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07-12-2022 | Batterie | Schwerpunkt | Article

Zehn Thesen zur Zukunft der Batterieindustrie

Author: Christiane Köllner

6:30 min reading time

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Die Batterieindustrie in Deutschland wächst. Doch wo steht sie in ein paar Jahren? Diese zehn Thesen zeigen auf, welche Entwicklungen sich im Bereich der Batterietechnologie vollziehen. 

Der deutsche Batteriemarkt befindet sich im Aufwärtstrend – und trotz Corona-Krise wächst der Markt dynamisch weiter. Vor allem wegen der Nachfrage nach Elektroautos. "Im Jahr 2021 wuchs der Markt mit einem Plus von 54 Prozent um mehr als 3,2 Milliarden Euro auf rund 9,29 Milliarden Euro. Der Wachstumstreiber war wie bereits im vergangenen Jahr der Absatz von Lithium-Ionen-Batterien in Höhe von 5,35 Milliarden Euro und einem Anstieg um 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahr", so Christian Eckert, ZVEI-Fachverbandsgeschäftsführer Batterien. Auch die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien nehme laut Eckert in Deutschland Fahrt auf. 

Doch wo steht die deutsche Batterieindustrie in ein paar Jahren? Bleibt sie langfristig erfolgreich? Und welche Technologietrends werden die Batterieindustrie künftig beschäftigen? Der deutsche Batteriezellen-Hersteller Customcells wagt eine Prognose. In einem Beitrag in seiner internationalen Technologie-Publikation "Master of Batteries" hat das Unternehmen die Zukunftsthesen für Deutschlands Batterieindustrie veröffentlicht. Darin skizziert Customcells unter anderem die mittel- und langfristige Entwicklung der Batterieindustrie in Deutschland. Wir stellen die zehn Thesen vor. 

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Lithium-Ionen-Batterien

LIB zählen zu den elektrochemischen Energiespeichern. Sie werden bereits seit einigen Jahrzehnten in der Verbraucher-Elektronik eingesetzt und stellen auch seit mehreren Jahren den Stand der Technik zur Speicherung der Traktionsenergie in Elektrofahrzeugen (englisch: electric vehicle, EV) dar.

So entwickelt sich die Batterieindustrie

These 1: Lithium-Ionen-Batterien sind noch nicht am Ende

Es sei laut Customcells unwahrscheinlich, dass die Lithium-Ionen-Technologie in nächster Zeit an ihre Grenzen stoßen werde. In den kommenden Jahren sollen künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Nanotechnologie dazu beitragen, die Leistung auf vielfältige Weise weiter zu steigern, insbesondere durch die Optimierung und Automatisierung von Entwicklungs- und Produktionsprozessen. Nachfolgetechnologien werden noch Jahre brauchen, bis sie umgesetzt werden. Herausforderungen liegen hier noch in der praktischen Umsetzung, der Skalierbarkeit und der industriellen Fertigung.

Auch für Professor Achim Kampker von der RWTH Aachen gibt es diverse Technologien, die das Potenzial besäßen, Lithium-Ionen-Batterien langfristig abzulösen, wie er im Interview "Akkus sind im Gegensatz zu Kraftstoff recycelbar" aus der ATZelektronik 12-2021 erklärt. "Kurzfristig bleiben sie aber Stand der Technik, wobei ich Potenzial beispielsweise in der Beimischung von Silizium auf der Anodenseite sehe", so Kampker. Mittelfristig werde es sich über Lithium-Schwefel- wohl zu Festkörper-Lithium-Metall-Batterien, sogenannten All-Solid-State-Batterien, weiterentwickeln.

These 2: Festkörperbatterien sind ein Wendepunkt

Festkörperbatterien sollen Customcells zufolge einen bedeutenden Schritt nach vorne in der Batteriezellentechnologie machen. In einer Festkörperbatterie könnte die metallische Lithiumanode die Graphitanoden ersetzen, was zu einer deutlich höheren Energiedichte führen würde. Dies bedeute auch, so Customcells, dass kompaktere Batterien gebaut werden könnten, ohne Kompromisse bei der Leistung einzugehen. Neben den technischen Herausforderungen seien auch die Folgekosten und Preise der Technologie noch nicht bekannt. Aktuell ist aber die "Technologie für eine Massenproduktion von Festkörperbatterien […] noch nicht ausgereift", wie Akira Yoshino im Interview "Die Feststoffelektrolyt-Technik ist ein möglicher Impulsgeber" aus der ATZelektronik 12-2020 erklärt.

These 3: Deutschland könnte Know-how-Leader werden

Deutschland habe die Chance, so Customcells, zum weltweiten Technologie- und Innovationsführer zu werden. In Deutschland sollen in Zukunft "vielleicht nicht die größten Batteriefabriken der Welt stehen, aber vielleicht die effizientesten und intelligentesten", heißt es. In puncto Kompetenzen und Know-how punktet der Standort Deutschland auch in einer Untersuchung, die ein Forschungsteam der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, des Helmholtz Instituts Münster und der Porsche Consulting GmbH, durchgeführt hat. Darin wird Deutschland als starker Forschungs- und Wissenschaftsstandort für Batterietechnologien beschrieben. Grundlage für die Untersuchung war ein Modell zur Standortanalyse von Batteriefabriken in der Europäischen Union, das Faktoren wie Kosten, Expertise und Energieversorgung berücksichtigt hat.

