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07-10-2020 | Anlagenbau | Schwerpunkt | Article

95 Prozent weniger CO2 bei der Stahlproduktion

Author: Christoph Berger

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Stahl ist ein zentraler Rohstoff für zahlreiche Schlüsselbranchen in Deutschland. Doch die Stahlbranche zählt zu den großen CO2-Emittenten. Das soll sich durch grünen Wasserstoff ändern. Allerdings lässt sich der Weg dorthin nur in Etappen bewältigen.

Im Hüttenwerk der Salzgitter AG in Salzgitter fallen jährlich etwa acht Millionen Tonnen CO2 an. Diese seien, so heißt es vonseiten des Unternehmens, zu den gegebenen technischen Bedingungen und mit den zur Verfügung stehenden Anlagen prozessbedingt unvermeidbar. Zudem arbeite man sehr nah an den naturwissenschaftlich-verfahrenstechnischen Grenzen und gehöre somit zu den weltweit effizientesten Stahlherstellern.

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Stahlkrise reloaded? Lage und Aussichten für die deutsche Stahlindustrie

Die deutsche Stahlindustrie befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation. Die Rohstahlerzeugung dürfte im Jahr 2019 um rund 5 Prozent gesunken sein, nach einem Minus von 2 Prozent im Vorjahr. Vor Anpassungen steht die Stahlindustrie nicht nur nachfrageseitig, sondern es zeichnen sich auch größere technische Änderungen in der Stahlerzeugung ab.

Trotzdem will man bei der CO2-Reduzierung in dem niedersächsischen Werk weiterkommen: Mit der sogenannten Carbon Direct Avoidance Strategie soll CO2, das bislang prozessbedingt bei der Reduktion des Eisenoxids im Hochofen entsteht, vermieden werden. Die Strategie ist Teil des Projekts SALCOS, der Name steht für "Salzgitter Low CO2 Steelmaking". In dem Projekt beschäftigen sich Konzernmitarbeiter in Zusammenarbeit mit Fraunhofer-Instituten und weiteren Partnern mit neuen Technologien und deren Einbindung in ein integriertes Hüttenwerk, in dem Aggregate beziehungsweise Fertigungsstufen an einem Standort verschaltet sind und das durch eine komplexe Stoff- und Energiestromcharakteristik charakterisiert ist, wie es im Fachbeitrag "Power-to-Gas: Die Rolle der chemischen Speicherung in einem Energiesystem mit hohen Anteilen an erneuerbarer Energie" in der Springer-Fachzeitschrift "e & i Elektrotechnik und Informationstechnik" (Ausgabe 3/2017) heißt.. SALCOS basiert auf drei Bausteinen: der Dampf-Elektrolyse, der Sektorkopplung und der "Machbarkeitsstudie zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Hüttenwerk unter Nutzung Regenerativer Energien", kurz MACOR. Ziel des SALCOS-Vorhabens ist es, bis 2050 das Werk auf eine nahezu CO2-freie Rohstahlproduktion umzustellen.

Grüner Wasserstoff statt Kohle

Bislang wird das Eisenoxid im Erz mit Kohle reduziert, was laut dem Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS mit hohen CO2-Emissionen einhergeht. So würden etwa sieben Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes auf die Stahlproduktion entfallen. Erzeuge man stattdessen mittels Elektrolyse unter Einbeziehen von Strom aus erneuerbaren Energien grünen Wasserstoff und nutze diesen statt der Kohle in einem sogenannten Direktreduktionsprozess, ließen sich perspektivisch bis zu 95 Prozent CO2 auf dem Weg zum Rohstahl einsparen. Allerdings ist eine derartige Umstellung der Anlagen sowohl mit hohen Investitionskosten verbunden als auch technisch äußert anspruchsvoll, so das IKTS. Erläutert wird das Direktreduktionsverfahren im Kapitel "Reduktion und Direktreduktion der Eisenerze Quellen für Emissionen" im Springer-Fachbuch "Roheisenerzeugung".

