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2014 | Book

Das Gedächtnis des Rundfunks

Die Archive der öffentlich-rechtlichen Sender und ihre Bedeutung für die Forschung

Editors: Markus Behmer, Birgit Bernard, Bettina Hasselbring

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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About this book

Das Deutsche Rundfunkarchiv in Frankfurt und Babelsberg sowie die diversen Hörfunk-, Fernseh-, Bild- und Historischen Archive der ARD-Rundfunkanstalten, des Deutschlandradio und des ZDF bewahren das Gedächtnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. In dem Reader wird erstmals die vielfältige Archivlandschaft kompakt beschrieben. Weiter werden die verschiedenen Quellengattungen – von Audio- und Filmmaterialien, über Unternehmensakten und anderem Schrift- und Sammlungsgut bis hin zu Nachlässen, Fotos, Noten und Objekten zur Programmgeschichte – und ihre Nutzungsmöglichkeiten vorgestellt. WissenschaftlerInnen unterschiedlicher Disziplinen, HistorikerInnen und EthnologInnen, GermanistInnen, Musik- und KunstwissenschaftlerInnen, Kommunikations- und MedienwissenschaftlerInnen, geben schließlich anhand konkreter Projekte Einblicke in den Umgang mit den unterschiedlichen Dokumenten – und zeigen auch Desiderate auf. Das in enger Kooperation von MitarbeiterInnen vieler Archive und ArchivnutzerInnen, eben den ForscherInnen, entstandene Buch will allen, die sich mit der Entwicklung des deutschen Rundfunks befassen, einen umfassenden Service bieten, neue Einblicke vermitteln und so auch zu neuen Studien anregen.

Table of Contents

Frontmatter
Einleitung

Das Interesse an der deutschen und internationalen Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Mediengeschichte ist en vogue, und dies quer durch alle wissenschaftlichen Disziplinen. Rundfunkgeschichte, d.h. die Geschichte von Hörfunk und Fernsehen, wird nicht nur als Teildisziplin der allgemeinen Mediengeschichte verstanden, sondern mittlerweile als integraler Bestandteil der politischen und kulturellen Entwicklung der Bundesrepublik (und der früheren DDR) betrachtet (z.B. Bösch 2011; Hodenberg 2006; Marßolek/Saldern 1999; Schildt/Sywottek 1993; Schildt 1995; Schildt/Siegfried 2009; Wilke 1999).

Markus Behmer, Birgit Bernard, Bettina Hasselbring

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland und seine Archive

Frontmatter
Die Landesrundfunkanstalten und ihre Archive
Die ARD und ihre Gemeinschaftseinrichtungen

In der Bundesrepublik gibt es neun selbständige, staatsunabhängige Landesrundfunkanstalten: den Bayerischen Rundfunk (BR), Hessischen Rundfunk (HR), Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), Norddeutschen Rundfunk (NDR), Radio Bremen (RB), Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), Saarländischen Rundfunk (SR), Südwestrundfunk (SWR) und den Westdeutschen Rundfunk (WDR).

Jana Behrendt
Gemeinschaftseinrichtungen
Allgemeines

Auch wenn der Begriff „Gemeinschaftseinrichtung“ nicht allzu geläufig sein dürfte, zumindest eine dieser Einrichtungen ist vielen bekannt: die Gebühreneinzugszentrale, kurz GEZ – zuständig für den Einzug der Rundfunkgebühren.

Andreas Dan
Deutsches Rundfunkarchiv – Standort Frankfurt

Bei der Suche nach Quellen zur Rundfunkgeschichte im Allgemeinen sowie zur ARD und ihren Gemeinschaftseinrichtungen im Speziellen stellt die Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv (DRA) eine erste Anlaufstelle dar. Das DRA versteht sich als Berater und Informationsvermittler für Wissenschaftler, Studierende und die interessierte ϖffentlichkeit, d.h., es gibt nicht nur Auskunft über seine eigenen Bestände, sondern unterstützt auch bei der Suche nach Dokumenten und Medien (Fernseh- und Hörfunkproduktionen, Bilder, Schriftgut) in den Beständen der Landesrundfunkanstalten. Zudem verfügt das DRA selbst über eine Vielzahl historischer Rundfunk- und Privataufnahmen zur deutschen Rundfunk-, Kultur- und eitgeschichte sowie am Standort Potsdam-Babelsberg über das gesamte Programmvermögen des DDR-Rundfunks bzw. -Fernsehens.

Andreas Dan
Deutsches Rundfunkarchiv – Standort Babelsberg

Während alle Tondokumente des Rundfunks aus der Zeit vor 1945, sofern sie erhalten sind, einschließlich der dazugehörigen rundfunkgeschichtlichen Materialien, im DRA Frankfurt archiviert und dokumentiert werden, werden die Produktionen des Hörfunks und Fernsehens der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus der Zeit nach 1945 in den Archiven der jeweiligen Landesrundfunkanstalten der ARD bzw. des ZDF aufbewahrt. Die in Wort, Bild und Ton überlieferten Produktionen des Hörfunks und Fernsehens der DDR befinden sich indes im DRA Potsdam-Babelsberg (vgl. Fischer 2001: 25ff.; Fischer 2011: 225ff.). Sie werden ergänzt um die historischen Aktenarchive des Senders Freies Berlin (SFB) und des RIAS. Mit der Eingliederung dieser beiden Schriftgutbestände konnten auch zwei West-Berliner Überlieferungen im DRA Potsdam- Babelsberg angesiedelt werden. Der „Kalte Krieg im Äther“ kann somit, zumindest bezogen auf die Aktenüberlieferung, an einem Standort nachvollzogen werden.

