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Published in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 3-4/2024

Open Access 09-01-2024 | Originalbeitrag

Kombination klein- und großskaliger physikalischer Modellierung zur Optimierung der Spüleffizienz von Laufkraftwerken

Authors: DI Thomas Gold, DI Kevin Reiterer, PD DI Dr. Christoph Hauer, Univ.-Prof. DI Dr. Dr. h.c. Helmut Habersack, PD DI Mag. Dr. Christine Sindelar

Published in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft | Issue 3-4/2024

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Zusammenfassung

Die Skalierung physikalischer Modelle ist häufig bedingt durch räumliche, hydraulische und wirtschaftliche Beschränkungen. Freispiegel-Modelle nach Froude-Ähnlichkeit führen zu Reynolds-Zahlen im Modell, die von der Natur abweichen. Die Skalierung von Sedimenten stößt auf Grenzen, da bei großen Maßstäben eine Verkleinerung des Korns zu unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften und somit zu Verfälschungen der Ergebnisse führen kann. Die Universität für Bodenkultur Wien verfügt über das neue BOKU-Wasserbaulabor, ideal für Großversuche bis Maßstab 1:1. Trotz Vorteilen maßstabsgetreuer Versuche behalten skalierte Modelle ihre Bedeutung, vorausgesetzt ihre Limitierungen werden berücksichtigt. Ziel der Arbeit war es, die Vorzüge von Klein- und Großmaßstabsmodellierung zu zeigen und den Einsatz laser-optischer Strömungsmesstechnik anhand konkreter Versuche zu betrachten. Die Arbeit fokussiert sich auf Geschiebetransport in Fließgewässern im Kontext von Laufwasserkraftwerken. Methodisch wurden klein- (1:20) und großskalige (1:1) Modelle verwendet. Der Einfluss der Wehrsegmentstellung auf die Spüleffizienz wurde in einem 1:20-Modell analysiert. Die Wehrsegmentposition beeinflusste die Spüleffizienz deutlich. Der 1:1-Versuch konnte kleinere Korngrößen mitmodellieren, welche im skalierten Modell nicht mehr abgebildet werden können, um Aussagen zum Geschiebetransport bei Mittelwasserabflüssen treffen zu können. Für die freien Abflussverhältnisse im 1:1-Maßstab konnte ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Sedimenttransport und Geschwindigkeitsprofil wie im skalierten Modell festgestellt werden. Diese Studie zeigt die Sinnhaftigkeit der Kombination von klein- und großskaligen Modellversuchen.
Notes

