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2010 | Book

Islamfeindlichkeit

Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen

Editor: Thorsten Gerald Schneiders

Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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About this book

„Islamkritik“ ist eines der Schlagworte unserer Zeit. Doch dahinter verstecken sich oftmals nur pure Ressentiments. Zugleich lässt sich unter Muslimen eine dogmatische Verteidigungshaltung beobachten, bei der bisweilen jede Kritik von vornherein in den Wind geschlagen wird. Beide Extreme dominieren zu häufig die öffentlichen Diskussionen.

Der vorliegende Band "Islamfeindlichkeit" einerseits und der dazugehörige Band "Islamverherrlichung" andererseits nehmen sie daher kritisch in den Blick: Band 1 spürt jene geistigen Strömungen auf, die antiislamische Einstellungen in Deutschland fördern. Band 2 spricht theologische Herausforderungen und Missstände in der hiesigen muslimischen Gesellschaft an – allerdings ohne Pauschalisierung, Populismus und Polemik. Das Gesamtwerk ist somit ein Appell an die Vernunft, hat aber auch dokumentarischen Charakter.

In diesem Buch beleuchten renommierte Autoren verschiedene Aspekte vom europäischen Islamhass vergangener Jahrhunderte bis zur heutigen Hetze im Cyberspace. Ferner geht es um die Auseinandersetzung mit prominenten Protagonisten der „Islamkritik“ wie Henryk M. Broder, Ralph Giordano, Necla Kelek, Hans-Peter Raddatz und anderen.

Mit Beiträgen von Navid Kermani, Dieter Oberndörfer, Jürgen Leibold, Mario Peucker, Werner Ruf, Y. Michal Bodemann und Gökce Yurdakul, Stefan Muckel, Jochen Hippler, Monika Schröttle, Yasemin Karakasoglu, Siegfried Jäger, Franc Wagner, Markus Gerhold, Sabine Schiffer, Mohammed Shakush, Wolf-Dieter Just, Jobst Paul, Thomas Naumann, Claudio Lange, Almut Höfert, Gerdien Jonker, Hamid Tafazoli, Kai Hafez, Birgit Rommelspacher, Martin Riexinger, Micha Brumlik

Table of Contents

Frontmatter

Einleitung

Einleitung
Zusammenfassung
„In einer großen Zeitung erscheint ein langer Artikel über die Stellung der Juden in Deutschland heute. Darin heißt es: ‚Während ein nicht unbedeutender Teil der Juden sich in die deutsche Gesellschaft integriert, ist das bei vielen anderen nicht festzustellen. Viele Juden meinen, sie kämen auch ohne Deutschkenntnisse aus. Schulische Aktivitäten, wenn sie denn einmal auf einen Samstag fallen, werden boykottiert. Frauen sind im Judentum auch heute noch Bürger zweiter Klasse.’ Besonders besorgt drückt sich der Autor darüber aus, dass einige ultra-zionistische, nicht offen operierende Organisationen Mitglieder in Deutschland anwerben und für ihre Zwecke, ein theokratisches Groß-Israel, Geld sammeln. Gerade auch die russisch-jüdischen Einwanderer hätten sich in großstädtischen Ghettos isoliert, abgeschottet von der deutschen Umwelt und ohne Interesse an unserer Kultur und Lebensweise. Ein Artikel dieser Sorte, erschiene er denn in einer deutschen Zeitung, würde eine Welle der Entrüstung hervorrufen. Der Chefredakteur müsste sich umgehend für den ‚bedauerlichen Ausrutscher’ entschuldigen, dem verantwortlichen Redakteur würde vermutlich fristlos gekündigt. Wenn wir in diesem Bericht jedoch das Wort ‚Juden’ durch die Wörter ‚Muslime’ oder ‚Türken’ ersetzen und den Inhalt etwas umschreiben, dann liegt die Sache ganz anders. Solche Berichte lesen wir fast täglich, sie sind, trotz ihrer Halbinformiertheit, das Selbstverständlichste der Welt.”
Thorsten Gerald Schneiders

