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02-01-2017 | Finanzbranche | Schwerpunkt | Article

So wird das Banken- und Finanzjahr 2017

Authors: Eva-Susanne Krah, Christian Kemper, Sylvia Meier, Barbara Bocks

8 min reading time

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Die Finanzbranche hat ein bewegtes Jahr 2016 hinter sich. Welche Herausforderungen warten auf Banken, Sparkassen und andere Unternehmen in den kommenden Monaten? Branchenentscheider sagen Trends und Entwicklungen voraus. 

Ein Jahr mit Achterbahncharakter an den Aktienmärkten und dynamischen Marktveränderungen liegt hinter der Finanzbranche. 2017 dürfte aus Sicht der Banken und Sparkassen nicht weniger spannend werden. Die Kernthemen 

  • Regulierung, 
  • modifizierte Geschäftsmodelle in Niedrigzinszeiten,
  • konzentrierte Filialstrukturen und neue Filialkonzepte,
  • Digitalisierung sowie
  • disruptive Marktveränderungen durch Fintechs

werden auch in den kommenden Monaten Kraft und Ressourcen von den Instituten einfordern. Peter Hanker, Vorstandssprecher der Volksbank Mittelhessen, konstatiert der Bankenbranche einen "enormen Veränderungsdruck". Niedrigzinsphase, Regulatorik und Digitalisierung sind seiner Meinung nach als einzelne Faktoren in der Lage, den Markt grundlegend zu verändern. "Die Herausforderungen unserer Zeit werden nur diejenigen meistern, die veränderungsbereit und in der Lage sind, ihr Geschäftsmodell an die neuen Bedingungen anzupassen", sagt Hanker voraus. Für seine Volksbank bedeute das, "den Spagat zwischen innovativer Online-, beziehungsweise Multikanal-Strategie und lokaler Präsenz zu schaffen. Die perfekte Vernetzung aller Kanäle ist eine Mammutaufgabe, die alle Bereiche der Volksbank betrifft", stellt Hanker fest. 

US-Wahl, Regulierung und die Konsequenzen

Auch auf die politischen Rahmenbedingungen blicken die Entscheider im Bankensektor erwartungsvoll, denn das Jahr 2017 beginnt mit vielen unbekannten Größen. Dazu gehört etwa, welche Auswirkungen die Maßnahmen des neuen US-Präsidenten Donald Trump auf den Finanzmarkt und der Brexit auf die Bankenlandschaft in Europa haben werden. Georg Baur, Mitglied der Geschäftsleitung beim Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), ist überzeugt, dass die einseitige Deregulierung des Bankensektors in den USA den Wettbewerb mit europäischen Kreditinstituten verschärfen könnte. Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), schätzt, dass das neue Jahr einige Überraschungen bereithält: "Wir stehen vor richtungsweisenden Wahlen, vor allem in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland."

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Im Mittelpunkt dieses Sammelbandes stehen die zukünftigen Perspektiven der Bankwirtschaft vor dem Hintergrund der Einführung der Europäischen Bankenunion. Neben der Sorge vor einer Überregulierung der Banken im Euroraum macht die andauernde Niedrigzinssituation die Erzielung der zur Kostendeckung und Stärkung der Kapitaldecke nötigen Überschüsse zu einer weiteren Herausforderung.

Alle Institute müssten sich den extremen Belastungen stellen, die aus dem Zusammenspiel von Niedrigzinsen, notwendige Investitionen in die Digitalisierung und hohen Regulierungsbelastungen entstehen, meint Fröhlich.  Für die genossenschaftliche Bankengruppe ist er aber optimistisch. Mit 18,3 Millionen Mitgliedern verfüge sie über eine sehr breite Kundenbasis. Die Weiterentwicklung des genossenschaftlichen Geschäftsmodells in die digitale Welt werde auch 2017 mit hoher Priorität vorangetrieben. Konsequent bleibt er beim Thema Regulatorik. "Im politisch-regulatorischen Umfeld sind für uns die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Schaffung einer gemeinsamen europäischen Einlagensicherung von herausragender Bedeutung. Wir lehnen diese Pläne, die auf eine Vergemeinschaftung von Bankrisiken anderer Länder zulasten des deutschen Sparers hinauslaufen, (...) entschieden ab", betont Fröhlich.

Alle Banken haben ihre Hausaufgaben zu machen. Sicherlich wird der Abbau von Bankfilialen weitergehen."


Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) 

Auch Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), erwartet Lasten für Kreditinstitute aus der anhaltenden Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). "Eine Debatte über den vorsichtigen Ausstieg der EZB aus ihrem Krisenmodus ist zwar überfällig. Sie wird sich darauf allerdings wohl frühestens zum Ende dieses Jahres einlassen, wenn ein langsames Auslaufen des Aufkaufprogramms für das Jahr 2018 geplant wird", sagt er voraus. Ralf Fleischer, Vorsitzender des Vorstands der Stadtsparkasse München, rechnet mit einem Zinswende-Szenario, wie es die US-amerikanische Notenbank zum Jahresende 2016 in einem ersten Schritt angegangen hat, für den Euro-Raum frühestens in drei bis fünf Jahren. Wie viele seiner Kollegen sieht er den größten Aufgabenblock für die Geldhäuser darin, die umfangreichen Regulierungsvorgaben zu bewältigen. Die "nicht enden wollende Bankenregulierung macht auch vor den Sparkassen nicht halt", warnt Fleischer. 


Die Überarbeitung der bankaufsichtlichen Regeln im Rahmen der überarbeiteten Eigenkapitalrichtlinie CRD IV, die Erleichterungen bei den Veröffentlichungspflichten und Meldeanforderungen vorsieht, hält BdB-Chef Kemmer für einen Schritt in die richtige Richtung. Vor allem kleinere Institute seien mit der Fülle der Regulierungsmaßnahmen und deren Umsetzung häufig überfordert.

Ein Ausstieg aus den Niedrigzinsen ist überhaupt noch nicht erkennbar."

Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer und Vorstandsmitglied des Bundesverbands deutscher Banken (BdB)

Ralf Fleischer entdeckt trotz wegbrechender Erträge auch Chancen für Banken und Sparkassen. So sieht er beispielsweise Potenzial im Firmen- und Gewerbekreditgeschäft, wo auch 2017 noch höhere Margen erzielt werden könnten, als in anderen Kreditbereichen. Die Cross-Selling-Quoten von Finanzprodukten bei Bestandskunden deutlich zu erhöhen, neue Beratungsansätze und einen profitablen Zahlungsverkehr sieht Fleischer als weitere To Do's. Dies gelinge jedoch nur durch eine Anpassung der Preismodelle im Zahlungsverkehr, die insbesondere bei Girokonten und Online-Dienstleistungen bereits in Gang kommt. Das zeigen die Beispiele der Raiffeisenbank Gmund mit Strafzinsen für geparkte Liquidität vermögender Kunden oder Online-Gebühren für den Abruf bestimmter Bankdienstleistungen, etwa bei der Sparkasse Soest.

Fintechs und Banken vertiefen ihre Allianzen

Eine Konstante im Bankensektor dürfte 2017 die Disruption durch Fintechs sein. Die Kreditinstitute haben inzwischen die Chancen aus Allianzen mit den einstigen jungen Wilden erkannt. Während sie auch eigene Start-ups und Inkubatoren gründen, sind Fintechs dabei, sich zu Problemlösern in bestimmten Bereichen zu entwickeln, beispielsweise als Dienstleister für Robo-Advice, für die Blockchain oder als Regtechs im Bereich der Bankenregulierung, etwa im Zahlungsverkehr. "Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Welle an Regulationen, mit der sich Banken zurzeit konfrontiert sehen, abreißen wird", prognostiziert Nadeem Syed, Chief Executive Officer (CEO) beim Finanzsoftware-Haus Misys. "Fortschrittliche Unternehmen werden daher ihre Vorbereitungen auf die Zahlungsrichtlinie PSD2 beschleunigen, um sich ihre Pole-Position in dieser mehr und mehr App-gesteuerten Ära zu sichern", sagt Syed voraus. Johannes Laub, Geschäftsführer des Crowdinvesting-Spezialisten Crowddesk, ist optimistisch: "Die Fintech-Szene boomt, daran kann auch das politische Klima nichts ändern." Deutschland könnte "sich als zentraler Fintech-Hub in Europa" etablieren. Dafür brauche es allerdings "eine Regierung, die es versteht, mit jungen Unternehmen und den Innovationen den Finanzmarkt zu demokratisieren", fordert Laub. Hartmut Giesen, Business Development Fintech bei der Sutor Bank, ist sich sicher, dass die bedeutenden Fintech-Innovationen bei der Blockchain und beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) anstehen werden. Rein Ojavere, Chief Financial Officer bei Bondora, ist der Meinung, dass zahlreiche der jungen Technologieunternehmen das Jahr 2017 allerdings nicht überleben werden. Sie sollten sich daher auf neue Märkte konzentrieren und nicht auf Technik.

