3.2.2.1 Gesellschaftliche Entwicklungen
Die Agrarpolitik ist eine zentrale Komponente der landwirtschaftlichen Entwicklung. Seit dem zweiten Weltkrieg haben agrarpolitische Entscheidungen massive Auswirkungen auf die Landnutzung in Österreich gehabt [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Ein steigender Kostendruck und damit Effizienzsteigerung führten zu einer Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion. Eine Folge der Intensivierung ist eine Abnahme der Anzahl der Betriebe bei zunehmender Betriebsgröße und Kapitalintensität [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Förderungen der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU, beginnend mit 1992, und darin insbesondere das Österreichische Programm für Umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) mit Fokus auf die Entwicklung des Ländlichen Raumes, wirkten diesem Intensivierungsdruck entgegen und hatten positive Auswirkungen auf viele Umweltindikatoren [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Inwiefern sich die Umgestaltung der Säulen seit der letzten großen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU 2013 auf den Strukturwandel und die Intensivierung auswirken, sollte Gegenstand zukünftiger Forschung sein [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung].
In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg war die österreichische Agrarpolitik vor allem auf eine Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu angemessenen Preisen, eine Sicherung des individuellen Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen und eine Erhöhung der Produktivität durch technischen Fortschritt fokussiert (Butschek,
2012;
Abschn. 6.3.3) [hohe Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Hierzu wurden Marktpreisstützungen eingeführt und eine Förderung des technischen Fortschritts und der optimalen Nutzung der Produktionsmaßnahmen forciert (Krausmann et al.,
2003). Mit dem Beitritt Österreichs in die Europäische Union im Jahr 1995 und einer Reihe davor stattgefundener Agrarreformen, wie zum Beispiel der MacSherry-Reform im Jahr 1992 und dem Agrarabkommen der Uruguay-Runde der Welthandelsorganisation im Jahr 1994, wurde in Österreich das bisherige System von Marktpreisstützungen durch direkte Ausgleichszahlungen ersetzt (Eickhout et al.,
2007). Neben den Direktzahlungen gab und gibt es noch wichtige weitere Instrumente wie z. B. Flächenstilllegung oder Exportsubventionen. Gleichzeitig erhöhte sich die Exposition des österreichischen Agrarmarktes durch den Beitritt zur EU und in den Weltmarkt durch Abbau von Handelshemmnissen, wie zum Beispiel Zollpreissenkungen und Senkungen von Ausfuhrsubventionen als auch eine Harmonisierung von nichttarifären Handelshemmnissen. Der Außenhandel mit Agrargütern in Österreich ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen, weist aber traditionell ein monetäres Handelsbilanzdefizit auf (Import-Werte sind größer als Export-Werte). Das „traditionelle Handelsbilanzdefizit“ umfasst Agrargüter, Nahrungsmittel und Getränke und betrug im Jahr 2020 14 Mio. Euro. Aktuell sind die wichtigsten Handelspartner Österreichs die Europäische Union und dort im speziellen Deutschland und Italien. In der Literatur herrscht hohe Übereinstimmung, dass die Verknüpfung von nationalen und internationalen Nachfrage- und Angebotsstrukturen (Tramberend et al.,
2019) wichtige Antriebsmotoren einer weiteren Intensivierung der Landwirtschaft und dem damit einhergehenden Fortschreiten des Strukturwandels mit weniger, aber größeren landwirtschaftlichen Betrieben darstellt (Haberl et al.,
2007; MacDonald et al.,
2000; Kastner et al.,
2014;
2015).
