2014 | OriginalPaper | Chapter
Mitbestimmungspolitik
Author : Prof. em. Dr. Walther Müller-Jentsch
Published in: Handbuch Gewerkschaften in Deutschland
Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden
Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.
Select sections of text to find matching patents with Artificial Intelligence. powered by
Select sections of text to find additional relevant content using AI-assisted search. powered by
Mitbestimmung ist kein originäres gewerkschaftspolitisches Ziel wie der Tarifvertrag, die Koalitionsfreiheit oder das Streikrecht. Ihre frühesten Formen – betriebliche Arbeiterausschüsse – waren von einigen sozial eingestellten Unternehmern bereits im Deutschen Kaiserreich freiwillig eingeführt (Teuteberg 1961: 208 ff.; Ritter/Tenfelde 1992: 422 ff.; Sering 1890) oder von staatlicher Seite (zunächst nur für den Bergbau) gesetzlich vorgeschrieben worden (Teuteberg 1961: 410 ff.). Die freien Gewerkschaften lehnten derartige Einrichtungen ab. Aufgrund ihrer Erfahrungen mit den von den Arbeitgebern gegründeten wirtschaftsfriedlichen „Werkvereinen“ (Mattheier 1973) erblickten sie in ihnen eine bewusst geschaffene Konkurrenz zu den gewerkschaftlichen Organisationen. Gleichwohl wurde den Gewerkschaften ihre fehlende Betriebsrepräsentanz zum Problem, was beispielsweise der Deutsche Metallarbeiterverband mit dem Aufbau eines gewerkschaftlichen Vertrauensmännersystems in den Großbetrieben zu lösen versuchte (Potthoff 1987: 159 f.). Erst mit der „Burgfriedenspolitik“ während des Ersten Weltkriegs und dem im Gefolge der revolutionären Rätebewegung von 1918/1919 etablierten Betriebsrätesystem der Weimarer Republik gaben die Gewerkschaften ihre Vorbehalte gegen gesonderte betriebliche Vertretungsorgane auf. Seither ist die Mitbestimmung ein Politikfeld, das im Wesentlichen von den Akteuren Staat (Gesetzgeber), Gewerkschaften, Betriebsräten, Arbeitgebern und deren Verbänden gestaltet wird.