Jörg-Uwe Fischer
Exkurs: Die Historische Kommission der ARD

Dass heute in den meisten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten neben den Hörfunk- und Fernsehproduktionen auch die für wissenschaftliche Forschungen unerlässlichen schriftlichen Quellen archiviert werden, ist zu einem nicht unerheblichen Teil ein Verdienst der Historischen Kommission der ARD. Das 1954 gegründete und mit Unterbrechungen bis heute existierende ARD-Gremium versteht sich als Förderer der deutschen Rundfunkgeschichtsschreibung. Angesichts der lückenhaften Überlieferungslage sowohl des Rundfunks vor 1945 als auch des Nachkriegsrundfunks war zudem der Erhalt schriftlicher Quellen von Beginn an ein zentrales Thema der Kommission. Denn anders als in der staatlichen und kommunalen Verwaltung war in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die regelmäßige Abgabe von Schriftgut an die Archive keinesfalls eine Selbstverständlichkeit (vgl. Lersch 2008: 18).

Andreas Dan
Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1961 unterzeichneten am 6. Juni 1961 die Länderministerpräsidenten der Bundesrepublik Deutschland in Stuttgart den „Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt öffentlichen Rechts “Zweites Deutsches Fernsehen“. Er trat nach der Ratifizierung durch die ersten drei Länderparlamente am 1. Dezember 1961 in Kraft. Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) wurde eine von allen Bundesländern gemeinsam getragene Fernsehanstalt und sollte die seit Ende der 1950er Jahre zur Verfügung stehende zweite Fernsehfrequenz für ein eigenes Fernsehprogramm nutzen. Das Programm war dabei als Kontrastprogramm zum Fernsehprogramm der ARD (heute: Das Erste) gedacht und sollte sowohl über das Weltgeschehen berichten als auch ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermitteln. Die ZDF-Sendungen sollten das Geschehen in den einzelnen Bundesländern und die kulturelle Vielfalt Deutschlands angemessen darstellen. Die Berichterstattung aus und über die DDR war außerdem ein wichtiger Teil des Programmauftrags. Die Ausstrahlung von Hörfunk war nicht vorgesehen. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands unterzeichneten die Länderministerpräsidenten am 31. August 1991 den „Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland“, der am 1. Januar 1992 in Kraft trat. Dieses in Form eines Artikelgesetzes verabschiedete Gesetzeswerk enthält als Artikel 3 auch einen neuen ZDF-Staatsvertrag, welcher bis heute die primäre Rechtsquelle für den Handlungs- und Organisationsrahmen des ZDF darstellt.

Veit Scheller
Hans-Bredow-Institut für Medienforschung

Eine wichtige Adresse für medien- und kommunikationswissenschaftliche Forschung ist das Hans-Bredow-Institut in Hamburg. Es wurde am 30. Mai 1950 vom damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) und der Universität Hamburg als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts gegründet. Benannt wurde es nach dem Staatssekretär und Rundfunk-Kommissar im Reichspostministerium der Weimarer Republik Hans-Bredow (1879-1959).

Hans-Ulrich Wagner

Quellen in Rundfunkarchiven

Frontmatter
Klassisches Schriftgut

„Quod non est in actis, non est in mundo.“ – Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt. Dieser historische Rechtsgrundsatz weist auf die Bedeutung schriftlicher Überlieferung generell hin und wird deshalb auch im Flyer des Historischen Archivs des Bayerischen Rundfunks als Motto eingesetzt. In den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten existieren, wie oben bereits dargestellt, unterschiedliche Archive, in der Regel jeweils getrennt nach Medienarten. So betreuen die Hörfunkarchive beispielsweise das Audiomaterial, das aus der Produktion von Hörfunksendungen entsteht, die Fernseharchive die visuelle Überlieferung der Fernsehproduktionen. Für Akten bzw. das klassische Schriftgut, das in den Rundfunkanstalten im Programm und in den Verwaltungsabteilungen entsteht, sind die Historischen Archive bzw. Unternehmensarchive zuständig. Diese Archivsparte sowie die Quellengattung Schriftgut sollen im Folgenden vorgestellt werden. Klassisches Schriftgut entsteht aus Sachablagen bzw. Registraturen und wird nach dem Provenienzprinzip abgelegt, im Unterschied zu den Sammlungen, die nach dokumentarischen Aspekten nach dem Pertinenzprinzip erschlossen werden.

Bettina Hasselbring
Sammlungen und Nachlässe

Neben dem Klassischen Schriftgut existieren in Historischen Archiven zwei weitere Bestandsgruppen: Sammlungen sowie Nachlässe/Vorlässe/Privatarchive. Anders als bei Akten, die nach dem Provenienzprinzip archiviert werden, erfolgt die Bestandsbildung bei Sammlungen nach dem Pertinenzprinzip. Unterlagen verschiedener Registraturbildner können vermischt sein und sind nach inhaltlichen Kriterien zusammengestellt. Beispielsweise kann eine Sammlung „Rundfunkgebäude“ Unterlagen der Bauabteilung, Vorüberlegung und Entscheidung der Intendanz oder Gremien sowie Pressematerial enthalten. Ein weiterer Unterschied ist, dass Sammlungen sowohl aus internen als auch aus externen Quellen in die Historischen Archive gelangen. Während der Zugang von internen Sammlungen meist durch eine Abgabeordnung geregelt ist (z.B. ist in der Dienstanweisung des Bayerischen Rundfunks die Abgabe von Belegexemplaren festgelegt), gelangen Zugänge von Extern – z.B. Einzelstücke von ehemaligen Mitarbeiter/innen ebenso wie Nachlässe – eher zufällig, jedenfalls nicht systematisch, in das Archiv.