Dass aber trotz bereits erfolgter CO2-Reduzierungen weiterer Handlungsbedarf besteht, schreibt auch Roland Döhm in seinem Fachbeitrag "Stahlkrise reloaded? Lage und Aussichten für die deutsche Stahlindustrie" im "Wirtschaftsdienst" (Ausgabe 1/2020). Demnach emittierte die Stahlindustrie hierzulande 2017 etwa 38 Millionen Tonnen CO2. Das seien knapp 30 Prozent der industriellen Emissionen. Döhm weiter: "Zwar wurde der Ausstoß bereits erheblich verringert, dies erreicht aber technische Grenzen, solange der überwiegende Teil des Stahls unter Verwendung von Koks als Reduktionsmittel erzeugt wird. Eine stärkere Senkung des CO2-Ausstoßes erfordert geänderte Produktionsprozesse."

Hochtemperaturelektrolyse ist sehr effizientes und wirtschaftliches Verfahren

Wie die Umstellung der Stahlherstellung auf ein klimafreundlicheres Verfahren zu bewerten ist und was sie konkret für das integrierte Hüttenwerk der Salzgitter Flachstahl GmbH bedeutet oder wie viel erneuerbare Energie beispielsweise nötig ist, um eine Tonne CO2 einzusparen, waren zu klärende Fragen für die bereits erwähnte Studie MACOR, die von den drei Fraunhofer-Instituten IKTS, ISI und UMSICHT sowie den Salzgitter-Gesellschaften Salzgitter Flachstahl und Salzgitter Mannesmann Forschung durchgeführt wurde. Gefördert wurde sie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dessen Vorsteherin, Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, sagte im Juli 2020 zum von der Bundesregierung verabschiedeten "Handlungskonzept Stahl" unter anderem: "Ich möchte, dass wir auch künftig in Deutschland eine starke Stahlindustrie mit ihren hochwertigen Arbeitsplätzen haben. Damit uns das gelingt, gilt es jetzt die Weichenstellung im Sinne einer langfristig starken, international wettbewerbsfähigen und klimaneutralen Stahlindustrie vorzunehmen. Der Wissenschaft kommt bei diesem Transformationsprozess eine Schlüsselrolle zu – etwa, wenn es um die Erreichung der Klimaziele geht. Durch den Einsatz von Grünem Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien kann der CO2-Fußabdruck der Stahlindustrie erheblich reduziert werden."

Da Energie aus erneuerbaren Quellen begrenzt ist, stellten sich die MACOR Beteiligten die Frage: Wo bringt der Einsatz der Energie aus erneuerbaren Quellen den größten Nutzen – der Energiebedarf pro Tonne an eingespartem CO2 ist eine wichtige Kenngröße? Das Ergebnis ist eindeutig: CO2 bei der Rohstahlherstellung zu vermeiden, ist viermal effizienter als das CO2 aufzufangen und anderen Nutzungen zuzuführen. Die Wasserstoff-basierte Stahlherstellung bietet dabei das größte CO2-Einsparpotenzial von fast 100 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren, wie beispielsweise die Wasserstoffeinblasung im Hochofen. Simulationsrechnungen hätten zudem gezeigt, dass die Hochtemperaturelektrolyse ein sehr effizientes und wirtschaftliches Verfahren ist, um den benötigten Wasserstoff für die Direktreduktion im integrierten Hüttenwerk bereitzustellen. Auch Roland Döhm schreibt in seinem Springer-Fachbeitrag, dass die Reduktion mit Hilfe von Wasserstoff das größte Potenzial mit Blick auf eine CO2-Reduktion hat. Er fügt aber an, dass es derzeit noch an wettbewerbsfähigen Technologien zur Herstellung von "grünem" Wasserstoff wie auch an einer Transport- und Speicherungsinfrastruktur mangele.

Mit Folgeprojekten zu mehr Nachhaltigkeit und Effizienz

Dr. Alexander Redenius von der Salzgitter Mannesmann Forschung sieht die technische Machbarkeit und Vorteilhaftigkeit des SALCOS-Ansatzes durch das MACOR-Projekt bestätigt. Im geplanten Nachfolgeprojekt Folgeprojekt "Begleitforschung Wasserstoff in der Stahlerzeugung", kurz BeWiSe, will man nun die gewählte Verfahrensroute noch effizienter und nachhaltiger gestalten.

Auf den Weg zu einer CO2-neutralen Stahlproduktion hat sich nicht nur die Salzgitter AG gemacht. Beispielsweise plant auch ArcelorMittal den Bau einer Anlage, in der Wasserstoff großtechnisch bei der Direktreduktion von Eisenerz eingesetzt werden soll. Ebenso arbeiten der Anlagenbauer SMS group, Dillinger und Saarstahl an entsprechenden Lösungen.

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