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30-04-2020 | Elektromobilität | Interview | Article

"Elektroauto-Nachfrage auf dem Land im Moment noch überschaubar"

Author: Christiane Köllner

4:30 min reading time

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Urbane Verkehrsprobleme sind in aller Munde. Hoffnungsträger der Städte ist oftmals das Elektroauto. Aber was ist mit Millionen Menschen auf dem Land? Wie funktioniert elektrifizierte Mobilität dort? Ein Interview mit Forschern der Hochschule Albstadt-Sigmaringen gibt Antworten.

Wie muss Elektromobilität auf dem Land aussehen? Das hat Vanessa Irion in ihrer Forschungsarbeit "Steigerung der Kundennachfrage nach Elektrofahrzeugen im ländlichen Individualverkehr in Deutschland" untersucht. Konkret beschäftigte sie sich mit der Frage, welche Anforderungen Personen aus dem ländlichen Raum an Elektrofahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb (BEVs) haben und wie eine mögliche Nutzung aussehen könnte. Um Antworten zu finden, wurde eine Befragung mit 145 Personen durchgeführt. Im Interview gehen Vanessa Irion, Professor Dr. Maximilian Wolf und Professor Wilfried Funk von der Hochschule Albstadt-Sigmaringen genauer auf die Ergebnisse der Untersuchung ein.

springerprofessional.de: Viele denken bei der Elektromobilität automatisch an Großstädte. Zahlreiche Mobilitätsmaßnahmen fokussieren sich auf urbane Zentren, wenige auf den ländlichen Raum. Wie erklären Sie sich das?

Vanessa Irion: Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen im ländlichen Raum ist im Moment noch überschaubar und verglichen mit der Nachfrage im urbanen Raum geringer. Für die in ländlichen Regionen lebenden Befragten kommt ein Elektrofahrzeug als zukünftiges Fahrzeug weniger in Frage, als für die in Städten lebenden Personen. Für die Mobilität im ländlichen Raum ergeben sich, verglichen mit dem urbanen Raum, unterschiedliche Anforderungen. Diese gilt es zu befriedigen, wenn eine Verbesserung der Nachfragesituation erreicht werden möchte.

Welche grundsätzlichen Anforderungen stellen Personen aus dem ländlichen Raum an Elektrofahrzeuge? Wie unterschieden sich diese von den Anforderungen, die Personen aus Städten an BEVs stellen?

Vanessa Irion: Erstaunlicherweise konnte mit der Untersuchung kein konkreter Zusammenhang zwischen den "üblichen" Pain Points Reichweite, Ladedauer und Dichte öffentlicher Ladestationen und der Kauf- beziehungsweise Nutzungsbereitschaft eines Elektrofahrzeugs nachgewiesen werden. Für Personen aus dem ländlichen Raum steht die Integration eines E-Fahrzeugs in den Alltag im Vordergrund. Dies bezieht sich vor allem auf die Ladeinfrastruktur. Darüber hinaus spielt die Sicherheit und Umweltfreundlichkeit der Fahrzeuge bei Personen aus dem ländlichen Raum eine bedeutende Rolle. Das Elektrofahrzeug soll die gleiche Sicherheit wie ein Fahrzeug mit konventionellem Antrieb bieten, die Produktion der Batterie und des Stroms sollen umweltfreundlich sein. Diese Aspekte spielen bei Personen aus dem städtischen Raum eine untergeordnete Rolle. 

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Wie werden BEVs im ländlichen Raum genutzt? Wer sind die Nutzer?

Vanessa Irion: Die Untersuchung hat gezeigt, dass ein Elektrofahrzeug für fast die Hälfte der Befragten als Ersatz des bisherigen Erstwagens mit konventionellem Antrieb interessant wäre. Deutlich weniger Personen würden ein Elektrofahrzeug als Ersatz eines Zweit- oder Drittwagens nutzen – 23,3 Prozent der Befragten wählten diese Option aus. Bezüglich der Anschaffung wird das Leasing eines Neuwagens und der Kauf eines Gebrauchtwagens bevorzugt. 

Genutzt werden BEVs überwiegend von Personen, welche offen für neue Technologien sind. Die Untersuchung konnte einen positiven Zusammenhang zwischen der Bereitschaft, verschiedene Verkehrsmittel in Kombination zu nutzen, und der Entscheidung für ein Elektrofahrzeug als zukünftiges Fahrzeug, feststellen. 

Wie steht es um den Aufbau von Ladeinfrastruktur auf dem Land? Welche Wünsche haben die Nutzer von E-Autos an eine Ladeinfrastruktur im ländlichen Raum?

Wilfried Funk: Analog zu urbanen Gebieten wünschen sich auch die Nutzer von Elektrofahrzeugen im ländlichen Raum, ihr Fahrzeug ohne viel Zeitaufwand und möglichst unkompliziert laden zu können. Im ländlichen Raum spielt dabei besonders die Integration des Ladevorgangs in den Alltag eine große Rolle. Den Nutzern geht es primär nicht darum, eine hohe Dichte öffentlicher Ladestationen vorzufinden oder den Ladevorgang in möglichst kurzer Zeit abwickeln zu können. Die Befragung konnte eine Tendenz festmachen: Die im ländlichen Raum lebenden Personen möchten keine zusätzliche Zeit zur Aufladung des Elektrofahrzeugs investieren. Eine heimische Ladestation bietet die Möglichkeit, den Ladevorgang einfach in den Alltag zu integrieren und hierdurch dem Mangel an öffentlichen Ladestationen entgegenzuwirken.

Was sind die bevorzugten Ladeorte für Elektrofahrzeuge im ländlichen Raum?

Vanessa Irion: Knapp 70 Prozent der befragten Personen aus dem ländlichen Raum präferieren ihr Elektrofahrzeug zuhause zu laden. Eine mögliche Erklärung ist, dass knapp drei Viertel dieser Befragten über einen Stellplatz verfügen, auf dem eine Ladestation installiert werden kann. Weitere beliebte Ladeorte sind der Arbeits- beziehungsweise Ausbildungsplatz – 48,6 Prozent der Befragten würden ihr E-Auto hier laden – und Orte des täglichen Lebens wie zum Beispiel Supermärkte oder Freizeiteinrichtungen – 41,9 Prozent der Befragten würden ihr E-Auto dort laden. Ladestationen an Autobahnen und Hauptverkehrsachsen wären nur für knapp ein Drittel der Interviewpartner interessant.

Wie kann die Akzeptanz von Elektromobilität in ländlichen Regionen gesteigert werden?

Maximilian Wolf: Um die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen im ländlichen Raum steigern zu können, muss das Ladenetz zugunsten der Integration des Ladevorgangs in den Alltag ausgebaut werden. Der Ausbau des Ladenetzes sollte sich deshalb im ländlichen Raum gezielt auf die Vereinbarkeit mit den Alltagsaktivitäten der Nutzer konzentrieren und nicht nur eine hohe Dichte von Ladepunkten beabsichtigen. 

Des Weiteren können ganzheitliche Modelle zur Abdeckung aller Mobilitätsbedürfnisse der Personen aus dem ländlichen Raum die Nachfrage steigern. Ein gebündelter Tarif umfasst zum einen die Bereitstellung eines Elektrofahrzeugs und weitere Services wie zum Beispiel die Installation einer heimischen Ladestation. Zum anderen werden durch diesen Tarif die Kosten für die Nutzung weiterer Verkehrsmittel wie beispielsweise den ÖPNV abgedeckt.

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