Ausgangspunkte islamfeindlichen Denkens in der deutschen Gesellschaft

Frontmatter
Feindbild Islam – Historische und theologische Gründe einer europäischen Angst
Zusammenfassung
Die öffentliche Wahrnehmung des Islam und islamischer Themen als „Kette von Problemfällen” sorgt dafür, dass die Verunsicherungen und Ängste der Deutschen gegenüber der islamischen Religion deutlich zunehmen. Der islamistische Terrorismus verstärkt diesen Trend, bringt ihn aber nicht hervor. Waren es nach einer 1997 vom Fernsehsender „Arte” durchgeführten Befragung noch 47 Prozent der Deutschen, die angaben, Angst vor dem Islam zu haben, so ergab eine Studie des Allensbacher Instituts von 2006, dass 80 Prozent der Befragten der Meinung sind, der Islam sei eine fanatische und gewalttätige Religion. Die neuesten empirischen Untersuchungen zum Islambild der Deutschen wurden jüngst von Heiner Bielefeldt dargestellt und im Hinblick auf notwendige Handlungsoptionen ausgewertet (siehe seinen Beitrag in diesem Buch).
Thomas Naumann
Die älteste Karikatur Muhammads Antiislamische Propaganda in Kirchen als frühes Fundament der Islamfeindlichkeit
Zusammenfassung
Bis heute ist die Frage vom Beitrag islamischer Kulturen zur westeuropäischen Geschichte unbefriedigend beantwortet.2 Bei der Bestimmung der Bedeutung islamischer beziehungsweise arabischer Kultur für westeuropäische Philosophie, Naturwissenschaft, Kunst oder Poesie wird islamischen Kulturen, von Ausnahmen abgesehen, Eigenes, Neues, Kreatives ab- und die Rolle von einfachen „Vermittlern” zwischen Weltepochen und -kulturen zugesprochen.
Claudio Lange
Die „Türkengefahr” in der Frühen Neuzeit
Zusammenfassung
Das westeuropäische Islambild wurde ab dem 15. Jahrhundert entscheidend durch das neue Medium des Buchdruckes geprägt. Noch bevor Johannes Gutenberg seine Bibel fertig gestellt hatte, kam im Dezember 1454 – anderthalb Jahre nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels – eine kleine, neun Textseiten umfassende Flugschrift auf den Markt, die als eines der frühesten Druckzeugnisse gilt. In diesem sogenannten Türkenkalender mit dem Titel Eyn manung der christenheit widder die durken (Türken) werden Papst, Kaiser, Könige, Fürsten und Städte der Christenheit entlang der zwölf Kalendermonate dazu aufgerufen, sich gegen die „Türken” in einem Kriegszug zu vereinigen und damit die Gefahr von der Christenheit abzuwenden (Geldner 1975; Simon 1988). Es ist kein Zufall, dass ein sogenanntes Turcicum (Türkendruck) mit am Beginn des Buchdruckzeitalters stand. Wir werden sehen, dass dieses neue Medium für die christlichen Vorstellungen über die Muslime in vielerlei Hinsicht eine wichtige Rolle spielte: Ab dem 15. Jahrhundert wurden viele überlieferte Motive der mittelalterlichen Islamvorstellungen übernommen, sie verdichten sich jedoch durch das Medium des Buchdruckes zu einem Diskurs mit einer neuen Qualität.
Almut Höfert
Europäische Erzählmuster über den Islam
Wie alte Feindbilder in Geschichtsschulbüchern die Generationen überdauern
Zusammenfassung
Der Islam hat einen spezifischen Platz im europäischen Gedächtnis. Seine Wahrnehmung ist allerdings eine konfliktgeladene, die vor allem die bewaffneten Auseinandersetzungen aufzählt. Der Islam, ob nun in Gestalt von Arabern, Osmanen, Tartaren oder Türken, wird darin „als der gefährlichste und dauerhafteste Feind Europas empfunden, als Europas Antithese und Negation” (Francois/ Schulze 1999: 25).
Gerdien Jonker
„Sie meinen, die Christen hätten einen falschen Glauben […].”1
Zum Islambild in der deutschen Literatur am Beispiel einiger Persienberichte des 17. Jahrhunderts
Zusammenfassung
Seit der Ausbreitung des Islam über den Vorderen Orient bildet seine Darstellung ein wesentliches Teilgebiet der Orient-Bilder. Die islamische Religion hat sich somit zu einer unverzichtbaren Komponente im Diskurs über den Orient3 entwickelt wie die Sprache, die Literatur und die Politik. 4 Im November 2007 erschien ein aus einer Bielefelder Tagung hervorgegangener Sammelband mit dem Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit den islamischen und nichtislamischen Kulturen des Orients. Der Herausgeber betrachtet die „Voraussetzungen eines Dialogs” in der „Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen Religion und Kultur” (Bogdal 2007: 7); anderenfalls bildeten sich klischeehafte Wahrnehmungen, setzte man die Entwicklung unterschiedlicher Kulturräume des Orients mit der des Islam gleich. Konfliktreicher werde eine nur religiös geprägte Auseinandersetzung mit den orientalischen Kulturen auch deshalb, weil die ersten Kulturkontakte zwischen Orient und Okzident unter „ungünstigen Bedingungen der Kreuzzüge” stattgefunden haben (Bogdal 2007: 8). Zu solchen „ungünstigen Bedingungen” muss man aber auch die so genannten Türkenkriege zählen, die die Basis zur Darstellung eines abendländischen Türken-Bildes, eingehüllt in ein islamisches Feindbildkonstrukt, bildeten (Calikbasi 2004: 105). So treffend Bogdals Hinweis auf religiöse Feindbilder sein mag, so fraglich scheint seine Bemerkung dazu, ob eine solche strikte Trennung – zumindest in den seit dem 10. Jahrhundert andauernden kulturhistorischen Studien – überhaupt möglich ist. In Anbetracht der Problematik in dem gegenwärtigen Dialog zwischen Okzident und Orient, aber auch zwischen Vertretern eines und desselben Kulturraums, fällt es uns doch schwer, eine Trennlinie zwischen Religion und Kultur zu ziehen, zumal die Religion in einen kulturellen Kontext gehört und mitunter eine Reihe von öffentlich-gesellschaftlichen Konflikten verursacht. 5 Außerdem sind religiöse Texte ein Bestandteil der Literatur und somit auch der Kultur.