These 4: Digitalisierung optimiert Batteriezellen

Batteriezellen sollen laut Customcells immer stärker mit digitalen Technologien verschmelzen. Intelligente Zelltechnologie könnte dazu beitragen, dass Daten aus dem realen Einsatz von Zellen direkt in die Produktion zukünftiger Zellen einfließen. Dies würde deren Produktion und Entwicklung deutlich verbessern. Intelligente Zelltechnologie ließe sich mit künstlichen neuronalen Netzen verknüpfen und könnte als Teil komplexer selbstlernender Systeme dienen. Diese würden zum Beispiel die Batteriesteuerung je nach Anwendung optimieren, so Customcells, was die Leistung und Qualität der Anwendung verbessere. Im Ergebnis soll die Batteriezellenindustrie zu einem datengesteuerten Geschäft werden, prognostiziert Customcells. "In der Batteriezellfertigung bietet der digitale Zwilling vielfältige Optimierungsmöglichkeiten – speziell im Bereich der Produktqualität sowie der Prozessoptimierung", wie Fraunhofer-Forschende im Artikel Rückverfolgbarkeit und Digitalisierung in der Batteriezellfertigung aus der Zeitschrift Maschinenbau 3-2022 erklären.

These 5: Cell-to-Everything: Zelle und Fahrzeug verschmelzen

Klassische Batteriegehäuse könnten laut Customcells bald der Vergangenheit angehören. Cell-to-Everything-Ansätze seien die Zukunft. Die ersten Schritte in diese Richtung seien bereits mit Innovationen wie Cell-to-Pack und Cell-to-Chassis unternommen worden. Die Zellen der Zukunft sollen als thermische oder selbsttragende Teile in Fahrzeuge integriert werden. Bereits im Auto vorhandene Komponenten ließen sich so zu einem Gehäuse umfunktionieren. Möglich sei auch die direkte Verbindung der Zellen mit dem Chassis. Die Vorteile sind vielfältig: eine Verringerung der Anzahl der benötigten Bauteile, eine effizientere Nutzung des vorhandenen Bauraums und eine anteilige Unterbringung von mehr aktivem Material und damit eine höhere Kosteneffizienz.

These 6: Eine "grüne Zelle" ist möglich

Optimale Lieferketten und möglichst geschlossene Kreisläufe sind Customcells zufolge der Weg zur grünen Zelle. Mehr Nachhaltigkeit würden kürzere und transparente Lieferketten für Materialien und Komponenten bringen, eine verlängerte Lebensdauer der Batteriezellen durch Second-Life-Nutzung sowie das Recycling von Batteriekomponenten.  

These 7: Batterieindustrie wird zur neuen Schlüsselindustrie in Deutschland

Die Batterieindustrie ist die neue Schlüsselindustrie Deutschlands und einer der Bausteine für zukünftigen Wohlstand, sagt Customcells. Gemäß den Ankündigungen der in Europa aktiven Zellhersteller soll Deutschland vor Großbritannien und Frankreich bis 2030 der größte Produzent von Batteriezellen in Europa werden, wie eine aktuelle Fraunhofer-Studie ermittelt hat.

These 8: Elektrisches Fliegen transformiert die Mobilität

Elektrische Drohnen und Flugzeuge könnten die Mobilität bald völlig revolutionieren, glaubt Customcells. Dazu sei eine leistungsstarke Batterietechnologie notwendig. Da Drohnen und Lufttaxis keine neuen Infrastrukturen wie Straßen und Brücken benötigen würden, könnten sie die bestehende Infrastruktur entlasten. Lösungen für einen batteriebetriebenen Luftverkehrssektor seien zwar nicht überall auf der Welt sofort verfügbar, dennoch seien sie mit Blick auf staureiche Ballungsräume eine Option. Wie die Springer-Autoren um J.-Michael Bauschat im Buchkapitel Urbane Mobilität entdeckt die 3. Dimension erläutern, arbeiten weltweit "über 200 Unternehmen an dieser neuen Mobilitätsform, ca. 150 davon sind Start-ups [...]".

These 9: Datenexperten entscheiden über Technologieführerschaft

Ein intelligentes Datenmanagement sei notwendig, so Customcells, um das Potenzial der Batterietechnologie voll auszuschöpfen und darüber hinaus die Technologieführerschaft in diesem Bereich anzustreben. Die Batterieindustrie sei insbesondere auf KI-Spezialisten angewiesen. Vom Produktionsprozess über die Zellentwicklung bis hin zur Steuerung von Batteriesystemen werde es eine der großen Aufgaben der nahen Zukunft sein, die anfallenden Daten intelligent zu nutzen und mit künstlicher Intelligenz zu strukturieren und auszuwerten. Zum Beispiel hat NXP sein Batteriemanagement-System mit der Cloud verbunden und stellt so einen KI-gesteuerten digitalen Zwilling der Batterie bereit.

These 10: Konsolidierung des Batteriemarktes 

Nach Einschätzung von Customcells steht die Batterieindustrie in Deutschland vor einer Konsolidierungswelle. Gigafactories, Mikrofabriken und neue Entwicklungsstandorte für Batteriezellen seien zwar in Planung, inwieweit die produzierte Leistung aber genutzt werde, sei unklar. Am Ende würden sich diejenigen Hersteller durchsetzen, die mit ihren Lösungen einen Mehrwert schaffen und über Alleinstellungsmerkmale im Markt verfügen. Eine Konsolidierungswelle sei unausweichlich.

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