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Die Skalierung physikalischer Modelle ist eine übliche Herangehensweise, da es oftmals (i) räumliche Einschränkungen, (ii) Limitierungen hinsichtlich des maximal verfügbaren Durchflusses gibt (Sindelar et al. 2019) und (iii) wirtschaftliche Aspekte Einfluss auf die Versuchsplanung haben. Die Untersuchung eines realen Problems in einem verkleinerten physikalischen Modell ist jedenfalls mit Skalierungseffekten behaftet. Bei Freispiegel-Modellen, welche nach Froude-Ähnlichkeit skaliert werden, hat dies zur Folge, dass die Reynoldszahlen im skalierten Modell nicht jenen in der Natur entsprechen (Sindelar et al. 2019). Auch sind der Skalierung von Sedimenten Grenzen gesetzt, da bei großen Maßstabszahlen z. B. Sand oder Kiesfraktionen der Natur im verkleinerten Modell durch Schluff- oder Tonfraktionen ersetzt werden müssten. Durch das Vorhandensein kohäsiver Kräfte würde dies jedoch zu einer Verfälschung der Prozesse führen.
Diese genannten Umstände, unter vielen weiteren, verdeutlichen die Vorteile und Notwendigkeit großmaßstäblicher Versuche (bis zu Maßstab 1:1) mit naturnahen Reynoldszahlen im Bereich 106–107. Nichtsdestotrotz behalten auch skalierte Modelle ihre Berechtigung, da sie weiterhin ein probates Mittel darstellen, Prozesse, die über verschieden Skalen hinaus ähnlich sind, zu untersuchen – vorausgesetzt, die Limitierungen und Grenzen werden in Bezug auf die physikalischen Grundlagen miteinbezogen.
Die Universität für Bodenkultur Wien verfügt mit dem neuen BOKU-Wasserbaulabor über eine einzigartige Forschungseinrichtung, um physikalische Experimente im Großmaßstab oder 1:1-Naturmaßstab durchzuführen. Durch die Wasserspiegeldifferenz von 3 bis 3,5 m zwischen Einlaufbauwerk (Donau) und Auslaufbauwerk (Donaukanal) kann dabei ein Durchfluss von bis zu 10 m3/s ohne Pumpen genutzt werden. Das Labor verfügt weiters über einen 40 m langen und 5,3 m breiten Forschungskanal, den sogenannten Big-Flume (Abb. 2). Abfluss und Wasserstand im Big-Flume können durch mechanische und hydraulische Schützenbauwerke kontrolliert werden. Weiters bietet das BOKU-Wasserbaulabor die Möglichkeit, skalierte Modellversuche in Strömungsrinnen durchzuführen.
Die vorgestellten Versuche dienen der Untersuchung des Geschiebetransports in Fließgewässern, im Kontext des Sedimentmanagements von Laufwasserkraftwerken in mittelalpinen Flüssen. Laufwasserkraftwerke verfügen in der Regel über geringe oder gar keine Speicherkapazität. Abnehmende Fließgeschwindigkeiten und Rückstaueffekte können jedoch dazu führen, dass das einströmende Geschiebe zurückgehalten und somit die Sedimentkontinuität gestört wird (Hauer et al. 2018). Während des geplanten Betriebs einer Wasserkraftanlage wird nahezu 100 % des einströmenden Geschiebematerials im Stauraum zurückgehalten (Gold und Reiterer 2020).
In den letzten Jahren fanden vermehrt physikalische Modellversuche mit dem Ziel einer nachhaltigen Stauraumbewirtschaftung an Laufkraftwerken statt. Die experimentelle Studie von Sindelar et al. (2017) untersuchte die Auswirkungen von fixer Wehrschwellenhöhe und Stauraum-Aufweitung auf die Sedimentkontinuität von Laufwasserkraftwerken in Kiesbettflüssen. Die Ergebnisse legen nahe, niedrige Wehrhöhen in das Design von Laufwasserkraftwerken zu integrieren und auf Aufweitungen möglichst zu verzichten, um effiziente Spüloperationen zu ermöglichen. Dies soll die Sedimentkontinuität verbessern und Wartungs- und Betriebskosten reduzieren.
Mit der Delta-Bildung auf Betriebsebene am Stauraumkopf von Laufwasserkraftwerken in Kiesbettflüssen befasste sich die Arbeit von Sindelar et al. (2020). Ihre Ergebnisse zeigten, dass die Delta-Bildung im Bereich der Stauwurzel das Potenzial hat, das Hochwasserrisiko zu erhöhen, und sie schlugen die Einleitung von Stauraumspülungen/Absenkungen für Durchflussraten von 0,7 x HQ1 vor. Reiterer et al. (2020) untersuchten die Folgen von Spülungsoperationen auf Delta-Bildungen im Stauwurzelbereich für Durchflussraten von 0,7 x HQ1. Rückschreitende Erosionsprozesse dominierten während der anfänglichen Spülphase, begleitet von hohen Sedimenttransportraten, und belegten die Wirksamkeit von Spülungen mit niedrigen Hochwasserflüssen. Wenn nur ein Teilabstau erfolgt, wird erwartet, dass sich das Bettmaterial im Stauraum flussabwärts wieder absetzt (Reiterer et al. 2020). Gold und Reiterer (2020) führten Experimente durch, um die Auswirkungen von Spülungen in der Nähe der Wehranlage zu messen. Bereits bei geringfügigem Eintauchen der Drucksegmente fiel die Spülungseffizienz hier auf unzureichende Werte. Die Ergebnisse der vorgestellten Studien haben wesentlich zu einem besseren Prozessverständnis beigetragen und helfen, nachhaltige Konzepte zur Stauraumbewirtschaftung zu entwickeln. Nichtsdestotrotz führte die Notwendigkeit einer Skalierung zu Einschränkungen bezüglich der betrachteten Kornfraktionen. Um mögliche physikalische Verfälschungen über kohäsive Kräfte ausschließen zu können, beschränken sich die Arbeiten lediglich auf grobe Geschiebefraktionen. Feinere Geschiebeanteile, welche möglicherweise ebenfalls stark am Ver- und Entlandungsprozess beteiligt sind, wurden vernachlässigt, können nun aber durch großmaßstäbliche Versuche mitbetrachtet werden.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Vorteile der Kombination klein- und großmaßstäblicher physikalischer Modellierung anhand zweier konkreter Versuche darzulegen und zukünftige Forschungspotenziale (im neuen Wasserbaulabor der BOKU) aufzuzeigen. Weiters wird dabei der Einsatz laser-optischer Strömungsmesstechnik behandelt.

2 Methodik – Physikalische Modellierung

Die Experimente von Gold et al. (2023) im Maßstab 1:20 wurden genutzt, um den Einfluss der Wehrsegmentstellung auf die Spüleffizienz von Laufkraftwerken während Hochwasserabflüssen hoher Auftretenswahrscheinlichkeit (0,7 x HQ1) zu untersuchen. Um jedoch weitere Aussagen zu Sedimenttransport, Ver- und Entlandungssituation während freier Abflussbedingungen (Teilabstau oder volle Staulegung) und Mittelwasserabfluss (MQ) zu treffen, wurde ein großmaßstäblicher Versuch im Big-Flume (M = 1:1) durchgeführt. Dabei wurden die hydrologischen Kenngrößen der Mürz beim Pegel Kapfenberg als Referenz herangezogen. Das MQ entspricht 23 m3/s und HQ1 = 105 m3/s (Gold und Reiterer 2020).

