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10-09-2020 | Bankvertrieb | Interview | Article

"Marketingautomation noch Neuland für Bankentscheider"

Author: Swantje Francke

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Interviewee:
Jörn Bittner

ist Senior Consultant bei Consultix und Experte für Marketingautomation.

Es hakt bei der Marketingautomation von Bankinstituten. Jörn Bittner skizziert einen Ausweg aus dem Datenchaos zahlreicher Systeme und Schnittstellen. Das Ziel: 360-Grad-Kundenprofile für individualisierte Kundenansprache mittels schnell agierender Technologie.

Springer Professional: In der Bankenlandschaft ist ein Filialsterben zu beobachten. Wie kann ich als Bankinstitut über Marketingautomation relevant bleiben?

Jörn Bittner: Girokarten mit Apple Pay, Open-Banking-Apps und schier unendliche andere digitale Finanz-Services fluten gerade eine tradierte Branche. Zu den sehr schnell getakteten Transformationen gesellt sich das Wegbrechen von Filialen. Genau diese Kombination kann beim Bankkunden ein Gefühl von Überforderung zurücklassen. Bankinstitute sind aufgerufen, dieser Flut und Leere mit relevanten internen Services entgegenzutreten. An die Stelle der Filiale tritt das Internet als verlässliche Basis für digitale Information und Interaktion. Dabei unterstützt Marketingautomation das Bankinstitut durch intelligentes Management der personenbezogenen Kundendaten, die Home- und Landingpages generieren. "Wir kennen neben deinem Namen, Familienstand und saisonalem Finanzbedarf auch deine Versorgungssituation und deine Präferenzen bei der Geldanlage", lautet die Kernaussage eines gut ins System eingebetteten und klugen Tools für automatisierten Kundendialog. Der Versand individuellen und passenden Contents, zum Beispiel per Email, ist das Ergebnis einer skizzierten Customer Journey, die Relevanz in ihrer Mitteilungs-DNA trägt. Das punktgenaue Ausspielen von Nachrichten, analog zu einer Lebenssituation oder zu dem Moment eines Interesses, kann ein persönliches Gespräch sinnvoll unterstützen, im besten Fall sogar ersetzen. Die Botschaft meiner Bank ist dann im Idealfall so individualisiert wie eine gut vorbereitete Beratung.

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Die Zukunft der Banken – Wie neue Geschäftsmodelle Banken grundlegend verändern

Dieser Beitrag setzt sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung und veränderten Wettbewerbsbedingungen und Geschäftsmodellen für den Bankensektor auseinander. Der Fokus liegt auf der Erläuterung aktueller Entwicklungen und deren Auswirkungen auf das Betriebsmodell der Banken, insbesondere in den Bereichen Organisation, Prozesse, Personal und IT.

An welchem Punkt stehen physische Banken auf diesem Weg derzeit?

Dickschiffe müssen Schnellboote werden. Reine Online-Banken haben es hier leicht, da ihr Geschäftsmodell auf Digitalisierung basiert. Die klassische Filialbank mit der Herausforderung, alle Geschäftsprozesse in Marketing und Sales kundennah zu digitalisieren, hat natürlich Fragen. Auch wenn Online-Banking für nahezu alle Institute ein alter Hut ist und Marketing anteilig im Internet und auf Social Media-Plattformen stattfindet, geht die digitale Transformation doch schleppend voran. Woran liegt das? In physischen Banken liegen Kernbanksysteme als Stolpersteine auf dem Weg. Diese mächtigen CRM- oder andere IT-Systeme sind auch von stationär aufgebauten Bankhäusern als schwerfällige, unkooperative Datensilos erkannt. Das Bewusstsein über notwendige Datenzentralisierung ist da, aber Schritte dorthin passieren zögerlich. Auf dem Weg zum 360-Grad-Kundenprofil müssen sich Banken unweigerlich von ihrem Fokus auf Kernbanksysteme lösen. Der Plattformgedanke sollte in den Vordergrund treten.  Damit meine ich den gut positionierten Internet-Auftritt mit angedockter Marketing-Plattform als Startpunkt für effiziente Customer Journeys, die vom Lead zum Kunden führen.

An welchem Punkt in der Marketingautomation klemmt es bei Banken noch?