Der wachsende Bedarf an landwirtschaftlich erzeugter Biomasse ist auf globaler Ebene als wesentlicher Treiber für Änderungen der Landnutzung beschrieben (Alexander et al.,
2015). Die Versorgungsbilanzen landwirtschaftlicher Produkte sind in Österreich sehr unterschiedlich. Der Selbstversorgungsgrad (SVG) gibt dabei das Verhältnis von inländischer Erzeugung zu inländischem Verbrauch an. Er wird im Folgenden als Mittelwert der letzten sechs Jahre (2015–2020) angegeben (Statistik Austria,
2022). Ausgeglichene Bilanzen (= ca. 100 % SVG
\({\pm}\) 10 %) werden für Fleisch (insgesamt), die meisten Milchprodukte (ausgenommen Butter mit einem SVG von 72 %), sowie tierische Fette, Bier und Wein ausgewiesen. Innerhalb der Kategorie Fleisch gibt es große Unterschiede im SVG: z. B. 6 % für Fisch, 71 % für Geflügel, 103 % für Schwein und 143 % für Rind- und Kalbsfleisch. Der SVG von Getreide (insgesamt) liegt bei 90 %, der von Kartoffeln und Hülsenfrüchten bei 84 %. Einen niedrigen SVG gibt es bei Gemüse (57 %), Ölsaaten (50 %), Honig (48 %), Obst (46 %) und pflanzlichen Ölen (27 %). Auch hier gibt es große Unterschiede innerhalb der Kategorien. Der SVG für ausgewählte Gemüsesorten liegt bei 9 % für Pilze, 32 % für Zucchini und Paprika, 60 % für Rote Rüben, 83 % für Kraut und Salat, 96 % für Karotten, 104 % für Spinat und 128 % für Zwiebeln. Der SVG für ausgewählte Getreidesorten liegt bei 83 % für Körnermais, knapp über 90 % für Gerste, Hafer und Weichweizen, 100 % für Roggen und Triticale sowie 123 % für Hartweizen. Der SVG für spezifische Ölpflanzen liegt bei 37 % für Raps, 40 % für Sonnenblumen und 80 % für Sojabohnen. Darüber hinaus nahmen auch für Bereiche mit ausgeglichenem SVG Importe und Exporte in den letzten Jahrzehnten tendenziell zu, als Konsequenz der zunehmenden Integration Österreichs in den europäischen Markt. Aufgrund dieser Handelsverflechtungen wirkt der österreichische Konsum zunehmend auch auf die Landnutzung außerhalb des Landes, während umgekehrt die Landnutzung in Österreich durch den Konsum außerhalb der Landesgrenzen mitbestimmt wird. Komponenten des Konsums landwirtschaftlich erzeugter Biomasse sind gegenwärtig die menschliche Ernährung, Lebensmittelabfälle, stofflich und energetisch genutzte Biomasse und die Fütterung von Heimtieren und Freizeitpferden. Der landwirtschaftliche Flächenbedarf einer Region erklärt sich aus dem Zusammenspiel von Konsum und Produktivität des Biomassesystems. Für die Vergangenheit zeigen sich dabei für Österreich gegenläufige Tendenzen: Während Flächenproduktivität und Effizienz des Biomassesystems stiegen und damit pro konsumierter Einheit weniger Fläche benötigt wird, erhöhte sich der Konsum und dessen Ressourcenintensität aufgrund der wachsenden Bevölkerung, sich ändernder Ernährungsgewohnheiten hin zu mehr Tierprodukten sowie der Ausweitung des Verbrauchs im technischen Bereich (Bioenergie und industriell genutzte Stoffe; Anca-Couce et al.,
2021; BMK,
2020a). Während Flächenproduktivität und Effizienz des Biomassesystems stiegen und damit pro konsumierter Einheit weniger Fläche benötigt wird, erhöhten sich der Konsum und dessen Ressourcenintensität aufgrund der wachsenden Bevölkerung, sich ändernder Ernährungsgewohnheiten hin zu mehr Tierprodukten und der Ausweitung des Verbrauchs im technischen Bereich (Bioenergie und industriell genutzte Stoffe; Anca-Couce et al.,
2021; BMK,
2020a). So stieg der gesamte Fleischverbrauch pro Kopf in Österreich zwischen 1951 und 2018 um den Faktor 2,5, also über dem weltweiten Durchschnitt von Faktor 1,9 (Arneth et al.,
2019), wobei der Anstieg bis 1990 sehr steil war und seitdem deutlich abflachte (BMLRT,
2020b; Willerstorfer,
2013). 2018 wurden laut Versorgungsbilanzen pro Kopf 63,6 kg Fleisch konsumiert (BMLRT,
2020b) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Auf der globalen Ebene wurden als wichtigste Ursachen für den steigenden Fleischkonsum steigende Pro-Kopf-Einkommen sowie eine Erhöhung des Urbanisierungsgrads identifiziert (Milford et al.,
2019). Jedoch geht die Bedeutung des Einkommens mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung zurück (Vranken et al.,
2014; Whitnall & Pitts,
2019), und kulturelle Einflüsse gewinnen an Bedeutung, die schwerer zu quantifizieren sind und noch nicht ausreichend, weder global noch für Österreich, erforscht sind (Barlösius,
2016; Littig & Brunner,
2017).