Sabine Rittner
Tondokumente

Hörfunkarchive archivieren Wortsendungen und Musikaufnahmen vor oder nach ihrer Rundfunkausstrahlung. Erst durch die Archivierung wird die Sendung zum nutzbaren Tondokument. Wort- und Musikaufnahmen werden erfasst und erschlossen, damit diese dem aktuellen Sendebetrieb entweder ganz oder ausschnittweise für neue Sendungen wieder zur Verfügung gestellt werden können. Deshalb verstehen sich Hörfunkarchive zu allererst als Produktionsarchive. Bei den archivierten Sendungen handelt es sich fast immer um Eigenproduktionen der jeweiligen Rundfunkanstalt, die im Rahmen des Rundfunkauftrags produziert wurden. Die eigenproduzierten Musikaufnahmen werden prinzipiell alle archiviert, da sie als Repertoiregut jederzeit wieder ausgestrahlt werden können. In den Wortdokumentationen werden im Gegensatz zu den Musikdokumentationen nicht alle Eigenproduktionen archiviert. Es findet eine Bewertung statt.

Georg Polster
Film und Video

Der Wettlauf der beiden deutschen Staaten um den ersten Fernseh-Sendetag war am 21. Dezember 1952 entschieden. Der Deutsche Fernsehfunk ging in Berlin- Adlershof mit einem zweistündigen Versuchsprogramm als Referenz an den 74. Geburtstag von Josef Stalin auf Sendung. Nur vier Tage später zeigte sich das Programm des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) mit einem Testprogramm aus Hamburg und Westberlin zum ersten Mal auf dem Bildschirm (vgl. Deutsches Fernsehen Ost 2008: 72f.). Das Fernsehen in der Bundesrepublik und in der DDR startete sein Programm und setzte damit den Fixpunkt für die Gründung der Fernseharchive in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

Jörg Wehling
Neue Medien

Wie der Buchdruck im 15. Jahrhundert, so hat die Digitalisierung seit Mitte der 1990er Jahre des 20. Jahrhunderts zu gewaltigen Umwälzungen in der Medienlandschaft geführt. Die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten des Internets begannen Radio, Fernsehen, Videotext und Bildschirmtext als „neues Medium“ abzulösen. Digitale Daten, elektronische Medien, Multimedia und Interaktivität wurden zu den neuen Schlagworten der Zeit.

Miriam Mörtl
Fotos zur Unternehmensgeschichte

Unternehmensfotos stellen originäre und wertvolle Quellen zur Rundfunk- und Zeitgeschichte dar, deren Bedeutung bisher jedoch noch weitgehend unterschätzt wird. Dies gilt nicht nur für ihre Bedeutung und Nutzung als Programmvermögen innerhalb der Anstalten, sondern auch als Quelle für die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen.

Birgit Bernard
Noten

In den Anfangsjahren des Rundfunks wurde Musik nicht von Tonträgern gesendet, sondern live aus dem Sendesaal übertragen. Dazu wurden eigene musikalische Ensembles gegründet und Solisten verpflichtet. Diese brauchten Aufführungsmaterial zur Ausübung ihrer Tätigkeit, und so kam es, dass in allen deutschen und den meisten europäischen Sendeanstalten unmittelbar nach der Gründung Notenarchive oder -bibliotheken eingerichtet wurden, in der WERAG, der Vorläuferin des WDR, z.B. im Jahre 1927. In der Anfangszeit unterscheidet man hauptsächlich drei Kategorien, die sogenannte Klassische oder Ernste Musik, deren Werke man bei Verlagen kaufen konnte, die Unterhaltungsmusik, die in der Regel von Arrangeuren als Spezialarrangements für den Rundfunk verfertigt wurde, und Hörspiele, die mit einer eigens für sie komponierten Musik live aufgeführt und gesendet wurden.

Jutta Lambrecht

Rundfunkhistorische Fragestellungen und Quellenlage

Frontmatter
Organisationsgeschichte
Überblick

Ein Momentbild: 247 private Fernseh- und 355 private Radiosender listet die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) in ihrer Mediendatenbank in Deutschland Anfang 2013 auf (vgl. KEK 2013) – mit vielen hundert Gesellschaftern, unterschiedlichen Rechtsformen, Reichweiten und Verbreitungswegen. Die wirtschaftlichen wie strukturellen Verflechtungen sind überaus komplex, stellen die Medienaufsicht vor große Herausforderungen – und sind für Forscherinnen und Forscher kaum mehr in ihrer Gesamtheit zu durchdringen. Dazu kommen noch rund 20 öffentlich-rechtliche Fernseh- und 58 Hörfunkprogramme. So sind es im Rückblick (bei allen Detailproblemen) geradezu idyllisch übersichtlich anmutende Zeiten, als bis vor dreißig Jahren der gesamte Rundfunk in der Bundesrepublik öffentlich-rechtlich, in der DDR staatlich organisiert war – mit in West und Ost zusammen gerade mal rund zehn Fernseh- und weniger als 30 Radiokanälen, die allesamt terrestrisch ausgestrahlt wurden.

