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2004 | Book

Staatsentwicklung und Policyforschung

Politikwissenschaftliche Analysen der Staatstätigkeit

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Table of Contents

Frontmatter

Einleitung

Frontmatter
Staatstheorie, Staatswissenschaften, Staatstätigkeit und Policyforschung — Eigenständige Entwicklung und mögliche Verknüpfung in historischer und gegenwartsbezogener Sicht
Zusammenfassung
Der vorliegende Sammelband bindet, ergänzt um zwei zusätzlich aufgenommene Aufsätze, Beiträge und diese kommentierende Stellungnahmen zusammen, die im Rahmen einer von den Sektionen „Regierungssystem und Regieren in der Bundesrepublik Deutschland“ und „Staatslehre und politische Verwaltung“ der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) gemeinsam getragenen und vom Institut für Politikwissenschaft der Martin-Luther-Universität am 11. und 12.April 2002 in Halle an der Saale ausgerichteten Tagung vorgetragen und diskutiert worden sind.
Everhard Holtmann, Sebastian Putz

Ältere Staatslehre und Polizeywissenschaft

Frontmatter
Die Staats- und Kameralwissenschaften als theoretische und empirische, immer aber nützliche Disziplinen gesellschaftlicher Formierung im 17. und 18. Jahrhundert
Zusammenfassung
Nimmt man das Gesamtthema wörtlich, dann soll die DVPW-Tagung über die Policyforschung im „Prozess“ der Staatsentwicklung diskutieren, nicht über Policyforschung „an sich“. Der Begriff Staats„entwicklung“ ist überdies auf heute bezogen vieldeutig. Für das auf das 17. und 18. Jahrhundert bezogene Thema ist er das nicht.
Hans-Hermann Hartwich
Kommentar zu Hans-Hermann Hartwich
Zusammenfassung
Die Bezüge zwischen der älteren Staats- und Kameralwissenschaft/Policeywissenschaft und der Policyforschung sind uns spätestens seit dem wichtigen, von Hans-Hermann Hartwich herausgegebenen Band zur Policyforschung (Hans-Hermann Hartwich [Hrsg.], Policy-Forschung in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1985) bekannt. An diese nochmals zu erinnern, aber auch die Unterschiede zu akzentuieren, ist das Verdienst des vorliegenden Beitrags. Dass Hartwich sich dabei auf wenige Autoren und auf den brandenburgpreußischen Kontext beschränken musste, ist angesichts der Breite des Themas verständlich. Dem Überblick sowie den daraus gezogenen Schlussfolgerungen kann ich durchweg zustimmen.
Arthur Benz

Die Ausdifferenzierung der Staatswissenschaft und Verwaltungslehre im 19. Jahrhundert

Frontmatter
Deutsche Staatswissenschaften im 19. Jahrhundert: Disziplinäre Ausdifferenzierung und Spiegelung moderner Staatlichkeit
Zusammenfassung
„Staatswissenschaften“ ist die zeitgenössische Bezeichnung für ein den deutschen Universitäten eigentümliches Fächerkonglomerat, das sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausbildete, im 19. Jahrhundert mit wandelnden Lehr- und Forschungsinhalten eine akademische Selbstverständlichkeit war, um sich dann im 20. Jahrhundert nicht nur vollends in autonome Einzeldisziplinen aufzulösen, sondern auch anderen Fachverbünden wie den „Sozialwissenschaften“ Platz zu machen. Es ist einigermaßen vermessen, die Entwicklung dieser Fächer und ihres Zusammenhangs, über die neben ansehnlichen Disziplingeschichten auch mehr (Schiera 1992) oder weniger (Lindenfeld 1997)1 überzeugende Gesamtdarstellungen vorliegen, in groben Strichen unter besonderer Berücksichtigung ihres staatswissenschaftlichen Kontextes für das lange 19. Jahrhundert zu skizzieren2. Zumal ich anschließend noch die eigentlich spannenden Aspekte ansprechen will: die Frage nach den wissenschaftsgeschichtlichen Gründen dieses Ausdifferenzierungsprozesses, dem zugrundeliegenden Staatsbegriff und dem Wechselverhältnis zwischen der Entwicklung des staatswissenschaftlichen Fächerkonglomerats und den realen Staatsfunktionen. Und schließlich, da diese Tagung ein Beitrag zum 500. Geburtstag der Universität Halle-Wittenberg ist, auch exemplarisch auf die Entwicklung der Staats Wissenschaften im 19. Jahrhundert an dieser Hochschule eingehen werde.
Wilhelm Bleek
Kommentar zu Wilhelm Bleek
„Verspätete“ Politikfeld-Analyse: ein Legat der deutschen Staatswissenschaft?
Zusammenfassung
In seinem kenntnisreichen Abriss hat Wilhelm Bleek den Staatsbegriff und die Staatsfunktionen für das 19. Jahrhundert aus der Sicht der damaligen akademischen Wahrnehmung behandelt. Diese wissenschafisgeschichtliche Gewichtung lässt mir Raum für komplementäre Anmerkungen, und zwar aus einer Perspektive, die sich zunächst der Institution Staat selbst stärker zuwendet und sodann, vor dem Hintergrund dessen historisch erkennbarer funktionaler Ausdifferenzierung nach Politikfeldern, ein eventuelles Erklärungsversagen der seinerzeitigen Staatswissenschaft thematisiert. Ich will meine kommentierenden Anmerkungen in zwei Fragen kleiden:
1.
Hat sich im Prozess der Strukturbildung des modernen Staates im 19. Jahrhundert, hat sich aus dessen besonderer Staatsqualität heraus eine Entwicklung angebahnt, die, jedenfalls im Rückblick, institutionelle Prärequisiten bereitgestellt hat für eine schon zu diesem Zeitpunkt erkennbare Ausformung von Politikfeldern?
 