Hamid Tafazoli
Mediengesellschaft – Wissensgesellschaft?
Gesellschaftliche Entstehungsbedingungen des Islambildes deutscher Medien
Zusammenfassung
Das Islambild in westlichen Medien ist seit Jahrzehnten ein Gegenstand der internationalen wissenschaftlichen Forschung. Zahlreiche Studien in den USA, in europäischen Staaten, in der islamischen Welt und darüber hinaus haben mit Hilfe verschiedener Methoden und mit unterschiedlichen inhaltlichen Akzenten auf islamophobe Tendenzen in der westlichen Medienberichterstattung hingewiesen (Hafez 2002; Klemm/Hörner 1993; Hafez/Richter 2007; Thofern 1998; Halm 2006; Schiffer 2005; Glück 2008; bastianhofmann.de; Medienprojekt 1994; Stern 2003; Hoffmann 2004. Eine kleine Auswahl internationaler Studien: Said 1981; Poole 2002; Deltombe 2005). Der Gegenstand ist heute ein etablierter Wissenschaftstopos mit zahlreichen Forschungsarbeiten, Lehrveranstaltungen und Konferenzen weltbekannter Wissenschaftseinrichtungen (wie beispielsweise die Konferenz „Mutual Misunderstandings: Muslims and Islam in the European Media. Europe in the Media of Muslim Majority Countries” des European Studies Centre und des Reuters Institute der Oxford-Universität vom 22. bis 23. Mai 2007). Es kann daher nicht verwundern, dass eine Reihe prominenter Persönlichkeiten und Institutionen bereits vor Verzerrungen des Islambildes der westlichen Öffentlichkeit und insbesondere westlicher Medien gewarnt haben. Der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, wies nach den Attentaten des 11. Septembers 2001 auf die wachsende Islamophobie des Westens hin, die er ebenso verurteilte wie den noch immer vorhandenen Antisemitismus (islam.de/1122.php). Der British Council hat Aufklärungshandbücher für Journalisten herausgegeben, in denen eine differenzierte Deutung des Islam und der islamischen Welt vorgestellt wird (Masood 2006), und die OECD betreibt ähnliche Projekte. Der frühere Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, meinte, dass dem negativen Islambild der deutschen Öffentlichkeit die gleichen Fehlinformationen zugrunde lägen, die früher zur Verachtung der Juden geführt hätten (Hafez/Steinbach 1999: 6). Verschiedene deutsche Präsidenten, vor allem Roman Herzog und Johannes Rau, zielten in dieselbe Richtung (zu Rau vgl. Hafez 2003), und die Zahl der Tagungen, die von deutschen und internationalen Akademien, Stiftungen und anderen gesellschaftlichen Organisationen zur Problematik des Islambildes deutscher und westlicher Medien durchgeführt wurden, ist kaum noch zu überschauen. Die Frage der Wahrnehmung des Islam in deutschen und anderen westlichen Medien ist heute ebenso ein Politikum wie ein Forschungsgegenstand – und dies zu Recht, denn die demoskopische Lage verweist auf ständig wachsende Ängste und Aversionen der deutschen Bevölkerung mit Blick auf den Islam (Noelle-Neumann/Köcher 1997: Bd. 10, S. 62; NRZ-online, 27.9.06; SWR online, 9.1.07; (s.a. die Beiträge von Leibold und Peucker in diesem Buch).
Kai Hafez
Muslime in den internationalen Beziehungen – das neue Feindbild
Zusammenfassung
Mit dem Ende des Kolonialismus und dem wirtschaftlichen Aufschwung in Westeuropa nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist „der Islam” „im Westen” angekommen: Millionen Menschen, die aus Ländern mit muslimischen Mehrheiten stammen, haben in Westeuropa, aber auch in den USA und Kanada ihren Wohnsitz und sind – je nach geltendem Staatsbürgerschaftsrecht – gleichberechtigte Bürger oder auch nicht, wie beispielsweise in Deutschland. In den Vorstädten von Paris und London stellen Menschen, die „aus der Migration stammen” Mehrheiten, Berlin ist die viertgrößte türkische Stadt, wenn man denn so rechnen will. Diese Menschen haben für sich und ihre nachfolgenden Generationen eine Wahl getroffen. Zugleich haben sie eine für ihre Identität wichtige Geschichte, deren Ausformung wesentlich davon abhängt, wie die Mehrheitsgesellschaft mit ihnen umgeht, denn die Konstruktion des „Wir” bedarf immer eines „Anderen”, von dem das Wir sich positiv absetzt, indem es dem Anderen negative Charakteristika zuschreibt (Ruf 2006).
Werner Ruf
Einwanderung wider Willen
Deutschland zwischen historischer Abwehrhaltung und unausweichlicher Öffnung gegenüber (muslimischen) Fremden
Zusammenfassung
Klassische Einwanderungsländer wie die USA, Kanada oder Australien werben um Zuwanderer. Sie sehen in ihnen einen Gewinn für die Nation und begrüßen ihre Integration in das Staatsvolk. Sie gewähren ihnen das Recht auf dauerhaften Verbleib – auf Einwanderung. Für die in Deutschland dominierende Politik galt jedoch: Zuwanderung nur vorübergehend und nicht auf Dauer – die Integration in das Staatsvolk wurde nicht gewollt. Als eine große Zahl der im Land lebenden Ausländer wider Erwarten nicht in die Ursprungsländer zurückkehrte, wurde diese „faktische” Einwanderung als etwas Widernatürliches und Illegitimes wahrgenommen. Einwanderung und ihre Integration durften daher für die Politik kein Thema sein. Zudem wurde behauptet, die Migranten seien weder willens noch fähig, sich in die deutsche Mehrheitsgesellschaft einzufügen.
Dieter Oberndörfer

