Die Speicherlücke ist das größte Problem der Energiewende. "Weil die Speichermöglichkeiten im elektrischen Energiesystem also begrenzt und oft teuer sind, bietet es sich an, durch energieträgerübergreifende Kopplung Flexibilität in weiteren Energieinfrastrukturen zu erschließen. Für solche ... Energiesysteme wird oft die Bezeichnung 'Hybridnetze' ... verwendet", beschreibt Wolfgang Gawlik in seinem Vorwort zu Ausgabe 08/2016 der Zeitschrift e & i Elektrotechnik und Informationstechnik eine mögliche Lösung.
Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, kurz acatech, versteht unter einem Hybridnetz ein energiedomänenübergreifendes Energiesystem, in dem Energie jeweils in ihrer aktuellen Form verbraucht, gespeichert oder transportiert oder aber über eine Konversion in eine andere Energieform gewandelt werden kann.
Netz wandelt Energieformen
Damit ist auch klar, dass Hybridnetze nicht nur in strombasierter Form benötigt werden, sondern auch als Wärmenetze.
Denn auch die Wärmenetze stehen vor einer Hybridisierung. Wurden diese bisher monopolartig von fossil betriebenen Kohle und Gaskraftwerken oder deren Entsprechung in großer Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) befüllt, werden dies in Zukunft dezentrale KWK-Anlagen sein, etwa bei Mieterstrommodellen oder großflächigen solarthermische Anlagen, betrieben etwa von Wohnungsunternehmen. Hier spielen nicht nur die fluktuierenden Einspeisungen eine Rolle, sondern auch die verschiedenen Drücke und Temperaturen, mit denen die unterschiedlichen Wärmequellen arbeiten.
Auch hier steht die Speicherung im Vordergrund. Die Netze werden also mit Großspeichern, meist auf Wasserbasis verknüpft, und können Wärme insbesondere im Sommer aufnehmen, wenn sie etwa durch Solarthermie reichlich produziert wird, und dies in der Übergangszeit oder im Winter wieder abgeben. In Dänemark wurden schon mehrere erfolgreiche Projekte realisiert. In Deutschland ist der Energiebunker Hamburg ein funktionierendes Beispiel.
Netz muss Überschüsse aufnehmen
Nun zu den hybriden Stromnetzen. Die sind einfach eine Notwendigkeit allein schon aus zwei Tatsachen heraus: Zum einen ist es die wachsende Anzahl dezentraler Energieerzeuger wie der bereits erwähnten kleinen KWK-Anlagen. Zum anderen ist es deren fluktuierende Einspeisung insbesondere von Wind- und Sonnenkraft. So ist im Sommer die Produktion von Photovoltaik-Strom besonders tagsüber hoch, wenn dieser kaum gebraucht wird. Ein hybrides Netz muss also in der Lage sein, diesen Überschussstrom aufzunehmen, ihn in gewissem Maße zu speichern und an die Verbraucher abzugeben, die ihn tatsächlich benötigen. Und das alles in einem wirtschaftlichen Rahmen. Technisch möglich wäre auch eine Wandlung hin zu einem Energieträger des Wärmemarktes, etwa mittels Elektrolyse bei Power-to-Gas. Doch das ist derzeit und vermutlich auch in Zukunft nicht wirtschaftlich. Einfacher ist Power-to-Heat, also das Aufheizen von Wasser direkt mittels Überschussstrom. Auch hierfür gibt es bereits bundesweit rund 20 Großanwendungen mit etwa 5 Megawatt Leistung.
"Über flexible Anlagen können schwankende Netzsituationen ausgeglichen und der Anteil der umweltfreundlichen Stromerzeuger erhöht werden. Überschüsse von elektrischer Energie können in andere Energieformen wie Wärme, Gas, Wasser bzw. im Unternehmen zu produzierende Stoffe umgewandelt und so gespeichert werden", fasst Springer Gabler-Autor Ralf Simon die ganz praktischen Vorteile hybrider Netze in seinem Buchkapitel Nachfrageseitige Flexibilitätsoptionen: Demand-Side-Management, Energiespeicher und Regelenergie auf Seite 255 zusammen.