Markus Behmer
Exemplarische Studie: Deutscher Fernsehfunk / Fernsehen der DDR (1952-1991)

Über die Rolle des Fernsehens in der DDR schrieb Heinz Adameck (1921- 2009), der langjährige Intendant des DDR-Fernsehens, 1962: „Das Fernsehen ist eines der bedeutsamsten Mittel zur Verwirklichung der Politik von Partei und Regierung. Seine Grundaufgabe besteht darin, bei der geistigen Formung des Menschen der sozialistischen Gesellschaft mitzuhelfen“ (Adameck 1962: 75).

Jörg-Uwe Fischer
Exemplarische Studie: Auslandskorrespondenten zwischen Kosmopolitismus und Kaltem Krieg – eine mediengeschichtliche Spurensuche in deutschen Rundfunkarchiven

Die Auslandsberichterstattung mit ihrer über Jahrzehnte gewachsenen, die Kontinente übergreifenden Infrastruktur ständiger Korrespondentenbüros gehört für die Programmverantwortlichen von ARD und ZDF seit jeher zu den zentralen Qualitäts- und Distinktionskriterien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Angesichts von 86 Hörfunk- und Fernsehkorrespondenten an 29 Standorten weltweit reklamierte die ARD beispielsweise im Jahr 1987 nicht nur das „größte und anspruchsvollste Auslandskorrespondentennetz der Welt“ für sich, sondern sah darin auch ein legitimierendes „Kernstück des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages“ (Plog 1987: 17). Auch das ZDF betonte, dass „kaum ein anderes Fernsehland eine so umfangreiche, so ausführliche, so in den Hintergrund des Geschehens führende Auslandsberichterstattung hat wie die Bundesrepublik Deutschland“ (Radke 1977: 41).

Bernhard Gißibl
Rundfunkpolitik
Überblick

Rundfunkpolitik bezeichnet nach Gerhard Vowe (2013) „die Gesamtheit derjenigen kollektiv verbindlichen Entscheidungen […], mit denen die Rahmenbedingungen für den über Hörfunk und Fernsehen vermittelten Teil der öffentlichen Kommunikation festgelegt werden“. Nach weiteren Auslegungen umfasst sie nicht nur die Entscheidungen selbst, sondern auch alles Handeln, das auf die Herstellung und Durchsetzung der Regelungen abzielt, nicht nur gesetzgeberische und politische Maßnahmen, sondern auch den (oft nur teilweise offenen) gesellschaftlichen Aushandlungsprozess, der zu ihnen führt (vgl. z.B. Puppis 2007: 33-36).

Markus Behmer
Exemplarische Studie: Die Medienkommissionen der 1960er Jahre. Erfahrungen mit medienpolitischen Quellen im Bundesarchiv in Koblenz

Die Studie, die ich im Folgenden mit Blick auf ihre Quellenarbeit vorstelle, hat zwei Expertengremien untersucht, deren Ergebnisse und Empfehlungen die Entwicklung der Medienpolitik in der Bundesrepublik in den 1960er und 1970er Jahren geprägt haben. Zum einen die Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film („Michel-Kommission“) und zum anderen die Kommission zur Untersuchung der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Presseunternehmen und den Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit („Günther-Kommission“). Die Kommissionen wurden 1964 bzw. 1967 von der Bundesregierung eingesetzt.

Maria Löblich
Rundfunknutzung
Überblick: Probleme und Chancen historischer Forschung zur Nutzung und Wirkung von Hörfunk und Fernsehen

Wer wissen möchte, wie Hörfunk und Fernsehen in der Vergangenheit genutzt wurden und wie die Sendungen gewirkt haben, steht vor drei Herausforderungen, die miteinander zusammenhängen. Sowohl die angewandte als auch die akademische Forschung haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Unmenge an Studien zum Thema produziert, die (das ist die erste Herausforderung) die Erwartungen an historische Arbeiten mitbestimmen. Dies ist ein Problem, weil sich Kommunikationswissenschaft und kommerzielle Medienforschung vor allem an Theorien und Methoden aus der Psychologie orientieren und deshalb eher nach individuellen als nach gesellschaftlichen Folgen der Mediennutzung fragen.

Michael Meyen
Exemplarische Studie: Auf der Suche nach dem Zuschauer. Rezeptionsforschung im Archiv

Am Anfang meines Buchprojekts stand das Interesse an einer sensationell erfolgreichen Familienserie der 1970er Jahre:

Ein Herz und eine Seele

. Deren Held, vom Volksmund „Ekel Alfred“ getauft, war die satirische Umkehrung des gütigen Oberhaupts früherer Fernsehfamilien: ein ungehobelter, ungebildeter, konservativer Rassist, der seine unterbelichtete Ehefrau herumkommandierte und den anti-autoritären Schwiegersohn in heiße Wortgefechte verwickelte. Mit

Ein Herz und eine Seele

hatte das westdeutsche Fernsehen umgeschwenkt: von der harmonischen Familienserie hin zur Parodie patriarchalischer und autoritärer Normen. Und die Zuschauer waren begeistert. Nachdem die Serie vom Geheimtipp im dritten WDR-Programm zum bundesweiten Renner avancierte (das war zu Silvester 1973/1974), verzeichnete die ARD Einschaltquoten von 48 bis 70 Prozent. Im Durchschnitt schauten jedes Mal 20 Millionen zu, also ein Drittel der westdeutschen Bevölkerung (vgl. WDR Nr. 8575).