Zur aktuellen Lage der Islamfeindlichkeit

Frontmatter
Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie
Fakten zum gegenwärtigen Verhältnis genereller und spezifischer Vorurteile
Zusammenfassung
Seit mehr als dreißig Jahren werden Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Sprachraum aus dem Blickwinkel der Vorurteilsforschung wissenschaftlich untersucht. Die Forschung ist bis heute eng mit Begriffen wie Ethnozentrismus, Xenophobie, Ausländerund Fremdenfeindlichkeit verbunden. In den letzten Jahren ist es im Hinblick auf Vorurteile gegenüber Muslimen zu einer sprachlichen Präzisierung gekommen. Zum einen wurde dies durch öffentliche Auseinandersetzungen zum Beispiel um Wahrnehmbarkeit und Etablierung islamischer Religiosität in Form von Kopftüchern, Religionsunterricht und Minaretten und zum anderen durch gestiegene Aufmerksamkeit gegenüber international agierenden Extremisten islamischer Prägung verursacht. Die bis dahin verwendeten Begriffe für Vorurteile einer autochthonen Bevölkerung gegenüber Personen mit Migrationshintergrund wurden für diese neuen Sachverhalte als zu unspezifisch empfunden. Um die begriffliche Fassung exakter zu gestalten, wird seit wenigen Jahren hauptsächlich unter dem Etikett Islamophobie seltener unter Islamfeindlichkeit zu generell ablehnenden Einstellungen gegenüber muslimischen Personen beziehungsweise Glaubensrichtungen, Symbolen und religiösen Praktiken des Islam geforscht (vgl. Leibold/Kühnel 2003).
Jürgen Leibold
Islamfeindlichkeit – die empirischen Grundlagen
Zusammenfassung
Einer Verkäuferin wird gekündigt, weil sie ein muslimisches Kopftuch trägt; zwar ist die Geschäftsleitung nicht islamfeindlich, doch man fürchtet finanzielle Einbußen. Ein Arbeitgeber stellt einen jungen Türken nicht ein, weil er denkt, türkische Männer sind generell nicht teamfähig. Laut einer wissenschaftlichen Untersuchung sind über ein Fünftel der Deutschen der Meinung, dass es besser wäre, wenn Muslimen der Zuzug nach Deutschland untersagt würde (siehe den Beitrag von Leibold in diesem Buch). Dies sind keine konstruierten Fälle, sondern belegte Tatsachen, die zeigen, dass Islamfeindlichkeit und Diskriminierung von Muslimen Teil der gesellschaftliche Realität sind.
Mario Peucker
Das Islambild in Deutschland
Zum öffentlichen Umgang mit der Angst vor dem Islam*
Zusammenfassung
Repräsentative Umfragen aus Deutschland zeigen, dass in der Bevölkerung starke Vorbehalte gegenüber dem Islam bestehen, die in den letzten Jahren allem Anschein nach zugenommen haben. Der Islam wird offenbar von vielen Menschen mit Fundamentalismus, Gewaltneigung und der Unterdrückung der Frau in Verbindung gebracht. Gleichzeitig klagen Menschen mit muslimischem Familienhintergrund – unabhängig davon, ob sie sich als praktizierende Muslime verstehen oder nicht – über Diskriminierungen und Ausgrenzungen, die sich aus dem generell negativen Image des Islam ergeben. Für die Integrationspolitik stellt dieser Befund eine große Herausforderung dar.
Heiner Bielefeldt
„Und tötet sie, wo immer ihr sie findet.”
Zur Missachtung des textuellen und historischen Kontexts bei der Verwendung von Koranzitaten
Zusammenfassung
Eine Szene aus dem Alltag des deutschen Islamdialogs: Zwei deutsche Islam- Experten diskutieren mit einem Muslim die so genannte Islamische Charta, in der sich der Zentralrat der Muslime in Deutschland zu den Grundsätzen der deutschen Verfassung bekennt, so zur Demokratie, zu den Menschenrechten und einem säkularen Rechtssystem. Auf dem Podium belehren die beiden Experten den Muslim, dass seine Charta überhaupt nicht mit dem Islam zu vereinbaren sei. Der Islam, so sagt einer der beiden Experten, kenne keine Trennung von Staat und Religion. Deshalb müssten Muslime wesentliche Teile ihres Glaubens aufgeben, wollten sie tatsächlich das Grundgesetz anerkennen. Zum Kernbestand des Islam gehöre, ergänzt der zweite Experte, dass jeder Muslim verpflichtet sei, den Islam gewaltsam zu verbreiten. Der Muslim widerspricht heftig.
Navid Kermani
Deutsche Türken, jüdische Narrative und Fremdenangst: Strategien der Anerkennung
Zusammenfassung
Seit den Anfängen der Soziologie in Nordamerika wurde in der Literatur über Migration, Ethnizität, citizenship, Fremdenangst und Multikulturalismus untersucht, wie sich Einwanderer integrieren, wie sie sich in einzelne Nationalstaaten einfügen, in deren Wirtschaft, deren Gesellschafts- und Klassenstrukturen. Auch ging man den Fragen nach, in welcher Form ihre Aufstiegschancen begrenzt werden und wie sie sich über mehrere Generationen assimiliert haben. Obwohl sich die Form der ethno-kulturellen Integration aber in der Regel grundlegend von Staat zu Staat unterscheidet, wurde nur selten danach gefragt, wie eine typische Eigenart der eingewanderten Ethnie durch die Gruppe selbst geformt wird – durch ihre Führer und Organisationen –, und zwar nicht bloß im Verhältnis zu Staat und Gesellschaft, sondern insbesondere im Verhältnis zu anderen Minderheiten oder Einwanderergruppen. Dabei orientieren sich Einwanderergruppen und Minderheiten, häufig in unmittelbarer gesellschaftlicher Nähe zueinander verortet, nicht nur aneinander, sondern die Neu-Einwanderer nehmen in ihrem Verhalten die „Erzählungen”, die Narrative ihrer Vorgänger zum konkreten Vorbild; manchmal stellt die ältere Einwanderergruppe im Gegenzug Ansprüche an das Verhältnis zu jüngeren Einwandergruppen. Der bekannteste Fall, in dem sich eine Gruppe die Narrative einer anderen Gruppe aneignete und sich mit ihr identifizierte, ist wohl die Einbeziehung der amerikanischen Juden in die NAACP und die Bürgerrechtsbewegung der USA.
