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15-01-2021 | Mittelstand | Kommentar | Article

KMU müssen Insolvenzantrag rechtzeitig stellen

Authors: Marion Gutheil, Dr. Franc Zimmermann

5:30 min reading time

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Das Schlimmste, was einem Unternehmer oder Geschäftsführer passieren kann, ist ein Insolvenzverfahren, denken viele. Die beiden Experten Marion Gutheil und Franc Zimmermann sehen das ganz anders. Für sie ist eine Insolvenz ein Lösungsinstrument.

Alle negativen Dinge, die über Insolvenzverfahren zu hören sind, wie die Zerschlagung des Unternehmens, des Lebenswerks, Arbeitsplatzverlust der Mitarbeiter, persönliche Inanspruchnahme des Geschäftsführers, dessen eigene Insolvenz und Strafverfahren sind zumeist nicht Folge einer Firmenpleite an sich. Sie sind vielmehr Ergebnis einer verspäteten Insolvenzantragstellung

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Das unterscheidet auch in den meisten Fällen ein Insolvenzverfahren bei größeren Unternehmen von einem in kleineren und mittleren Unternehmen (KMU). Denn Großunternehmen sind in der Regel gut juristisch und steuerlich beraten und stellen rechtzeitig einen Insolvenzantrag mit dem Ziel einer Sanierung. Bei KMUs herrscht aufgrund falscher Vorstellungen und fehlender Beratung häufig Angst aus Unwissenheit vor.

Das Insolvenzverfahren ist ein Lösungsinstrument

Ein Insolvenzverfahren ist kein Strafverfahren und will auch nicht sanktionieren. Mit einem Insolvenzverfahren wird versucht, die Situation aufzulösen, in der die Zahlungsmittel nicht mehr zur pünktlichen Bezahlung aller fälligen Verbindlichkeiten ausreichen. Das heißt, es gilt, damit die festgefahrenen wirtschaftliche Situation zu überwinden.

Damit ist es im Hinblick auf die Ursache und die Lösung zunächst neutral. Wird der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt, beseitigt das Insolvenzverfahren meistens nicht nur das Insolvenzproblem des Unternehmens, sondern auch das Problem des Inhabers oder Geschäftsführers. So steht es in § 1 der Insolvenzordnung (InsO): Ziel des Insolvenzverfahrens ist die bestmögliche gleichmäßige Gläubigerbefriedigung und nach Möglichkeit der Erhalt des schuldnerischen Unternehmens.

Rechtzeitige Antragstellung als Schlüsselfaktor

In Deutschland werden aber Insolvenzanträge in der Regel zwischen zwölf und achtzehn Monaten zu spät gestellt. Genau darin liegt das Problem. Denn dann kommen tatsächlich Probleme auf den Inhaber beziehungsweise Geschäftsführer des Unternehmens zu. Der Gesetzgeber hielt es für richtig, dass verspätete Insolvenzantragstellungen sanktioniert werden. Dahinter steckt die Vorstellung, dass dies motiviert, rechtzeitig zu handeln.

Tatsächlich verfolgt der Staat dabei eigene wirtschaftliche Interessen: Denn erfolgt der Insolvenzantrag zu spät, kommt es zu einer Schadensvertiefung bei den Gläubigern, insbesondere Zulieferern, den Sozialversicherungsträgern und dem Finanzamt. Zudem sind dann kaum noch Sanierungsinstrumente und -optionen gegeben, sodass zusätzlich Belastungen des Staates durch Arbeitsplatzverluste drohen. Das soll vermieden werden. Die Rechnung ist also einfach. Wird rechtzeitig ein Insolvenzantrag gestellt, besteht die Wahrscheinlichkeit für einen guten Ausgang. Wird hingegen verspätet oder gar durch einen Dritten ein Insolvenzantrag gestellt, soll das – allein schon als Warnhinweis für andere – sanktioniert werden.

