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27-01-2016 | Steuerrecht | Interview | Article

"Der Faktor Zeit spielt bei Unternehmenskrisen eine entscheidende Rolle"

Author: Sylvia Meier

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Interviewee:
Raik Brete

Raik Brete ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Steuerrecht.

Die Beratung eines Unternehmens ist auch für den Berater mit Risiken verbunden. Im Interview erläutert Springer-Autor Raik Brete, welche Faktoren hier eine Rolle spielen.

Springer Professional: Spätestens in der Unternehmenskrise kommen Mandanten auf Berater zu. Doch steht die Uhr bereits fünf vor zwölf, ist auch die Situation für den Berater nicht einfach. Was sind die größten Herausforderungen in diesen Beratungsfällen?

Raik Brete: Die größte Herausforderung für den Berater ist, dass er in kürzester Zeit zwei Dinge tun muss: er muss zunächst herausfinden, warum es überhaupt zu einer Krise gekommen ist, d.h. er muss die Krisenursachen ermitteln. In einem nächsten Schritt muss der Berater dann Handlungsempfehlungen geben, die - so die Theorie und Wunschvorstellung des Mandanten - geeignet sind, die Krisenursachen nachhaltig zu beseitigen. Bereits die Ermittlung der Krisenursachen bereitet fast immer Schwierigkeiten, denn diese sind äußert vielfältig und kein Fall ist wie der andere. Ohne dass die Krisenursachen zumindest einigermaßen sicher festgestellt sind, können auch keine geeigneten (Gegen-)Maßnahmen eingeleitet werden. So wird oftmals nicht hinreichend ermittelt oder festgestellt, ob es sich um externe oder interne (oder beides) Krisenursachen handelt, was sich dann in bloßen Aktionismus niederschlägt. Gerade Rechtsanwälte neigen dazu, erst einmal viel Papier vollzuschreiben oder Unternehmensberater befüllen Excel-Tabellen mit Zahlen, ohne dass erkennbar ist, was konkret erreicht werden soll. Fehlt es dem Unternehmen beispielsweise nur an einem vernünftigen Forderungsmanagement bzw. Mahnwesen als krisenauslösende Ursache, muss weder viel Papier vollgeschrieben werden, noch müssen Excel-Tabellen in allen denkbaren Formen und Farben erstellt werden, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen.
Schließlich besteht eine weitere Herausforderung in der Insolvenzantragspflicht des § 15a Insolvenzordnung (InsO). Es gibt kaum einen Fall, in dem die Antragsfrist von lediglich 3 Wochen nicht bereits abgelaufen ist, wenn Berater – insbesondere Rechtsanwälte, die regelmäßig nicht in einem Dauermandat stehen – hinzugezogen werden. Der Berater muss daher in kürzester Zeit auch die Entscheidung treffen, ob eine Antragstellung erforderlich ist, um den Mandanten vor einer strafrechtlichen Inanspruchnahme zu bewahren.

Warum ist das Haftungsrisiko für einen Berater gerade bei einem Krisenmandat so hoch?

Das Haftungsrisiko ist deshalb so hoch, weil die Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass der Berater verpflichtet ist, seinen Mandanten allumfassend und ggf. auch ungefragt über alle in Betracht kommenden Möglichkeiten und Risiken aufzuklären und entsprechende Handlungsempfehlungen zu geben. Dies lässt sich in der Praxis aber nicht so ohne weiteres umsetzen. Eine solche Beratung setzt mindestens voraus, dass dem Berater alle erforderlichen Informationen und Unterlagen vorliegen. Krisenberatung ist aber keine Klausursituation oder eine ex post Betrachtung, wie sie "irgendwann einmal" ein Gericht im Rahmen einer Haftungsklage vornimmt, wo der zu beurteilende Sachverhalt feststeht und sich nicht mehr ändert. Gerade in der Krise ändert sich der Sachverhalt ständig, je nach Fall täglich oder auch stündlich. Darauf soll der Berater stets adäquat reagieren und den Mandanten zugleich über alle in Betracht kommenden Risiken und Handlungsoptionen aufklären. Um sich später ggf. exkulpieren zu können, muss der Berater dies alles auch noch dokumentieren, was für sich gesehen schon an zeitliche Grenzen stößt.

Welche Rolle spielt das Verhältnis von Berater und Mandant, wenn ein Unternehmen in Schieflage gerät?