Christina von Hodenberg
Exemplarische Studie: Radiohören. Eine Bewusstseinsgeschichte 1933 bis 1950

„Vielleicht sollten wir statt auf große Gesten mehr auf die Aspekte der Alltäglichkeit beim Umgang mit dem Radio achten“, formulierte der Germanist und Medienforscher Horst Ohde vorsichtig. „[Es] vermag […] als wichtiges Detail in den individuellen Ensembles von Lebens-Erinnerungen und deren Gedächtnis- Bildern zu wirken. Radiohören als Chance für kleine Fluchten und als Gelegenheit für akustische Abenteuer: das ist – so vermute ich – eine Gebrauchsform, die seit Anbeginn der Radio-Kultur, wenn auch in sich ändernden Weisen, unseren Umgang mit dem Medium bestimmt hat“ (Ohde 2001: 16f.). Horst Ohde bezieht sich dabei auf die Metapher vom Radiohören als „Tonspur des Lebens“ (Rutschky 1988: 3) von Michael Rutschky. Hinter diesem Begriff steht die Idee, dass alles Gesendete auch vom Hörer abhängig ist, denn er entscheidet nicht nur,

ob

er hört, sondern auch

wie

er hört. „Was der Hörer mit dem Gehörten macht, wie sie oder er die Radioprogramme mit Musik und Stimmen der eigenen Lebenssituation als ‚Tonspur‘ einschreibt: das bleibt in der Macht des Hörers und seiner auditiven Disposition, wandelt das bloß passive Hören zu einer aktiven Form von Gebrauch“ (Ohde 2001: 16f.). Weiter führen Reinhold Viehoffs Überlegungen: „Medien machen Ereignisse wahrnehmbar – als Medienereignisse. Indem die Medien Ereignisse zu Medienereignissen machen, ermöglichen sie erst ihre soziale Wahrnehmung.

Karin Falkenberg
Programmgeschichte
Überblick

Öffentlichen Hörfunk gibt es seit 90 Jahren in Deutschland, kontinuierliches Fernsehprogramm erst seit 60 Jahren. Radio wurde mindestens bis vor wenigen Jahren im Durchschnitt täglich länger eingeschaltet als der Fernsehapparat – und es gibt weit mehr verschiedene Hörfunk- als TV-Programme. Die Programmforschung hat sich aber dem Fernsehen sehr viel intensiver angenommen als dem Hörfunk – und sie tut es immer noch, immer mehr.

Markus Behmer
Exemplarische Studie: Wochenschau und Tagesschau in den 1950er Jahren

Als fester Bestandteil des Kinoabends hatte die

Wochenschau

die Aufgabe, mit kurz gefassten kulturellen, politischen und sportlichen Berichten zu informieren, aber auch zu amüsieren und auf das Filmerlebnis einzustimmen (vgl. Hickethier 2003: 9 und 21-24). 1950 wurde in Hamburg als einzige deutsche ‚unabhängige‘

Wochenschau

– allerdings im Bundesbesitz – die

Neue Deutsche Wochenschau

(

NDW

) gegründet und stand somit in Konkurrenz zu den

Wochenschauen

der Westalliierten:

Blick in die Welt

(französische Besatzungsmacht),

Welt im Film

(amerikanische und britische Besatzungsmacht) und Fox (private amerikanische Produktion). Die

NDW

wurde von dem angesehenen und anspruchsvollen Schorcht-Filmverleih (später vom Bavaria-Filmverleih) an die Kinos vermietet.

Sigrun Lehnert
Exemplarische Studie: Wahlabendberichterstattung im Fernsehen. Erfahrungen zur Quellenlage einer fernsehprogrammgeschichtlichen Langzeitanalyse

Meine Dissertation hat sich mit der geschichtlichen Entwicklung der Wahlabendberichterstattung zu Bundestagswahlen im bundesdeutschen Fernsehen beschäftigt (vgl. Wied 2007). Die Besonderheit dieser Arbeit liegt zum einen daran, dass sie an der Schnittstelle von drei etablierten kommunikationswissenschaftlichen Forschungsrichtungen zu verorten ist: der programmgeschichtlichen Fernsehforschung, der politischen Kommunikationsforschung und der Journalismusforschung. Zum anderen zeichnet sich dieses Projekt durch seine Konzeption als Langzeitanalyse mit zwölf Messzeitpunkten, die nicht nur auf noch vorhandenen schriftlichen Primär- und Sekundärquellen basiert, sondern die sich größtenteils auf audiovisuelle Primärquellen bezieht, aus. Zudem wurde eine teilnehmende Beobachtung durchgeführt und in Leitfadeninterviews mit Experten gesprochen.

