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07-03-2019 | Versicherungsvertrieb | Interview | Article

Banken nehmen den Versicherungsvertrieb in den Fokus

Author: Anja Kühner

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Interviewee:
Jaroslaw Bucon

ist Bancassurance-Experte der auf die Finanzbranche spezialisierten Unternehmensberatung Sollers Consulting in Warschau. Zuvor war er bei Axa Polen und der polnischen BNP Paribas-Versicherungstochter Cardif tätig.

Der Verkauf von Versicherungen ist für Banken eine wichtige Einnahmequelle. Allerdings verändern sich die Vertriebswege. So ist die App heute ein wichtiger Hub für Finanzprodukte, erklärt Bancassurance-Experte Jaroslaw Bucon.

Springer Professional: Lohnt sich für Banken der Vertrieb von Versicherungen noch?

Jaroslaw Bucon: Er lohnt sich wieder. Früher war der Verkauf von Versicherungen durch Bankmitarbeiter ausschließlich provisionsgetrieben. Es gab auf Bankenseite kaum Kosten, daher waren 90 Prozent der Provisionseinnahmen Gewinn. Dann hat der Regulierer die Kosten erhöht. Banken müssen in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter investieren, bevor diese Versicherungen verkaufen dürfen. So wurde der Versicherungsvertrieb für Banken unattraktiver. Doch dann kamen die niedrigen Zinsen, und die Provisionseinnahmen wurden wieder wichtiger. Kleinvieh macht auch Mist.

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Was muss eine Bank tun, um erfolgreich Versicherungen zu verkaufen?

Zunächst einmal muss sie ihre Berater für Versicherungsthemen gut ausbilden. Diese tieferen Kenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten. Denn gut ausgebildete Berater können nicht nur die bisher über Banken vertriebenen Standardprodukte beraten, sondern zu der gesamten Bandbreite der Versicherungsthemen beraten. Traditionelle Lebensversicherungen sind nicht mehr attraktiv genug für den Kunden. Die Bank muss daher den Kanon der althergebrachten Versicherungsprodukte in ihrem Angebotsportfolio verlassen.

Welche Versicherungsprodukte kommen neu für den Bankvertrieb infrage?

Grundsätzlich kommen fast alle Produkte infrage, von Haftpflicht über Unfall bis Reiseschutz und Altersabsicherung. Aber die Produkte an sich werden sich ändern, werden einfacher. Zunächst sollte eine Bank daher alles dransetzen, von ihren Kunden die Erlaubnis zur Auswertung der Transaktionsdaten zu erhalten. Wer bei N26 und Co. ein Konto eröffnet, der gibt diese Erlaubnis automatisch ab. Damit haben die Fintechs vom Start weg Vorteile im Bereich Big Data-Analyse. Hat eine Bank erfahren, dass der Kunde sich ein teures neues Rennrad gekauft hat, so kann sie ihm schon zum Zahlungszeitpunkt das Angebot einer Diebstahlversicherung unterbreiten. Nimmt der Kunde dies nicht sofort an, so ergibt eine Auswertung seiner Daten, ob er offen für eine Wiederholung dieses Angebots ein paar Tage später ist oder nicht. Vielleicht war er noch zu sehr in die technischen Details seiner Neuerwerbung vertieft und da war kein Platz für weitergehende Gedanken an Absicherung. Die "next best action" ist immer besser, als nicht aktiv zu werden.

Wird künftig die Auswertung von Bankdaten den Versicherungsvertrieb steuern?

Es geht um mehr als um das Ermitteln von Vertriebschancen und den besten Zeitpunkt für ein Angebot. Es geht darum, das Bedürfnis des individuellen Kunden tatsächlich zu verstehen: der eine braucht mehr Sicherheit, der andere mehr Flexibilität. Noch hinkt unsere Vorstellungskraft  den technischen Möglichkeiten hinterher. Wir können künftige Nutzungen schlichtweg kaum vorausdenken. Aber sicher ist: Wer Big Data-Analyse nicht immer mitdenkt, der wird langfristig vom Markt verschwinden.

Wird bald eine App alle Versicherungsinfos enthalten?

Im besten Fall wird die Banking-App mit Versicherungsinfos ergänzt. Die App darf nicht nur das Vertriebsinteresse der Bank im Sinn haben, sondern muss dem Nutzer bei der Übersicht über sein Leben unterstützen. Da braucht es eine Erinnerung, wenn Sie beispielsweise Ihr neues Rennrad im Winter im Keller einlagern. Während dieser Zeit ist es von der Hausratversicherung abgedeckt. Sie können also getrost die Diebstahlversicherung als Doppelversicherung pausieren und sie im Frühjahr wieder aktivieren, wenn Sie das Rad wieder hervorholen. Vorstellbar sind Switch-on-Switch-off-Produkte, mit denen Bank und Versicherung zwar im Einzelfall eventuell weniger verdienen als mit einem Jahres- oder Mehrjahresvertrag. Aber der Kunde ist zufriedener. Die Versicherungen können künftig nach Bedarf mit einem Klick oder Wisch in der App gebucht oder gestoppt werden. Überhaupt werden Apps in Zukunft eine noch größere Rolle spielen, denn sie werden das ganze virtuelle Leben umfassen – so wie es uns chinesische Unternehmen bereits vormachen. Neben Banking und Versicherung umfassen die dortigen Apps auch Online-Shopping, Hauskauf, Reise-Buchung und Kommunikation. Ich kann mir vorstellen, dass künftig über die Banking-App das Netflix-Abo monatlich aktiviert oder deaktiviert werden kann. Die App wird zum echten Ratgeber, der situationsbedingt aktuelle Handlungsempfehlungen gibt, zum Beispiel: "Sie haben das Skigebiet verlassen – wollen Sie die Spezial-Unfallversicherung jetzt stoppen?"

Den Banken stehen also rosige Zeiten beim Vertrieb von Versicherungen bevor?

Sie haben zumindest die Chance, eine zentrale Position in diesem Thema einzunehmen. Wenn Banken es geschickt anstellen, dann werden Versicherungen immer unsichtbarer und zu reinen Zulieferern. Zumal die neuen Produkte der Versicherer viel einfacher sind, ohne eine lange Liste von Haftungsausschlüssen. Dadurch dass Banken ein größeres Vertrauen als Versicherungen genießen, schätze ich die Versuche von Versicherern als schwierig ein, zum finanziellen Hub zu werden. Wenn es um seine Finanzen geht, dann will der Kunde immer noch eine Bank haben.

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