Kapitalmarkt ist auf moderatem Wachstumskurs

An den Finanzmärkten spricht vieles für steigende Aktienkurse im Jahr 2017. Denn trotz der anhaltenden politischen Unsicherheiten rechnen Analysten mit mehr fundamentalem Wachstum. Die Weltwirtschaft soll um 3,4 Prozent zulegen, sagt beispielsweise Martin Moryson, Chefvolkswirt von Sal. Oppenheim, voraus. Allerdings werde die Konjunktur von einer zunehmenden Nationalisierung sowie einer aufkommenden Inflation geprägt sein. "Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat sich die Antiglobalisierung in der größten Volkswirtschaft der Welt an die politische Spitze gesetzt", kommentiert Moryson seine Prognose. Für die USA rechnet er mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent. Allerdings könnte der konjunkturelle Aufschwung speziell in den USA ein Strohfeuer sein, warnt Axel D. Angermann, Chefvolkswirt der Ratingagentur Feri. Wegen der anziehenden Inflation, steigender Zinsen und einem starken US-Dollar dürfte die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten bereits im Laufe des Jahres 2018 spürbar an Dynamik verlieren. Und für 2019 ist laut Angermann mit einem konjunkturellen Abschwung zu rechnen.

In der Europäischen Union (EU) könnte das Konjunkturplus mit 1,3 Prozent 2017 etwas schwächer ausfallen als 2016. Die wirtschaftliche Expansion in Deutschland vollzieht sich laut Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), "in einem äußerst fragilen monetären Umfeld." Die Zinsbindung an den Kapitalmärkten stehe weiterhin unter dem Einfluss einer ultra-expansiven Geldpolitik im Euroraum. Sowohl die Real- als auch die Finanzwirtschaft würden durch sie krisenanfälliger. Laut einer Analyse von Candriam Investors wird das Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern trotz der anhaltenden Abkühlung in China zum ersten Mal seit 2010 wieder etwas höher ausfallen. Speziell die Konjunktur in Russland und Brasilien dürfte im Laufe des kommenden Jahres zulegen.

Fachkräftemangel beschäftigt Finanzchefs

Zu den Herausforderungen für Wirtschaftsunternehmen zählt der Fachkräftemangel, der auch Finanzvorstände umtreibt. Günter Moser, SAP-CO Spezialist und ausgebildeter Coach, meint: "Eine der größten Herausforderungen für Unternehmen 2017 ist es, gutes Personal zu finden und zu halten. Eine Kernfrage dabei sei, wie die Attraktivität der Unternehmung herausgestellt werden kann. Laut dem Arbeitsmarktbarometer der Manpower Group, für die in Deutschland mehr als 1.000 Arbeitgeber zu ihren Einstellungs- und Entlassungsplänen im kommenden Quartal befragt wurden, ist die Einstellungsbereitschaft im Finanzsektor deutschlandweit im ersten Quartal 2017 am höchsten. Demnach kommt der saisonbereinigte Beschäftigungsausblick im Finanzsektor in diesem Zeitraum auf ein Plus von elf Prozent. Fünfzehn Prozent der Banken, Versicherer und Finanzdienstleister wollen in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres neue Mitarbeiter an Bord holen. 

© Quelle: "Arbeitsmarktbarometer 2017"/Manpower Group

Niedrigzinspolitik wirkt auf Finanzierungen 

Hans-Ulrich Dietz, Lehrbeauftragter an der Frankfurt School of Finance & Management und Mitautor des Springer-Buchs "Geldanlage und Steuer 2017", sagt Finanzspezialisten die gleichen Anforderungen wie den Vertretern der Bankenbranche voraus. "Das Stemmen von Regulatorik, Compliance und Niedrigzinspolitik werden meines Erachtens die größten Herausforderungen in 2017“, prognostiziert Dietz. Gerade die Unternehmensfinanzierung bleibt eine dringende Sorge von Finanzentscheidern. Bernd Hessen, Geschäftsführender Gesellschafter der Internationalen Führungsakademie Berchtesgadener Land (IFAK-BGL) und Inhaber der ABH Partner in München, erklärt: "Nach der aktuellen EZB-Entscheidung ist klar, dass sich an den Niedrigzinsen nichts ändern wird. Für die Banken ergibt sich daraus das Problem, womit sie denn noch Geld verdienen können und dies besonders vor dem Hintergrund der angezogenen Eigenkapitalanforderungen aus Basel III." Sparer treffe es besonders hart: "Super Mario bedroht ganze Branchen und entwertet Sparer beziehungsweise vernichtet Alterspläne", ärgert sich Heesen.

Neue Ertragsfelder durch die Digitalisierung

Die aktuellen Entwicklungen im Wirtschaftsalltag bringen für Unternehmen auch Chancen mit sich. "Industrie 4.0 und die Digitalisierung werden neue Geschäftsmodelle erschaffen, die durch schnellere Reaktionszeiten und Flexibilität geprägt sind", erklärt der SAP-Spezialist Moser. Auch der Springer-Autor Dietz sieht hier künftig ebenfalls die interessantesten Geschäftschancen: "Das sind meiner Meinung nach die Digitalisierung für technikaffine Kunden und für Kunden mit geringer Begeisterung für Technik." Laut dem Führungsexperten Heesen wird auch der M&A-Markt interessant: "Firmenübernahmen im Mittelstand werden sicherlich weiter boomen, da die Zinsen sehr niedrig sind, wenn man denn Kredite bekommt."

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