Trotz des – aufgrund des ansteigenden Fleischkonsums – erhöhten Bedarfs nach Futtermitteln nahm laut Erb (
2004) der landwirtschaftliche Flächenbedarf des österreichischen Konsums im Zeitraum 1926 bis 2000 aufgrund gegenläufiger Produktivitätssteigerungen deutlich ab. Dabei ging die Grünlandfläche besonders deutlich, von 4,3 Mio. ha im Jahr 1926 auf 1,7 Mio. ha im Jahr 2000, zurück, was zu einem stetigen Anstieg der Waldflächen (in Österreich und ganz Europa) führte (Gingrich et al.,
2019;
Abb. 1.5). Die Ackerlandflächen gingen im selben Zeitraum von 3,4 auf 2,2 Mio. Hektar zurück. In einer gesamtheitlichen Betrachtung muss dabei beachtet werden, dass die Steigerung der Flächenproduktivität durch den vermehrten Einsatz fossil-energetisch basierter Betriebsmittel ermöglicht wurde [hohe Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Ein weiterer möglicher Faktor für die höhere Flächenproduktivität kann eine durch veränderte Handelsmuster bedingte Verschiebung hin zu produktiveren landwirtschaftlichen Gebieten sein. Angesichts des im Wesentlichen erst nach 2000 entstehenden Rohstoffbedarfs für Biotreibstoffe und Biogas stellt sich darüber hinaus die Frage einer Trendwende in den letzten 20 Jahren (Stürmer et al.,
2013; Tribl,
2006) [niedrige Evidenz, mittlere Übereinstimmung].
Die Ernährung bleibt für die Landwirtschaft der gesellschaftlich zentrale und bedeutendste Bereich des Konsums. Laut Thaler et al. (
2013) nahm in der Periode 2001–2006 die Produktion österreichischer Nahrungsmittel (inkl. Lebensmittelabfälle) 3.621 m
2/Person/Jahr landwirtschaftliche Flächen in Anspruch, davon 1.879 m
2/Person/Jahr für Grünland und 1.742 m
2/Person/Jahr für Ackerland [mittlere Evidenz, hohe Übereinstimmung]
. Eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten hin zu vor allem weniger Fleisch wird nicht nur aus einer Gesundheitsperspektive empfohlen, sondern könnte auch den damit verbundenen Flächenbedarf für Nahrungsmittelproduktion reduzieren (Erb et al.,
2016; Godfray et al.,
2018). Für Österreich kommen Thaler et al. (
2015) zu einer möglichen potenziellen Reduktion des mit der Ernährung verbundenen Flächenbedarfs um
\({-}\)28 % (
\({-}\)43 % Grünland,
\({-}\)8 % Ackerland) bei fleischärmerer Ernährung (
\({-}\)50 %).
Der Einfluss der GAP auf die Entkoppelung von Produktions- und Umweltleistung und ÖPUL wird in den
Abschn. 6.2 und
6.3 beschrieben.
Im Jahr 1995 wurde das ÖPUL eingeführt, das maßgeblich zur Ausweitung von extensiverer und biologischer Landnutzung (BMLRT,
2020b; Kletzan et al.,
2004) und zu positiven Effekten auf Umweltindikatoren (z. B. Bodenhumusgehalt, Stickstoffemissionen) beiträgt (BMLFUW,
2015; Freudenschuß et al.,
2010; Hofreither et al.,
2000; Schmid,
2004; Sinabell et al.,
2019,
2016; Umweltbundesamt,
2019) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Ökonomische Modellstudien zeigen zudem den großen Einfluss von Agrarumweltzahlungen auf Landnutzungsentscheidungen (Kirchner et al.,
2016; Schmid & Sinabell,
2007; Schönhart et al.,
2018). Mehr Details zum Beitrag von Maßnahmen des ÖPUL für den Klimaschutz finden sich in
Kap. 5.
