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1983 | Book

Landwirtschaftliche Akkumulationslasten und industrielle Entwicklung

Analyse und Beschreibung entwicklungspolitischer Optionen in dualistischen Wirtschaften

Author: Professor Dr. Hans-Bernd Schäfer

Publisher: Springer Berlin Heidelberg

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Table of Contents

Frontmatter
Einleitung
Zusammenfassung
Industrialisierung, eines der wichtigsten wirtschaftlichen Ziele in den Entwicklungsländern, ist ohne die Erweiterung der landwirtschaftlichen Marktproduktion nur schwer möglich. Wie anders sollte sonst eine rasch wachsende nicht-landwirtschaftliche Bevölkerung mit Agrargütern versorgt werden können? Obwohl dies eine Binsenwahrheit ist1, kann man nicht behaupten, die Agrarproduktion sei in den meisten Entwicklungsländern befriedigend gesteigert worden. In fünfzig Ländern war sie zwischen 1976 und 1978 pro Kopf rückläufig.2 Seit 1962 ist die Pro-Kopf-Produktion von Nahrungsmitteln in den Entwicklungsländern nur unwesentlich angestiegen, während sie in den Industriestaaten um etwa 20% zunahm.3 Dies geschah bei Bevölkerungswachstumsraten, die in der Dritten Welt in den siebziger Jahren zwar nicht dramatisch, aber doch merklich zuruckgegangen sind.4 Mehr and mehr Entwicklungsländer Bind sogar dazu übergegangen, große Teile ihrer städtischen Bevölkerung mit Nahrungsmittelimporten zu versorgen, obwohl sie komparative Kostenvorteile bei der Produktion von Agrarprodukten haben. Wie ist diese Fehlentwicklung zu erklären? Technische Gründe Bind nicht maßgeblich. Wenn such nur noch in Afrika and Südamerika, nicht aber in Asien größere ungenutzte Ackerflächen vorhanden Bind, wäre es möglich, allein durch Modernisierungsmaßnahmen - wie z.B. die Einführung verbesserter Saaten, von Kunstdünger and den Bau von Bewässerungsanlagen - die Agrarproduktion in Entwicklungslandern drastisch anzuheben.5 Ganz überwiegend Bind politische, soziale and ökonomische Faktoren verantwortlich. Welche Faktoren Bind dies?
Hans-Bernd Schäfer
I. Zur Charakteristik der Dualismustheorien
Zusammenfassung
Ein Hauptmerkmal ökonomischer Theoriebildung ist die Berücksichtigung von Interdependenzen. Sie ermöglicht es, bei Kenntnis von Ausgangsbedingungen und mit Hilfe funktionaler Verknüpfungen wirtschaftliche Entwicklungen für wahrscheinlich oder unmöglich zu halten. Eine ihrer Hauptgefahren besteht darin, Zusammenhänge dort herzustellen, wo sie unwesentlich sind, oder sie für jene Bereiche abzuleiten, wo man sie vernachlässigen kann. Häufig werden auch zu viele Verknüpfungen vorgenommen. Dies ist kein Vorwurf bei konkreten Planungsvorhaben, wohl aber für Theorien, deren Aussagen dann unübersichtlich und garstig werden. Die entscheidende Schwierigkeit ökonomischer Theoriebildung liegt nicht in der Berücksichtigung möglichst vieler, sondern im Abtrennen von Interdependenzen an den richtigen Stellen. Nur diejenigen Zusammenhänge sollten betont und zentral analysiert werden, die für das Forschungsziel im Vordergrund stehen, die aus empirischen oder theoretischen Gründen besonders relevant sind.
Hans-Bernd Schäfer
II. Ökonomische Entwicklung bei autarkem modernem Sektor
Zusammenfassung
