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31-08-2022 | Aktiengesetz | Gastbeitrag | Article

Hauptversammlungen mit Präsenz sorgen für mehr Dialog

Author: Robert Peres

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Während der vergangenen Corona-Jahre durften Aktiengesellschaften die gesetzlich vorgeschriebene Hauptversammlung virtuell abhalten. Das soll auch künftig möglich sein. Ein aktueller Gesetzentwurf sieht dafür Mitwirkungs- und Fragerechte der Aktionäre vor. Die Zukunft dürfte jedoch eher in hybriden Veranstaltungsformen liegen.

In normalen Zeiten werden Hauptversammlungen (HV) gemäß Aktiengesetz üblicherweise im Rahmen großer Präsenzveranstaltungen mit Vorstand, Aufsichtsrat und anwesenden Aktionären abgehalten - samt Würstchen und Kuchenbuffet. Um wichtige Unternehmensentscheidungen nicht zu blockieren, schuf der Gesetzgeber während der Pandemie dann jedoch die virtuelle HV – die zwar vorher theoretisch als Zusatzelement möglich war, aber eigentlich nie genutzt wurde. Grundsätzlich wurde diese Notfallgesetzgebung von Aktionären und Verbänden begrüßt, wenn auch eher zähneknirschend von den Anteilseignern. Sie mussten erhebliche Einschränkungen der Frage- und Mitwirkungsrechte in Kauf nehmen. Diese vorläufigen Regelungen sind im August 2022 ausgelaufen.

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Gesetzentwurf berücksichtigt Mitwirkungs- und Fragerechte

Die Bundesregierung verabschiedete bereits am 7. Juli 2022 eine gesetzliche Verstetigung der Möglichkeit für Aktiengesellschaften, ihre Jahreshauptversammlungen virtuell auszurichten. Nachdem ein erster Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz auf massive Kritik seitens Aktionärsvertretern und Gewerkschaften gestoßen war, wurde ein überarbeiteter Regierungsentwurf vorgelegt. Die neue Fassung bringt den Aktionären weitgehend ihre Mitwirkungs- und Fragerechte zurück, die im ersten Entwurf noch extrem eingeschränkt wurden.

Die virtuelle Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre wird allerdings an einige Voraussetzungen geknüpft: So muss etwa sichergestellt sein, dass die gesamte Versammlung in Bild und Ton übertragen wird. Im Gegensatz zum Pandemie-Provisorium stärkt das jetzt beschlossene Gesetz zudem die Aktionärsrechte - etwa durch die Möglichkeit, ohne Voranmeldung zu reden oder spontane Gegenanträge zu stellen.

Viele Vorteile für Unternehmer fallen nun wieder weg

Die Unternehmenslobby war im Vorfeld der Gesetzgebung sehr aktiv. Die Interimslösung war geprägt von einer massiven Beschneidung von Aktionärsrechten, die ein "Durchregieren" des Vorstands möglich machte. Diese Regeln hätten die Anwälte und Vorstände gerne so behalten. Durch die jetzige Form der Gesetzgebung fallen viele der Vorteile für die Unternehmen wieder weg. Sie müssen nun doch alle vorab eingereichte Fragen beantworten und Redebeiträge und Gegenanträge der Aktionäre dulden. Insofern sind einige Unternehmen nicht zufrieden mit der neuen Lösung. 

Finanziell fallen Online-Veranstaltungen hingegen nicht unbedingt günstiger aus. So gibt Unternehmen, die Präsenzveranstaltungen bevorzugen. Die Deutsche Telekom hat beispielsweise ihre HV noch unter der alten Regel in Präsenz abgehalten. Diese Möglichkeit bleibt den Unternehmen immer noch, sie müssen das nur in der Satzung entsprechend definieren. 

Rein virtuelle HV birgt zahlreiche Risiken

Wie die Unternehmen sich in Zukunft entscheiden werden, hängt auch von den Aktionären selbst ab, denn die entsprechenden Satzungsänderungen müssen von einer Mehrheit bestätigt werden. Rein virtuelle Hauptversammlungen sind besonders dann problematisch, wenn weitreichende Strukturmaßnahmen wie etwa Übernahmen behandelt werden müssen. Auch in Krisenzeiten sind Präsenzveranstaltungen einfach besser. Das verdeutlichten zum Beispiel die vergangenen Versammlungen der Bayer AG. Denn sie bieten eine Plattform für die demokratische Auseinandersetzung. Würde der Bundestag nur noch im Internet stattfinden, wie sollte eine legitime Entscheidungsfindung möglich sein? 

Eine rein virtuelle Hauptversammlung verhindert auch den persönlichen Austausch und Begegnungen mit anderen Aktionären beziehungsweise mit Organen der Gesellschaft. Der Sinn von Debatten durch Fragen und Redebeiträge und die gemeinsame Findung eines möglichst optimalen Ergebnisses werden dadurch unmöglich gemacht.

Das gilt übrigens sowohl für Kleinanleger als auch für institutionelle Investoren und Fonds. Auch Vertreter der größeren Kapitalsammelstellen nutzen die Hauptversammlungen jedes Jahr zu öffentlichen Ansagen, Fragen und Forderungen an die Unternehmensleitung. Oft können erst während der tatsächlichen Veranstaltung bestimmte Fragen geklärt werden. Insofern trägt eine physische HV zur Transparenz des Unternehmens bei und hilft allen Anlegern. 

Engere Bindung der Aktionäre ermöglichen

Die virtuelle Hauptversammlung darf nicht nur als effizientere Möglichkeit für die Durchführung der Hauptversammlung gesehen werden. Vielmehr sollte sie auch genutzt werden, um eine engere Bindung der Aktionäre an die Gesellschaft zu ermöglichen und auch den Austausch der Aktionäre untereinander zu fördern. Dabei spricht vieles dafür, die hybride Hauptversammlung weiterzuentwickeln, also eine Präsenzveranstaltung mit Zuschaltung von Aktionären online. Schließlich gibt es eine Reihe von technischen Möglichkeiten, die bislang noch nicht zum Einsatz kamen. 

Es steht zu erwarten, dass bei der Implementierung hybrider Versammlungsformen die Teilnehmerzahlen noch weiter steigen würden. Die hybride Versammlung stellt sogar das Idealmodell dar, da der Aktionär dann frei wählen kann, ob er virtuell oder physisch an der Hauptversammlung teilnimmt. Eine endgültige Beurteilung der neuen Regelungen wird jedoch erst nach Ende der Hauptversammlungssaison Mitte 2023 möglich sein. 
 

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