Der Faktor Zeit ist ein kritisches Moment. Leider herrscht immer noch die Annahme vor, dass Automationsprojekte Monate dauern. Dem ist aber gar nicht so. In wenigen Tagen können sichtbare Erfolge dokumentiert werden. Jenseits vom Aufbohren der Kernbanksysteme ist onlinegetriebene Marketingautomation noch relatives Neuland für Entscheider im Banking. Natürlich verschicken deren Marketingabteilungen Newsletter. Doch orientieren sich diese selten an Präferenzen der Kunden, die das eigene Cluster aufgedeckt hat, und noch seltener an Triggern, die sich über spontane Klicks auf der Website als Bedürfnis offenbaren. Marketing und Sales müssen sich von klassischen Denkmustern lösen. Es geht nicht mehr darum, den Boden für kommende persönliche Kundengespräche in der Filiale zu bereiten. Es geht vielmehr darum, kundenzentriert die Customer Journey unter Beobachtung zu stellen und mit Hilfe von schnell agierender Technologie umzusetzen.

Auf welchem Weg lassen sich bestehende Kundenprofile einer Bank automatisiert erfassen, komplettieren und zukunftsgerichtet nutzbar machen?

Das Ziel muss ganz klar ein 360-Grad-Profil für Leads und Kunden in einer zentralen Marketingplattform sein. Die Customer Journey spiegelt dazu einen Lebenszyklus vom Interessenten zum Kunden wider: vom guten Kunden mit Konto zum sehr guten Kunden mit Anlage-Depot und Upselling-Potenzial – das ist das Wunschszenario. Dazu hinterlegen Bankmitarbeiter auf der Marketingplattform ein Regelwerk, einen Workflow. Dieses Regelwerk wirkt zeitgesteuert, ereignis- und transaktionsbasierend. Aktuelle Kontakte mit einem Profil landen in diesem zentralen Hub und lösen mit neuen Informationen automatisch neue Kommunikations- und Content-Strecken aus.

Die DSGVO setzt dem Online-Marketing gewisse Grenzen. Wie weit dürfen Banken innerhalb ihrer Software gehen, um Kundendaten für ihr Online-Marketing voll auszuschöpfen?

Auch für Finanzinstitute gilt die DSGVO. Einwilligungserklärungen sind im Marketing extrem wichtig; Fehltritte führen im schlimmsten Fall zu immensen Reputationsschäden. Auch einen bestehenden Kunden muss ich nach der Einwilligung für Werbung fragen. Wir nennen das Permission-Management. Auch die Permission für einen Kommunikationskanal muss im zentralen Profil vorliegen, damit ein Institut dem Auskunftsrecht gemäß DSGVO Rechnung tragen kann. Ein Bestandskunde erhält bedenkenlos Informationen zu einem Bestandsprodukt, aber nicht zu anderen Leistungen des Institutes oder Partnerangeboten. Deswegen ist es elementar, im Digitalmarketing die Permission so früh wie möglich und so weitreichend wie sinnvoll einzuholen. Das Präferenz- und Permission-Management kann hier Hand in Hand laufen und unterstützt damit die Relevanz der Informationen.

Wie muss eine erweiterte Verwertungskette aussehen, um sinnvolles Leadmanagement zu betreiben?

Die zentrale Marketingplattform steht auch für die zentrale Digitalmarketing-Strategie. Den Schnittpunkt bildet der Übergang vom Lead zum persönlichen Gesprächspartner. Bei einem Lead kommt der Zeitpunkt für ein persönliches Gespräch früher als bei einem langjährigen Bestandskunden, der ein zusätzliches Finanzprodukt auch im Internet per Klick kauft, bucht oder bestellt. Die Einbindung von Partnerprodukten und Content im Sinne einer Lead-Strecke ist ein wesentlicher Vorteil der Marketingautomation. Neue Produkte und Services spielen Marketers sowohl als Landingpage als auch als Email-Kampagne aus und beobachten den Erfolg einer Kampagne in Echtzeit. Diese Echtzeitdaten verleihen Verantwortlichen die Möglichkeit, umgehend Maßnahmen einzuleiten, sollte das Kampagnenziel absehbar nicht erreicht werden. Das Kampagnen-Reporting ist für die Erfolgsmessung elementar. Auch hier fischen viele Marketer im Trüben. Sales-Abteilungen warten teilweise Wochen auf Leads und Statistiken. Gerade in der Zusammenarbeit mit Partnern spielt Transparenz eine extrem wichtige Rolle. Marketingautomation bietet die Basis für Testkampagnen vor der Einführung eines Produktes. Erst mit eintretendem Kampagnenerfolg können Entscheider sinnvolle Entscheidungen für die Einführung neuer Produkte und Services treffen.

Wie wirkt sich dies auf die Kundenbeziehung aus?