Mehrere Autoren, insbesondere Dixit und Hornby, haben in ihren Versionen der Dualismustheorien den traditionellen Sektor mit der Landwirtschaft gleichgesetzt1 und sind dafür stark kritisiert worden2. Ihre Absicht war jedoch einleuchtend. Sie wollten die Analyse des agrarischen Überschusses, mit dem eine wachsende industrielle Bevölkerung versorgt werden muß, in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung stellen. Sie nahmen an, der traditionelle Sektor müsse einen großen Teil der Lohngüter für den modernen Sektor erzeugen. Sie erkannten die politische Bedeutung dieses Problems, bemerkten, daß der traditionelle Sektor - wenn er diese Aufgabe übernahm - vor Schwie-rigkeiten gestellt war und leiteten über die Analyse der Terms-of-trade zwischen Industrie und Agrarproduktion Schlußfolgerungen ab, die zum Teil in offenem Gegensatz zu denen der Labour-surplus-Versionen der Dualismustheorien standen. Mit ihren Argumenten werden wir uns ausführlich in Kapitel III befassen. Dennoch ist es richtig, daß eine Reihe wichtiger Fragen dualistischer Entwicklung auch ohne Berücksichtigung des agrarischen Surplusproblems untersucht werden kann. Es ist daher sinnvoll, zwei Typen von Dualismustheorien zu unterscheiden.
Hans-Bernd Schäfer
III. Ökonomische Entwicklung bei nicht autarkem modernem Sektor
Zusammenfassung
Die bisher betrachtete „Labour-surplus“-Variante der Dualismustheorien gelangt bezüglich des Wachstums im modernen Sektor - nicht notwendigerweise bezüglich des Arbeitskräftewachstums und der Überwindung des Dualismus - zu sehr optimistischen Resultaten. Das einzige Hemmnis industrieller Entwicklung ist bei ihr die Möglichkeit eines sukzessive steigenden Reallohns bei verdeckter Arbeitslosigkeit und Entlohnung nach der Durchschnittsproduktivität der Arbeit im Agrarsektor. Mit dieser Variante - meist in der Version eines konstanten industriellen Reallohns - wird in der Entwicklungstheorie oft gearbeitet. Sie bestimmt auch die Lehrbuchversionen der Dualismustheorien, die oft als deren wesentliches Merkmal die unendlich elastische Arbeitsangebotskurve hervorheben.1
Hans-Bernd Schäfer
IV. Die Rolle staatlicher Eingriffe in der dualistischen Wirtschaft
Zusammenfassung
Wir werden in diesem Kapitel die wirtschaftspolitische Rolle des Staates im Industrialisierungsprozeß thematisieren, dis bisher ausgeklammert blieb. Diese Rolle ist vielschichtig und erstreckt sich auf die Herstellung politischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, die Herausbildung oder Änderung von “property rights” und auf die Etablierung einer modernen Ordnungs- und Leistungsverwaltung. Obwohl diese Dimensionen des Staatshandelns zentral auch für den ökonomischen Entwicklungsprozeß sind, beziehen sich unsere weiteren Überlegungen auf wirtschaftspolitische Maßnahmen im engeren Sinne. Wir fragen nach den Methoden, die vorgeschlagen worden sind, um durch unmittelbare Eingriffe in den Wirtschaftsprozeß, insbesondere durch Eingriffe in das System der relativen Preise und durch staatliche Investitionslenkung den Industrialisierungsprozeß zu beschleunigen, und wir fragen nach der Kritik dieser Methoden. Bei der Darstellung und Beurteilung entwicklungsstrategischer Konzepte werden die bisher erarbeiteten dualismustheoretischen Zusammenhänge von Nutzen sein, und wir werden erkennen, daß gegensätzlichen Planungskonzeptionen und Strategieempfehlungen sehr oft unterschiedliche verdeckte Annahmen über die Bildung von Preisen sowie die Höhe von Angebots-, Nachfrage- und Einkommenselastizitäten zugrundeliegen.
Hans-Bernd Schäfer
V. Forcierte Industrialisierung und Einkommensdisparitäten zwischen Stadt und Land
Zusammenfassung
