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18-01-2017 | Wasserbau | Kommentar | Article

Genügt das Regelwerk für Stauanlagen (noch) den Ansprüchen?

Author: Dr.-Ing. Hans-Ulrich Sieber

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Normen und Merkblätter decken nicht alle Fälle ab. Dr. Hans-Ulrich Sieber, Präsident des Deutschen Talsperrenkomitees, ruft zur Anwendung der vorhandenen Regeln mit Sachverstand und im Dialog auf.

Immer wieder tauchen Fragen auf, die die Anwendung der Stauanlagennorm DIN 19700 betreffen. Dabei wird oft deutlich, dass Normen und Merkblätter eben nicht alle (Einzel-) Fälle aus dem jeweiligen Metier abdecken können und daher individuell interpretiert sowie sinngemäß und angemessen angewendet werden müssen. Die DIN-Normen besitzen von Hause aus den Charakter von Empfehlungen und erheben keinen Anspruch auf Alleinverbindlichkeit. Das bedeutet, Abweichungen sind zulässig. Dies gilt auch, wenn die betreffende Norm per Verordnung oder Gesetz als Regel der Technik eingeführt worden ist. Natürlich ist es keine einfache Übung, von normativen Regelungen abzuweichen und dies zu rechtfertigen. Letztlich kommt es auf den Ingenieurverstand an, mit dem die Lösungen herbeigeführt werden müssen.

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01-01-2017

WASSERWIRTSCHAFT 1/2017


Förderlich ist es, wenn der Ingenieurverstand noch mit Überzeugungskraft gepaart ist, um unbegründete Widerstände überwinden zu können. Jedenfalls macht es keinen Sinn, vermeintliche Regelungslücken durch immer neue und detailliertere Vorgaben abdecken zu wollen. Ich meine, wir haben eine Regelungsdichte, die im Wesentlichen ausreicht. Das hiesige System der (ehrenamtlichen) Regelwerksarbeit stößt bereits an seine Grenzen, wenn es um die Aktualisierung der bestehenden Normen und Merkblätter geht.

Blick auf ein Beispiel

Jüngst stand zum Beispiel im Kontext zum für "Vertiefte Überprüfungen" zu betreibenden Aufwand die Frage im Raum, ob es weiterer Vorgaben zur Abgrenzung von Talsperren und Staustufen bedarf. Im Hinblick auf die Begriffsdefinition für Talsperren ist, was meist etwas "vernachlässigt" wird, besonders auf den in DIN 19 700 Teil 11 enthaltenen funktionalen Aspekt hinzuweisen, wonach eine Talsperre dank ihrer Speicherfunktion insbesondere dem Ausgleich des natürlichen Wasserdargebotes dient. Ergänzend zu dem geometrischen Kriterium bezogen auf die Absperrung des gesamten Talquerschnitts bietet das funktionale Kriterium in den meisten Fällen einen sicheren Hinweis darauf, ob es sich um eine Talsperre handelt oder nicht.

Bei Schwall-und Sunkbetrieb einer Staustufe handelt es sich zwar um eine Bewirtschaftung der Stauhaltung, jedoch keinesfalls um eine Speicherbewirtschaftung mit dem Ziel des Ausgleichs des natürlichen Wasserdargebotes. Ziel einer Staustufe ist und bleibt laut DIN 19700 Teil 13 die Hebung des Wasserstandes im Fließgewässer. Das Volumen der Stauhaltung spielt dabei eigentlich keine Rolle – weder für die Wasserkraftnutzung noch für die Schifffahrt. Bei einer Talsperre kommt dagegen dem Stau- bzw. Speichervolumen nutzungsbedingt immer eine entscheidende Bedeutung zu. Die Volumina der einzelnen Speicherlamellen sind hier Bemessungsziele – nicht aber bei Staustufen. Hier ist das Stauhaltungsvolumen ein aus dem Aufstau resultierendes Nebenprodukt. Aus den vorhandenen Definitionen lässt sich ableiten, dass es sich immer dann um eine Talsperre handelt, wenn die Schaffung von Speichervolumen das vordergründige Ziel der Errichtung der Stauanlage (gewesen) ist. Die definitorischen Regelungen in DIN 19 700-10 und -11 sind also vollkommen ausreichend.

Mut, Verstand und Dialog sind gefragt

Übrigens muss man auch nicht die Stauanlagenart von Talsperre zu Staustufe wechseln, wenn man meint, für ein Wehr weniger "scharfe" als bei Talsperren übliche Regeln anwenden zu dürfen. Das wäre mit guter Begründung, z. B. bei ausgewiesen geringem Gefährdungspotenzial der betreffenden Anlage, auch so möglich. Aber es ist eben nicht einfach. Es braucht Mut, Verstand und Dialog unter den Beteiligten. Viel Erfolg dabei!

Der Kommentar ist unter der Überschrift "Genügt unser technisches Regelwerk für Stauanlagen (noch) den Ansprüchen?"  in Heft 01/2017 der Fachzeitschrift WasserWirtschaft erschienen.

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