2.1 Kleinskaliges Schnittmodell (Maßstab 1:20)

Die Experimente von Gold et al. (2023) wurden in einer hydraulischen Glasrinne, genannt Medium-Flume, bestehend aus drei Abschnitten, durchgeführt. Die Rinne gliedert sich in: (i) ein Einlaufbecken, (ii) die Untersuchungsstrecke von 10 m Länge und 1 m Breite und (iii) einen Auslauf mit einem Lamellenwehr zur Kontrolle der Wasserstände und des Durchflusses. Das Wasser wird durch eine frequenzgesteuerte Pumpe am Auslaufabschnitt wieder in den Einlaufbereich zurückgeführt. Abb. 1a zeigt eine Skizze des Aufbaus. Die Sohle der Versuchsstrecke bestand aus einer heterogenen Sedimentmischung mit Durchmessern d von 0,7 bis 6 mm, was im Maßstab 1:20 einem Kiesflussbett mit Korngrößen von 0,014 bis 0,12 m entspricht. Der mittlere Korndurchmesser dmM entsprach 2,4 mm. Am Anfang der Versuchsstrecke befand sich eine programmierbare Förderband-Sedimentzugabe (SZ). Darüber hinaus wurden die transportierten Sedimente in einer Sedimentfalle (SF) gesammelt, welche sich in der Nähe des Auslaufabschnitts befand. Das Wehrmodell (WM) mit zwei verstellbaren Drucksegmenten befand sich am Ende des experimentellen Abschnitts. Das Wehrmodell hatte eine Gesamtbreite von 1 m, und jedes bewegliche Wehrsegment war 0,35 m breit. Die maximale Wassertiefe, bei geschlossenen Segmenten und ruhendem Wasser, betrug 0,26 m über dem fixen Wehrhöcker von 0,05 m Höhe. Ein Abschnitt des WM mit drei verschiedenen Segmentstellungen ist in Abb. 1b dargestellt. Ein Kamerasystem (PHOTO) mit einer Nikon D7100, einem linearen Positioniersystem und Messmarken entlang der Rinne ermöglichte die Erstellung eines digitalen Höhenmodells (DEM) mittels Fotogrammmetrie. Die Aufnahmefrequenz der LDA-Messungen betrug ca. 200 Hz und wurde ohne die Zugabe künstlicher Seeding-Partikel durchgeführt. Weitere Informationen zum Laser-Doppler-Anemometer (LDA)-System finden sich im Abschn. 2.3.
Das Modell wurde durch Anwendung des Modellgesetzes der Froude-Ähnlichkeit verkleinert, das üblicherweise für freie Oberflächenströmungen, Wehrhydraulik und lange Modelle verwendet wird. Froude-Ähnlichkeit tritt auf, wenn die Froude-Zahlen im Modell den Froude-Zahlen im Prototypen entsprechen (Kobus 1984; Gold et al. 2023). Mit der gegebenen geometrischen Längenskala \(L_{r}=1\colon 20\) konnten alle anderen Modellgrößen auf Grundlage des Gesetzes der Froude-Ähnlichkeit abgeleitet werden. In Tab. 1 findet sich eine Zusammenfassung der Skalierungsbeziehungen und der entsprechenden verkleinerten Modellgrößen.
Tab. 1
Zusammenfassung der Skalierungsparameter basierend auf dem Gesetz der Froude-Ähnlichkeit. (Aus Gold et al. (2023))
\(L_{r}\)
\(A_{r}\)
\(v_{r}\)
\(t_{r}\)
\(Q_{r}\)
\(L_{n}/L_{m}\)
\(L_{r}{^{2}}\)
\(\sqrt{L_{r}}\)
\(L_{r}/v_{r}\)
\(A_{r}v_{r}\)
\(1/20\)
\((1/20){^{2}}\)
\(\sqrt{1/20}\)
\(\sqrt{1/20}\)
\(\left(1/20\right)^{5/2}\)
Somit entsprachen zwei Stunden im Experiment etwa neun Stunden in der Natur. Für den hier betrachteten Durchfluss von 0,7 x HQ1 (0,7 x 105 m3/s) ergibt sich im Maßstab 1:20 ein Modelldurchfluss von 0,07 m3/s.
Unter Berücksichtigung des maximalen Korndurchmessers (ds) als charakteristischer Längenskala der Bettrauheit und der kinematischen Viskosität \(\nu =10^{-6}m^{2}s^{-1}\) war die Korn-Reynoldszahl \(Re^{*}=u^{*}/(d_{s}\nu )\) stets \(> 100\) (Gold et al. 2023). Dies rechtfertigte die Annahme, dass die Sediment-Zeitskala der hydraulischen Zeitskala \({t_{s}}=t_{r}\) entspricht (Sindelar et al. 2020; Gold et al. 2023). Eine umfassendere Erklärung zur Skalierung des Sediment-transports findet sich in Kobus (1984) und Sindelar et al. (2020).
Alle Experimente wurden bei konstantem Durchfluss von 0,07 m3/s durchgeführt. Es wurde kontinuierlich eine konstante Menge Sediment, entsprechend des vorab ermittelten dynamischen Gleichgewichttransports (SI) zugeführt (Gold et al. 2023). Während der Testläufe wurden LDA-Messungen 0,3 m stromauf des Wehrmodells durchgeführt. Die Messdauer pro Messpunkt betrug 30 s. Abhängig von der aktuellen Wassertiefe wurden bis zu 25 Punkte pro Profil gemessen. Alle 15 oder 30 min wurde der Testlauf sorgfältig unterbrochen, indem das Lamellenwehr im Auslassbereich geschlossen und gleichzeitig der Zufluss gestoppt wurde. Während dieser Phase wurden die in der Sedimentfalle gesammelten Sedimente gewogen und die Falle erneut entleert. Nachdem das Modell vorsichtig drainiert worden war, wurde die Bildaufzeichnung der Sohle durchgeführt.
In der Studie von Gold et al. (2023) wurden drei Szenarien (siehe S1, S2, S3 in Abb. 1b) mit unterschiedlichen Positionen der Wehrsegmentstellungen untersucht. Die Szenarien S1 und S2 wurden in vier Sequenzen von jeweils 30 min unterteilt, was einer Gesamtzeit von zwei Stunden entspricht. Für Szenario S3 wurden zunächst zwei Sequenzen von 15 min und anschließend drei Sequenzen von 30 min aufgezeichnet. Tab. 2 fasst die experimentellen Bedingungen zusammen.
Tab. 2
Zusammenfassung der Versuchsbedingungen für die drei Szenarien S1, S2 und S3. (Aus Gold et al. (2023))
Szenario
Segmentstellung
Dauer (s)
SI (kg/h)
Q (m3/s)
S1
Beide offen
4x1800
60
0,07
S2
Beide leicht eingetaucht
4x1800
60
0,07
S3
Eines offfen, eines zu
2x900 und 3x1800
60
0,07
Die Eintauchtiefe der Segmente bei S2 entsprach dabei 0,2 x der Abflusstiefe bei S1, gemessen über der Wehrkrone

