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2015 | Book

Was ist und wozu Sozioökonomie?

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About this book

Nicht nur die anhaltenden wirtschaftlichen Krisen verschaffen der traditionsreichen Sozioökonomie neue Aufmerksamkeit. Als integratives, meta-disziplinäres Paradigma verspricht sie ein besseres Verständnis wirtschaftlicher Phänomene und Zusammenhänge als monodisziplinäre Zugänge. Das Buch bietet erstmals einen Überblick über den aktuellen Stand der Sozioökonomie, ihr Selbstverständnis, ihre Geschichte, ihre Theoriestränge und Methodologie sowie ihre Forschungsfelder.

Table of Contents

Frontmatter

Einführung

Frontmatter
1. Was ist und wozu Sozioökonomie?
Zur Topographie eines unübersichtlichen Feldes
Zusammenfassung
In der Folge von Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrisen und von kapitalismuskritischen Debatten in den Sozialwissenschaften, selbst im Zentrum der Volkswirtschaftslehre, häufen sich die Kritiken an der anscheinend geringen Reichweite und schwachen Erklärungskraft mainstreamökonomischer und einzeldisziplinärer Zugangsweisen. Aber auch in wirtschaftlich ruhigeren und politisch weniger kritikträchtigen Zeiten können standardökonomische und disziplinär isolierte Zugriffe zunehmend weniger überzeugen, jedenfalls jenseits der traditionellen universitären Parzellen, die die etablierten Einzelwissenschaften für sich behaupten und gegen andere verteidigen.
Reinhold Hedtke

Was ist Sozioökonomie? Theorie

Frontmatter
2. Sozioökonomik heute
Zusammenfassung
Dieser Aufsatz besteht aus zwei Teilen. Teil eins handelt von der eigentlichen Sozioökonomik und ihrer Forderung nach einem neuen Paradigma. Im zweiten Teil gebe ich einen Überblick über das wichtige Werk der Verhaltensökonomen; diese werden zwar nicht als Sozioökonomen betrachtet, leisten aber zur Agenda der sich herausbildenden Sozioökonomik – vor allem zu ihren kognitiven und individualistischen Elementen – bedeutende Beiträge.
Amitai Etzioni
3. Traditionen, Problemstellungen und Konstitutionsprobleme der Sozioökonomie
Zusammenfassung
In den letzten Jahrzehnten hat der Begriff „Sozioökonomie“ in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen, und es ist zu einer wachsenden Selbst- oder Fremdzuordnung von Sozialwissenschaftlern zu diesem Forschungs- und Lehrbereich gekommen. In Programmatiken einschlägiger Assoziationen und Journale, in Beschreibungen von Studiengängen, in wissenschaftlichen Publikationen wird dargelegt, was intendiert ist, doch zeigen sich beträchtliche Unterschiede in den Auffassungen, Annahmen und Zwecksetzungen. Darüber hinaus hatte sich bereits seit längerem die Verwendung des Adjektivs „sozioökonomisch“ in pragmatischer Weise (sozioökonomischer Status, sozioökonomische Lage, sozioökonomisches Panel etc.) eingebürgert, wobei meist Sinn und Bedeutung vorausgesetzt werden bzw. „sozioökonomisch“ einfach andeuten soll, dass etwas nicht „nur ökonomisch“ bedingt ist, was wiederum ein bestimmtes enges Verständnis von „ökonomisch“ voraussetzt.
Gertraude Mikl-Horke
4. Die Einbettung der Sozioökonomik
Paradigmatische Grundlagen und Transdisziplinarität
Zusammenfassung
„Sozioökonomie“ ist eine Tautologie. Will man das Fressen und Gefressenwerden im Tierreich nicht auch als Modus der Ressourcenbewirtschaftung oder des Wettbewerbs dem Gegenstand „Ökonomie“ zurechnen, wer sonst sollte eine Ökonomie veranstalten als die menschliche Gesellschaft? Dass uns das Wort nicht auf Anhieb so absurd vorkommt wie „Tierpferd“ oder „verdünntes Wasser“, liegt nur am seltsamen Erfolg einer Theorietradition, welche die Vorstellung des Ökonomischen als eines von der Gesellschaftsformation weitgehend unabhängigen gesetzmäßigen Geschehens hegemonial in den Köpfen einnisten konnte. Die Idee eines Geschehens, das von Individuen gemacht wird und sich aus deren gegebenen Eigenschaften ergibt. Dass eine solch gesellschaftsfremde und damit im wahrsten Sinne weltfremde Denktradition das Bild der Ökonomik als Wissenschaft derart prägen konnte, ist erklärungsbedürftig.
Manfred Moldaschl
5. Sozioökonomie als Paradigma, Forschungsprogramm oder Tradition?
Schwerpunkte der sozioökonomischen Forschung und ihre Rolle in den Sozialwissenschaften
Zusammenfassung
Paul C. Stern beschreibt die Sozioökonomie als „interdisciplinary perspective“ (Stern 1993), manche sprechen von einer Metadisziplin, andere von einem interdisziplinären oder integrativen Forschungsparadigma, einem transdisziplinären Forschungsfeld, einer interdisziplinären Forschungstradition oder schlagen vor, Sozioökonomie zu einer eigenständigen Disziplin zu entwickeln (► Hedtke in Kap. 1.3.3). Oft orientiert sich die Diskussion auch am Paradigmen-Begriff Kuhns (1962/1967), obwohl Kuhn im Zusammenhang mit den Human- und Sozialwissenschaften selbst nicht von Paradigmen sprechen wollte (Hoyningen-Huene 1993) und ohnehin fraglich ist, ob die Sozioökonomie eine entsprechende Funktion übernehmen kann.
Simon-Niklas Hellmich