Das Verhältnis "Berater - Mandant" ist ein Vertrauensverhältnis, ähnlich wie beim Arzt und Patient, und spielt somit die entscheidende Rolle in jedem Mandat, besonders natürlich im Krisenmandat. Der Mandant begibt sich ja nicht freiwillig "in Behandlung", sondern weil er es muss. Hierbei besteht seitens des Mandanten eine gewisse Erwartungshaltung, die der Berater oft aber nicht erfüllen kann, denn der Berater wird dem Mandanten gerade in der Krise nicht das sagen, was der hören will, nach dem Motto "alles nicht so schlimm, das kriegen wir hin". Vielmehr wird der Berater den Mandanten ggf. auch mit eigenen Versäumnissen oder Unzulänglichkeiten konfrontieren (müssen), die gerade ein bis dato jahrelanges gutes Mandatsverhältnis nachhaltig belasten können. Wenn die Kommunikation zwischen Berater und Mandant nicht mit der erforderlichen Offenheit geführt wird, scheitert die Krisenbewältigung.

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Steuerberater arbeiten vergangenheitsbezogen. Können sie eine mögliche, anstehende Unternehmenskrise erkennen? Und das Unternehmen warnen? Oder ist das in der Praxis unrealistisch und überhaupt nicht ihre Aufgabe?

Steuerberater sind diejenigen, die am nächsten am Mandanten bzw. dem Krisenunternehmen dran sind und aufgrund ihrer fachlichen Ausbildung und Qualifikation am ehesten in der Lage, eine Krise frühzeitig zu erkennen. Dies erfordert auch keinen größeren oder zusätzlichen Aufwand, denn mit Hilfe der monatlichen Betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) lassen sich relativ schnell Veränderungen erkennen, die eine Krise vermuten lassen, z.B. starker Umsatzrückgang, Bestandsveränderungen, gestiegene Kosten usw. Wir handhaben es beispielsweise so, dass der Steuerberater jeden Monat jede BWA eines jeden Mandanten vorgelegt bekommt und so mögliche Krisenanzeichen frühzeitig erkennen und den Mandanten darauf ansprechen kann.
Eine andere Frage ist, ob Steuerberater den Mandanten warnen müssen. Das ist eine juristische Frage - nämlich die des Mandatsumfangs - und zu dieser hat sich der BGH gerade in den letzten Jahren mehrfach geäußert im Rahmen seiner Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

Der Faktor "Zeit" ist bei Unternehmenskrisen sehr heikel. Wie wirkt sich das auf die Beratung aus?

Der Faktor "Zeit" spielt eine ganz entscheidende Rolle, denn im Krisenmandat ist schnelles Analysieren und Handeln gefragt, um die diversen „Brandherde zu löschen“. Wie oben angesprochen, muss der Berater die Ist-Situation des Unternehmens erfassen und sogleich Handlungsempfehlungen geben, unter Berücksichtigung der jeweiligen Chancen und Risiken. Für eine ausführliche Analyse und Besprechung mit dem Mandanten fehlt oft die Zeit, da gleichzeitig mit Gläubigern, Kreditinstituten, Lieferanten, Arbeitnehmern, Finanzamt usw. verhandelt werden muss und es muss ein Zukunftsprognose erarbeitet werden. Dies alles kann nur gelingen, wenn sich der Berater auf die wesentlichen Punkte konzentriert und den Überblick behält und sich nicht unnötig mit Detailfragen aufhält.

Aus Ihrer Erfahrung: Wann sollte ein Berater ein Krisenmandat möglicherweise ablehnen?

Ein Krisenmandat ist kein "anderes oder besonderes" Mandat, als andere Mandate. Der Berater muss bei jedem Mandat prüfen, ob er dieses fachlich, zeitlich und personell bearbeiten kann. Gerade Steuerberater haben sich ja primär ihrem "Tagesgeschäft" zu widmen, d.h. sie müssen die laufenden Finanz- und Lohnbuchhaltungen für ihre Mandaten erstellen, Steuererklärungen fertigen und Jahresabschlussarbeiten erledigen, alles innerhalb der gesetzlichen Fristen. Hinzu kommen weitere Tätigkeiten bei Betriebsprüfungen, Umstrukturierungen, Nachfolgegestaltungen usw. Wenn sich der Steuerberater dann auch noch einem Krisenmandat widmen möchte, muss er sich allein in zeitlicher Hinsicht ehrlich die Frage stellen, ob er dieses hierneben auch noch bewältigen kann. Natürlich ist jeder Steuerberater bestrebt, ein bestehendes Mandat so lange wie möglich zu (be-)halten. Andererseits tut er sich und seinem Mandanten keinen Gefallen, wenn er versucht, das Krisenmandat zu bearbeiten, obwohl er es bereits aus zeitlicher Sicht nicht bewältigen kann, denn zwei bis drei Stunden täglich sind schnell erreicht bzw. verbraucht, die dann anderweitig fehlen. Deshalb sollte oder vielmehr muss der Steuerberater frühzeitig einen spezialisierten Rechtsanwalt hinzuziehen oder den Mandanten ausdrücklich an einen solchen verweisen oder auch das Mandat ablehnen.

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