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Published in: Wirtschaftsinformatik & Management 2/2021

Open Access 04-03-2021 | Schwerpunkt

Überleben neben Amazon Business und Co.? Der Weg zum eigenen B2B-Online-Marktplatz

Authors: Emanuel Schmidt, Christian Marheine

Published in: Wirtschaftsinformatik & Management | Issue 2/2021

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Dieser Artikel zeigt die zunehmende Relevanz von Business-to-Business-Online-Marktplätzen sowie deren Funktionsweise auf. Anschließend werden Designprinzipien vorgestellt, welche Unternehmen bei der Entwicklung eigener Business-to-Business-Online-Marktplätze auf strategischer Ebene unterstützen sollen. Die Designprinzipien wurden auf Basis einer Literaturrecherche und mehrerer Experteninterviews aufgestellt.
Heute nutzt jedes vierte Business-to-Business(B2B)-Unternehmen in Deutschland den elektronischen Datenaustausch, wobei nur 1,3 % der 245.000 produzierenden Unternehmen und 155.000 Großhändler einen eigenen Onlineshop betreiben [1, S. 5]. Dies ist eine sehr niedrige Online-Penetrationsrate mit enormem Wachstumspotenzial.
Eine Studie von Statista [2, S. 21–26] über die Digitalisierung im B2B-e-Commerce hat einige Trends identifiziert, darunter das Wachstumspotenzial von Nischenmärkten, das steigende Interesse an Mobile-Business-Anwendungen, die wachsende Nachfrage nach Cloud-Services sowie die Personalisierung des B2B-Einkaufserlebnisses. B2B-e-Commerce war lange im Winterschlaf, aber die vorher genannten Trends führen zum Erwachen von B2B-Online-Marktplätzen. In der DACH-Region sind Amazon Business, Mercateo und Wucato die großen B2B-Online-Marktplatzbetreiber für standardisierte Produkte und Dienstleistungen, wie z. B. Büroartikel. Alibaba, eBay Business Supply, EuroPages und schließlich „Wer liefert was“ sind die dominierenden B2B-Online-Marktplätze im Bereich der komplexen und individualisierten Produkte und Dienstleistungen [1, S. 126].
Während das Interesse von Großunternehmen steigt, eigene Online-Marktplätze aufzubauen, tun sich viele schwer, den richtigen Ansatz für den elektronischen Handel über Marktplätze zu finden. Schließlich gibt es keine „One-size-fits-all“-Marktplatzlösung und Unternehmen müssen sich den Potenzialen und Risiken eines eigenen Marktplatzes bewusst sein. Es stellen sich die Fragen, welchen Mehrwert eigene Marktplätze liefern können und wie Unternehmen eigene Marktplatzinitiativen erfolgreich umsetzen können.
Der vorliegende Artikel liefert einen Überblick über die Funktionsweise von B2B-Online-Marktplätzen. Die im Anschluss vorgestellten neun Designprinzipien sollen Personen aus der Praxis bei dem Aufbau oder der Weiterentwicklung eines eigenen B2B-Online-Marktplatzes unterstützen. Abschließend wird ein kurzes Fazit gezogen.

Funktionsweise von B2B-Online-Marktplätzen

In den vergangenen Jahren konnte ein besonderer Trend beobachtet werden: Plattformgeschäftsmodelle erobern die Welt. Einige der wertvollsten Unternehmen weltweit, wie Amazon, Alibaba, Alphabet (mit Google) oder Facebook, nutzen die Kraft von Plattformen1, um ihre Marktposition zu stärken. Diesem Trend folgend, wollen heute viele etablierte Großunternehmen eigene B2B-Online-Marktplätze aufbauen.
Unternehmen mit Plattformgeschäftsmodellen gehören zu den erfolgreichsten der Welt
Ein B2B-Online-Marktplatz zielt darauf ab, eine große Anzahl an Verkaufenden und Kaufenden miteinander zu verbinden und möglichst effektive Marktbedingungen für den Austausch von Waren oder Dienstleistungen zu schaffen. Herstellende Unternehmen, Lieferanten und der Großhandel verkaufen ihre Produkte und andere wertbringende Dienstleistungen an Unternehmenskunden. Somit übernehmen B2B-Online-Marktplätze die Funktion von klassischen Märkten, wobei das sogenannte „Matchmaking“ (das Verbinden der Verkäufer- und Käuferseite) durch die IT unterstützt wird. Drittanbieter brechen durch die Vermittlungsfunktion eines Marktplatzes die klassischen Wertschöpfungsketten auf und ermöglichen es Unternehmen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren, indem sie weniger wichtige Tätigkeiten an Kooperationspartner auslagern. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) bieten B2B-Online-Marktplätze Einsparpotenziale, da sie im Gegensatz zu Großunternehmen meist nicht über die finanziellen Ressourcen verfügen, um eigene elektronische Beschaffungssysteme in Form einer bilateralen Anbindung an einen Lieferanten aufzubauen [3, S. 1].