Mit Anfang 2000 kam es durch die Agenda 2000, den Mid Term Review 2003 (produktionsentkoppelte Einkommenszahlungen, welche an die Einhaltung von verpflichtenden Standards in den Bereichen Umwelt, Lebensmittelsicherheit, Tierkennzeichnungspflichten und Tierschutz gebunden ist, „Cross Compliance“, finanzielle Stärkung der Entwicklung des Ländlichen Raums) sowie dem Health Check 2008 (weitere Entkopplung, Beendigung der Milchquote, Abschaffung der Flächenstilllegung, Erhöhung der Modulationssätze) zu einer kontinuierlichen Stärkung der zweiten Säule der GAP (Heinrich et al.
2013; Kurz
2018). Unter anderem wurden Anpassungen der Direktzahlungen an konkrete Umweltleistungen („Cross Compliance“) vorgenommen, mit dem Ziel, dass Landwirt_innen Maßnahmen setzen, die zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Landwirtschaft führen (Hambrusch,
2014). Während die Reformen des Mid Term Review für Österreich in Ex-ante-Studien (Schmid et al.,
2007; Schmid & Sinabell,
2007,
2006) zu einer Extensivierung der landwirtschaftlichen Landnutzung beigetragen haben, führte die letzte große Reform der GAP 2013 zu einer Schwächung der zweiten Säule. Als Ausgleich für den Rückgang an Zahlungen in der zweiten Säule, und damit auch ÖPUL, wurde das „Cross Compliance“ durch ein strengeres „Greening“ der Direktzahlungen ergänzt (5 % Brachfläche, Mindestvoraussetzung für Fruchtfolgen, Erhalt von Dauergrünland), dessen Vorgaben jedoch von den meisten Landwirt_innen in Österreich ohne weitere Einschränkungen ohnehin erfüllt werden. Entsprechend den Erwartungen (Heinrich et al.,
2013; Pe’er et al.,
2014) zeigte eine weitere Ex-ante-Studie (Kirchner et al.,
2016), dass die GAP-Reform 2013 gegenüber einer Fortsetzung des alten Programmes in Österreich zu einer Intensivierung der landwirtschaftlichen Landnutzung führen würde (besonders in Gunstlagen). Eine Ausnahme bilden dabei die Zahlungen und die absolute Anbaufläche für biologischen Landbau, der auch in dieser Periode gestiegen ist (BMLRT,
2020b). Dennoch zeigt sich eine Wechselwirkung, d. h. Beginn einer Extensivierung landwirtschaftlicher Landnutzung mit der Einführung der verstärkten Förderung der zweiten Säule (1992) bis 2013, und danach ein neuerlicher Anstieg der Intensivierung ab ca. 2013, zum Großteil auch in empirischen Daten von Nachhaltigkeitsindikatoren in der Landwirtschaft, wie z. B. Stickstoffbilanz, Treibhausgasemissionen oder Pflanzenschutzmittel (Sinabell,
2018).
