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04-04-2024 | Aus- und Weiterbildung | Interview | Article

"Anschluss zählt eben mehr als Abschluss"

Author: Lea Sommerhäuser

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Im Interview erläutert IT-Weiterbildungsexpertin Dalia Das, warum IT-Bootcamps im Kampf gegen den Fachkräftemangel so wichtig sind und wie sie Quereinsteigern zu neuen Jobs in der IT-Branche verhelfen können.

springerprofessional.de: Frau Das, welche Rolle spielen IT-Quereinsteiger in Zeiten des Fachkräftemangels in deutschen Großunternehmen?

Dalia Das: Mit derzeit laut Bitkom rund 149.000 unbesetzten IT-Stellen weitet sich der Mangel an qualifizierten Fachkräften mit den passenden digitalen Kompetenzen aus. Ohne die gezielte Förderung von Quereinsteigern anderer beruflicher Hintergründe und die Erschließung neuer, bisher in der Branche unterrepräsentierter Zielgruppen lässt sich dieser Mangel schlicht und ergreifend nicht bewältigen. Selbst eine einfachere Gesetzeslage zur Zuwanderung ausländischer Fachkräfte und eine verbesserte Schulpolitik, die zum Beispiel Informatik zum Pflichtfach im Unterricht macht, werden allein nicht zu einer Verbesserung der Fachkräftesituation führen - und vor allem nicht in der benötigten Geschwindigkeit.

Was ist aber mit dem Potenzial, das wir heute in Deutschland bereits haben?

Das Potenzial an talentierten Absolventen aus Studiengängen abseits der Informatik sowie Karrierewechslern mit wertvoller Berufserfahrung aus anderen Bereichen bleibt für die IT noch weitestgehend ungenutzt. Ebenfalls unterschätzt wird das Potenzial der Frauen - insbesondere auch das der Elternzeitrückkehrerinnen. Um dem Fachkräftemangel wirksam etwas entgegenzusetzen, gilt es, diese wertvollen Zielgruppen zu mobilisieren - es braucht kurzformatige, flexible Bildungsangebote abseits der beruflichen oder universitären Erstausbildung, die schnell und gezielt die Kompetenzen vermitteln, die für den Ein- oder Umstieg in digitale Berufe relevant sind.

Wie können sich Quereinsteiger in der heutigen Zeit ihr IT-Wissen offiziell aneignen, damit sie für Unternehmen interessant sind? Welche Rolle spielen an dieser Stelle IT-Bootcamps und was leisten sie?

Zum Glück öffnen sich mehr und mehr Unternehmen für Bewerber ohne Informatikstudium oder entsprechende Ausbildung. Allerdings sollten auch diese Bewerber über einen Grundstock an Kompetenzen verfügen, der sich messen lässt. Schlichte Papierzertifikate reichen hier meist nicht mehr aus, denn sie geben wenig Aufschluss über die tatsächlichen Umsetzungsfähigkeiten der einzelne Bewerber. An dieser Stelle setzen die IT-Bootcamps an. Die aus den USA stammende und dort seit 15 Jahren etablierte Expressausbildung setzt auf Programme, die in enger Zusammenarbeit mit Unternehmen entwickelt werden und die den Anspruch haben, Menschen in nur drei bis sechs Monaten den Anschluss in ein neues Tätigkeitsfeld zu ermöglichen – also jobready zu sein. 

Wie sieht das in Ihrer beruflichen Praxis aus?

Ich habe von Beginn an das "Digitale Gesellenstück" an den Abschluss der Ausbildung gesetzt. Eine anfassbare Arbeitsprobe des neu vermittelten Wissens, eigenständig in die Praxis umgesetzt - so lassen sich die neuen Fähigkeiten schnell und individualisiert beurteilen. Der erfolgreiche Abschluss der Bootcamp-Ausbildung sagt zukünftigen Arbeitgebern aber noch viel mehr, denn die Tage im Bootcamp sind zwar kurz, aber sehr intensiv, jeder Tag zählt. Ohne Motivation, hohe Lernwilligkeit, Widerstandsfähigkeit und Teamplay sowie einer Affinität ins Technische hält man die drei bis sechs Monate kaum durch.