Y. Michal Bodemann, Gökçe Yurdakul
Zu schwach, um Fremdes zu ertragen?
Streit um den Bau von Moscheen in Deutschland
Zusammenfassung
Eine Moschee auf der Alm? Zugegeben: ein ungewohnter Anblick – für viele so unvorstellbar, dass sie ihn mit aller Macht zu verhindern suchen. In Kärnten zum Beispiel sollen „Ortsbildpflegegesetze” den Bau von Moscheen unterbinden, in Italien Volksabstimmungen, in der Schweiz hat 2009 eine Initiative gegen den Bau von Minaretten zum Erfolg geführt. Auch in Deutschland schlagen die Wogen hoch, wenn die Errichtung islamischer Gebets-, Versammlungs- und Lehrstätten zur Debatte steht.
Salomon Korn
Zur christlich-abendländischen Tradition als Problem für den Islam in deutschen Verfassungen und Gesetzen
Zusammenfassung
Der Islam bereitet Probleme. Das ist die gängige Sichtweise der Politik in Deutschland, die sich inzwischen auf allen Ebenen, von der global ausgreifenden Außen- und Bündnispolitik der Bundesregierung (auch der europäischen Institutionen) bis zur Kommunalpolitik, mit ihm auseinandersetzt. Nur allmählich verändert sich die Perspektive. Nicht mehr nur Probleme mit dem Islam werden aufgearbeitet, sondern auch Probleme für den Islam. Nur die Frage zu stellen „Wie dem Islam begegnen?” (Orth 2008: 541) oder gar festzustellen „Islam in Sicht” (Süddeutsche Zeitung, 25./26.10.08, mit Blick auf die Eröffnung der Großmoschee in Duisburg-Marxloh) ist zu wenig. Den Islam wahrzunehmen und ihm die Möglichkeit zu geben, wahrgenommen zu werden, ist beziehungsweise war hierzulande nur der Beginn auf dem noch immer langen Weg zu einer gelungenen Integration dieser Religion und ihrer Anhänger in die deutsche Gesellschafts-, aber auch Rechtsordnung. Wer auf diesem Weg mehr erreichen möchte, muss den Blick weiten. Er darf auf den Islam nicht nur als das Andere schauen oder ihn zum Anlass nehmen, die eigenen, sich vom Islam unterscheidenden religiösen Grundlagen zu reflektieren und ihn als „positive Provokation” (Rheinische Post, 5.12.08, Interview mit Kurienkardinal Walter Kasper) betrachten. Eine Lösung der gesellschaftlichen und rechtlichen Probleme, die der Islam hierzulande aufgeworfen hat, kommt nicht ohne einen Perspektivwandel aus. Deshalb nehmen die folgenden Überlegungen – die allerdings nur juristischen Problemen gewidmet sind – zumindest nicht nur die Perspektive des Staates und des staatlichen Rechts ein, sondern auch die des Islam.
Stefan Muckel
Gestörte Kommunikation
Wie grundlegende Fehler im internationalen Dialog zwischen westlich und muslimisch geprägten Gesellschaften gegenseitige Ressentiments schüren
Zusammenfassung
Im Irak herrscht weiter Krieg und Bürgerkrieg. Als der US-Präsident George W. Bush in Mai 2003 triumphalistisch verkündete, die Eroberung des Irak sei erfolgreich abgeschlossen ( „mission accomplished”), standen die eigentlichen Herausforderungen um die Kontrolle des Landes erst noch bevor. Auch die Zahlen an zivilen Opfern sollten sich nach dem vermeintlichen Kriegsende wesentlich höher erweisen, als während des völkerrechtswidrigen Kriegsabenteuers selbst: Heute liegen sie bereits im oberen sechsstelligen Bereich. Die Situation in Afghanistan kann ebenfalls nicht als Erfolgsmodell von Außen- und Sicherheitspolitik betrachtet werden. Waren die Taliban im Herbst 2001 politisch schwach, in der Bevölkerung diskreditiert und kaum noch handlungsfähig, vermochten sie sich seit 2004 immer stärker zu reorganisieren und wieder zur Offensive überzugehen. Afghanistan wurde zum ernsten Streitfall in der NATO, quasi zur „entscheidenden Bewährungsprobe” für das westliche Militärbündnis. Vom früheren Optimismus ist mittlerweile kaum etwas geblieben, es herrschen Ernüchterung und Besorgnis vor. Das Bild bestimmen Durchhalteparolen und eine höhere Dosis alter Rezepte. In beiden Ländern kam es zu menschenrechtsverletzenden Praktiken der westlichen Führungsmacht USA, die deren Politik weltweit diskreditierten: Folter, Entführungen und andere Skandale, die sich hinter Orten wie Abu Ghraib, Guantanamo und Bagram verbergen, wurden zu Symbolen für den Missbrauch von Macht. In Palästina stellen darüber hinaus die fortgesetzte Besatzungssituation mit ihren Menschenrechtsverletzungen und die israelische Siedlungstätigkeit weiterhin einen dauerhaften Konfliktherd dar, der die westlich- arabischen Beziehungen belastet. Und die zuletzt von den USA und einigen Regierungen in Europa (einschließlich der deutschen Bundeskanzlerin) unterstützten Kriege im Libanon 2006 und im Gazastreifen 2008/2009 unterstrichen erneut, dass von einer ausgewogenen und völkerrechtsorientierten Politik des Westens im Nahen und Mittleren Osten nicht wirklich die Rede sein kann.
Jochen Hippler
Gewalt gegen Frauen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland
Diskurse zwischen Skandalisierung und Bagatellisierung
Zusammenfassung
