Von der Ärztin zur Verteidigungsministerin, von der Physikerin zur Bundeskanzlerin und vom Westernhelden zum US-Präsidenten. In der Politik ist Quereinstieg Gesetz. Das zeigt sich am deutlichsten nach einer Bundestagswahl. Wenn die Ministerposten neu verteilt sind, ist kein Schuster bei seinen Leisten geblieben. Damit lebt die Politik eine Experimentierfreude vor, von denen Wirtschaftsunternehmen sich eine Scheibe abschneiden könnten. Denn auf Quer- und Seiteneinsteiger zu setzen lohnt sich.
In deutschen Unternehmen werden Stellen, dem Fachkräfte- und Führungskräftemangel zum Trotz, vorwiegend nach klassischem Muster besetzt: Personalverantwortliche lassen sich Wissen und Können durch erworbene Leistungsnachweise dokumentieren, anhand derer sie über Einstieg und Aufstieg entscheiden. Die Gehälter orientieren sich dann an der Berufserfahrung. Darüber hinaus fehlt es an Mut, auf Bewerber zu setzen, die sich nicht von hinten in der Reihe angestellt, sondern der Herausforderung im neuen Umfeld gestellt haben. Abgesehen von den fachfremden Abschlüssen und Qualifikationen, bringen sie ein entscheidendes Puls mit: "Quereinsteiger steigern durch neue Denk- und Handlungsansätze Umsatz, Gewinn und Innovationsfähigkeit". Ein Argument mit dem Springer-Autorin Sylvia Knecht die Mär vom "Quereinsteiger das unbekannte Wesen" entkräftet (Seite 4).
Wie externe Chefs die Unternehmensspitze bereichern, hat aktuell die internationale Personalberatung Russell Reynolds mit Teilergebnissen ihrer Studie „The Evolving Path to CEO“ belegt. Die Befragung von über 1.000 Führungskräften und ihren Vorgängern aus 19 Ländern in Europa und Nordamerika skizziert das Profil des Chefs in internationalen Top-Unternehmen. Der deutsche CEO kommt auf den ersten Blick traditionell daher. Er ist bei seiner Ernennung 51 Jahre alt und seit gut 13 Jahren im Unternehmen tätig. Die Chancen für externe Bewerber auf einen Führungsposten haben sich in Deutschland dennoch gebessert:
- Deutsche Spitzenpositionen werden zu 73 Prozent intern besetzt/ 2012: 75 Prozent
- 12 Prozent der aktuellen Vorstandsvorsitzenden gehören die gesamte Karriere dem Unternehmen an / 2012: 45 Prozent
- 19 Prozent der externen CEOs wurden ein bis zwei Jahre vor ihrer Ernennung auf der zweiten Führungsebene eingestellt
- Externe CEOs halten sich 9,4 Jahre im Amt, interne CEOs 7,9 Jahre
In der Ansprache zählt der Kandidat
Die mit ein bis drei Jahren vor der Ernennung eingestellten externen Chefs bleiben ihrem Amit eineinhalb Jahre länger treu. Damit widerlegt die Studie das vermeintliche Risiko von Quereinsteigern an der Unternehmensspitze und wirbt für eine vorausschauende Personalpolitik. "Quereinsteiger finden und binden" ist für Sylvia Knecht außerdem ein Akt, bei dem der Bewerber im Vordergrund steht, nicht das Unternehmen (Seite 183). Das Unternehmen sei "Arbeitsanbieter" und müsse seine Vorteile deutlicher herausstellen als bislang in deutschen Unternehmen üblich. Hilfreiche Vorabfragen für das auf Quereinsteiger zugeschnittene Recruiting sind:
- Welche Tätigkeitsprofile werden benötigt?
- Sind die Kollegen offen für den Quereinsteiger?
- Welche Anforderungen sind an den Quereinsteiger zu stellen und wie werden sie zielgruppenspezifisch in der Ausschreibung formuliert?
- Wie wird das Unternehmen auf dem Markt und bei allen Zielgruppen wahrgenommen?
- Wie möchte das Unternehmen gesehen werden?
- Wie wird das Unternehmen bewertet?
- Welche Zielgruppe an Quereinsteigern soll angesprochen werden?
- Warum sollte das Unternehmen von Quereinsteigern als attraktiv empfunden werden?