Matchmaker müssen ihr Angebot erweitern

Im Beschaffungswesen werden viele Ressourcen für Routineaufgaben aufgewendet. B2B-Online-Marktplätze versprechen Abhilfe mit großem Potenzial, das Beschaffungswesen branchenübergreifend zu verändern. Während sie zahlreiche Prozesse durch Digitalisierung und Automatisierung vereinfachen, kann sich der Einkauf auf strategisch wichtigere Aufgaben fokussieren. Jedoch garantiert eine reine digitale Marktplatzinfrastruktur, die den Matchmaking-Prozess ermöglicht, keinen Erfolg.
Das Anbieten einer reinen Matchmaking-Infrastruktur garantiert keinen Erfolg für B2B-Online-Marktplätze
Obwohl die Zahl der aktiven B2B-Online-Marktplätze in der DACH-Region in den letzten fünf Jahren von etwas mehr als 15 auf 40 angestiegen ist, ist die Zahl der gescheiterten Marktplatzprojekte erheblich [4, S. 21–22]. Viele Marktplatzinitiativen von Unternehmen wirken so, als seien sie aus Verzweiflung, Euphorie, Naivität oder einer Mischung dieser drei Elemente entstanden. Ein oft genanntes Negativbeispiel ist der Schweizer Online-Marktplatz Siroop. Das vom Telekom- und IT-Unternehmen Swisscom sowie dem Detail- und Großhandelsunternehmen Coop gegründete Joint Venture scheiterte bereits 2018 nach nur zwei Jahren Einsatzzeit. Dennoch lassen sich einige allgemeingültige Lehren aus dem Business-to-Consumer(B2C)-Online-Marktplatz ziehen. Dem Start-up fehlte ein klar definiertes Wertangebot für seine Nutzer. Die fehlende Differenzierung gegenüber anderen B2C-Marktplätzen wurde Siroop zum Verhängnis. Aus diesem kurzen Case lässt sich bereits erkennen, dass der Aufbau eines erfolgreichen Marktplatzes einer klaren Strategie mit Differenzierungsmerkmalen bedarf. Daher ist die Entwicklung eines eigenen B2B-Online-Marktplatzes ohne entsprechende Veränderungsprozesse, Überzeugungsarbeit oder Marktkenntnisse häufig zum Scheitern verurteilt.

Die Relevanz von Netzwerk‑, Skalen- und Lock-in-Effekten

Das Zusammenspiel von Netzwerk‑, Skalen- und Lock-in-Effekten hat einen starken Einfluss auf den Erfolg eines B2B-Online-Marktplatzes, insbesondere in zweiseitigen Märkten. Charakteristisch für zweiseitige Märkte ist ihre Fähigkeit, die Interaktion zwischen mehreren voneinander abhängigen Gruppen von Nutzern zu erleichtern. Im Falle eines B2B-Online-Marktplatzes sind dies die Käufer- und die Verkäuferseite. Clement und Schreiber [6, S. 214–218] betonen die Wechselwirkung der drei vorher genannten Effekte und beschreiben sie anhand von drei Ringen:
Das Einsetzen von Netzwerk‑, Skalen- und Lock-in-Effekten ist entscheidend für den Erfolg eines B2B-Online-Marktplatzes
Im Zentrum des ersten Ringes stehen die Netzwerkeffekte: Der Wert eines Gutes oder einer Dienstleistung nimmt mit zunehmender Verbreitung zu. Die Zunahme an zusätzlichen (m. a. W. komplementären) Gütern führt wiederum zu neuen Nutzern. Je stärker der Glaube ist, dass ein Standard entsteht, desto eher sind die Nutzer bereit, dem Netzwerk beizutreten. Der zweite Ring fokussiert Skaleneffekte: B2B-Online-Marktplätze können zu natürlichen Monopolen führen. Der Preis der angebotenen Güter tendiert zum Niveau der Grenzkosten, und der Akteur, der als erster kostengünstige Angebote bewirbt, kann schnell Marktanteile gewinnen und sein Angebot skalieren. Der letzte Ring behandelt die Lock-in-Effekte: Diese können entstehen, weil der B2B-Online-Marktplatz in die Anwendungen oder Geschäftsprozesse des Anwenders integriert wird. Die Hauptursache für Lock-in-Effekte sind Wechselkosten. Das sind jene Kosten, die der Kundschaft für den Wechsel von einer Plattform zu einer anderen entstehen. Abb. 1 visualisiert das Zusammenspiel der drei für Marktplätze erfolgskritischen Effekte.

