betreuung”. Ich verstehe meinen Text als Beitrag zum Kontinuum des „intergenerationalen Polyloges”, einem vielfältigen Austausch zwischen den Generationen, den wir brauchen und der eine konsequente Reflexion der Kontext/Kontinuums-Dimension des Lebensgeschehens, des Chronotopos (Bachtin 2008; Petzold, Orth, Sieper 2008) erfordert. Das verlangt auch einen „interdisziplinären Polylog”, den permanenten Austausch zwischen den Disziplinen, die sich mit der Thematik „Alter und Hochbetagtheit” befassen, zu dem ich einen Beitrag leisten möchte, denn aus diesem Zusammenspiel mit seinen dichten Konnektivierungen von Wissensständen können transdisziplinäre Ergebnisse (Petzold 1998a, 27, 240/2007a, 30, 196f) „emergieren”, die Transgressionen, überschreitung von „Positionen” (Derrida 1986) möglich machen. Mein Beitrag erfolgt aus der Sicht der „Integrativen Therapie” (Petzold 2003a), die sich auf der Grundlage einer „angewandten Gerontologie” und einer anthropologischen Sicht auf die „Entwicklung in der Lebensspanne” als das erste Verfahren der Psychotherapie, Soziotherapie und Agogik seit über vierzig Jahren systematisch und forschungsorientiert mit der biopsychosozialen Behandlung, Betreuung und Weiterbildung alter Menschen und Hochbetagter befasst hat (idem 1965/1985a, Abb. S. 13, 2005a; Petzold, Bubolz 1976; Petzold, Marcel 1976; Petzold, Müller 2005) und in diesem Bereich Pionierarbeit leisten konnte (Müller 2008). Wie ich schon früh aufzeigte, muss eine solche polylogische Inter- und Transdisziplinarität3 eine zunehmende Klärung des universellen Phänomens „Altern” aus transdisziplinärer Perspektive ermöglichen, wie unlängst auch Ferring et al. (2008) wieder einmal unterstrichen haben.
Hilarion G Petzold
Lebenskunst im endgültigen Abschiednehmen
Zusammenfassung
Langsam verebbt der Duft der Glyzinien vor meinem Fenster. Viele ihrer Blüten bedecken schon den Rasen, so reich haben sie im ersten Frühling geblüht – nun ist es endgültig vorbei. Wir trösten uns leichthin: „Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei – und nach jedem Dezember kommt wieder ein Mai...” Aber das nächste Blühen wird ein anderes sein, auch der nächste Mai – sie sind unwiederholbar. Und erst recht noch fraglich, ob ich, nun bald zweiundneunzig, noch einen erleben werde.
Erika Horn
Backmatter
Metadata
Title
Hochaltrigkeit
Editors
Hilarion G Petzold
Erika Horn
Lotti Müller
Copyright Year
2011
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92740-4
Print ISBN
978-3-531-17523-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92740-4