Wir haben uns bisher ausschließlich mit der Frage befaßt, ob das Ziel einer schnellen Industrialisierung mit Hilfe der Diskriminierung oder Vernachlässigung des Agrarsektors erreicht werden kann. Die Kritik des „merkantilistischen Paradigmas“ bezieht sich jedoch nicht nur auf dessen Zweck-Mittel-Relation. Sie setzt insbesondere auch an den verteilungspolitischen Wirkungen dieser Strategie an, die zur Einkommensdisparität zwischen Stadt und Land, zur Verelendung der Bauern und einer überschnellen und übertriebenen Urbanisierung führe.1
Hans-Bernd Schäfer
VI. Zur Empirie der Preisdiskriminierung in der Landwirtschaft und der agrarischen Angebotselastizitäten
Zusammenfassung
Wir stellen in den folgenden Kapiteln die Frage nach der empirisch meßbaren oder darstellbaren Rolle der Landwirtschaft im Frühstadium industrieller Entwicklung. Sie umfaßt zunächst die Terms-of-trade-Problematik. In welchem Umfang versuchen Entwicklungsländer, die relativen Agrarpreise politisch zu beeinflussen? Grundsätzlich läßt sich behaupten, daß die preispolitische Diskriminierung des Agrarsektors und staatliche Kontrollen in der Landwirtschaft und im Agrarhandel in Entwicklungsländern weit verbreitet sind. Wenn auch einige Länder, wie etwa Indien, nicht diesem Bild entsprechen1, so ist es trotzdem richtig, von einer durchgängigen Erscheinung zu sprechen.
Hans-Bernd Schäfer
VII. Zur Bildung und Aktion von Urbanen und agrarischen Interessengruppen
Zusammenfassung
Nach welchem Paradigma ökonomische Entwicklung am besten vorangetrieben werden kann, dem etatistisehen, planwirtschaftlichen, “merkantilistischen” Paradigma mit Eingriffen in das System relativer Preise, oder dem “physiokratisehen” marktwirtschaftlichen Typ des freien Handels von Industrie- und Agrargütern, kann, wie die Darstellung der Elastizitätsanalysen gezeigt hat, bei gegenwärtigem Stand der empirischen Wissenschaft durch einen Schiedsspruch der Wissenschaftler nicht allein entschieden werden. Wäre dies so, gäbe es eine eindeutig optimale Entwicklungsstrategie, Entwicklungspolitik wäre längst routinisiert und die sie betreffenden Entscheidungen auf untere Ebenen des bürokratischen Systems verlagert worden, sie hätte sich zu einer reinen Technik entwickelt. Eine eindeutig optimale Entwicklungsstrategie hätte - wie immer sie auch aussehen würde und wen sie über kurze oder mittlere Frist benachteiligen oder bevorzugen müßte - gute Aussicht, von allen Gruppen, die am ökonomischen Prozeß beteiligt sind, akzeptiert zu werden. Denn langfristig hätten alle Vorteil von ihr. Sie würde es allen Gruppen leichtmachen, ihre Entscheidungen von einer Nicht-Nullsummenspielmentalität leiten zu lassen. Kooperatives Verhalten würde sich langfristig sowohl für die Bevorzugten wie für die zunächst und unmittelbar Benachteiligten auszahlen.
Hans-Bernd Schäfer
VIII. Die Beziehung zwischen Industrie und Landwirtschaft in fünf Ländern
Zusammenfassung
Wir werden uns jetzt mit der konkreten Bedeutung der Stadt-Land-Beziehung und der Rolle der Landwirtschaft im Industrialisierungsprozeß von fünf Ländern befassen. Diese Länder wurden unter drei Gesichtspunkten ausgewählt.
Hans-Bernd Schäfer
Backmatter
Metadata
Title
Landwirtschaftliche Akkumulationslasten und industrielle Entwicklung
Author
Professor Dr. Hans-Bernd Schäfer
Copyright Year
1983
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-68991-8
Print ISBN
978-3-540-12234-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-68991-8