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15-04-2016 | Krisenkommunikation | Kommentar | Article

Wie ehrlich dürfen Pressesprecher sein?

Author: Anja Schüür-Langkau

2:30 min reading time

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Daniel Abbou, Pressesprecher des Berliner Großflughafens BER, wurde freigestellt, weil er zu offen und ehrlich war. Warum sich das Unternehmen damit selbst schadet. 

Presse- oder Unternehmenssprecher brauchen Fingerspitzengefühl. Besonders, wenn das Unternehmen in die Kritik gerät, sollten sich Öffentlichkeitsarbeiter schnell und transparent äußern. Wer jedoch zu offen gegenüber den Medienvertretern ist, kann sich selbst schnell ins Aus manövrieren.

Offenheit zahlt sich nicht immer aus

Diese Erfahrung hat gerade Daniel Abbou gemacht. Der Pressesprecher des Berliner Großflughafens BER legt in einem Interview mit dem "PR-Magazin" die Fehler seiner Vorgänger und der Geschäftsführung schonungslos offen. Aus deren Sicht scheint er dabei seine Kompetenzen überschritten zu haben. Nach knapp 100 Tagen wurde er nun von seinem Job freigestellt.

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Zu Fall brachten ihn Medienberichten zufolge Sätze wie "Glauben Sie mir, kein Politiker, kein Flughafendirektor und kein Mensch, der nicht medikamentenabhängig ist, gibt Ihnen feste Garantien für diesen Flughafen" oder "Früher wurde meist gesagt: Nein, es ist alles gut. Das ist Bullshit. Bekenne dich dazu, wenn etwas scheiße gelaufen ist".

Auch wenn die Ausdrucksweise unglücklich erscheint, hat Daniel Abou im Grunde nur das kritisiert, was der Öffentlichkeit längst bekannt war: das eklatante Missmanagement der Dauerbaustelle Berliner Flughafen.

Erfolgsfaktoren der Krisenkommunikation

Ein Pressesprecher der versucht, durch Offenheit, Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen, hat eigentlich alles richtig gemacht und die "Erfolgsfaktoren der Krisenkommunikation" beherzigt.  Diese hat Springer-Autor Wolfgang Immerschitt folgendermaßen zusammengefasst (Seite 45). Demnach sollten Unternehmen in der Krise

  • offen, transparent und ehrlich sein
  • proaktiv kommunizieren
  • Fakten statt Vermutungen kommunizieren
  • Bedürfnisse der Medien beachten
  • Ruhe und Geduld bewahren
  • Erreichbarkeit sicherstellen

Ist Abbou ein Vorbild für die PR-Branche?

Flughafen-Chef Karsten Mühlenfeld sah das offenbar anders und begründete die Trennung mit der fehlenden Abstimmung des Interviews mit der Geschäftsführung. Dies sei jedoch nicht unbedingt üblich und beschneide die Funktion eines Pressesprechers, meint Medientrainer Tom Buschardt. "Kein selbstbewusster und erfahrener PR-Chef käme auf die Idee, dem Vorstand seine Aussagen als Pressesprecher vor der Veröffentlichung noch einmal vorzulegen. Dass BER-Chef Karsten Mühlenfeld ihn mit dieser Begründung von seinen Aufgaben entbindet, zeugt von einem seltsamen Verständnis der Aufgabenteilung", kommentiert er im "Manager Magazin" den Fall. Buschardt sieht Daniel Abbou sogar als "Vorbild" für die PR-Branche.

Fehler nicht beschönigen, aber sachlich bleiben

Der Ansatz, Fehler nicht zu beschönigen und offen zu kommunizieren, ist dem BER-Sprecher hoch anzurechnen. Denn oft genug müssen sich Medienvertreter über weichgespülte und veränderte Zitate ärgern, die mit den Aussagen im Live-Interview wenig gemein haben. Doch die teilweise flapsige Wortwahl des Sprechers freut zwar die Journalisten, führt aber eher von den eigentlichen Problemen des Flughafens weg. Daher gilt die Vorbildfunktion nur bedingt. Mehr Sachlichkeit wäre zielführender gewesen. Wie so oft im Leben, macht der Ton die Musik. 

Die Verantwortlichen des Flughafens aber haben durch ihre überzogene Reaktion gleich die nächste Kommunikationskrise heraufbeschworen und schaden dem Unternehmen letztlich mehr als dem gechassten PR-Chef.

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Background information for this content

2014 | OriginalPaper | Chapter

Die Krise ist da

Source:
Kommunizieren in der Krise

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