2.
Hat die von Wilhelm Bleek beschriebene disziplinäre Ausdifferenzierung der seinerzeitigen Staatswissenschaften in eine Vielfalt von Einzeldisziplinen dazu geführt, dass die Erklärungskraft hinsichtlich der tatsächlichen Staatstätigkeit, deren sektorale und funktionale Auffächerung sich mit der Reichsgründung beschleunigte, eher eingeschränkt als befördert worden ist? Erklärt sich möglicherweise auch von daher, dass eine sozialwissenschaftliche Politikfeld-Analyse in Deutschland erst so sehr viel später gestartet ist und hat importiert werden müssen?
 
Everhard Holtmann

Enstsehung der Policyforschung in den USA

Frontmatter
U.S.-amerikanische Prägungen der Policy-Forschung
Zusammenfassung
‚Policy Studies‘ galt in meiner Generation einst als der genuine Beitrag der USA zur Politikwissenschaft — d. h. als unbeeinflusst von britischem Verfassungsvergleich und von der Makrosoziologie deutscher Emigranten. Allerdings lernten wir dieses U.S.-Produkt zunächst nur in Verzerrungen kennen. In einem einflussreichen und selbst an Gymnasien weitverbreiteten Text — Iring Fetschers „Funkkolleg Politikwissenschaft“ von 1968 — lasen wir über das angebliche Selbstverständnis dieser Subdisziplin: „Positive Wissenschaft von den Kausalzusammenhängen des politisch-sozialen Lebens soll in den Dienst praktischer Politik treten und diese damit auf das Niveau exakter (oder doch mehr oder minder exakter) Wissenschaftlichkeit erheben. Die für politische Entscheidungen notwendigen Daten sollen zusammengestellt und ihre relative Bedeutung festgestellt werden, damit ein entsprechend ‚gefutterter‘ Computer die Chancen alternativer Entscheidungen ausrechnen kann. So verstandene ‚policy-science‘ kann aber sowohl in den Dienst einer ‚guten‘ als auch einer ‚schlechten‘ Politik gestellt werden.“ (Fetscher 1968: 13). So etwas fand bei jungen Menschen des Jahres 1968 wenig Anklang: das musste man gar nicht erst studieren — und so versäumten wir auch die Chance, die Karikatur auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.
Rainer Prätorius
Kommentar zu Rainer Prätorius
Entstehung der Policyforschung in den USA
Zusammenfassung
Es ist nie ganz einfach als Kommentator aufzutreten, wenn Rainer Prätorius derjenige ist, dessen Beitrag man kommentieren soll — denn was soll man dieser umfassend angelegten, historisch und theoretisch belesenen und informierten Analyse eigentlich noch hinzufügen? Ich kann und will daher diese beinahe archäologische, vorsichtig Schicht für Schicht abtragende, auf jeden Fall sehr genaue und beinahe fürsorgliche Betrachtung der Wurzeln der amerikanischen Policy-Forschung nicht weiter ausmalen oder gar etwas an ihr kritisieren, sondern will versuchen den Strang etwas weiterzuführen. Ich will — in der gegebenen Kürze — fragen, wie es denn dieser Policy Orientierung nach dem 2. Weltkrieg ergangen ist, was also aus den von Prätorius ausgegrabenen Wurzeln geworden ist, und dabei auch noch einmal die Frage streifen, ob darin spezifische Aussagen über Zustand und Entwicklung des Staates (hier in den USA) zu erkennen sind oder eben auch Veränderungen der Staatstätigkeit reflektiert werden.
Werner Jann