Mit der öffentlichen Diskussion um Zwangsverheiratung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland werden seit Jahren stereotype Darstellungen über „die” türkischen Migrantinnen und Migranten transportiert, die in ihrer Polarisierung und mangelnden Differenzierung nicht den empirisch feststellbaren Realitäten der aktuellen sozialwissenschaftlichen Forschung entsprechen. Die oft stark emotional aufgeladene und einseitig moralisierende Herangehensweise an die Problematik scheint mit unterschiedlichen politischen Interessen und Zielrichtungen verbunden zu sein.
Monika Schröttle
Islam als Störfaktor in der Schule
Anmerkungen zum pädagogischen Umgang mit orthodoxen Positionen und Alltagskonflikten
Zusammenfassung
Der Beitrag will anhand von Beispielen der Frage nachgehen, inwiefern sich Islamophobie im schulischen Umfeld äußert und inwiefern solche Haltungen die notwendige professionelle Handlungsfähigkeit in der pädagogischen Alltagspraxis hemmen können. Mit Islamophobie sind hier in Anlehnung an Jürgen Leibold und Steffen Kühnel, die das Phänomen in der Langzeitstudie Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit untersuchen, „generell ablehnende Einstellungen gegenüber Muslimen, pauschale Abwertungen der islamischen Kultur und distanzierende Verhaltensabsichten gegenüber Muslimen” (Leibold/Kühnel 2006: 137; siehe auch den Beitrag von Leibold in diesem Buch) sowie die grundsätzliche Negierung der von ihnen vorgebrachten Ansprüche an das Schulsystem gemeint. Hinzu kommt die Tendenz, Muslime als in sich geschlossene Gruppe wahrzunehmen.
Yasemin Karakağoşlu
Pressefreiheit und Rassismus. Der Karikaturenstreit in der deutschen Presse
Ergebnisse einer Diskursanalyse
Zusammenfassung
Meinungsfreiheit! Pressefreiheit! Keine Zensur! Anstand! Verantwortung! Keine Blasphemie! Das war der Grundtenor der Medienberichterstattung zum Streit über die rassistischen Muhammad-Karikaturen, die von der „rechts”-lastigen in Aarhus erscheinenden dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten bereits am 30. September 2005 veröffentlicht worden waren, aber – mit ein wenig Nachhilfe – erst im Februar 2006 weltweite Empörung besonders in den arabischen Ländern auslösten. In Deutschland wie auch weltweit führte dies zu einem „diskursiven Dammbruch”, an dem sich alle Zeitungen des „Mitte-Rechts-Links”- Spektrums beteiligten (zu den Reaktionen in Spanien, van Dijk 2007). Welche Wirkungen die mediale und politische Austragung dieses Streits in den Medien auf die Bevölkerung und ihr Verhältnis zu Menschen mit Migrationshintergrund und zu deren Herkunftsländern hatte, das interessierte Deutschlands Journalisten und Journalistinnen allerdings nicht (Weber-Menges 2005: 130). Von ein paar Ausnahmen abgesehen. Doch solche Ausnahmen fanden sich im Mehrheitsdiskurs nicht.
Siegfried Jäger
„Die passen sich nicht an”
Exkurs zur sprachlichen Darstellung von Muslimen in Medienberichten
Zusammenfassung
Fast täglich erreichen uns Medienberichte über den Islam und über Muslime. Neben Berichten über Selbstmordattentate und Terroranschläge in islamischen Ländern sind dies hauptsächlich Berichte über die „Probleme” der muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserem Land. Dabei entsteht in der Regel das Bild einer fremden Kultur- und Religionsgemeinschaft, die sich von den hiesigen Gegebenheiten abhebt und Probleme hat, sich zu integrieren. Die Frage ist, wie dieses Bild von den Medien entworfen werden kann. In Medienberichten finden sich generell selten explizite sprachliche Diskriminierungen sozialer Gruppen, da diese sozial unerwünscht und politisch nicht korrekt sind. Diskriminierungen in Medienberichten erfolgen in der Regel subtiler, was ihre Wirkung aber nicht schmälert, sondern noch verstärkt. Berichte mit subtilen Diskriminierungen erscheinen auf den ersten Blick als neutrale Darstellungen und können enthaltene Abwertungen unbemerkt verbreiten. In diesem Beitrag soll untersucht werden, wie in Medientexten implizite Diskriminierungen und Abwertungen sprachlich realisiert werden.
Franc Wagner
Islam-bashing für jedermann
Onlinekommentare und Leserbriefe als Orte privater Stimmungsmache
Zusammenfassung
Spätestens seit dem 11. September 2001 sieht sich die Öffentlichkeit weltweit einer zunehmenden Polarisierung ausgesetzt. Sie betrifft vor allem das Verhältnis des Islam und der Muslime zu anderen Religionen, Weltanschauungen und deren Anhängern. Die Frontenbildung findet auf beiden Seiten statt und wird von Gruppen, Organisationen, Regierungen und Regimes ausgenutzt, um Menschen auf die eine oder andere Seite zu bringen und deren Gefühle und Ängste für theologischen, politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder militärischen Machtgewinn zu nutzen. Das führt oft dazu, dass eine differenzierte Sichtweise kaum noch möglich ist oder nicht mehr wahrgenommen wird. So gehören mittlerweile Begrifflichkeiten wie „der Islam”, „die Muslime”, „das Christentum”, „die Christen” oder „der Westen” zum alltäglichen Sprachgebrauch (siehe hierzu auch den Beitrag von Wagner in diesem Buch). Menschen, die egal auf welcher Seite dazu aufrufen, Nuancen wahrzunehmen, sich vor Verallgemeinerungen zu hüten und jemanden erst einmal als „Mensch” zu betrachten, statt ihn auf die eine oder andere Religion festzulegen beziehungsweise ihm nicht zuzutrauen, sich von bestimmten Haltungen oder Traditionen seiner „Glaubensbrüder” distanzieren zu können, werden als „Gutmeiner”, „naive” Anhänger des Multikulti- Gedankens oder als unverantwortlich abgetan.
Markus Gerhold