2.2 Großskaliges Schnittmodell (Maßstab 1:1)

Abb. 2a zeigt eine Draufsicht des Big-Flumes im neuen BOKU-Wasserbaulabor mit der 40 m langen Versuchsstrecke. Das Gefälle der mobilen Sedimentsohle mit mittlerem Korndurchmesser dmB von ca. 45 mm entsprach 1,8 ‰ (vgl. Abb. 2b). Bei einer abflusswirksamen Breite von 20 m in der Natur ergibt sich im Maßstab 1:1 ein spezifischer Durchfluss von 1,15 m3/ms während MQ, was für das Schnittmodell im 5,3 m breiten Big-Flume einem Durchfluss von 6 m3/s entspricht. Bei einer Wassertiefe von ungefähr 1 m ergibt sich ein Verhältnis von Breite zu Höhe von \(b/h\approx 5\) und Reynoldszahlen Re in der Größenordnung von 106 (vgl. Abb. 2c, d).
Der Big-Bag für die Sedimentzugabe befand sich ca. 25 m stromab des Einlaufs und beinhaltete 725 kg Sediment, welches auch für das skalierte Modell benutzt wurde. Dieses Sediment bestand aus fünf verschiedenen Korngrößenklassen gefärbten Quarzsands, der eine Dichte von ρs = 2600 kg/m3 und eine Schüttdichte von 1700 kg/m3 hatte. Die fünf Korngrößenklassen sowie der anfängliche Massenanteil jeder Klasse sind in Tab. 3 zusammengefasst. Entlang der restlichen Strecke von 14 m Länge unterhalb des Big-Bags wurde auf eine Breite von 2 m Vlies in einer Sohltiefe von 0,15 m eingebaut (vgl. Abb. 2b). Das Vlies sollte einem möglichen „Verschwinden“ der Sedimentzugabe in den Zwischenräumen der Sohle entgegenwirken. Der Sedimentinput, bezogen auf eine Stunde pro Meter Breite (effektive Breite von 2 m), entspricht somit = (750 kg*60 min / (25 min *2m)) = 900 kg/hm.
Tab. 3
Korngrößen der zusätzlichen Big-Bag-Sedimentzugabe während des Versuchs
Fraktion
Größe (mm)
Anteil (%)
1
0,7–1,2
15
2
1,2–2,0
15
3
2,0–3,0
20
4
3,0–4,0
25
\(5\)
4,0–6,0
25
Da sowohl kleine als auch große Geschiebepartikel für eine ganzheitliche Betrachtung des Geschiebetransports während der Stauraumver- und -entlandung von Bedeutung sind, wurden einige Steine der mobilen Sohle farblich markiert und in der Nähe des Sichtfensters positioniert (vgl. Abb. 3b). Damit kann einfach festgestellt werden, ob es auch zur Bewegung von großen Partikeln mit Durchmessern von 30, 45 und 60 mm kommt. Bevor das Experiment begann, wurde der Abfluss durch Steuerung der hydraulisch geregelten Schützentafeln langsam auf 6 m3/s erhöht. Der Big-Bag mit dem Sediment wurde mit einem Kran in die richtige Position gebracht. Sobald der Abfluss 6 m3/s erreicht hatte, wurde der Big-Bag unten geöffnet, sodass das Sediment in das Modell gelangen konnte. Mit diesem Schritt erfolgte der Versuchsstart, und nach einer Dauer von 25 min, welche benötigt wurde, um das Geschwindigkeitsprofil mit LDA aufzuzeichnen, wurden die Sedimentzugabe und der Abfluss gestoppt. Das LDA-Messsystem wurde 30 m nach dem Einlauf bei einem der beiden seitlichen optischen Zugänge (Sichtfenster) positioniert (vgl. Abb. 2a bis d). Die Aufnahmefrequenz der LDA-Messungen lag bei ca. 500 Hz und wurde ohne die Zugabe künstlicher Seeding-Partikel durchgeführt.