Vergleichsportale zeigen heute, dass Menschen ohne ein persönliches Gespräch die KFZ-Versicherung wechseln. Wenn die Bank zu ihren Kunden keine intensiven Kontakte hält, dann bauen diese kein Vertrauen auf und das Wechselrisiko ist hoch. Mit relevanter Kommunikation wirken Finanzinstitute dem entgegen und binden Kunden. Bei lückenhafter, unspezifischer Kommunikation und damit transportierter fehlender Wertschätzung steigt das Wechselrisiko. Hier zeigen beispielsweise aus der Marketingplattform ausgesteuerte und eventuell incentivierte Echtzeitumfragen die Kundenzufriedenheit. Die Antworten auf die Erhebung werden natürlich im Profil gespeichert und stehen für Service-Calls zur Verfügung. Im Leadmanagement müssen Banken also die Balance zwischen Anfrage und Antwort, Werbung und Verkauf finden. Diesen Prozess bezeichnen wir als Customer Journey, und er sollte nahtlos laufen. Wenn heute Leads erst aus Datenbanken exportiert und nach zwei Wochen an das Email-Tool oder Call-Center weitergeleitet werden, dann reden wir an dieser Stelle wieder von ungeliebten Datensilos. Zeitlicher Versatz führt dazu, dass der Mensch sein schon vor zwei Wochen geäußertes Interesse an einem Thema bereits vergessen hat. Reaktionsgeschwindigkeit im Leadmanagement ist also sehr wichtig. Marketingplattformen und Workflows setzen genau hier an und unterstützen aktiv das Leadmanagement.

Perspektivisch betrachtet soll Investitionen in Digitalisierung und Automation immer auch ein erwarteter Gegenwert gegenüberstehen. Innerhalb welches Zeitrahmens sollen sich die Investitionen in die Marketingautomation amortisieren?

Ganz klar: Umgehend. Prozessoptimierung im Marketing muss sofort wirken. Die Einführung einer zentralen Marketingplattform reduziert durch die Digitalisierung bestehender Prozesse Kosten unmittelbar. Importe und Exporte von Excel-Listen und die Einbindung der IT-Abteilung für Zielgruppenselektionen über programmierte Abfragen gehören mit Einführung von Marketingautomation der Vergangenheit an. Bei richtiger Wahl der Plattform sinken auch Agenturkosten stark. Email- und Briefkampagnen, Kampagnen-Landingpages, Online-Formulare und sogar Gewinnspiele strömen zentral aus der Plattform. All das kann der Marketer in Zukunft ohne die Beteiligung anderer Abteilungen und Dienstleister realisieren. Das Potential zur Kosteneinsparung ist immens und gleichzeitig wird die Beziehung zum Lead und Kunden intensiver.

Corona hat viele Banken zu einer Beschleunigung bei der Umsetzung ihrer digitalen Services gezwungen. Wie sollen Banken harte strategische Ziele für ihr Online-Marketing formulieren, wenn sie noch dabei sind, ihre bisherigen Erfahrungen auszuwerten?

Banken und Finanzinstitute sind Marktteilnehmer wie Schuh-, Kosmetik-, oder Autohersteller auch. Die Menschen haben verstanden, dass sie die Wahl haben, mit welchem Partner sie ihre Finanz- und Geldgeschäfte abwickeln. In diesem Bewusstsein tun auch Finanzhäuser gut daran, den Kunden als Mensch in den Mittelpunkt zu stellen. Die Transformation bedeutet damit nichts anderes als sich bewusst auf den Menschen einzustellen. Menschen kaufen von Menschen. Die Digitalisierung transportiert zwischenmenschliches Vertrauen auf einem digitalen Kanal und gibt dem Gegenüber das Gefühl der Wahrnehmung und Wertschätzung. Steht dieses Ziel nicht zentral in der Strategie, funktioniert auch die Digitalisierung nicht sinnvoll. Der Blick über den Tellerrand auf die Digitalmarketingstrategien anderer Branchen hilft, die eigene Strategie und die eigenen Ziele zu formulieren. Die Schließung von Filialen zwingt jetzt alle Beteiligten, Vertrauen in Finanzmarken, Kommunikation und digitale Kanäle aufzubauen. Der Mensch als Kunde, das zeigt der Amazon-Effekt, gewöhnt sich ganz schnell an neue Services und Kommunikationsformen und verlangt diese dann auch von anderen Marktteilnehmern. Also heißt es, am Markt zu sein und nie aufzuhören, sich mit ihm zu verändern.

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