Wie arbeitet Sozioökonomie? Methodologie

Frontmatter
6. Drei methodische Pfade für die Sozioökonomie im 21. Jahrhundert
Zusammenfassung
Dieser Artikel ist um zwei Themen konzentriert. Auf der einen Seite wird ein grundlegender Phasenübergang im Wissenschaftssystem insgesamt thematisiert, der als Wechsel von einer Wissenschaft I hin zu einer Wissenschaft II beschrieben wird. Und auf der anderen Seite werden drei mögliche langfristige Entwicklungspfade der gegenwärtigen Sozioökonomie skizziert, die jeweils ein eigensinniges Zukunftsprofil ausweisen. Der erste Weg bedeutet im Wesentlichen eine Fortschreibung des gegenwärtigen sozioökonomischen Theorie- und Methodenspektrums, er besitzt auch wegen seiner Pfadabhängigkeit von bisherigen Verläufen die höchste Wahrscheinlichkeit, führt aber hoch wahrscheinlich im Kontext einer Wissenschaft II langfristig zur völligen Marginalisierung der Sozioökonomie, da sie immer weniger in die kognitiven Landschaften einer Wissenschaft II passt.
Karl H. Müller
7. Die Konzeption des sozial eingebetteten Individuums
Zusammenfassung
Die Sozioökonomik begreift das menschliche Individuum als sozial eingebettet statt als atomistisch, und das ist eine der grundlegendsten Differenzen zu der in vielerlei Hinsicht anders gearteten üblichen Mainstream-Ökonomik. Das Konzept des sozial eingebetteten Individuums ist tatsächlich eines der entscheidenden Merkmale der Sozioökonomik, ganz wie die atomistische Auffassung zu den charakteristischen Eigenschaften der Mainstream-Ökonomik gehört. Der Unterschied zwischen diesen beiden Konzepten beruht im Großen und Ganzen darauf, dass die Individuen und ihr Verhalten im einen Fall ‚von außen‘, das heißt mit Blick auf ihre sozialen Beziehungen, erklärt werden und im anderen Fall ‚von innen‘, also von ihren persönlichen Vorlieben und Präferenzen her.
John B. Davis