Neben den oben beschriebenen Rahmenbedingungen gibt es in Österreich noch weitere politische Instrumente, die Einfluss auf die Entwicklung von ökologischen Indikatoren nehmen, wie Schutz des Grundwassers und der Oberflächengewässer vor diffusen Einträgen, Reduzierung von Stickstoffemissionen oder Bodenhumusaufbau (
Abschn. 6.3). Die Düngergaben in der Landwirtschaft können durch verpflichtende Maßnahmen, wie das Aktionsprogramm Nitrat, aber auch durch freiwillige Maßnahmen, wie Förderungen für Agrarumweltmaßnahmen im Zuge des ÖPUL, stark beeinflusst werden [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Eine Metastudie von Jepsen et al. (
2015), in welcher die Treiber der Landbewirtschaftung in Europa in den letzten 200 Jahren untersucht wurden, zeigt, dass Mineraldünger einer der wichtigsten Treiber für Österreich war (insbesondere nach 1945). Dementsprechend wirksam sind Instrumente, die die Nutzung des Stickstoffdüngereinsatzes beeinflussen können. Neben ÖPUL-Maßnahmen sind dies: das Aktionsprogramm Nitrat – Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie (EEC 676,
1991) (sowie Beratungsaktivitäten und Bewusstseinsbildung in den Bundesländern; z. B. Umweltberatung Steiermark, Nitratinformationsdienst Niederösterreich, Wasserschutzberatung Oberösterreich) und insbesondere die „Richtlinien für die sachgerechte Düngung“ (BMLFUW,
2016a). Ein wichtiger Treiber für die Ausformulierung von ÖPUL-Maßnahmen zum Gewässerschutz wie auch dem Aktionsprogramm Nitrat ist zudem die europäische Wasserrahmenrichtlinie (EU 60,
2000; siehe auch Box
1.3; Schenker & Fenz,
2010).
Die Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie (EEC 676,
1991) haben in Österreich das Düngeverhalten geänderte (BMLFUW,
2016b), vor allem, weil die Ausbringung von Wirtschaftsdünger in ganz Österreich seit dem Inkrafttreten der AP Nitrat 2003 auf maximal 170 kg Stickstoff/ha auf Acker (Kletzan et al.,
2004) und auf 210 kg/ha im Grünland (BMLFUW,
2017) pro Jahr beschränkt ist. Die „Richtlinien für die sachgerechte Düngung“ (BMLFUW,
2017) und weitere Instrumente zur Optimierung der Bewirtschaftung, wie z. B. die Digitalisierung, dienen dazu, eine möglichst optimale und bedarfsgerechte Stickstoffversorgung zu erreichen und einen Stickstoffüberschuss zu vermeiden (Umweltbundesamt,
2019).
Über die politischen Instrumente hinaus haben auch technologische Fortschritte dazu beigetragen, Nährstoffausträge zu verringern. Mit dem Ausbau der Abwasserreinigung seit dem Jahr 1999 stammen Nährstoffeinträge von Stickstoff und Phosphor hauptsächlich aus der Landwirtschaft als auch aus der Natur- und Waldlandschaft und nicht aus Punktquellen (BMLFUW,
2016c; Umweltbundesamt,
2019). Dazu sind die Stickstoffausträge aus Grünlandstandorten ins Grundwasser (Nitratauswaschung) im Vergleich zu Austrägen aus Ackerflächen um ein Zehnfaches geringer (BMLFUW,
2016b). Allgemein ergab sich mit Beginn der 1990er-Jahre eine deutliche Verbesserung der Bewirtschaftungsmethoden im Sinne von Gewässerschutz und Bodenhumus auf Ackerflächen (BMLFUW,
2016b; Umweltbundesamt,
2019). Bestimmte ÖPUL-Maßnahmen wie biologischer Landbau, reduzierte Bodenbearbeitung und Fruchtfolgenvorgaben können den Humusgehalt und teilweise auch Stickstoffemissionen beeinflussen [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung]. Jedoch zeigen Zahlen zum Stickstoffdüngereinsatz als auch zur Stickstoffbilanz per ha einen steigenden Trend seit Anfang 2000 auf (Umweltbundesamt,
2019; besonders seit 2013; BMNT,
2019a;
Abschn. 2.2).