Kristina Wied
Exemplarische Studie: Eine Fundgrube für Alltagsgeschichte. Der Frauenfunk des Bayerischen Rundfunks

Dass im Archiv des Bayerischen Rundfunks reiche Schätze lagern, die nur darauf warten, ausgewertet und interpretiert zu werden, hatte ich bei einer Führung durch die Ausstellung

Der Ton. Das Bild. Die Bayern und ihr Rundfunk

erfahren (vgl. Hamm, Hasselbring, Henker 1999). Für meine Dissertation im Bereich Volkskunde/Europäische Ethnologie (Braun 2005) benötigte ich aussagekräftige Quellen zur Alltagsgeschichte und machte mich deshalb im Historischen Archiv auf die Suche. Die genaue Fragestellung war noch unklar, aber mein Forschungsinteresse galt dem Thema Familie. Deshalb verschaffte ich mir einen Überblick über das Quellenmaterial des Familienfunks. Die Leiterin des Historischen Archivs, Bettina Hasselbring, erwähnte nebenbei, dass der Familienfunk früher Frauenfunk hieß und erst 1968, als ein Mann zu dieser Abteilung stieß, umbenannt wurde. Das war der zündende Funke für mein Forschungsvorhaben. Die Geschichte, die dahintersteckte, interessierte mich. Zu allem Glück war der Frauenfunk noch ein unbeackertes Forschungsfeld. Das Quellenmaterial bestand vor allem aus Sendemanuskripten.

Annegret Braun
Exemplarische Studie: Literatur und literarische Kommunikation im Hörfunk der Nachkriegszeit – Wege zu einem neuen Literaturbegriff

Die hier durchgeführten Archivarbeiten haben der Fertigstellung eines Forschungsprojekts (Habilitationsschrift) gedient, das vor allem Transformationsprozesse von Literatur und die Rolle der Autorschaft im literarischen Diskurs des NWDR Köln untersucht hat (vgl. Scheffler 1999). Dieser Diskurs bildet sich im Sender programmatisch und personell ab, ist jedoch nicht ohne die kulturelle und literarische Debatte der frühen Bundesrepublik zu erfassen. Sogar bereits die Einrichtung eines Pressearchivs, aber vor allem die dort vorhandenen Presseartikel belegen, dass sich der Sender über die Verzahnungen zum Printbereich und damit zu Diskursen außerhalb des Senders in ihrer Relevanz und Wirkung (nicht nur im Bereich der Literatur) bewusst war und ist.

Ingrid Scheffler
Exemplarische Studie: Das Jugendradio in den Archiven. Erfahrungen am Beispiel der WDR-Sendereihe Fünf nach sieben – Radiothek (1974-1980)

Manchmal hilft es, keinen Schimmer davon zu haben, was einen erwartet. Zum Beispiel, wenn man eine Dissertation angeht. Hätte ich auch nur eine nebulöse Vorstellung von den Materialbergen gehabt, ich hätte von meinem Projekt (vgl. Kuhlmann 2011) von vornherein die Finger gelassen.

Michael Kuhlmann
Exemplarische Studie: „Das war spitze! Jüdisches in der deutschen Fernsehunterhaltung“. Eine fernsehgeschichtliche Ausstellung im Jüdischen Museum München

Vom 12. April bis 6. November 2011 zeigte das Jüdische Museum München eine Ausstellung zum Thema „Jüdisches“ in der deutschen Fernsehunterhaltung. 1 Auf insgesamt 600 Quadratmetern präsentierte diese Wechselausstellung anhand verschiedener Medien und Rundfunkquellen die öffentliche Auseinandersetzung und Inszenierung „jüdischer“ Themen und den medialen Umgang mit „real existierenden“ Jüdinnen und Juden auf dem Fernsehbildschirm.

Ulrike Heikaus
Biographische Medienforschung
Überblick

„Wider die biographische Blindheit“ betitelte Wolfgang R. Langenbucher 2007 einen programmatischen Aufsatz in der Wiener kommunikationshistorischen Zeitschrift

medien

&

zeit

. Er bezeichnete darin biographische Darstellungen insbesondere herausragender Vertreter der journalistischen Profession als eine der „unerledigten Kernaufgaben unserer Disziplin“ (Langenbucher 2007: 21f.).

Markus Behmer
Exemplarische Studie: Nachdenken über Adolf R.

Vor einigen Jahren erhielt ich eine Anfrage seitens der Arbeitsgemeinschaft für rheinische Musikgeschichte, ob ich mich mit einem Beitrag zur NS-Zeit an einem Sammelband beteiligen wolle, der aus Anlass des 75-jährigen Jubiläums im Jahre 2008 geplant war (vgl. Bernard 2010 und 2012). Als idealer Untersuchungsgegenstand bot sich der in Köln geborene Musikwissenschaftler, Journalist, Theaterkritiker und NS-Rundfunkfunktionär Adolf Raskin (1900-1940) an. Raskins Vita als Musikkritiker und einer der führenden Rundfunkpropagandisten im „Dritten Reich“ war bis dato terra incognita.

Birgit Bernard
Exemplarische Studie: Der Dirigent Eugen Jochum und die Gründung des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks 1949

Schon mehrfach gehörte es zu meinen Aufgaben, über den Dirigenten Eugen Jochum zu schreiben (vgl. z.B. Ulm 1999), doch jedes Mal erschienen mir die damals zugänglichen Dokumente trotz des langen Dirigentenlebens höchst mager und der Künstler und Musiker Eugen Jochum stellte sich mir dadurch als sehr verschlossene, fast unnahbare Persönlichkeit dar. Auch in den Zeitungsartikeln und anderen Texten zu Gedenktagen wurden nur die allseits bekannten Fakten gebetsmühlenartig wiederholt, nichts Neues war zu entdecken – dies schien in Anbetracht des so erfolgreichen Lebens sonderbar. Aus diesem Grund schlug ich einer Studentin vor, eine Magisterarbeit über Eugen Jochums Chefdirigentenzeit beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu schreiben (vgl. Mauder 2003), in der wieder neue Aspekte im Zusammenhang mit der Orchestergründung zusammengetragen wurden.