Gründe für verspätete Insolvenzantragstellung

Doch warum stellen Unternehmer dann häufig nicht rechtzeitig den notwendigen Insolvenzantrag? Das hat unter anderem folgende Gründe: 

  1. Ein Unternehmer muss wie ein Unternehmer denken und lebt in gewisser Weise vom Prinzip Hoffnung. Wenn er nicht darauf bauen würde, dass er am nächsten Tag Absatz generieren und neue Kunden akquirieren kann, könnte er als Unternehmer keinen Tag weiter tätig sein. 
  2. Aus der oben geschilderten Haltung heraus wird eine Krise nur als vorübergehende Erschwernis gesehen, sodass der Zeitpunkt, an dem ein Insolvenzantrag zum Schutz des Fortbestands des Unternehmens gestellt werden sollte, überschritten wird.
  3. Es fehlt an der Distanz zum Unternehmen. Ein angestellter Manager in einem Großunternehmen wird sich mit dem Unternehmen identifizieren, er hat aber nicht eine solch große Nähe zu dem Unternehmen wie etwa ein Mittelständler, für den das Unternehmen sein Lebenswerk und -inhalt ist. Daher kann ein angestellter Manager leichter seine Hemmschwelle überwinden und einen Insolvenzantrag stellen, um das Unternehmen zu erhalten.
  4. Der Unternehmer interpretiert in seine Insolvenzsituation ein persönliches Versagen hinein oder befürchtet, dass andere dies ebenfalls so sehen.
  5. Es herrscht allgemeinhin eine Fehlvorstellung von den Insolvenzgründen vor. Maßgebliche Insolvenzgründe sind Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Der Insolvenzgrund der Überschuldung gilt jedoch nur bei juristischen Personen und Nachlässen. Zahlungsunfähigkeit besteht, wenn der Schuldner nicht innerhalb von drei Wochen aus seinen liquiden Mitteln mindestens 90 Prozent seiner fälligen Verbindlichkeiten decken kann. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt und die Fortführung des Unternehmens nicht überwiegend wahrscheinlich ist, wobei es nicht ausreicht, wenn der Unternehmer beziehungsweise Geschäftsführer hierauf hofft.

Antragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit in der Corona-Krise

Durch die gesetzlichen Erleichterungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie war die Antragspflicht bis Ende 2020 nur im Falle einer Überschuldung ausgesetzt, und dies auch nur, wenn diese nicht bereits vor der Pandemie vorlag. Die Antragspflicht bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit bestand weiterhin. Da sich die vollständige Auszahlung der Novemberhilfen durch den Staat aufgrund technischer Schwierigkeiten bis in den Januar verzögert, wurde nun die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht allerdings bis Januar verlängert.

Was also ist zu tun? Die Antwort ist so simpel wie schwierig für den Unternehmer: Eine gesunde Distanz zum Unternehmen aufbauen und objektiv und losgelöst vom eigenen Hoffnungsdenken überprüfen, ob eine Insolvenzantragspflicht besteht oder droht und entsprechend handeln. 

Handlungsempfehlungen für betroffene Unternehmen

Ratsam ist, dass sich der Unternehmer in der Krise und rechtzeitig vor Insolvenzantragspflicht fachkundig beraten lässt. Das kostet Geld. In einer Insolvenzsituation wird das aber mit das am besten angelegte Geld sein. Denn es hilft, Sicherheit und Klarheit zu schaffen und eine persönliche Haftung zu vermeiden. Auch wird der Experte einen Rat zur richtigen Verfahrensart – Schutzschirm, Eigenverwaltung oder Regelabwicklung – geben und in dieses Verfahren begleiten.

Aber hat der Unternehmer nicht versagt? In Einzelfällen mag dies vorkommen. Das ist aber nicht relevant. Wer erkrankt, mag sich auch die Frage stellen, ob er durch eine gesündere Lebensweise auf eine Vermeidung der Erkrankung hätte hinwirken können. Für den behandelnden Arzt ist das aber gleichgültig, denn sein Ziel ist die Heilung. Nichts anderes gilt für ein Insolvenzverfahren und den Insolvenzverwalter. 

Erhaltung von Unternehmen ist das Ziel

Die Insolvenzordnung will helfen, Betriebe zu erhalten. Das in den geeigneten Fällen zu tun, ist Aufgabe des Insolvenzverwalters oder in der Eigenverwaltung des Unternehmers selbst mit Unterstützung des Sachwalters. Die Insolvenzordnung und rechtliche Randgebiete sehen Regelungen genau für diesen Fall vor und versuchen, zu einer Sanierungslösung beizutragen. Diese Sanierungsinstrumente können aber nur optimal genutzt werden, wenn der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt wird. 

Alle tagesaktuellen Beiträge rund um die Corona-Krise finden Sie hier

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