2.3 Laser-Doppler-Anemometrie (LDA)

Sowohl für klein- als auch großskalige Modellversuche ist die Kenntnis der hydrodynamischen Verhältnisse wichtig, um ein besseres Prozessverständnis von Stauraumspülungen zu erlangen. Laser-Doppler-Anemometrie (LDA) ist eine bewährte, berührungslose und somit nichtinvasive Methode zur Messung von Strömungsgeschwindigkeiten (Ruck 1987). Sie funktioniert durch die Kreuzung zweier Laserstrahlen an einem Schnittpunkt für eine einzelne Geschwindigkeitskomponente. Für beide der hier vorgestellten Experimente wurden 2D-LDA-Messungen in natürlich trübem Wasser ohne Beigabe von künstlichen Seedingpartikeln durchgeführt. Im gegenwärtigen Fall von zwei Paaren von Laserstrahlen wird die Methode als 0D2C (0 Dimensionen, da Punktmessung, mit zwei Geschwindigkeitskomponenten) bezeichnet (Gold et al. 2023). Es wurden die longitudinale (u) und vertikale (v) Geschwindigkeitskomponente entlang eines vertikalen Profils in der Achse des Wehrfelds gemessen. Hierbei wurde der FlowExplorer von DANTEC Dynamics verwendet, welcher aus einer kalibrierten Laserprobe auf einem Traversensystem besteht. Dies ermöglichte die automatische Aufzeichnung aller Messpunkte entlang eines vertikalen Profils. Das von den natürlichen Trübeelementen reflektierte Signal wurde mit dem Burst-Spektrum-Detektor ausgewertet, und die Ausgabe wurde mithilfe der mitgelieferten Software (BAS Flow v5) analysiert. Abb. 3 zeigt Bilder der LDA-Messungen, wobei (a) ein Bild der Messung im kleinskaligen Modell und (b) eine Messung im Big-Flume zeigt.
Die erfassten Geschwindigkeitsmessungen wurden verwendet, um mittlere Geschwindigkeitsprofile für jedes Szenario zu berechnen. Basierend auf der Reynolds-Dekomposition der Geschwindigkeitsmessungen wurde die Reynolds-Schubspannung berechnet:
$$u=\overline{u}+u'\quad \textrm{und}\quad v=\overline{v}+v'$$
(1)
Dabei sind u und v die gemessenen Geschwindigkeiten, \(\overline{u}\) und \(\overline{v}\) die zeitlichen Mittelwerte für einen Messpunkt, und \(u^{\text{'}}\) und \(v^{\text{'}}\) die turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen. Die Reynolds-Schubspannung für einen einzelnen Messpunkt lautet:
$$R_{ij}=-\overline{u'v'}$$
(2)
Die Normalisierung erfolgte auf Grundlage des Quadrats der Schergeschwindigkeit \(u^{*2}\):
$$u^{*}=\sqrt{\frac{\tau _{0}}{\rho }}$$
(3)
wobei ρ die Flüssigkeitsdichte und τ0 die Referenzschubspannung ist.

3 Einfluss der Wehrsegmentstellung auf die Spüleffizienz

In der Studie von Gold et al. (2023) wurde das Maß für die Effizienz der Spülungsoperation als Verhältnis zwischen Sedimentaustrag zu Sedimentinput (SI) definiert. In Abb. 4 sind die Ergebnisse für die untersuchten Szenarien dargestellt.
Bei vollständig geöffneten Segmenten (S1) wurde die höchste Effizienz beobachtet. Während S1 betrug die Gesamteffizienz der Spülung etwa 0,90. Der Rückgang der Spüleffizienz im Laufe der Zeit wird durch den natürlichen Schwankungsbereich des Geschiebetransports und durch Veränderung der Sohlformen (Dünen) erklärt. Während mehrerer Stunden Vorversuche bei derselben Durchflussrate (LDA-Kalibrierung) konnten Schwankungen derselben Größenordnung beobachtet werden. Wenn die Segmente nur leicht eingetaucht waren (20 % der Wassertiefe von S1), sank die Spüleffizienz auf 0,22, was die Bedeutung von freien Abflussbedingungen für effiziente Spülungen verdeutlicht (volle Staulegung). Der Rückgang der Sedimentmobilität mit dem Beginn des Eintauchens der Segmente bestätigt die Ergebnisse von Gold und Reiterer (2020). Ein geöffnetes und ein geschlossenes Segment (S3) führten zu einer anfänglich hohen Spüleffizienz, die schnell auf Werte um 0,10 abnahm. Die anfänglich hohen Werte von S3 standen im Zusammenhang mit einem 3D-Erosionsprozess (kegelförmiger Kolk) in der Nähe des Wehrs (Gold et al. 2023). Die Bildung des Kolks wird durch Querströmungen in der Nähe des Wehrs erklärt (Gold et al. 2023). Die Erosionstiefe war auf die Dicke der experimentellen Sedimentschicht begrenzt, und die Breite der Ausspülung betrug etwa 0,7 m. Das gesamte während des Ausspülungsprozesses erodierte Volumen betrug etwa 0,010 m3. Abgesehen von diesem lokalen Erosionskegel wurde nur eine geringe Beweglichkeit der Sohle für S3 beobachtet. Nach 900 s stoppte der lokale Erosionsprozess, und die Spüleffizienz sank auf 0,10 (Gold et al. 2023). Für das Szenario S1 wurden keine wesentlichen Veränderungen in der Bettmorphologie festgestellt, und das Geschiebe wurde in Form von Dünen transportiert (starke Bettform-Mobilität). Für S2 wurde nur eine schwache Beweglichkeit der Sohle ohne Bettformen beobachtet. Tab. 4 gibt einen Überblick über die relevanten Messergebnisse aus Gold et al. (2023).
Tab. 4
Zusammenfassung der experimentellen Ergebnisse (Mittelwerte) für die drei Szenarien (S1, S2, S3) aus Gold et al. (2023). Hier steht h für die Wassertiefe, umax für die maximale Geschwindigkeit und τ0 für die Referenzschubspannung
Szenario
h (m)
umax (m/s)
τ0 (N/m2)
Sediment Output (kg/h)
Spüleffizienz
1
0,105
0,78
3,8
54
0,90
2
0,130
0,57
1,8
13
0,22
3
0,165
0,56
0,8
12
0,20