3.2.2.2 Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Landnutzung durch Bioenergie
Landwirtschaftliche Biomasse kann in vielfacher Weise für energetische Nutzungspfade verwendet werden und in Kraftstoffe (Biodiesel, Bioethanol) oder Strom und Wärme (Thermische Nutzung, anaerobe Fermentation, sowie Biomasse- und Biogasanlagen) umgewandelt werden. Die Bereitstellung landwirtschaftlicher Flächen für die Produktion von Biomasse zur Energieerzeugung wird v. a. durch die Entwicklung des Rohölpreises, die Flächenkonkurrenz zur Lebens- und Futtermittelproduktion und durch politische Vorgaben beeinflusst (Schmidt et al.,
2011; Stürmer,
2011). Die maßgeblichsten aktuellen politischen Förderinstrumente sind die verpflichtende Beimischung (Kraftstoffverordnung) von Agrokraftstoffen (Biodiesel, Bioethanol) und deren Mineralölsteuerbefreiung (Mineralölsteuergesetz) als auch Einspeisetarife für Ökostrom aus Biogas- und Biomasseanlagen (Ökostromgesetz) sowie Investitionszuschüsse für diese. In den Jahren 2003 bis 2009 war auch eine Energiepflanzenprämie vorhanden. Fokus dieses Abschnittes ist es, die Auswirkungen dieser Treiber auf landwirtschaftliche Landnutzung in Österreich aufzuzeigen. Bzgl. möglicher wirtschaftlicher und ökologischer Auswirkungen und einer kritischen Diskussion zur Nutzung von Biomasse sei auf Box
3.4 verwiesen. Wie im APCC (
2014) gezeigt wurde, führt eine starke Ausweitung von Biomasseproduktion für Energiezwecke auf landwirtschaftlichen Flächen in Österreich zu Flächenkonkurrenz mit Lebens- und Futtermittelproduktion, erhöht dementsprechend Importe und zieht so eine Intensivierung der Landnutzung und somit eine Verschlechterung von Umweltindikatoren mit sich, sofern nicht auf ein integriertes Fruchtfolgesystem umgestellt wird, wobei dadurch die Flächenkonkurrenz nicht vollständig behoben werden kann (
Abschn. 2.2.1 in APCC,
2014) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].
Auf Grund internationaler Handelsströme und ohne explizite Förderung der einheimischen Biomasseproduktion fallen die Auswirkungen der Entwicklung der Bioenergienachfrage, -produktion und -politik auf die landwirtschaftliche Landnutzung in Österreich im Allgemeinen eher gering aus [geringe Evidenz, geringe Übereinstimmung]. Daran wird sich vermutlich auch in Zukunft wenig ändern, da ökonomisch und politisch mit keiner großen Ausweitung der Beimischung von Agrokraftstoffen erster Generation sowie Biogas- und Biomasseanlagen gerechnet werden kann [mittlere Evidenz, mittlere Übereinstimmung]. Dabei gilt es, besonders die indirekten Landnutzungsänderungen in anderen Regionen und deren mögliche negativen Auswirkungen auf Treibhausgasemissionen und Biodiversität zu berücksichtigen [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung]. So zeigt der derzeitige Bericht für Agrokraftstoffe 2019 (BMNT,
2019b), dass die einheimische Biodieselproduktion im Jahr 2018 nur 57 % des Bedarfs deckt (der 85 % des gesamten Agrokraftstoffabsatzes ausmacht) und nur 26 % der dafür verwendeten Rohstoffe (nach Anteilen: Altspeiseöl 45 %, Raps 36 %, Tierfette 9 %, Fettsäure 6 %, Soja 3 % und Sonnenblumen 1 %) aus Österreich stammen (der Rest der Rohstoffe wird fast ausschließlich aus der EU importiert). Die Bioethanolproduktion im Jahr 2018 war mehr als doppelt so hoch wie der inländische Bedarf (231 %). Woher die dafür verwendeten Rohstoffe (nach Anteilen: Mais 47 %, Weizen 40 %, Stärkeschlamm 7 % und Triticale 6 %) kommen, wird im Bericht des BMNT nicht erörtert.