Renate Ulm
Baugeschichte
Überblick

Während sich Wissenschaft und Forschung bislang mit den verschiedensten Facetten des Rundfunks mehr oder weniger intensiv befasst haben, fristet die Baugeschichte des Rundfunks immer noch das größte Schattendasein. Dieser Befund gilt nicht nur für die Architekturgeschichte, sondern auch für die Kunstgeschichte und – noch weiter gefasst – für die Organisationsgeschichte, stellen doch Funkhaus- oder Sendergebäude gebaute Zeugnisse einer corporate identity ihrer Bauherren dar. Sie sind nicht weniger als Logos, Senderkennungen oder Werbemittel ein Bestandteil des „Symbolsystems“ der Anstalten (vgl. Bernard 2006). Lohnenswert wäre die Betrachtung aber auch im Kontext von Fragestellungen zur Stadtentwicklung sowie von Rückkopplungseffekten zwischen Architektur und Technik oder zwischen Architektur und Programm.

Bettina Hasselbring
Exemplarische Studie: Die Gebäude des Westdeutschen Rundfunks

Die Abteilung Marketing des Westdeutschen Rundfunks Köln arbeitet seit Anfang 2011 an einer umfassenden Harmonisierung des Corporate Designs für den WDR. Ziel des Designprozesses ist, das Erscheinungsbild des WDR medienübergreifend zu vereinheitlichen. Die neuen Gestaltungsprinzipien des Corporate Designs werden auf 16 verschiedene Anwendungsbereiche (z.B. Geschäftsausstattung, Fuhrpark, Teamkleidung, Publikationen und Werbung, Werbemittel, Online-Auftritt, Veranstaltungsbranding, Fernsehdesign) adaptiert.

Evelyn Zaunegger
Technikgeschichte
Überblick

Die Technikgeschichte von Rundfunk und Fernsehen kann in vielen Bereichen als terra incognita der Forschungslandkarte bezeichnet werden. Mit der Ausnahme einzelner Detailstudien, etwa zur Standardisierung des Farbfernsehens, liegen bisher nur wenige umfangreiche Werke zu technikhistorischen Themen vor (vgl. Fickers 2007). Selbst in den voluminösesten Sammelbänden wie der fünfbändigen „Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland“ gibt es zumeist nur wenige kurze Überblicksdarstellungen, die die Technikgeschichte aus der Vogelperspektive auf wenigen Seiten abhandeln müssen (Zielinski 1993). Den einzelnen Autoren Oberflächlichkeit vorzuwerfen, wäre unangebracht. Im Gegenteil, wie Wolfgang König erst kürzlich bewiesen hat, können auch diese knappen Überblicksdarstellungen durchaus ein informatives Überblickswissen vermitteln (König 2010).

Christian Henrich-Franke
Exemplarische Studie: Die Erschließung des UKW-Rundfunks

So komplex sich die Technikgeschichte präsentiert und so vielfältig sich die einzelnen Themen gestalten, so unterschiedlich stellen sich die Quellensituation und das forschungsstrategische Vorgehen dar. Insofern existiert auch kein Königsweg, der möglichst zeitökonomisch effizient zum Ziel technikhistorischer Erkenntnis führt. Vielmehr sind für ganz unterschiedliche Forschungsansätze und -vorhaben je eigene Vorgehensweisen erfolgversprechend und zielführend. Anstatt einer exemplarischen Einführung am Beispiel der Erschließung des UKW-Rundfunks müssten eigentlich verschiedene exemplarische Studien nebeneinander stehen. Mit Blick auf das Ziel dieses Sammelbandes, d.h. einer Einführung in die Quellen der deutschen Rundfunkgeschichte, muss konstatiert werden, dass die Technischen Direktionen und die einzelnen Techniker der Sendeanstalten der ARD bzw. des ZDF sich kaum als erste Anlaufstelle des technikhistorisch interessierten Forschers empfehlen.

Christian Henrich-Franke
Wirtschaftsgeschichte
Überblick: Ist Medienkommunikation ein Marktgeschehen? Zu Kategorien und Modellen einer möglichen Unternehmensgeschichtsschreibung der Medien

Mediengeschichte als Unternehmensgeschichte zu betreiben, ist ein Konzept neueren Datums, auch wenn es dafür seit Beginn des 20. Jahrhunderts in der Verlags- und Pressegeschichte frühe Beispiele gegeben hat. Der allgemeinen Unternehmensgeschichte geht es – ich beziehe mich hier vor allem auf Hartmut Berghoff (2004a, 2004b), Toni Pierenkemper (2000), Jan-Otmar Hesse (2004) – vereinfachend um sechs zentrale Fragen, die sich vor allem mit der Bestimmung ihres Gegenstands beschäftigen:

Wie konstituieren sich erfolgreiche Unternehmen, wie entstehen sie und wie erhalten sie sich über unterschiedliche historische Phasen hinweg?

Wie lässt sich die innere Struktur eines Unternehmens beschreiben, welche sind die Konzepte der Unternehmensorganisation, ihrer Kultur, ihres Systems als soziokulturelles Handlungsfeld?

Welchen Einfluss haben technische Innovationen auf die Unternehmensentwicklung?

Wie sind erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeiten beschaffen, welche Eigenschaften besitzen sie, welche Typen haben sich herausgebildet?

