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03-12-2021 | Funktionswerkstoffe | Schwerpunkt | Article

Wie sich mit Aerogelen Wasserstoff produzieren lässt

Author: Dieter Beste

4:30 min reading time

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Forscher haben einen neuen Photokatalysator aus einem Aerogel entwickelt, der künftig eine effiziente Wasserstoffherstellung ermöglichen könnte. Möglich wird dies durch eine raffinierte Behandlung des luftigen Materials.

Gele sind grundsätzlich elastisch und charakterisiert durch ihre netzartigen Strukturen, deren Hohlräume mit Lösemittel (Hydrogele) oder Luft (Aerogele) gefüllt sind. "Aerogele sind hochporös, bis zu 99,98 % des Volumens bestehen aus Poren. Aerogele zeigen zudem eine stark dendritische Struktur mit fraktalen Dimensionen. Die Porengröße kann mehr als 1000 m2 pro Gramm betragen", erklären Günter Jakob Lauth und Jürgen Kowalczyk im Buchkapitel "Gele: Hydrogele und Aerogele". In diese luftigen Strukturen könnten andere Moleküle oder auch ganze Zellen eingelagert werden, und es sei zu erwarten, so die Springer-Autoren, dass die technische Nutzung dieser Gele in Zukunft weiter zunehmen werde. 

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An der ETH Zürich hat sich der Materialwissenschaftler Markus Niederberger schon des längeren mit Aerogelen beschäftigt, schließlich besitzen diese leichtesten Feststoffe der Welt außergewöhnliche Eigenschaften. Spezialität seines Labors für Multifunktionsmaterialien sind Aerogele aus kristallinen Halbleiter-Nanopartikeln. Solche auf Nanopartikeln basierenden Aerogele will Niederberger zu Photokatalysatoren aufrüsten, indem sie eine chemische Reaktion mithilfe von Sonnenlicht ermöglichen oder beschleunigen. Ein attraktives Ziel dieser Entwicklungsrichtung ist die Produktion von Wasserstoff.

Als Material der Wahl für Photokatalysatoren gilt bisher das Halbleitermaterial Titandioxid (TiO2). Es wird beispielsweise als Photokatalysator in technischen Anlagen zur Dekontamination von Abwässern aus der Industrie und aus Krankenhäusern eingesetzt, erläutert Michael Tausch im Buchkapitel "Konzeptionelle Grundlagen der Photochemie", denn diese seien oft mit organischen Halogenverbindungen aus Lösemitteln bzw. Medikamenten belastet, die sehr schwer abbaubar sind: "Sie müssen entfernt werden, bevor sie in Flüsse und Seen gelangen, weil sie sich sonst in Nahrungsketten anreichern und die Gesundheit von Tieren und Menschen gefährden. Das gelingt durch photokatalytische Oxidation von organischen Halogenverbindungen durch UV-Bestrahlung mit Titandioxid (Anatas) als Photokatalysator und Luft- oder Sauerstoffzufuhr. Selbst so persistente Chlorverbindungen wie Tetrachlorethen werden auf diese Weise vollständig zu Kohlenstoffdioxid und Chlorid-Ionen mineralisiert."

Doch TiO2 hat einen großen Nachteil: Es kann aus dem Spektrum des Tageslichts nur den UV-Anteil absorbieren, und dieser beträgt nur rund 5 Prozent. Soll die Photokatalyse jedoch effizient und industriell nutzbar sein, muss ein solcher Katalysator ein breiteres Spektrum nutzen können. Auch Michael Tausch schwebt als mögliche Anwendung die photokatalytische Spaltung von Wasser vor: "Die Wasserphotolyse wäre eine nachhaltige Methode, Wasserstoff, den umweltfreundlichsten aller Energieträger, mithilfe von Sonnenlicht zu gewinnen." Und das sei prinzipiell möglich, denn die freie Reaktionsenthalpie bei der Zersetzung eines Wasser-Moleküls entspreche der Energie eines Lichtquants, also einem Photon aus dem sichtbaren Bereich. 

Spektrum mit Stickstoffdotierung erweitert

Junggou Kwon, Doktorandin in Niederbergers Team, hat deshalb nach einem neuen Weg gesucht, ein Aerogel aus TiO2-Nanopartikeln so zu optimieren, dass es ein breiteres Lichtspektrum ausnützen kann. Und sie hatte eine zündende Idee: Sie stellte zuerst das Aerogel mit TiO2-Nanopartikeln unter Zugabe geringer Mengen des Edelmetalls Palladium her. Anschließend leitete sie in einem Reaktor Ammoniakgas durch das Aerogel, wobei sich einzelne Stickstoffatome in die Kristallstruktur der TiO2-Nanopartikel einbetteten – mit dem Ergebnis, dass das Aerogel weitere Anteile aus dem sichtbaren Spektrum des Lichts absorbieren konnte. Ihre Studie haben die Zürcher Forscher soeben in der ACS-Fachzeitschrift "Applied Materials & Interfaces" veröffentlicht.

Verändertes Aerogel macht Reaktion effizienter

Um zu prüfen, ob das so veränderte Aerogel eine gewünschte chemische Reaktion – in dem Fall die Herstellung von Wasserstoff aus Methanol und Wasser – tatsächlich effizienter macht, entwickelte Kwon einen speziellen Reaktor, in dem sie das Aerogel direkt als Monolith einsetzte. Danach leitete sie ein Gasgemisch aus Wasser- und Methanoldampf durch das Aerogel, welches mit zwei LED-Leuchten bestrahlt wurde. Und tatsächlich: Das Gasgemisch diffundierte durch den Porenraum des Aerogels, wo es an der Oberfläche der TiO2- und Palladium-Nanopartikel den gewünschten Wasserstoff freisetzte. Die Reaktion lief nach Angaben der Forscherin in diesem Testsystem stabil und kontinuierlich, ehe sie den Versuch nach fünf Tagen abbrach. "Wahrscheinlich wäre der Vorgang länger stabil gewesen", sagt Niederberger. "Gerade im Hinblick auf industrielle Anwendungen ist es wichtig, dass der Prozess möglichst lange stabil ist." Auch mit der Ausbeute sind die Wissenschaftler zufrieden; das Edelmetall Palladium erhöhte die Umwandlungseffizienz deutlich: In Aerogelen mit Palladium entstand bis zu 70-mal mehr Wasserstoff als in solchen ohne.

Gasfluss muss noch vergrößert werden

Bevor das von der Forschergruppe entwickelte Aerogel im industriellen Maßstab Wasserstoff produzieren kann, ist jedoch noch einiges an Entwicklungsarbeit zu leisten. Ungeklärt ist beispielsweise noch die Frage, wie der Gasfluss durch das Aerogel beschleunigt werden kann; die kleinen Poren des Aerogels behindern den Gasfluss zu stark. Und auch die Bestrahlung der Aerogele gelte es zu verbessern, sagt Niederberger. Aber bei allen Fragezeichen habe die Studie gezeigt, dass Photokatalysatoren aus Aerogelen mit ihren außergewöhnlichen dreidimensionalen Strukturen machbar seien und eine neue Klasse von Photokatalysatoren bildeten, die neben der Wasserstoffherstellung auch für viele weitere Gasphasenreaktionen in Frage käme.
 

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