Policyforschung im Wohlfahrtsstaat

Frontmatter
Policy-Forschung und die Entwicklung des modernen Wohlfahrtsstaats
Zusammenfassung
Staatstätigkeit besteht heute vor allem in der Bereitstellung unfangreicher wohlfahrtsstaatlicher Leistungen; insofern ist Wohlfahrtsstaatsforschung immer zugleich sowohl (spezielle) Policy-Analyse als auch (allgemeine) Staatstheorie. Im Folgenden soll aus diesem breiten Themengebiet der Untersuchungsgegenstand kurz betrachtet und die wesentlichen Entwicklungslinien der vergleichenden Wohlfahrtsstaatforschung skizziert werden. Schließlich werden einige Aspekte des Wandels und der Probleme der Wohlfahrtsstaatsforschung angeschnitten und die Frage nach dem Verhältnis zur Policy- Analyse aufgeworfen. Dabei ist zu bedenken, dass zwischen diesen Subdisziplinen der Politikwissenschaft durchaus Überschneidungen bestehen1 und die hier vorgenommenen Separierung beider Diskussionen analytischer Natur ist. Gleichwohl — so die abschließende These — liegt es nahe, die inzwischen auseinandergedrifteten Forschungsperspektiven wieder stärker aufeinander zu beziehen.
Josef Schmid
Kommentar zu Josef Schmid
Zusammenfassung
Nachfolgend soll es um eine Konsequenz aus obigem Referat gehen, nämlich der Frage, wie sich die Verbindungslinien zwischen Wohlfahrtsstaatsforschung und Policy-Analyse beschreiben lassen und wo Möglichkeiten zur Weiterentwicklung von Erkenntnissen empirischer und theoretischer Natur zu suchen sind. Lässt man die Ausführungen von Schmid Revue passieren, dann fallen zwei Punkte besonders ins Auge. Zum einen wird deutlich, dass die Wohlfahrtsstaatsforschung einen erheblichen Beitrag dazu geleistet hat, die klassische Programmatik der Policy-Analyse innerhalb in der Politikwissenschaft zu verankern. Dazu gehören u. a. die empirische Output- bzw. Leistungsmessung der Staatstätigkeit, die Analyse der Wirkungen von policies und die Indikatorenbildung, die der vergleichenden Einordnung und Bewertung nationaler Wohlfahrtsstaatsprofile dient. Erinnert man sich an die ersten Selbstvergewisserungen im Verhältnis zwischen — damals noch relativ neuer — Policy-Forschung und etablierter Politikwissenschaft zurück (vgl. Hartwich 1985), dann wird erkennbar, dass vieles, was seinerzeit umstritten war, heute selbstverständlich geworden ist. Insbesondere ist die output-Dimension des Regierens gegenüber der ehedem stark input-lastigen, auf Wahl- und Parteienforschung ausgerichteten Politikwissenschaft zu einer gleichwertigen Analyseperspektive aufgestiegen. Die Wohlfahrtsstaatsforschung hat durch ihre geglückte Symbiose aus empirischer Sättigung einerseits und immer wieder anregender Theorie- und Konzeptbildung andererseits auch einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung und Professionalisierung der Politikwissenschaft geliefert, die nach den empiriearmen, aber verschleißintensiven Debatten über Staatsableitung, Klassenkampf und Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus einer Neuorientierung bedurfte.
Marian Döhler