4 Geschwindigkeits- und Schubspannungsprofile

Die Auswirkungen der Wehrsegmentstellung auf die Strömungsverhältnisse (Gold et al. 2023) und der Vergleich zwischen 1:20- und 1:1-Modellversuch wurden durch die Analyse der LDA-Messungen untersucht. Die gemessenen maximalen Geschwindigkeiten (umax) und Schubspannungen (τ0) des 1:20-Modellversuchs sind in Tab. 4 angeführt. Bereits leicht eingetauchte Wehrsegmente (S2) führten zu einer Halbierung der gemessenen Schubspannungen und zu einem Rückgang der maximalen Geschwindigkeiten um nahezu 30 %. Dieser deutliche Rückgang, sowohl der Geschwindigkeiten als auch der Schubspannungen, spiegelte sich auch direkt im gemessenen Sedimentaustrag und der Spüleffizienz wider. Für den 1:1-Versuch im Big-Flume ergab sich eine maximale Geschwindigkeit umax = 1,75 m/s und \(\tau _{0}=15.9\) N/m2. In Abb. 5a sind zeitlich gemittelte Geschwindigkeitsprofile dargestellt. Aufgrund der unterschiedlichen Abflusshöhen und Geschwindigkeitsgrößen wurde eine Normalisierung mit umax und der Abflusstiefe h durchgeführt.
Während im oberen Teil des Profils nur geringe Unterschiede zwischen den Szenarien vorhanden waren, traten in der Nähe der Sohle große Unterschiede in der Profilform auf. Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Einfluss der Sedimentmobilität auf die normalisierte Geschwindigkeitsverteilung. Mit zunehmender Sedimentmobilität nahm der Geschwindigkeitsgradient ab. Zusätzlich ist in Abb. 5a ein Geschwindigkeitsprofil von Hanmaiahgari et al. (2017) während Bewegungsbeginn des Geschiebes (IN) dargestellt.
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen eine Abwärtsverschiebung vom logarithmischen Geschwindigkeitsprofil mit zunehmender Geschiebebewegung, wie durch den schwarzen Pfeil in Abb. 5a angezeigt. Das Profil der 1:1-Messungen ähnelt in der Form dabei dem von Szenario S1. Von den Geschwindigkeitsmessungen wurden weiters Reynolds-Stress-Profile abgeleitet. In Abb. 5b sind normalisierte Reynolds-Stress-Profile zusammen mit Daten von Hanmaiahgari et al. (2017) dargestellt. Auch hier war die Längenskala für die y‑Koordinate mit der Abflusshöhe h normalisiert, und \(-\overline{u\text{'}v\text{'}}\) wurde mit dem Quadrat der Schubspannungsgeschwindigkeit \(u^{*2}\) normalisiert. Die Größe des Reynolds-Stresses nahm mit yh in der Nähe der Sohle zu, erreichte ein Maximum bei yh ≈ 0,2 und nahm dann in Richtung der freien Oberfläche für jedes Szenario ab. Ein Anstieg des Reynolds-Stresses mit zunehmender Bettmobilität ist erkennbar. Die Daten von Hanmaiahgari et al. (2017) zeigen ebenfalls einen erhöhten Reynolds-Stress mit zunehmender Mobilität der Bettformen.
Hanmaiahgari et al. (2017) beschrieben ebenfalls einen Abfall des Geschwindigkeitsgradienten dudy mit zunehmender Beweglichkeit des Sedimentbetts, wie er hier beobachtet wurde. Dieser Abfall der Geschwindigkeit nahe der Sohle wurde durch die Entnahme von Energie aus der mittleren Strömung erklärt, die auf die Sohlpartikel übertragen wurde, um die Sohlbeweglichkeit aufrechtzuerhalten (Hanmaiahgari et al. 2017; Gold et al. 2023). Darüber hinaus wurde ein starker Einfluss auf die normierte Geschwindigkeitsverteilung nahe der Sohle für mobile Bettformen (Dünen) festgestellt, während keine signifikante Veränderung bei zunehmender Durchflussrate (und Reynolds-Zahl) für unbewegliche Sohl(-formen) und beginnende Sedimentbewegung vorhanden war. Die von Kármán-Konstante κ wird häufig verwendet, um die Beziehung zwischen Strömungsgeschwindigkeit und Schubspannungsgeschwindigkeit zu beschreiben. Hanmaiahgari et al. (2017) beschrieben einen Abfall von κ mit zunehmender Bewegung der Bettformen, aufgrund der größeren Dicke der Grenzschicht. Für beginnende Geschiebebewegung, schwache Bettformen und mobile Bettformen (starke Sohl-Mobilität) ist das klassische logarithmische Geschwindigkeitsprofil daher nicht anwendbar (Hanmaiahgari et al. 2017).