Designprinzipien für eigene B2B-Online-Marktplätze

In einem ersten Schritt wurden Erfolgsfaktoren auf Basis einer Literaturrecherche abgeleitet. Diese wurden anschließend mit Metakriterien aus zehn Experteninterviews ergänzt. Zu den interviewten Personen gehören B2B-Online-Marktplatzbetreiber, B2B-Einkaufsspezialisten sowie B2B-Digital-Business-Experten aus dem DACH-Raum. Die neun Designprinzipien bilden die Synthese der Erkenntnisse aus der Literatur und den Expertenbefragungen. Eine detailliertere Übersicht der Herleitung der Designprinzipien ist dem Anhang zu entnehmen (siehe Abb. 2). Sie lassen sich thematisch in die drei Dimensionen des TOE-Frameworks (Technologie, Organisation und Umwelt) einteilen. Das TOE-Framework unterstützt als Theorie die organisationale Adoption oder Anwendung von technologischen Innovationen in Unternehmen [7, S. 243]. Damit bietet das TOE-Framework einen geeigneten Rahmen, um die identifizierten Designprinzipien für den Aufbau von erfolgreichen B2B-Online-Marktplätzen zu strukturieren (siehe Abb. 3). In den folgenden Abschnitten werden die Designprinzipien vorgestellt und jeweils anhand eines kurzen Praxisbeispiels instanziiert.

Technologie

Reibungslose und leistungsfähige IT-Infrastruktur als Basis nutzen
Die Bedeutung der IT-Infrastruktur im B2B-e-Commerce entwickelt sich von einer unterstützenden Funktion zu einer Kernfunktion, die in alle Stufen und Prozesse der Wertschöpfungskette integriert ist. Eine wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen B2B-Online-Marktplatz ist, dass er störungsfrei und sicher funktioniert. Daher ist eine hohe technologische Kompetenz aufseiten des Marktplatzbetreibers erforderlich. Darüber hinaus sollte der B2B-Online-Marktplatz gemeinsam mit Branchenexperten entwickelt werden, da sie wissen, wie die Kundschaft entsprechende Produkte und Dienstleistungen sucht und einkauft. Ein B2B-Unternehmen, das einen Marktplatz aufbauen möchte, hat in der Regel nicht die technischen Kompetenzen, um diesen betriebsintern zu erstellen. Marktplatzinfrastrukturanbieter wie Mirakl oder Spryker bieten effektive Lösungen, die modular den Bedürfnissen angepasst werden können.
Einsatz eines ausgefeilten Produktdatenverwaltungs-Tools
Herstellende Unternehmen und Lieferanten verfügen nicht immer über detaillierte Informationen zu ihren Produkten. Die Daten müssen erst aufbereitet werden – eine zeitintensive Aufgabe. Mindestqualitätsstandards für die von Verkäufern und Herstellern zur Verfügung gestellten Produktdaten helfen, das Risiko von unvollständigen Produktinformationsdaten zu minimieren. Ein leistungsfähiges Produktdatenverwaltungs-Tool ist unabdingbar, denn schlechte Datenqualität führt zu schlechten Ergebnissen bei der Suche nach Produkten. Die Qualität der Produktdaten ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal und kann einen B2B-Online-Marktplatz von der Konkurrenz abheben. Zum Beispiel unterstützt Wucato seine Lieferanten, indem ihnen mitgeteilt wird, welche Produktdaten benötigt werden. Amazon Business setzt Qualitätsstandards für Produktdaten ein, um den Lieferanten eine Orientierung zu bieten.
Die Macht der Schnittstellen ausnutzen
Ziel sollte es sein, einen B2B-Online-Marktplatz anzubieten, der in die Beschaffungssoftware der Nutzer integriert werden kann, um starke Lock-in-Effekte zu erzeugen. B2B-Online-Marktplätze gewinnen in der Beschaffung an Relevanz und es ist strategisch von Vorteil, wenn ein Marktplatz in das Warenwirtschaftssystem (ERP-System) des Kunden integriert werden kann. Marktplatzbetreiber sollten in Erwägung ziehen, mit großen e‑Commerce-Softwareunternehmen wie zum Beispiel SAP Ariba, Onventis oder Coupa zusammenzuarbeiten. Die großen B2B-Online-Marktplatzanbieter haben Integrationsteams, die Schnittstellen für die elektronische Beschaffung erstellen. Das Schnittstellenmanagement hilft, ein breites Ökosystem von wertschöpfenden Dienstleistungen zu initiieren und zu integrieren. Die B2B-Vernetzungsplattform Mercateo Unite nutzt beispielsweise eine Schnittstelle zum elektronischen Beschaffungssystem SAP Ariba. Dadurch können Artikel, die im Unternehmenskatalog nicht gelistet sind, über den SAP-Ariba-Katalog gesucht werden.

