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25-02-2015 | Management + Führung | Interview | Article

"Es geht um Effektivität im Recruiting"

Author: Anja Schüür-Langkau

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Die bisherigen Maßnahmen zur Mitarbeiterrekrutierung sind nicht mehr erfolgversprechend. Unternehmen müssen deshalb neue Wege gehen, meint Springer-Autorin Michaela Hartmann im Interview.

Springer für Professionals. In Zeiten des wachsenden Fachkräftemangels wird das Thema Rekrutierung in den Unternehmen immer wichtiger. Wo liegen zukünftig die größten Herausforderungen?

Michaela Hartmann: Herkömmliche Rekrutierung im Sinne von Stellenausschreibung, Bewerbereingang und -auswahl funktioniert heute aus vielerlei Gründen nicht mehr. Am Arbeitsmarkt warten keine "fertigen" Mitarbeiter. Recruiter müssen sich daher stärker mit Bewerbermarkt und Jobpräferenzen auseinandersetzen und aktiv auf Mitarbeitersuche gehen. Rekrutierung fordert planerische Kompetenz, um frühzeitig die richtigen Mitarbeiterressourcen zu gewinnen und/oder rekrutierte Mitarbeiter für ihre Aufgaben qualifizieren zu können. Zukunftsorientierung und vergangenheitsorientierte Auswahlverfahren oder starre Qualifikationen passen nicht zusammen. Anspruchsvollere Kriterien wie Talent, Veränderungsbereitschaft oder Integrationsfähigkeit sind Hinweise für zukünftige Leistungsstärke und Flexibilität.

Warum wirken die bisherigen Recruiting-Strategien zukünftig nicht mehr?

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Verschiebungen in der quantitativen und qualitativen Verfügbarkeit von Mitarbeitern am Arbeitsmarkt, Werte- und Kulturwandel sowie wechselnde Umfeld- und Arbeitsbedingungen verändern die Ansprüche. Effizienz im Bewerbermanagement im Sinne von standardisierten Matching-Prozessen kann diesen kaum gerecht werden. Vielmehr geht es um Effektivität im Recruiting: Identifikation der erfolgsrelevanten Mitarbeiterressourcen oder Wissensbereiche, Nutzung der zielgruppenspezifischen Rekrutierungskanäle, hohe Reaktionsgeschwindigkeit im Bewerbungsprozess, ausgeprägte aufgabenspezifische Kompetenz, ausreichende Flexibilität und gleichzeitig Kontinuität aus Mitarbeiter- und Unternehmenssicht.

Welche Potenziale auf dem Arbeitsmarkt werden von den Unternehmen bisher nicht genutzt?

Die tendenziell einfacher und schneller integrierbaren und vom Typus her bekannten Mitarbeiter stehen oft im Fokus, während die Ressource der (eher oder vermeintlich) unbequemen oder "aufwändigeren" Mitarbeiter oft noch nicht ausgeschöpft ist. Zu Letzteren zählen oft jene Mitarbeiterpotenziale, die keine oder nicht die richtige Ausbildung (z. B. Seiteneinsteiger) vorweisen können, ein bestimmtes Alter überschritten, längere Zeit nicht gearbeitet haben oder dem Arbeitsmarkt noch nicht unmittelbar zur Verfügung stehen. Auch die zeitlich Gebundenen (z. B. Menschen mit Kind oder pflegebedürftigen Angehörigen), die mit den üblichen Arbeitszeiten überfordert sind bzw. einen erhöhten Flexibilisierungsbedarf haben, bilden ein weiteres interessantes Segment.

Welche Maßnahmen sollten Unternehmen ergreifen, um ihre Attraktivität als Arbeitsgeber zu stärken?

Keineswegs neu, aber oft nicht umgesetzt: Zur Erzielung von Bewerbungsbereitschaft geht es darum, gehört zu werden, durch authentische Werte und Botschaften zu überzeugen sowie die Kommunikation ehrlich, wertschätzend und verbindlich zu gestalten. Bindungsbereitschaft fordert darüber hinaus, den Bewerber in sein Arbeitsumfeld zu integrieren und seine Entwicklung zu unterstützen. Die Bewertung der Arbeitgeberattraktivität bei Bewerbung, Eintritt und Bindung findet in den Köpfen der Bewerberzielgruppen und Mitarbeiter statt. Sie kann von sehr unterschiedlichen, sich im Zeitablauf verändernden Kriterien bestimmt werden. Solche Kriterien sind beispielsweise Freiräume, Zeitmodelle, Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten, Arbeitsatmosphäre, Unternehmens- und Führungskultur, Gehalt und Jobsicherheit oder auch Standort.

Warum sollten sich Unternehmen intensiver mit dem Thema Diversity beschäftigen?

Eine wesentliche Voraussetzung für Zukunftsfähigkeit ist es heute, sich in unterschiedlichen Denksphären zurechtzufinden, Bestehendes in Frage zu stellen sowie kreativ und innovativ zu sein. Unternehmen bündeln und vervielfältigen das Können und Wissen der einzelnen Mitarbeiter. Nur durch personelle Vielfalt werden die Perspektive erweitert und damit auch die Möglichkeiten einer Aufgabenbewältigung verbessert. Sie wirkt sich auf die Mannigfaltigkeit der Leistungsangebote sowie das Geschäftsgebaren aus und fördert die Entwicklung des Unternehmens.

Wo liegen die besonderen Chancen für kleine und mittelständische Unternehmen?

KMU neigen weniger dazu, Prozesse zu formalisieren und damit der Bürokratie und Trägheit Vorschub zu leisten. Hieraus ergeben sich Flexibilisierungsvorteile für das Recruiting: Informationen oder kreative Anstöße kommen zügiger an, Entscheidungen können schneller getroffen und Veränderungen oder Reaktionen rascher umgesetzt werden. Auch die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit oder eine Kooperation mit Personaldienstleistern kann schneller initiiert werden – eine entsprechende Kommunikationskultur natürlich vorausgesetzt. Daraus erwachsen klare Vorteile aus Mitarbeitersicht: Erstens ist die Integration in ein Unternehmen viel schneller möglich, zweitens sind die Führungskräfte viel enger mit der Belegschaft verbunden und drittens gibt es kleinere Teams, in denen jedes Mitglied mit seinen Potenzialen wertvoll ist und nicht übersehen wird.

Zur Person
Dr. Michaela Hartmann ist seit mehr als zwei Jahrzehnten in vielen Bereichen der Personalentwicklung tätig. Als Mitgründerin der AUREA Nord GmbH beschäftigt sie sich seit 2011 zudem mit Personaldienstleistungen, insbesondere Mitarbeiterrekrutierung und Ausbildungscoaching. Ihr Buch "Rekrutierung in einer zukunftsorientierten Arbeitswelt" zeigt Erfolgsgeschichten und kreative Ansätze, aber auch Kritik und Anregungen aus verschiedenen Perspektiven.
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