Autoren: Henner Gimpel und Maximilian Röglinger
Wirtschaftsinformatik & Management: Herr Dr. Herbrich, nur wenige Leute wissen, was Amazon in der Forschung macht und welche Rolle diese für das Unternehmen spielt. Geben Sie uns bitte einen Überblick über den Forschungsbereich bei Amazon.
Ralf Herbrich: Als Amazon haben wir in Deutschland eine lange Geschichte im Handel. Seit 20 Jahren sind wir hier aktiv. Forschung und Entwicklung gibt es in Deutschland seit 2013. Wir betreiben dafür mehrere Standorte in Deutschland: Aachen, Dresden und Berlin. Aachen und Berlin sind sehr forschungsorientiert aufgestellt. Aachen im Bereich Spracherkennung — zum Beispiel für Amazon Alexa — und Berlin im Bereich Machine Learning. In Dresden entwickeln wir Cloud-Dienste für Amazon Web Services. International ist Amazon im Bereich Machine Learning neben Berlin an fünf weiteren Standorten vertreten, nämlich Bangalore, Seattle, Los Angeles, Cambridge und Barcelona. Jeder Standort hat seinen eigenen Schwerpunkt rund um die Expertise der Gruppenleiter.
Können Sie uns einige Themen nennen, an denen Sie gerade arbeiten?
In Berlin arbeiten wir beispielsweise gerade an Algorithmen für die Prognose von Modenachfrage. Diese Algorithmen werden weltweit eingesetzt. Im Zuge der Einführung von Amazon Fresh erweitern wir diese Algorithmen, um die Haltbarkeit von verderblichen Waren — zum Beispiel von Erdbeeren — prognostizieren zu können. Darüber hinaus versuchen wir, Sprachbarrieren zu überwinden. Allein in Europa haben wir 26 Hauptsprachen und unzählige Dialekte. Durch diese Sprachvielfalt ist digitaler Inhalt im Moment auf einzelne Märkte begrenzt. Die Menge an Inhalt verbietet es aber schlichtweg, sich einer Übersetzung manuell zu nähern. Dies ist definitiv eine große wissenschaftliche Herausforderung. Lassen Sie mich dazu ein etwas technischeres Beispiel geben: Aktuell gibt es zahlreiche Software-Frameworks, die fortgeschrittene Machine-Learning-Algorithmen im Bereich Deep Learning umsetzen. Um diese Frameworks nutzen zu können, müssen unsere Wissenschaftler die Algorithmen sehr aufwendig parametrisieren. Eine unserer aktuellen Ideen zielt daher darauf ab, den Parametrisierungsaufwand auf null zu reduzieren und trotzdem kostengünstig eine optimale Einstellung zu finden.
Allein in Europa haben wir 26 Hauptsprachen und unzählige Dialekte. Durch diese Sprachvielfalt ist digitaler Inhalt im Moment auf einzelne Märkte begrenzt“
Ihre Themen sind zweifelsohne sehr technologielastig. Welche Rolle spielen disruptive Technologien für Ihre Forschung?
Hier ist meine Antwort vermutlich anders, als Sie es erwarten würden. Amazon ist nämlich primär auf den Kunden ausgerichtet. Die zentrale Frage für unseren Forschungsbereich ist daher, welche Kundenprobleme wir in den nächsten drei Jahren lösen müssen und wie wir das Kundenerlebnis optimal gestalten können. Für diese Probleme suchen wir die passenden Technologien und arbeiten dann an entsprechenden wissenschaftlichen Durchbrüchen. Es geht also nicht primär um Technologien, sondern darum, das Leben der Kunden zu vereinfachen.
Das komplette Interview mit Ralf Herbrich lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Springer-Magazins Wirtschaftsinformatik und Managament (5/2017).