Wo steht Sozioökonomie? Profile

Frontmatter
8. Sozioökonomie und Evolutorischer Institutionalismus
Elemente und Konvergenzen moderner „Heterodoxien“
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht wichtige theoretische und methodologische Elemente, die in Abgrenzung zum neoklassischen „Mainstream“ der Ökonomik konstitutiv sind für eine moderne Sozioökonomie. Dabei wird die Ökonomik zunächst als praktisch einzige moderne Wissenschaft beschrieben, die dauerhaft paradigmatisch gespalten und umkämpft ist zwischen einem Mainstream und mehreren „Heterodoxien“. Der Mainstream reduziert sich in letzter Instanz auf die Funktion, mit der Fiktion eines prädeterminierten, optimalen und stabilen Gleichgewichts einer „Markt“-Wirtschaft die Ideologie schlechthin auch für den modernen oligopolisierten, degenerierten und krisenhaften Kapitalismus, seine akademische Massenausbildung, Ideologie der Massenmedien, Politikberatung und die Industrie der privaten Auftragsforschung zu liefern.
Wolfram Elsner
9. Sozioökonomie und Économie des conventions
Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird der in Frankreich seit drei Jahrzehnten entwickelte Ansatz der Économie des conventions (im Folgenden kurz EC) einführend dargestellt. Die EC kann als eine moderne Version eines sozioökonomischen Ansatzes aufgefasst werden, der kein enges Paradigma darstellt, sondern als eine transdisziplinäre und institutionentheoretische Wissenschaftsbewegung aufgefasst werden kann.
Rainer Diaz-Bone
10. Sozioökonomie und Wirtschaftswissenschaften: Am Beispiel der Finanz- und Staatsschuldenkrise
Zusammenfassung
Die Wirtschaftswissenschaften befinden sich nach der Finanzkrise seit 2008 in einem eigenartigen Zustand. Einerseits war ersichtlich, dass die gängigen Risikobewertungsmodelle und die diversen Ansätze effizienter Märkte nach dem Platzen der Dotcomblase um 2000 schon wieder Schiffbruch erlitten und deutlich vernehmbare Aufrufe zu einer breiteren und komplementären Aufstellung der Disziplin auch jenseits modelltheoretisch-ökonometrischer Ansätze erfolgten. Andererseits belegen die Tagungsthemen des Vereins für Socialpolitik, die Ausschreibungen für Professurbesetzungen und die anstehenden Pensionierungen ansatzweise heterodoxer Ökonomen, dass sich innerhalb des Wissenschaftssystems nicht nur in Deutschland keine pluralistische Weiterentwicklung und grundlagentheoretische Responsivität gegenüber den drängenden Fragen der Zeit über ad-hoc Meinungsäußerungen, Aufrufen und Streitschriften (z. B. pro oder contra Euro) hinaus erkennen lässt.
Helge Peukert
11. Betriebswirtschaftslehre – Teil der Sozioökonomik?
Zusammenfassung
Halten wir zu Beginn eine Merkwürdigkeit von Begriffen wie Sozial- oder Sozioökonomik fest: Wenn doch das Ökonomische als etwas Gesellschaftliches und Ökonomik daher als eine Sozialwissenschaft aufzufassen ist, wie kann dann „Sozioökonomik“ ein sinnvolles Etikett und eine derart bezeichnete Disziplin eine Besonderung oder Alternative im Verhältnis zur Ökonomik sein? Wie kann Ökonomik etwas anderes als Sozioökonomik sein? Sozialphilosophie kann es geben, denn Philosophie hat eine erheblich umfangreichere Referenz als das Soziale, befasst sich daneben zum Beispiel auch mit der Natur und der Logik der Naturwissenschaften.
Günther Ortmann
12. Sozioökonomische Personal- und Organisationsforschung
Zusammenfassung
Die Personalforschung sollte stärker „sozioökonomisch“ ausgerichtet sein! Wer wie der Verfasser dieses Beitrages eine solche Forderung erhebt bzw. unterstützt, muss erstens zeigen, dass die derzeitige Forschung zumindest in wesentlichen Teilen anders ausgerichtet ist und dass dies ein Problem darstellt. Zum zweiten wäre über die Kritik hinaus zu sagen, wie eine sozioökonomische Ausrichtung der Personalforschung skizzenhaft aussehen könnte.
Werner Nienhüser

Wie lehrt man Sozioökonomie? Hochschuldidaktik

Frontmatter
13. Paradigmatisches Lernen
Oder: Wie lehrt man Sozioökonomik?
Zusammenfassung
Lehrt man Sozioökonomik anders als (neo)klassische Ökonomik und anders als Soziologie? Radio Eriwan: im Prinzip ja. „Im Prinzip“, weil und soweit damit nicht einfach irgendein interdiszipinärer Inhalt gemeint ist, ein Bestand an Wissen, sondern eine bestimmte Art des Denkens und Forschens in den Sozialwissenschaften, sei es Soziologie, Ökonomik oder was auch immer. Da schon der erste Teil dieses Bandes darauf eingeht, was die Sozioökonomik ausmacht und was in einem sozioökonomischen Curriculum stehen sollte, gehe ich hier der Frage nach, wie das sinnvoll strukturiert und gelehrt werden sollte - oder zumindest könnte.
Manfred Moldaschl
14. Ein Modell sozioökonomischer Studiengänge
Der Studiengang in Sozioökonomie der Universität Genf
Zusammenfassung
Die Sozioökonomie verfolgt einen grundlegend interdisziplinären Ansatz, befasst sie sich doch mit der Wechselbeziehung zwischen dem Sozialen und Ökonomischen, menschlichem Verhalten und normativen Regulierungen, ungleicher Ressourcenverteilung, die ihrerseits in bestimmte Umweltbedingungen eingebettet sind (Bürgenmeier 1994, Kap. 1). Sowohl im akademischen wie auch im politischen Diskurs wird dieses Überschreiten der disziplinären Grenzen eindeutig befürwortet und gleichzeitig auch als die einzig sinnvolle Strategie präsentiert, mit der sich die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen lassen (Hedtke 2006, S. 1). Trotz dieses vielversprechenden Diskurses bleiben die Strukturen der akademischen Lehre stark beeinflusst von monodisziplinären Grundlagen (vgl. Elsner und Nienhüser in diesem Band).
Michel Oris, Sylvie Burgnard
Backmatter
Metadata
Title
Was ist und wozu Sozioökonomie?
Editor
Reinhold Hedtke
Copyright Year
2015
Electronic ISBN
978-3-531-19853-8
Print ISBN
978-3-531-19852-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19853-8