Institutionalisierte Islamfeindlichkeit

Frontmatter
Grenzenloser Hass im Internet
Wie „islamkritische” Aktivisten in Weblogs argumentieren
Zusammenfassung
Die Liste der deutschsprachigen antiislamischen Websites ist lang. Sie umfasst in etwa folgende Links:
Sabine Schiffer
Der Islam im Spiegel der Politik von CDU und CSU
Aspekte einer komplizierten Beziehung
Zusammenfassung
Die Einstellung politischer Parteien in Deutschland zum Islam ist an vielen Stellen ambivalent. Das demokratische Selbstverständnis der Parteien zielt naturgemäß darauf ab, möglichst viele Menschen von der eigenen Vorstellung einer Gestaltung der Gesellschaft zu überzeugen. Die wachsende Bevölkerungsgruppe der Muslime in Deutschland übt vor diesem Hintergrund eine steigende Attraktivität als potenzielle Wählerschaft aus (Blume 2007). Gleichzeitig gibt es aber in einigen Bevölkerungsteilen Ängste vor der Verwurzelung des Islam in Deutschland, was bisweilen zu massiven Abwehrreaktionen führt. Je mehr sich die Stammwählerschaft einer Partei nun aus solchen Teilen der Bevölkerung rekrutiert, desto schwieriger wird der zu vollführende Spagat zwischen der Einbindung und der Abgrenzung von Muslimen.
Mohammed Shakush
Der Islam und die Evangelische Kirche in Deutschland
„Klarheit und gute Nachbarschaft”?
Zusammenfassung
Neuere Studien zeigen eine weite Verbreitung islamophober Stimmungen in Deutschland. Nachgewiesen werden ein erschreckendes Ausmaß an Vorurteilen und Unkenntnis über den Islam und seine Vielfalt in der bundesrepublikanischen Bevölkerung, mangelnde Differenzierung zwischen Islam, Islamismus und islamistisch motiviertem Terrorismus und große Kommunikationsdefizite zwischen Muslimen und autochthoner Gesellschaft. Reißerische Medienberichte über „Parallelgesellschaften” und Ausländerkriminalität, über unterdrückte Frauen, Ehrenmorde oder Zwangverheiratungen. tragen zu dieser Stimmungslage bei, vermitteln das Bild einer archaischen Religion, die in der Moderne noch gar nicht angekommen ist und deren Angehörige in unsere Gesellschaft nicht integrierbar sind.
Wolf-Dieter Just
Die katholische Kirche auf dem Weg zur ‚robusten Ökumene’
Vernunft und Glaube in Regensburg
Zusammenfassung
Mit seiner Regensburger Rede vom 12. September 2006 kam Papst Benedikt XVI. seinem Renommee als akademischer Lehrer noch einmal entgegen, und dies mit seinem Steckenpferd, der Erzählung vom hellenistischen Christentum (Ratzinger 2006; letztgültige, mit Anmerkungen versehene Fassung der Rede). Schon in seiner Bonner Antrittsvorlesung von 1959 war diese Erzählung Thema (Ratzinger 2005). Sie fand Eingang in die Enzyklika Ratio et Fides (1998) von Papst Johannes Paul II. und in diverse populäre Darstellungen Joseph Ratzingers für den Büchermarkt. In der Erklärung Dominus Iesus von 2000 verdichtete sie sich schon zum Dogma, dem gegenüber das Dokument von der gesamten Kirchenhierarchie „Gehorsam” einforderte. In Regensburg diente sie zur Scheidung zwischen den ‚Vernünftigen’, die an die Geschichte vom hellenistischen Christentum glauben sollen, und – allen Anderen. Gegen die Muslime unter letzteren ließ er den byzantinisch-orthodoxen Kaiser, Manuel II., mit einer Beleidigung zu Wort kommen: An Neuem habe Muhammad „nur Schlechtes und Inhumanes” gebracht, und ein Nebensatz erläuterte, „wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten”.
Jobst Paul