Wie gestaltet sich Ihr Bootcamp als Plattform zwischen Arbeitsmarkt und Quereinsteigern?

In der richtigen Qualität durchgeführt, legt das Ausbildungsformat großen Wert auf anschlussorientierte und intensive Weiterbildung und trägt zur Schließung der Fachkräftelücke bei. In gezielter Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und den Jobcentern fördern wir auch die schnelle (Re-)Integration von Arbeitssuchenden und auch Studienabbrechern, Karrierewechslern, alleinerziehenden Eltern bis hin zu ukrainischen Flüchtlingen. 

Woran messen Sie den Erfolg des Ausbildungsformats? 

Das Modell hat sich in Deutschland bewährt. Wir schauen auf über 5.000 Absolventen seit der Gründung, und auch andere Anbieter sind auf den Markt getreten, was ich sehr begrüße. Die Entwicklung unserer Absolventen verfolgen wir gern und genau. Viele von ihnen sind inzwischen aufgestiegen und haben sich fest in ihren neuen Berufen etabliert. Das Modell eignet sich auch hervorragend für die Beschäftigtenqualifizierung - wir schauen hier mit Stolz auf unsere Kooperation im Automobilzuliefererbereich, wo mit unserer Hilfe Ingenieure in Richtung Software-Ingenieur weitergebildet wurden. Auch mit Förderungen der Bundesagentur für Arbeit können Unternehmen hier gemeinsam mit uns ihre Marktpositionierung stabilisieren und ihren Mitarbeitern Sicherheit bringen.

Mit welchen Risiken ist der Neustart für Quereinsteiger verbunden?

Sich beruflich komplett umzuorientieren, ist ein großer Schritt. Kommend aus einer sicheren Position oder auch aus der Erwerbslosigkeit stellen sich Fragen wie: Werde ich den Umstieg in einen neuen Job beziehungsweise in eine neue Tätigkeit schaffen? Wie gut kann ich mich gegen berufserfahrenere Konkurrenten durchsetzen? Wird mir die Tätigkeit Spaß und Erfüllung bringen? Werde ich genug verdienen? Wir versuchen, diese Fragen möglichst vor dem Bootcamp-Antritt zu klären, und bleiben auch nach dem Abschluss an der Seite unserer Alumni. 

Viele Unternehmen zögern bis heute, Quereinsteiger einzustellen. Abschlüsse auf dem Papier haben hier einen zu hohen Stellenwert und es fehlt an einigen Stellen noch an Vertrauen ins Potenzial der Weiterbildung. Genau aus diesem Grund haben wir uns unser bundesweites Partnernetzwerk aufgebaut und gewinnen laufend neue Unternehmen dazu. Über 80 Unternehmen arbeiten inzwischen strategisch mit uns zusammen - Anzahl steigend. Anschluss zählt eben mehr als Abschluss.

Wie möchten Sie in Kooperation mit dem Personaldienstleister DIS einen sicheren Karrierewechsel garantieren?

Ich wünsche mir seit Jahren eine engere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Bildung und auch der Politik, um dem Fachkräftemangel gezielt etwas entgegenzusetzen. Umso glücklicher bin ich über die im Januar gestarteten Kooperation mit der DIS AG. Hier leisten wir zusammen mit der Agentur für Arbeit Pionierarbeit. Gemeinsam haben wir einen Lehrplan erarbeitet und zertifiziert. Wie in vielen anderen Unternehmen werden IT-Talente auch bei dem Personaldienstleister händeringend gesucht. Nach erfolgreichem Abschluss des Bootcamps "First-Level-IT-Support" vergibt die DIS deshalb sogar eine Jobgarantie. Allen Teilnehmern, die das Bootcamp erfolgreich beenden, erhalten einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit einem jährlichen Einstiegsjahresgehalt von 36.000 bis 40.000 Euro. 

Es sind Kooperationen wie diese, mit der - so bin ich überzeugt - wir das Potenzial von heute nutzen, Menschen nach der Erstausbildung immer wieder mit neuen Kompetenzen für neue Tätigkeiten qualifizieren und die Digitalisierung in Deutschland auch bei knappen Ressourcen nach vorn treiben.

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