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2014 | OriginalPaper | Chapter

5. Öffentlichkeit und zivile Gesellschaft vor 1989

Author : Helmut Fehr

Published in: Eliten und zivile Gesellschaft

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Perspektiven der zivilen Gesellschaft gründen in Ostmitteleuropa auf Annahmen der Selbstorganisation, die sich in Polen und der Tschechischen Republik mit den Protesterfahrungen neuer politischer Generationen nach 1968 abzeichnen: So war die Wiederbelebung von Ideen der zivilen Gesellschaft in der Spätphase des „Real-Sozialismus“ eng verknüpft mit spontanen Mobilisierungsprozessen in den Jahren 1976, 1980 und 1989, die auf dem wechselseitigen Zusammenhang von Protest und der Bildung einer neuen „gesellschaftlichen Infrastruktur“ gründeten: Sozialer Aktivismus von Bürgern, „Nicht-Eliten“ und ausgeschlossenen Gruppierungen der Bevölkerung bilden eine Voraussetzung von Gegenöffentlichkeiten und „authentischem“ gesellschaftlichem Leben. In Polen und der Tschechoslowakei verbanden sich in den siebziger Jahren hierbei politische Forderungen zur Einlösung der Menschen- und Bürgerrechte mit strategischen Zielen einer zukünftigen Bürgergesellschaft, deren Umrisse in informellen Initiativen ersichtlich wurden. In den politischen Diskursen von Bürgerkomitees und dissidentischen Gegeneliten erfolgte in exemplarischer Weise eine Wiederaneignung von normativen Grundlagen der zivilen Gesellschaft, die bis auf politische und kulturelle Selbstverständigungsdebatten der Intelligenz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückgehen. Eine Besonderheit ist hier festzuhalten: Das analytische Konzept der Zivilgesellschaft folgte in Ostmitteleuropa nicht abstrakten Fragen der Modellierung des politischen Lebens, sondern reagierte auf gesellschaftliche Problemlagen, die sich in den „real-sozialistischen“ Ländern an kulturellen Widersprüchen entzündeten: Wie können politische Akteure die verbreiteten Erfahrungen von Angst als Barriere für politischer Beteiligung überwinden? Wie ist ein Leben in Würde und Selbstbestimmung vorstellbar? Auf welchen Grundlagen können „staatsunabhängige“ Institutionen aufgebaut werden?

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Footnotes
1
Dazu: B. Kimmel Reinfeld, Karel Havliček (1821–1856): A National Liberal Leader of the Czech Renascence, Ann Arbor 1979, S. 41f.; G.J. Morava, Der k.k. Dissident Karel Havliček, Wien 1985; S. 152f.; T.G. Pešek, Karel Havliček and the Origins of Czech Political Life, Ann Arbor 1971, S. 87.
 
2
Gleichwohl werden die Arbeiterproteste von 1970 mitunter in der Forschungsliteratur noch als Zäsur für die Herausbildung eines autonomen Klassenbewußtseins und für die Entstehung von Solidarność betrachtet. Dazu: R. Laba, The Roots of Solidarity – A Political Sociology of Poland`s Working Class Democratization, Princeton N.J. 1990, S. 3 ff.
 
3
J.Kuroń, Polityczna opozycja w Polsce (1973), in: J.Kuroń, Opozycja –Pisma Polityczne 1969–1989, Warszawa 2010, S. 43.
 
4
Dazu: Edward Abramowski (1917): Kooperatywa jako sprawa wyzwolenia ludu pracującego, Warszawa: Wyd. Warszawskiego Związku Stowarzyszeń Spożywczych; Urszula Dobrzycka (1991): Abramowski, Warszawa:WP.
 
5
Das gilt auch noch für die Bewegung „ROPCziO“ (Bewegung zur Verteidigung von Menschen- und Bürgerrechten), die sich 1977 neben dem KOR bildete und in der sich politische Personenzirkel sammelten, die auf eine Erneuerung „nationaler“ Ideenhorizonte zielten (Hemmerling/Nadolski 1994:165–171, 193–197).
 
6
In begriffshistorischen Studien zur Rolle politisch engagierter Intellektueller in Polen vor 1968 schreibt Michnik mit Bezug auf die Figur Antoni Słonimski: „Der Salon war eine elitäre Institution, aber eine demokratische … eine Enklave der souveränen Freiheit“ (Michnik 2003:31).
 
7
Die Spannbreite der Gründungsmitglieder reichte von liberalen Parteimitgliedern (Bratkowski), über aktive Katholiken (Wielowieyski, KIK) bis zu Journalisten, die sich in Zeitschriften und Zirkeln der demokratischen Opposition engagierten (Dziewanowski). Formal bildete die Gruppe ein Institut „Erfahrung und Zukunft“, das sich als Untergliederung des Kollegiums der Gesellschaft der Freien Polnischen Universität aufgefasste. Gegenstand der Arbeit des Instituts war die Durchführung von Meinungsbefragungen. Dazu: Gruppe „Erfahrung und Zukunft“ (DiP), Symptome und Ursachen der polnischen Krise, in: W. Brus u. a., Polen – Symptome und Ursachen der polnischen Krise, Hamburg 1981, S. 50. J. Holzer, Solidarität – Geschichte einer freien Gewerkschaft, München 1985, S. 107.
 
8
T. Wołek, Dziekania, in: Królowa Apostołów, 1989, Nr. 2, S. 15.
 
9
Biuletyn Klubu Myśli Politycznej Dziekania, Warszawa 26.XI 1988. Ferner: Oświadczenie i deklaracja KMP Dzeikania, Gdańsk 25.8.1988.
 
10
Erklärung des Klubs „Jan Strzelecki“ vom 21.9.1989, o. O., Ms.
 
11
Ersterklärung der Charta 77 vom 1.1.1977, in: Listy-Blätter, Februar 1977, S. 2.
 
12
Dazu: Erklärung von Charta 77 und KOR vom 12.2.1984, in: Gegenstimmen, Nr.15, Wien 1984, S. 29.
 
13
Dazu: Benda u. a. 1988; Mazowiecki 1990; Havel 1990; Hankiss 1990; Templin 1989; Templin/Weißhuhn 1991:148–165; Poppe 1988/1990: 63–80; Poppe 1995: 256–262; Weißhuhn 1987/1989: 141–143.
 
Metadata
Title
Öffentlichkeit und zivile Gesellschaft vor 1989
Author
Helmut Fehr
Copyright Year
2014
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-04377-3_5