Die deutsche Baubranche liegt beim Einsatz digitaler Technologien im Vergleich zu anderen Branchen zurück. Sie investiert zu wenig in entsprechende Projekte und beschränkt sich gerade mal auf das Grundlegende. Woran liegt das?
Es ist ein wenig paradox. Die vom ZEW Mannheim im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erstellte Studie "Zukunft Bau - Beitrag der Digitalisierung zur Produktivität in der Baubranche" kommt einerseits zu dem Schluss, dass die Baubranche die Potenziale der Digitalisierung für ökonomische Erfolgsvariablen wie Wettbewerbsfähigkeit, Innovationsfähigkeit oder Arbeitsproduktivität erkannt hat. Diese Erkenntnis wurde bereits schon durch zahlreiche andere Untersuchungen belegt. So hat auch das ZEW festgestellt, dass 57,7 Prozent der für die Studie befragten Unternehmen von positiven Digitalisierungsauswirkungen auf deren Wettbewerbsfähigkeit in drei Jahren ausgehen. Ebenso werden die Auswirkungen digitaler Technologien auf den Unternehmenserfolg mit dem 3-Jahres-Vorausblick von 56 Prozent der Befragten mit positiv bewertet, 48,9 Prozent denken dies zudem im Hinblick auf die Innovationsfähigkeit und 47,3 Prozent bezüglich der Produktivitätswirkung. Was beispielsweise durch den Einsatz digitaler Technologien in der Kalkulation möglich ist, zeigen Mike Gralla und Lisa Theresa Lenz im Kapitel "Digitalisierungspotenziale im Rahmen der Kostenermittlung von Bauleistungen" des Springer-Fachbuchs "Aktuelle Entwicklungen in Baubetrieb, Bauwirtschaft und Bauvertragsrecht".
Dieses Erkennen der Möglichkeiten durch digitale Technologien spiegelt sich jedoch noch selten im Arbeitsalltag der Unternehmen wider beziehungsweise in Projekten, in denen die entsprechenden Technologien getestet werden. So offenbart die ZEW-Studie, dass die Baubranche derzeit noch wenig in Digitalisierungsprojekte investiert. Komme es doch mal zum Einsatz digitaler Lösungen, würden diese sich auf die elektronische Rechnungsstellung oder CAD-Anwendungen beschränken. 3D-Scanner oder Virtuelle Realitäten, also bauspezifische Technologien, würden jedoch nur von 2,8 beziehungsweise 7,5 Prozent der Unternehmen genutzt.
Die Notwendigkeit für Digitalisierungsprojekte
Stellt sich die Frage, worin die schwache Aktivität im Einsatz digitaler Technologien begründet ist, wenn gleichzeitig deren Möglichkeiten offensichtlich scheinen. Auch hierzu liefert die Studie Antworten. Für 62,4 Prozent der Unternehmen ist der hohe finanzielle Aufwand das zentrale Hemmnis für die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten, für 61,5 Prozent außerdem der zeitliche Aufwand. Auch die strikten Datenschutzregeln werden von 57,5 Prozent, der unzureichende Breitbandausbau von 55,6 Prozent und fehlende Standards und Schnittstellen von 54,9 als Hinderungsgründe genannt. Dazu erklärt Prof. Dr. Irene Bertschek, Projektleiterin und Leitung des ZEW-Forschungsbereichs "Digitale Ökonomie": "Insbesondere kleine Betriebe, die im Baugewerbe besonders zahlreich zu finden sind, können nicht die Zeit aufwenden, sich mit der Digitalisierung zu befassen. Dabei wäre es wichtig, sich auf konjunkturell weniger gute Zeiten vorzubereiten und gerade die Digitalisierung kann dazu beitragen."
Mit Kenntnis der Hinderungsgründe scheint das Paradoxon aufgehoben. Wenn in der ZEW-Studie nicht noch eine weitere Zahl auftauchen würde: Über die Hälfte der Unternehmen, 52,1 Prozent, sehen schlichtweg keine Notwendigkeit für Digitalisierungsprojekte.