Organisation

Intelligente Preisstrategie verfolgen, um Umsatz zu generieren
Für einige B2B-Online-Marktplätze steht nicht der Gewinn an erster Stelle, sondern die Verbesserung des Kundenerlebnisses. Ein B2B-Online-Marktplatz liefert eine große Menge an Daten, die zur Verbesserung der Benutzererfahrung genutzt werden können. Nichtsdestotrotz schaffen die meisten Unternehmen B2B-Online-Marktplätze, um neue Einnahmequellen zu erschließen. Eine große Herausforderung besteht darin, dass Unternehmen nach dem Matchmaking mit einem Anbieter die Transaktion anschließend über konventionelle Kanäle abschließen, um Transaktionsgebühren zu vermeiden. Marktplatzbetreiber müssen Wege finden, Anreize für die Käuferseite zu schaffen, damit diese weiterhin über den B2B-Online-Marktplatz Transaktionen abwickelt. Wucato ist zum Beispiel für die Käuferseite kostenlos. Umsatz generiert Wucato über die Verkäuferseite. Mercateo nutzt einen ausgeklügelten Bepreisungsmechanismus, der berechnet, zu welchen Preisen die jeweiligen Produkte gehandelt werden. Auf diese Preise wird dann eine kleine Marge aufgeschlagen.
Etablierung einer nutzerzentrierten Denkweise
Nutzerzentriertheit ist ein entscheidender Erfolgsfaktor insbesondere für Nischenmarktplätze. Die für den Einkauf zuständigen Personen im B2B sind Gewohnheitstiere und beziehen ihre Produkte oft über viele Jahre hinweg vom gleichen Lieferanten. Daher lohnt es sich, anfangs viel in das Beziehungsmanagement zu investieren, denn es braucht einiges, um die Beschaffungsmuster im B2B aufzubrechen. Da ein offener und neutraler B2B-Online-Marktplatz in den meisten Fällen ein zweiseitiger Markt ist, müssen nicht nur die Bedürfnisse der Käuferseite, sondern auch die der Verkäuferseite berücksichtigt werden. Agile und kontinuierliche Weiterentwicklung des B2B-Online-Marktplatzes sind der Schlüssel, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Nutzer im Mittelpunkt stehen. Zum Beispiel arbeitet Wucato eng mit verlässlichen Testkunden zusammen, um neue Entwicklungen zu erarbeiten und Verbesserungsvorschläge agil in die Lösung einzubinden. Mercateo berät die Lieferanten, wie die Angebote auf dem B2B-Online-Marktplatz verbessert werden können.
Verfolgen Sie eine Marktplatzstrategie
Unabhängig davon, ob Unternehmen einen eigenen Marktplatz nutzen oder nicht, sollten sie eine Strategie haben, wie sie auf Marktplätzen agieren, denn die wirtschaftliche und strategische Bedeutung von B2B-Online-Marktplätzen wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Wenn ein Unternehmen einen passiven Marktplatzansatz verfolgt und keinen eigenen B2B-Online-Marktplatz betreibt, dann sollte es auch eine Vorstellung davon haben, wie es auf den Marktplätzen der großen Player wie Amazon Business, Mercateo oder Wucato agiert. Entscheidet sich ein Unternehmen, einen eigenen B2B-Online-Marktplatz zu initiieren, kann einer der vier Marktplatzstrategiearchetypen verfolgt werden (One-Stop-Shop, Beschaffungsnetzwerk, Geschäftsmodelltransformation, Vertriebskanalverlängerung), die von Roland Berger identifiziert wurden [8, S. 10–19]. Ein klar definiertes Wertangebot sowie Alleinstellungsmerkmale müssen festgelegt werden, damit eine solide Ausgangsbasis für die Entwicklung der Strategie gelegt werden kann. Amazon Business ist ein typischer One-Stop-Shop, der zum Ziel hat, durch vertikale und horizontale Erweiterung des Produkt- und Serviceangebots zu wachsen. Eine beliebte Strategie bei Großunternehmen wie der Schweizerischen Post sind geschlossene Beschaffungsnetzwerke.