5 Beschreibung der Sedimenttransportprozesse mit dem Shields Diagramm

Die Interaktionen zwischen Wehrsegmentstellung, Strömungsdynamik und Sedimenttransport werden hier mithilfe des das Shields-Diagramms (Shields 1936) diskutiert. Dieses beschreibt den Sedimenttransport auf der Grundlage von mittleren Strömungs- und Sedimentparametern. Shields (1936) definiert zwei dimensionslose Kennzahlen: (i) die Shields-Zahl \(=Fr^{*}=\frac{\tau _{0}}{\Updelta gd_{s}}\), wobei ∆ = (ρs/ρ)−1 ≈ 1,65 ist; und (ii) die Korn-Reynoldszahl Re* (Gold et al. 2023). Wir verwenden hier für die 1:20-skalierten Versuche den mittleren Korndurchmesser dmM für die Berechnung von Re* = u* / (dm ν) für die 1:1-Versuche wurde \(Re^{*}\) für ds = [2,4, 18, 30, 45, 60] mm berechnet. Wenn \(Fr^{*}\) in Abhängigkeit von \(Re^{*}\) größer als die kritische Shields-Zahl \({Fr}_{\mathrm{krit}}^{*}\) (Grenzbedingung für Bewegungsbeginn) ist, sagt das Shields-Diagramm weiters das Auftreten von Bettformen oder Morphodynamik wie Dünen oder Riffel voraus (Schobesberger et al. 2022). Abb. 6 zeigt die Shields-Kurve zusammen mit den Ergebnissen des 1:1-Versuchs und den Ergebnissen der Studien von Schobesberger et al. (2022) und Gold et al. (2023).
Während S1 deutlich über der Shields-Kurve in der Region mit Sedimenttransport und Dünen liegt, liegt S2 genau auf der Shields-Kurve und S3 befindet sich unterhalb kritischer Bedingungen. Dies spiegelt sich auch in den gemessenen Geschiebetransportraten wider (Gold et al. 2023). Wir fanden intensive Bettmobilität für S1, wenig Transport für S2 und keine nachhaltig anhaltende Geschiebeführung für S3. Die anfänglich hohe Sedimentausbeute für S3 stand nur im Zusammenhang mit dem lokal auftretenden 3D-Erosionsprozess (Kolk in der Nähe des Wehrs) (Gold et al. 2023). Die Studien zum Bewegungsbeginn unterhalb der kritischen Shields-Zahl von Schobesberger et al. (2022) und Sindelar et al. (2023) konzentrieren sich hauptsächlich auf Turbulenzen und kohärente Strukturen. Diese Forschungsarbeiten tragen dazu bei, die Physik während der Einzelkornbewegung und beginnenden Bewegungsprozessen besser zu verstehen, und ist entscheidend für die zukünftige Entwicklung von Modellen, die nicht auf mittlere Strömungsparameter angewiesen sind. Für die Versuche von Gold et al. (2023) und eine modellierte Anordnung scheint das Shields-Diagramm jedoch zweckdienlich zu sein.
Hinsichtlich der 1:1-Versuche zeigt das Shields-Diagramm (Abb. 6) starken Sedimenttransport für das über den Big-Bag zugegebene Material (dm = 2,4 mm). Dies entspricht ebenfalls den experimentellen Beobachtungen (vgl. Abb. 6). Für die restlichen betrachteten Korngrößen (18, 30, 45, 60 mm) aus dem Sohlmaterial wurde die unregelmäßige Bewegung einzelner Körner qualitativ festgestellt, obwohl diese teils weit unterhalb der kritischen Grenze nach Shields liegen. Um dies zu erklären, bedarf es weiterer Forschung (Sindelar et al. 2023).
Es zeigt sich eine Korrelation zwischen dem Shields-Diagramm und den Reynolds-Stress-Profilen. Ein Anstieg von \(Fr^{*}\) und/oder \(\left| -\overline{u\text{'}v\text{'}}\right|\) korreliert mit zunehmendem Sedimenttransport und Bettform-Mobilität. Da Sedimenttransport und die Bildung von Dünen Energie aus der Strömung erfordern, besteht eine weitere Verbindung zur verfügbaren kinetischen Energie, die durch die Fließgeschwindigkeit repräsentiert wird (Gold et al. 2023). Dies manifestiert sich in der Verschiebung des Geschwindigkeitsprofils (im Vergleich zum logarithmischen Gesetz) und im Abnehmen von dudy (Gold et al. 2023).