Vergleicht man Daten zum Feldfruchtanbau (Statistik Austria,
2020a) mit den Daten des Agrokraftstoffberichtes (BMNT,
2019b) bzw. der Gesamtenergiebilanz (Statistik Austria,
2020b), so ergibt sich keine starke Korrelation zwischen der Entwicklung der inländischen Agrokraftstoffproduktion bzw. des -verbrauchs (starker Anstieg zwischen 2005 und 2010, danach eher stagnierend) und den dafür verwendeten Feldfrüchten (v. a. Raps, Sojabohnen, Sonnenblumen, Körnermais, Weizen, Triticale). Wie in
Kap. 5 aufgezeigt wird, gilt es daher, v. a. die indirekten Landnutzungsänderungen auf globaler Ebene mit zu berücksichtigen (Banse et al.,
2008; Havlík et al.,
2011). In Zukunft ist eine mengenwirksame Zunahme des Bedarfs an Biomasse aus landwirtschaftlichen Flächen kurz- bis mittelfristig nicht zu erwarten, da im Bereich Verkehr nun stärker auf Elektromobilität gesetzt wird und Biogas- und Biomasseanlagen mit anderen Energiequellen ohne entsprechende Mehrförderungen für die Stromerzeugung nicht konkurrenzfähig sind. Weitere lokale Auswirkungen können eine Verstärkung des Strukturwandels sein, weil größere Betriebe eher Anreize besitzen, in Biogasanlagen zu investieren, sowie eine Verschiebung der Ackerkulturen hin zu Mais und Energiepflanzen, eine Intensivierung von Grünland (Grassilage) und die Aufgabe von Brachen, wie eine Studie für das Allgäu in Deutschland zeigt (Appel et al.,
2016).
3.2.2.3 Beratungsorganisationen und Ausbildung
Neben klimatischen, ökonomischen, politischen und technologischen Rahmenbedingungen gelten Aus- und Weiterbildung, Beratungsaktivität und Bewusstseinsbildung als wichtige Treiber für die Anwendung von Düngeempfehlungen und Agrarumweltmaßnahmen [geringe Evidenz, mittlere Übereinstimmung].
Die stetige landwirtschaftliche Beratung und Ausbildung spielt eine essenzielle Rolle dabei, Landwirt_innen das Wissen und die Möglichkeiten zu vermitteln, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Verschiedene Studien zeigen (Darnhofer et al.,
2010; Fischer et al.,
2012; Kirner et al.,
2015), dass zunehmend anspruchsvollere Unterstützung nötig war und ist, um individuelle Lösungen zu finden. Allerdings ist auf Grund des Zusammenspiels unterschiedlichster Faktoren und Treiber, die auf einen landwirtschaftlichen Betrieb wirken, ein kausaler Zusammenhang insbesondere in der Abwägung gegenüber der Bereitschaft zu Maßnahmen des Naturschutzes zwischen landwirtschaftlicher Beratung und Ausbildung und tatsächlicher Landnutzungsänderung meistens nicht eindeutig feststellbar. Wenngleich Pröbstl-Haider et al. (
2016) beispielsweise aufzeigten, dass bei hohen zu erwartenden Erträgen das Engagement für den Naturschutz sinkt sowie das Risiko bei der Entscheidung weniger beachtet wird.
Es ist dennoch davon auszugehen, dass Beratung – v. a. in der Anwendung von Düngeempfehlungen und Agrarumweltmaßnahmen – standortsangepasste Produktionsweisen sowie extensivere Produktionsmethoden, die eine Kulturartenvielfalt und damit Biodiversität ermöglichen, fördert. In Oppermann et al. (
2018) finden sich zahlreiche Beispiele, wie sich Naturschutzberatung auf landwirtschaftliche Praxen auf der Fläche (z. B. Anlagen von Blühstreifen, Greening) in Österreich und vielen weiteren europäischen Ländern positiv auswirkt.
Gegenwärtige Bildungs- und Beratungsangebote in Österreich zielen überwiegend auf die Produktion mit Fokus auf die Rentabilität ab. Allerdings ist zu erwarten, dass der Klimawandel die Diversifizierung in Österreich weiter vorantrieben und professionalisieren wird und somit künftig ein noch höheres Angebot in der Bildung und Beratung wichtig sein wird (Kirner et al.,
2018). In den letzten Jahren ist jedenfalls zu erkennen, dass Online-Informationen am meisten genutzt und zielgruppenspezifische Weiterbildungsangebote am besten angenommen werden. Schwieriger ist es, zu beurteilen, wie sich landwirtschaftliche Berufsausbildung (in landwirtschaftlichen Schulen beispielsweise) auf die Landnutzung auswirkt. Leider ist das noch selten Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen, weshalb keine evidenzbasierten Aussagen diesbezüglich möglich sind.