Umfeld

Zusätzliche Dienstleistungen anbieten, um Mehrwert zu schaffen
Das bloße Angebot einer Marktplatzinfrastruktur reicht nicht mehr aus, um einen B2B-Online-Marktplatz von den Wettbewerbern zu differenzieren. Branchenspezifische Marktplätze müssen zusätzliche Dienstleistungen anbieten. Im B2B-Segment gibt es viele Möglichkeiten, Märkte mit digitalen Lösungen zu „disruptieren“. Wertversprechen, bei denen der Handel mit dem Produkt Teil der Gesamtdienstleistung wird und nicht das Kerngeschäft ist, haben großes Potenzial. Der Aufbau eines leistungsfähigen Partnerökosystems ermöglicht es, unzählige Kombinationen von wertschöpfenden Dienstleistungen zu entwickeln. Die Partnerschaften mit Finanzdienstleistern, Zahlungsanbietern, Logistikanbietern usw. bieten nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, den Wert des B2B-Online-Marktplatzes zu steigern. Im Vergleich zu globalen Generalisten wie Amazon Business können Nischenmarktplatzbetreiber auf branchenspezifische Eigenheiten eingehen und intelligente und wertvolle Services für Käufer und Verkäufer umsetzen. Die digitale Service-Plattform für den Sanitärmarkt Habitects hat beispielsweise digitale Zusatzdienste für die Käuferseite entwickelt, die auf große Beliebtheit treffen.
Finden Sie Ihre Nische
Als Marktplatzbetreiber kann eine Generalistenstrategie verfolgt werden, wobei dieser Markt durch einen hohen Rivalitätsgrad stark gesättigt ist. Generalisten wie Amazon, Alibaba, Wucato oder Mercateo haben bereits die kritische Masse erreicht und es besteht ein enormer Preiswettbewerb. Die Erfolgschancen steigen, wenn der Fokus auf Nischenmärkte gelegt wird und nicht auf solche, die von den etablierten Playern beherrscht werden. Die großen Marktplatzbetreiber können nicht für jede Branche Waren und Dienstleistungen zielgruppengenau anbieten. Hier liegt die Chance für spezialisierte Marktplätze. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass etablierte Branchenplayer oder Start-ups mit Investorenunterstützung in Nischenmärkten erfolgreich sein können. Habitects ist wie bereits erwähnt eine digitale Handels- und Service-Plattform für den Sanitärbereich in der Schweiz. Mit tiefgreifendem Marktwissen liefert das Wertangebot von Habitects Mehrwert für seine Kunden im Sanitärbereich.
Transparenz und Neutralität als Werte des B2B-Online-Marktplatzes verankern
Durch die neutrale Positionierung zwischen Angebots- und Nachfrageseite kann der B2B-Online-Marktplatzbetreiber neben der unabhängigen Qualitätsprüfung der Informationen auch die Angebote und Anfragen überzeugend und objektiv strukturieren. Transparenz ist ebenfalls erfolgsentscheidend, denn je mehr Transparenz und Wettbewerb auf einem B2B-Online-Marktplatz herrschen, desto attraktiver ist der Marktplatz für die Nutzer. Die Gewährleistung gleichwertiger und fairer Rahmenbedingungen für alle Teilnehmer eines Marktes können den Erfolg eines B2B-Online-Marktplatzes beeinflussen. Ein unausgewogenes und intransparentes Verhältnis zwischen dem Betreiber und den Verkäufern kann zu einer Verringerung von Innovation führen, die Preise auf der Plattform erhöhen oder die Produktauswahl der Verbraucher einschränken. Dies hätte letztlich eine verschlechterte Qualität des B2B-Online-Marktplatzes zur Folge. Ein Beispiel: Wucato gehört zur Würth-Gruppe. Dennoch werden die Würth-Produkte auf dem B2B-Online-Marktplatz neutral behandelt. Auch Mercateo agiert als neutrale Marktplatzinfrastruktur.
Zusammenfassung
1.
Das B2B-Geschäft im DACH-Raum hat eine niedrige Online-Penetrationsrate und bietet deshalb einen Nährboden für e‑Commerce-Lösungen wie B2B-Online-Marktplätze.
 