Knut Hickethier
Exemplarische Studie: Wirtschaftsgeschichte des WDR. Die Einführung der dezentralisierten Mittelbewirtschaftung und Leistungsplanung

Bereits im Jahr 2007 führte ich im Rahmen meiner Dissertation, einem Vergleich von britischer und deutscher Medienpolitik (vgl. Potschka 2012), ein Interview mit dem ehemaligen WDR-Verwaltungsdirektor (1971-1976) und -Intendanten (1976-1985) Friedrich-Wilhelm von Sell. Behandelt wurde u.a. die Einführung der dezentralisierten Mittelbewirtschaftung und Leistungsplanung. Von Sell beschreibt den Prozess in seiner Biographie als eine Organisationsund Buchhaltungsreform, die er Mitte der 1970er Jahre beim WDR einführte und welche die einfache Kameralistik durch eine Aufwands- und Ertragsrechnung mit kaufmännischer doppelter Buchführung ersetzte (vgl. von Sell 2006: 138ff.). Anstelle der zentralen Mittelbewirtschaftung durch die Verwaltungsund Finanzdirektion trat die dezentralisierte Mittelbewirtschaftung und Leistungsplanung in den Programmdirektionen (Fernsehen und Hörfunk).

Christian Herzog

Neue Technik: Neue Möglichkeiten – und neue Herausforderungen

Frontmatter
Herausforderungen des digitalen Gestern – Kommunikationsgeschichte und die Quellen einer gegenwärtigen Zukunft

Die Beschäftigung mit Quellen, die für eine zukünftige Kommunikationsgeschichtsschreibung erforderlich sein könnten, ist in mehrerlei Hinsicht herausfordernd. Eine dieser Herausforderungen besteht in der Schnelllebigkeit und Flüchtigkeit des digitalen Materials, mit dem man es dabei zu tun haben wird, die nicht nur das Quellenmaterial als solches, sondern zugleich auch jene Fundbehelfe betrifft, die zum effektiven Auffinden und Nutzen von solchen Quellen eingesetzt werden können. Diese Schnelllebigkeit möchte ich gerne vorab durch eine Anekdote verdeutlichen.

Christian Schwarzenegger
„Fehler HTTP 404 – Seite nicht gefunden“ Oder: Zum Stand der Archivierung von Webinhalten in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

Die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten haben längst erkannt, dass ihre Online- Auftritte nicht nur ein programmbegleitendes Zusatzangebot zu Fernsehen, Radio und ihrer PR-Arbeit bieten, sondern immer stärker auch eigenständig informieren, bilden und unterhalten. Die „Onlineangebote sind […] nicht mehr akzessorisch an vorangegangene Programmangebote in Hörfunk und Fernsehen gebunden, sondern gehören nunmehr originär zur Angebotspalette des öffentlich- rechtlichen Rundfunks“ (Telemedienkonzepte der ARD 2010: 2). Allein im Mai 2011 wurden die Internetseiten des WDR 17,58 Millionen Mal besucht und dabei 95,73 Millionen Mal angeklickt (vgl. Nutzung des WDR Online Angebots und sportschau.de Mai 2011, internes Papier des WDR).

Hanno Jochemich

Zugänglichkeit und Nutzungsbedingungen

Frontmatter
Rechtliche Aspekte der Archivnutzung

Rundfunkanstalten sind Orte, in denen im weitesten Sinne kreative und künstlerische Arbeiten entstehen oder auf sie zurück gegriffen wird, um Programm zu machen. Sowohl im Radio als auch im Fernsehen werden Wort- und Musikbeiträge gesendet, bewegte und unbewegte Bilder finden Verwendung in Fernsehproduktionen und im neuen Medium Internet. Autoren, Designer, Fotografen, Regisseure, Komponisten haben ein unveräußerliches Recht an ihrem Werk. Alle diese Produktionen unterliegen dem Urheberrechtsgesetz (UrhG), ein kompliziertes Gesetz, das zuletzt im Juli 2013 novelliert wurde.

Petra Witting-Nöthen
Kommunikation mit dem Archiv

„Niemand käme auf die Idee, etwa bei einer Universitätsbibliothek anzurufen und darum zu bitten, eine Bibliothekarin möge doch alle vorhandenen Bücher über Raffael heraussuchen, daraus die Kapitel zur Sixtinischen Madonna kopieren und dem Anrufer zusenden. Das klingt absurd? Anfragen der Art ‚schicken Sie mir bitte alles, was Sie zum Thema Marshall-Plan, Hoover und Care haben‘‚ oder ‚ich schreibe eine Abschlussarbeit zur Geschichte der XYZ AG‚ (40.000 Mitarbeiter, besteht seit über 100 Jahren) – könnten Sie mir das Material in Kopie zuschicken?’ erreichen Archive recht häufig. Also ganz deutlich: Wie in Bibliotheken die Bücher, so bekommen Sie als Benutzerin in Archiven nur die Archivalien vorgelegt. Auswählen, lesen und sich ihre Gedanken darüber machen müssen Sie selbst“ (Burkhardt 2006).

Peter Blum
Backmatter
Metadata
Title
Das Gedächtnis des Rundfunks
Editors
Markus Behmer
Birgit Bernard
Bettina Hasselbring
Copyright Year
2014
Electronic ISBN
978-3-531-19012-9
Print ISBN
978-3-531-18319-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19012-9