Personelle Isalmfeindlichkeit

Frontmatter
Die Schattenseite der Islamkritik
Darstellung und Analyse der Argumentationsstrategien von Henryk M. Broder, Ralph Giordano, Necla Kelek, Alice Schwarzer und anderen
Zusammenfassung
Eines fällt beim Blick in das „islamkritische” Schrifttum des deutschsprachigen Raums schnell auf: Die erste Garde der so genannten Islamkritiker bildet einen gut vernetzten Zirkel. Die meisten Protagonisten schätzen sich, stehen füreinander ein und verweisen aufeinander. In Interviews, Diskussionsbeiträgen und Schriften sind sie einer dem anderen Gewährsmann, Inspirationsquelle und Vorbild. Das gilt etwa für Mina Ahadi, Henryk Broder, Ralph Giordano, Necla Kelek, Alice Schwarzer, Udo Ulfkotte oder Leon de Winter, aber auch für Internetseiten wie Akte Islam, Bürgerbewegung Pax Europa, Die grüne Pest, Gudrun Eussner oder Politically Incorrect, um nur einige aufzuzählen.
Thorsten Gerald Schneiders
Islamkritik und antimuslimische Positionen am Beispiel von Necla Kelek und Seyran Ateş
Zusammenfassung
Derzeit wird um die Rolle „des” Islam in der deutschen Gesellschaft heftig debattiert. In den Medien ist diese Frage ein Dauerthema, die Regierung hat eigens eine Islamkonferenz einberufen und zahlreiche Gerichtsverfahren sind anhängig, um strittige Fragen zu klären. Bei diesen Fragen geht es vor allem darum, ob und wie „der” Islam in die deutsche Gesellschaft zu integrieren sei beziehungsweise wieweit sie sich ihm gegenüber öffnen soll und muss. In dieser Auseinandersetzung haben sich vor allem auch muslimische Kritikerinnen wie Necla Kelek und Seyran Ateş profiliert, und nachdrücklich die Frage nach der Vereinbarkeit von Islam und demokratischer Gesellschaft gestellt.
Birgit Rommelspacher
Hans-Peter Raddatz: Islamkritiker und Geistesverwandter des Islamismus
Zusammenfassung
Im Mai 2001 erschien bei Herbig das über 500 Seiten starke Werk Von Gott zu Allah. Ohne die Ereignisse des 11. September wäre es vielleicht in der Versenkung verschwunden. Aber so läutete es als Beispiel politischen Weitblicks die bemerkenswerte publizistische Karriere seines Verfassers Hans-Peter Raddatz als einem der bekanntesten Islamkritiker Deutschlands ein. Bis zu 25.000 Exemplare werden von seinen Büchern, seit 2001 pro Jahr eins, verkauft (Die Zeit, 27.1.05). Rezipiert werden sie von einem ideologisch weit gestreuten Leserkreis. Raddatz publiziert in der linkskatholischen Zeitschrift Neue Ordnung, in Die Welt (17.1.06; 22.9.06), aber auch in der Jungen Freiheit (6.4.01). Die konservative Hanns-Seidel-Stiftung lädt ihn als Experten ein (Raddatz 2005a), ebenso das Studienzentrum Weikersheim (studienzentrum-weikersheim.de), zugleich findet er Annerkennung bei linken Antideutschen (Knoop/Osten-Sacken 2004; Jungle World 3.11.05) und Alice Schwarzer (Rohe 2007). In einschlägigen Weblogs wie Politically Incorrect oder Fakten & Fiktionen sowie auf den Internetseiten von Antimoscheebaukampagnen wird Raddatz in Dutzenden von Postings als Autorität zitiert. 1 In den USA wurde er vom konservativen Internetmagazin Front Page Magazine interviewt (10.6.05; 21.5.08), in der Schweiz von der SVP-nahen Weltwoche (16/2004), während in der Türkei die linksnationalistische Aydιnlιk seine Schriften anpreist (vgl. moschee-schluechtern.de).
Martin Riexinger
Das halbierte Humanum. Wie Ralph Giordano zum Ausländerfeind wurde
Zusammenfassung
Ralph Giordano war einmal eine moralische Autorität in Deutschland. Mit seinen aufrüttelnden Reportagen, seinem als literarisches Kunstwerk zwar nicht bedeutenden, menschlich aber anrührenden Roman Die Bertinis sowie seinem politisch- psychologischen Traktat die Zweite Schuld gehörte er über Jahrzehnte zu jenen Stimmen, die einer selbstgerechten und indolent gewordenen westdeutschen Gesellschaft den Spiegel vorhielt. Nun jedoch, in seinem fünfundachtzigsten Jahr ist der Autor zu eben dem geworden, was er jahrelang analysiert und damit an den Pranger gestellt hat: zu einem von dumpfen Ressentiments getriebenen Kleinbürger, der – von undurchschauten Vorurteilen getrieben – seine liebe Not und Mühe hat, sich des überreichen Beifalls von der falschen, der rechten Seite zu erwehren. Mit seinem Engagement gegen die Errichtung einer Moschee in Köln-Ehrenfeld, mit Äußerungen in Interviews über tief verschleierte muslimische Frauen, die bei aller begrüßenswerten Gegnerschaft zum Islamismus jenseits des Akzeptablen stehen, sowie seinen düsteren Untergangsahnungen wurde der Aufklärer von einst zum Propheten von Rechts, zum selbststilisierten und selbstgerechten Siegelbewahrer westlicher Freiheit.
Micha Brumlik
Backmatter
Metadata
Title
Islamfeindlichkeit
Editor
Thorsten Gerald Schneiders
Copyright Year
2010
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92385-7
Print ISBN
978-3-531-17440-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92385-7