2.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor von B2B-Online-Marktplätzen ist das Einsetzen von Netzwerk‑, Skalen- und Lock-in-Effekten. Ziel ist es, eine kritische Masse an Nutzern zu erreichen.
 
3.
Neun Designprinzipien wurden vorgestellt, die Personen aus der Praxis dabei helfen sollen, B2B-Online-Marktplätze erfolgreich aufzubauen. Diese wurden anhand kurzer Beispiele veranschaulicht
 

Fazit

Heute wollen viele etablierte Unternehmen, die unter Kosten- und Wettbewerbsdruck stehen, von B2B-Online-Marktplätzen profitieren, die sich unter der rasant fortschreitenden Digitalisierung weiterverbreiten werden. Der vorliegende Artikel behandelt die Frage, wie sich B2B-Unternehmen im DACH-Raum gegen etablierte B2B-Online-Marktplätze wie Amazon zur Wehr setzen können. Deshalb werden Unternehmen aufgefordert sich zu hinterfragen, ob sie geeignete Voraussetzungen für den Aufbau oder die Weiterentwicklung eines B2B-Online-Marktplatzes mitbringen. Während sich der Erfolg von B2B-Online-Marktplätzen durch die Menge und Qualität gehandelter Waren und Dienstleistungen sowie die Präsenz von Netzwerk‑, Skalen- und Lock-in-Effekten bestimmen lässt, bieten sie ihren Eigentümern die Möglichkeit, ein transaktionsbasiertes Zusatzgeschäft aufzubauen – also nicht nur eigene Waren und Dienstleistungen zu verkaufen, sondern auch die von Dritten. Der Aufbau eines B2B-Online-Marktplatzes sollte nicht als Nebenprojekt, sondern als Kerninitiative mit einer ausgearbeiteten Strategie behandelt werden, was letztendlich auch der Unterstützung des Topmanagements bedarf. Hierzu können die in diesem Artikel beschriebenen neun Designprinzipien herangezogen und angewandt werden. Gelingt es Personen aus der Praxis, die Designprinzipien in ihrem B2B-Online-Marktplatz zu implementieren, bestehen gute Chancen, sich mittel- bis langfristig eine starke Wettbewerbsposition in einem Nischenmarkt aufzubauen. Auf diese Weise minimieren etablierte Unternehmen, welche die Entwicklung von B2B-Online-Marktplätzen in Erwägung ziehen, das Risiko, den Anschluss an Amazon & Co. zu verlieren.
Handlungsempfehlungen
  • Technologie: Eine leistungsfähige IT-Infrastruktur ist ausschlaggebend für den Erfolg eines B2B-Online-Marktplatzes. Unternehmen sollten einen besonderen Fokus auf die Macht von Schnittstellen legen.
  • Organisation: Eine nutzerzentrierte Denkweise erhöht die Chance auf Nachfrage. Unternehmen sollten Nutzer während des Aufbaus und der Weiterentwicklung des B2B-Online-Marktplatzes eng mit einbeziehen.
  • Umfeld: Bauen Sie ein leistungsfähiges Partnerökosystem auf. Insbesondere in Nischenmärkten können sich B2B-Online-Marktplätze durch zusätzliche Dienstleistungen von der Konkurrenz abheben.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Footnotes
1
In der Literatur wird häufig zwischen Innovations- und Transaktionsplattformen unterschieden. In diesem Artikel liegt der Fokus auf Letzteren [5]. Somit entspricht ein B2B-Online-Marktplatz einer Transaktionsplattform, die durch den Austausch von Daten/Waren/Dienstleistungen zwischen zwei oder mehr Marktseiten definiert ist.
 
Literature
Metadata
Title
Überleben neben Amazon Business und Co.? Der Weg zum eigenen B2B-Online-Marktplatz
Authors
Emanuel Schmidt
Christian Marheine
Publication date
04-03-2021
Publisher
Springer Fachmedien Wiesbaden
Published in
Wirtschaftsinformatik & Management / Issue 2/2021
Print ISSN: 1867-5905
Electronic ISSN: 1867-5913
DOI
https://doi.org/10.1365/s35764-021-00325-y

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