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10-03-2022 | Recruiting | Schwerpunkt | Article

Sind Quereinsteiger die wahren Spezialisten?

Author: Michaela Paefgen-Laß

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Deutsche Beschäftigte sind selbstbewusst und flexibel. Als Quereinsteiger behaupten sie sich in Jobs, für die sie nicht ausgebildet wurden. Warum Arbeitgeber auf der Suche nach Fachkräften Bewerber mit Teilqualifikationen oder Lücken im Lebenslauf nicht länger übersehen sollten, belegen Studien.

Wer schafft das eigentlich alles weg? Sollen kritische Ressourcen von Unternehmen weiterhin geschützt bleiben, muss die Zahl der Experten für Cyber-Sicherheit weltweit um 65 Prozent wachsen – diese drückende Erkenntnis ist in der (ISC)² "Cybersecurity Workforce Study 2021"nachzulesen. Sollen Klimaziele erreicht werden, muss der Fachkräftemangel in den sogenannten energierelevanten und grünen Berufen gedeckelt werden. Wer steht am Bau und realisiert die Konzepte der Öko-Architekten oder installiert die Solaranlage?

In der Energietechnik, der Elektrotechnik und Klimatechnik fehlten 2020 laut Bundesagentur für Arbeit bis zu 21.400 Fachkräfte. Personallücken klaffen auch im Sozialwesen, dem Gesundheitssektor oder der Gastronomie. Das zwingt Unternehmen zum Blick über den Tellerrand des deutschen Ausbildungswesens. Die Frage lautet: Braucht es in einer spezialisierten Arbeitswelt überhaupt noch vollqualifizierte Arbeitskräfte?

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Recruiting – Möglichkeiten und Chancen in Zeiten des Fachkräftemangels

Führungs- und Schlüsselpositionen mit den richtigen Personen zu besetzen und leistungsfähige Mitarbeiter zu binden, sind zwei der größten Herausforderungen für die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum von Unternehmen.

Quereinsteiger bereichern die IT-Branche

"Pathways to cybersecurity are changing", schreiben die Autoren der Cybersecurity-Studie und zeigen, wie ihre Branche bereits von Quereinsteigern profitiert. Zwar sind 47 Prozent der knapp 1.000 weltweit befragten Cybersecurity Professionals klassisch ausgebildete ITler mit Rundum-Know-how. Die andere Hälfte aber ist über alternative Routen in die Cyber-Sicherheit gelangt: 17 Prozent kamen aus nicht verwandten Berufsfeldern, 15 Prozent erhielten Zugang durch Cyber-Sicherheitsschulungen und weitere 15 Prozent eigneten sich und ihr Wissen auf eigene Faust und aus Interesse an der Cyber-Sicherheit an. Dass immer mehr Unternehmen ihren Personalbedarf nicht mehr nur mit Vollprofis decken, belegte im 2020 auch die Studie "Über Teilqualifikationen erfolgreich in den Beruf" der Bertelsmann-Stiftung.

Jobsuchende oder wechselwillige Beschäftigte auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind flexibel. Vier von zehn ausgebildeten Fachkräften (42,5 Prozent) haben sich als Quereinsteiger bereits bewiesen und von den übrigen kann sich einen Quereinstieg in ein anderes Berufsfeld immerhin jeder Zweite vorstellen. Das ergab im Herbst 2021 eine bundesweite Befragung von 2.000 ausgebildeten Fachkräften des Portals Meinestadt.de. Die Studie "Decoding Global Reskilling and Career Shifts" der Boston Consulting Group zeigt wohin es Arbeitnehmende zieht, wenn sie einen Quereinstieg wagen. Es sind die Berufsfelder, deren Anforderungen ihren Fähigkeiten am besten entsprechen, die ihnen vertraut sind und ihnen Sicherheit versprechen: "This explains the interest among IT and technology workers in digitization jobs, and vice versa."

Win-win-Situation Quereinstieg

"Der Bewerbermarkt ist leergefegt, neue Wege müssen her", fordert Springer-Autor Carsten Köppl die IT-Branche zum Umdenken in seinem Aufsatz "Fachkräftemangel durch Quereinsteiger abfedern" auf. "Die Chancen auf eine Einstellung stehen für erfahrene Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger meistens mäßig bis schlecht. Nachweise über Kenntnisse und Erfahrungen können sie oftmals nicht oder kaum vorweisen", stellt er ernüchternd fest (Seite 383). Das führt zu Unsicherheiten auf Bewerber- wie Unternehmensseite. 

Fehlen formelle Nachweise wie Ausbildungszeugnisse oder Zertifikate, haben Personaler wenig an der Hand, mit dem sich ein objektiver Eindruck bezüglich der Fähigkeiten ihres ungelernten Gegenübers verschaffen lässt. Auch die Kandidatinnen und Kandidaten wissen oftmals nicht, wie ihr Wissen auf ihre Erfahrungen zum Niveau des ausgeschriebenen Jobs passen. Selbst wenn beide Seiten den Quereinstieg bereits als Chance begriffen haben, brauchen sie Instrumente, die sie im Einstellungsprozess beratend begleiten. Simone Wamsteker, Accenture, sagt dazu in "Experten-Interviews: Das sagen Vertreter von Firmen und Institutionen" (Seite 50):

Wobei wir hier auch bereits das Beispiel hatten, dass jemand nicht zu Ende studiert hat, 40 Jahre alt ist und sich aber in den letzten Jahren sehr intensiv mit Java-Programmierung beschäftigt hat. Er selbst glaubte nicht, dass er für uns interessant ist. [...] Über solche vielleicht auch ungewöhnlichen Lebensläufe bereichern wir unsere Teams ungemein, denn es hilft uns extrem, um bei den Kunden die richtigen Lösungen erarbeiten zu können.

Testverfahren bringt Unternehmen und Quereinsteiger zusammen

Das von der Bertelsmann-Stiftung und der Bundesagentur für Arbeit entwickelte mehrsprachige, niederschwellig zugängliche Testverfahren Myskills soll helfen, die Handlungsfähigkeit von Bewerbenden präzise einzuschätzen. Arbeitsuchende können damit ihre Vorerfahrungen und speziellen Skills für einen Job auch ohne Zeugnisse darstellen. Arbeitgebern hilft es den weiteren Schulungs- oder Qualifizierungsbedarf zu identifizieren. 

An der Entwicklung beteiligt waren unter anderem Vertreter der Berufs- und Fachschulen, der Innungen, Unternehmen und Systemintegratoren aus der IT. Carsten Köppel beschreibt, wie sich das Testverfahren, das es aktuell für 30 Berufe und in sechs Sprachen gibt, nutzen lässt, um den Fachkräftemangel in der IT durch Quereinsteiger abzufedern. Der Test ist in fünf Handlungsfelder gegliedert (Seite 384):

  1. Einfache IT-Systeme zusammenbauen, installieren, konfigurieren, warten und instand setzen
  2. IT-Netzwerke installieren, integrieren, erweitern und konfigurieren
  3. Maßnahmen zur IT-Sicherheit anwenden und Server und ihre Dienste installieren, konfigurieren und warten
  4. Mit Datenbanken und Datenbankmanagementsystemen arbeiten
  5. Programmierungen anwenden und prüfen

Die Fragen orientieren sich an der realen Berufspraxis und der deutschen Ausbildungsordnung. Der Arbeitgeberservice der jeweiligen Arbeitsagentur unterstützt Unternehmen, die das Testverfahren für die eigene Mitarbeitergewinnung nutzen möchten. Dort können offene Stellen gemeldet und die betrieblichen Einsatzfelder beschrieben werden.

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