Policy-Forschung und Europäisierung der Staatstätigkeit

Frontmatter
Staatstätigkeit im europäischen Mehrebenensystem - Der Beitrag der Policy-Forschung zur Analyse von EU-governance-Prozessen
Zusammenfassung
Zwei Kerngedanken sind zentral mit der Policy-Forschung verbunden. Zum einen die Vorstellung eines politischen Raumes, innerhalb dessen politisch gestaltet werden kann. Dies war traditionell vor allem der Nationalstaat (im Englischen deshalb auch der Begriff „public policy“). Mit der Entwicklung der EU zu einer europäischen Polity, die auch, aber eben nicht nur, mit nationalstaatlichen Charakteristika ausgestattet ist, und insofern eine neue Qualität des politischen Raumbezuges darstellt, ist es plausibel geworden, das Instrumentarium der Policy-Analyse auch für die Erforschung von politischen Entscheidungsprozessen auf EU-Ebene zu nutzen. Umstritten und stetem Wandel unterworfen, sowohl in der Tagespolitik als auch in der Forschung, ist im Bezug auf die EU die Balance zwischen intergouvernementalen und supranationalen Elementen des Regierens. Die Forschung definiert diese unterschiedlichen Qualitäten des Regierens auch als Schnittstelle der politikwissenschaftlichen Subdisziplinen „Internationale Beziehungen“ und „Analyse von Regierungssystemen“ (comparative politics) mit einer Reihe von Folgen für die Theoriebildung (u. a. Hix 1994).
Roland Sturm
Kommentar zu Roland Sturm
Staatstätigkeit der EU ohne Staat
Zusammenfassung
Roland Sturm hat in seinem Beitrag auf knappem Raum eine umfassende und zugleich sehr dichte Darstellung verschiedener Theorieansätze der Policy- Forschung in ihrer Anwendung auf die „Staatstätigkeit“ der EU vorgestellt, der auf den ersten Blick nichts hinzuzufügen zu sein scheint. Allerdings hat er in seinem einleitenden Abschnitt ein vertieftes Eingehen auf einige Besonderheiten des EU-Systems von vorn herein ausgeschlossen; teils, indem er bestimmte theoretische Überlegungen der Disziplin der internationalen Beziehungen zuweist, und somit als für die Policy-Forschung nicht relevant erachtet; teils, indem er das europäische Mehrebenensystem als ein bisher nur deskriptiv erfasstes wertet, und damit zugleich schlussfolgert, dass „Staatlichkeit in der EU… so noch nicht adäquat erfasst“ wird (S. 1). Wiewohl beiden Argumentationen prinzipiell zuzustimmen ist, scheint es mir doch von Bedeutung, auf einige Erkenntnisse der EU-bezogenen Policy-Forschung einzugehen, die die Besonderheiten des EU-Systems gegenüber nationalen Staaten hervorheben. Denn erst vor dem Hintergrund dieser Besonderheiten wird deutlich, in welcher Weise und aus welchen Gründen Theoriekonzepte der Policy-Forschung auf das europäische Mehrebenensystem anwendbar sind; warum sich einige Konzepte geradezu wie eine „Epidemie“ (Sturm) in der EU-Forschung ausgebreitet haben, während andere eher ein Schattendasein führen.
Ingeborg Tömmel
Die Europäisierung nationaler Staatstätigkeit: Erkenntnisse aus der vergleichenden Policy-Forsehung
Zusammenfassung
In den letzten Jahren lässt sich ein starker Zuwachs von Analysen verzeichnen, die sich mit dem Thema der Europäisierung nationaler Politik befassen. Allerdings wird in diesem Zusammenhang der Begriff Europäisierung in sehr unterschiedlicher Weise verwendet (Ladrech 1994; Radaelli 2000). Auf einer generellen Ebene lassen sich dabei zwei Ansatzpunkte identifizieren. So findet sich erstens eine Vielzahl von Studien, die unter dem Stichwort der Europäisierung der Frage nachgehen, wie nationale Policies, Interessen und Institutionen die Gestaltung von Institutionen und Politikinhalten auf der Ebene der Europäischen Union (EU) beeinflussen. Von dieser Perspektive abzugrenzen ist ein zweites Konzept von Europäisierung, welches auch diesem Beitrag zugrunde liegt. Hierbei ist der analytische Fokus weniger auf dem nationalen Einfluss auf europäischer Ebene, sondern auf dem genau umgekehrten Zusammenhang. Im Mittelpunkt steht das Ziel, mögliche Rückwirkungen zu untersuchen, die von der europäischen Ebene auf die Staatlichkeit in den Mitgliedstaaten ausgehen.1
Christoph Knill, Dirk Lehmkuhl
Kommentar zu C. Knill und D. Lehmkuhl
Zusammenfassung
Ich möchte diesen Kommentar mit einer kurzen Verortung des Kapitels in der EU-Forschung beginnen. Diese Verortung beinhaltet gleichzeitig eine Charakterisierung der EU-Forschung in Hinblick auf die beiden Forschungsgebiete, denen dieses Buch gewidmet ist — also der Staatslehre und der Policy-Forschung.
Andrea Lenschow
Backmatter
Metadata
Title
Staatsentwicklung und Policyforschung
Editor
Everhard Holtmann
Copyright Year
2004
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-80971-1
Print ISBN
978-3-8100-4034-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-80971-1