6 Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die Arbeit befasste sich mit den grundlegenden Prozessen des Geschiebetransports bei Spülungen von Laufwasserkraftwerken, wobei hier eine Kombination von klein- und großskaligen Modellversuchen ein deutlich verbessertes Prozessverständnis mit sich brachte. Es wurden die Auswirkungen der Wehrsegmentstellung auf die Spüleffizienz von Laufwasserkraftwerken während Durchflüssen im Bereich von 0,7 x HQ1 anhand eines skalierten Modells (M = 1:20) untersucht. Auf Grundlage des idealisierten physikalischen Modells, bestehend aus zwei beweglichen Drucksegmenten über einer fixen Wehrschwelle, wurden Experimente in einer hydraulischen Strömungsrinne durchgeführt. Weiters wurde die Sedimenttransportkapazität während Durchflüssen im Bereich MQ im Maßstab 1:1 untersucht. In beiden Experimenten wurden die hydrodynamischen Eigenschaften der Strömung mithilfe von laser-optischer Strömungsmesstechnik (2D-LDA) analysiert.
Die vollständige Öffnung beider Drucksegmente führte zur weitaus höchsten Spüleffizienz. Selbst bei lediglich leicht eingetauchten Segmenten nahm die Spüleffizienz deutlich ab. Dies unterstreicht die Bedeutung einer vollständigen Staulegung, um die Sedimente erfolgreich flussabwärts des Wasserkraftwerks zu leiten. Bei asymmetrischer Öffnung (ein Segment geschlossen, ein Segment geöffnet) bildete sich in der Nähe des Wehrs ein Kolk. Der 3D-Erosionsprozess führte zu einer anfänglich hohen Spüleffizienz, die nach kurzer Zeit rapide abnahm (Gold et al. 2023). Die unterschiedlichen Segmentstellungen beeinflussten ebenfalls die hydrodynamischen Strömungseigenschaften. Bei beidseitiger, vollständiger Öffnung und freiem Fließzustand war eine starke Bewegung des Bettmaterials in Form von Dünen vorhanden. Die beweglichen Bettformen und der hohe Sedimenttransport führten zu einer Verschiebung des Geschwindigkeitsprofils mit einer Abnahme von dudy, begleitet von erhöhten normierten Reynolds-Spannungen.
Hydraulisch gesehen unterstützen unsere aktuellen Ergebnisse die Initiierung von Spülungsoperationen bei Durchflussraten von etwa 0,7 x HQ1, wie von Reiterer et al. (2020) und Sindelar et al. (2020) vorgeschlagen. Für die untersuchten Durchflüsse führte die vollständige Öffnung beider Wehrsegmente (S1) zu ausreichend großen Reynolds-Schubspannungen, um den Geschiebetransport zu gewährleisten und große Teile der Sedimentfracht flussabwärts zu leiten. Bei Durchflussraten, die diesen Schwellenwert überschreiten, sind sogar höhere Strömungsgeschwindigkeiten und entsprechende Reynolds-Spannungen zu erwarten (Gold et al. 2023). Ebenfalls kann aus den 1:1-Versuchen geschlossen werden, dass bereits bei MQ mit erheblichem Geschiebeeintrag in die Stauhaltung, unter Annahme entsprechender Sedimentverfügbarkeit, zu rechnen ist, jedoch ein Aufreißen einer vorhandenen Deckschicht nicht zu erwarten ist.
Die vorliegenden Ergebnisse könnten zukünftige Betriebsweisen von Wasserkraftwerken und Sedimentmanagementstrategien aus hydraulischer Sicht beeinflussen, indem die Bedeutung der vollständigen Segmentöffnung betont wird, um Sedimente erfolgreich durch die gestauten Flussabschnitte von Laufwasserkraftwerken zu leiten. In Bezug auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der vorliegenden Ergebnisse können asymmetrische Segmentpositionen in der Anfangsphase einer Spülveranstaltung vorteilhaft sein, um Ablagerungen in der Nähe des Wehrs lokal zu entfernen (Gold et al. 2023). Laut Harb et al. (2015) sollten Ablagerungen in der Nähe des Turbineneinlasses vermieden werden, um Wartungskosten zu reduzieren und mögliche technische Probleme zu verhindern.
Für die freien Abflussverhältnisse im Maßstab 1:1 wurde ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Sedimenttransport und Geschwindigkeitsprofil wie im skalierten Modell festgestellt, jedoch kommen die auftretenden Reynoldszahlen jenen der Natur näher. Weiters erlaubte es der Maßstab von 1:1 kleinere Sand- und Kiesfraktionen zu untersuchen, die im skalierten Modell nicht mehr nachgebildet werden können. Dabei konnte deren Bewegungsverhalten bei MQ beobachtet werden. Dies zeigt die Notwendigkeit von großmaßstäblichen Untersuchungen sowie die Sinnhaftigkeit der Kombination von klein- und großskaligen Modellen, welche durch das neue Wasserbaulabor der BOKU möglich ist.

Danksagung

Die Autoren bedanken sich bei Matthias Buchinger, Mathilde Clair, Nora Lasinger, Julia Sandberger und den Mitarbeiter:innen der Werkstätten der Wasserbauinstitute (H81700) für die Unterstützung in der Durchführung der 1:1-Versuche im Big-Flume.

Förderung

Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Forschungen wurden im Rahmen des Christian Doppler Labors für Sedimentforschung und -management durch die Christian Doppler Forschungsgesellschaft finanziert. Wir bedanken uns weiters für die finanzielle Unterstützung durch das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung.
Die präsentierten Forschungsergebnisse wurden von der Europäischen Union kofinanziert (SEDECO (Interreg V‑A Österreich – Tschechische Republik), DREAM SK-AT (Interreg V‑A Slowakei – Österreich), SEDDON II (Interreg V‑A Österreich – Ungarn)).

Interessenkonflikt

T. Gold, K. Reiterer, C. Hauer, H. Habersack und C. Sindelar geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

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Literature
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Metadata
Title
Kombination klein- und großskaliger physikalischer Modellierung zur Optimierung der Spüleffizienz von Laufkraftwerken
Authors
DI Thomas Gold
DI Kevin Reiterer
PD DI Dr. Christoph Hauer
Univ.-Prof. DI Dr. Dr. h.c. Helmut Habersack
PD DI Mag. Dr. Christine Sindelar
Publication date
09-01-2024
Publisher
Springer Vienna
Published in
Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft / Issue 3-4/2024
Print ISSN: 0945-358X
Electronic ISSN: 1613-7566
DOI
https://doi.org/10.1007/s00506-023-01020-5

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