Skip to main content
Top
Published in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 5/2022

Open Access 31-08-2022 | Schwerpunkt

Initiierung von Smart Service Innovationen im produzierenden Gewerbe

Authors: Christoph Buck, Felicitas Kuch, Anna Lindenthal, Tobias Merktle, Anna Maria Oberländer, Christoph Tippel, Annette Wenninger

Published in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Issue 5/2022

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Essensbestellungen, die ein Kühlschrank automatisiert vornimmt oder Kochrezepte, die ein Kühlschrank basierend auf dem Kühlschrankinhalt vorschlägt – das sind Beispiele für Smart Services. Diese Art Services sind an den Kunden angepasste, digitalisierte Lösungen, welche innovative Wertangebote und digitale Geschäftsmodelle ermöglichen. Sie vertiefen die Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen, eröffnen darüber neue Marktchancen und bilden die Grundlage für Service-Ökosysteme. Trotz der vielfältigen Möglichkeiten stellt die Generierung von Smart Service Innovations-Ideen für Unternehmen eine komplexe Herausforderung dar. Die Komplexität ist auf die verschiedenen involvierten Akteure sowie die physischen und digitalen Komponenten einer Smart Service Innovation zurückzuführen. Um Unternehmen bei der Initiierung von Smart Service Innovationen zu unterstützen, stellt dieser Beitrag die relevanten Akteure und Komponenten von Smart Services vor. Außerdem untersucht der Beitrag, wie Unternehmen systematisch zu ihren Kunden und vorhandenen Ressourcen passende Smart Service Innovations-Ideen generieren können. Anhand eines Innovationsprojekts mit einem Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe werden praxisrelevante Erkenntnisse über eine Vorgehensweise zur Initiierung von Smart Service Innovationen abgeleitet. Außerdem werden Handlungsempfehlungen für Unternehmen ausgesprochen, die vor ähnlichen (Innovations‑) Herausforderungen stehen und eine gezielte Entwicklung von Smart Service Innovationen ergänzend zum bestehenden Produkt- und Service-Portfolio anstreben. Dies bietet Unternehmen Ansatzpunkte für die Anbindung an digitale Märkte und Service-Ökosysteme sowie für die ökonomisch nachhaltige Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit mithilfe von Smart Service Innovationen.

1 Smart Service Innovationen und deren Relevanz in digitalen Service-Ökosystemen

Smart Services sind im alltäglichen Leben nicht mehr weg zu denken und erfreuen sich großer Beliebtheit. Beispielsweise stiegen die Nutzerzahlen von Sprachassistenten wie Siri und Alexa 2020 im Vergleich zum Vorjahr um über zehn Prozent an, sodass fast die Hälfte der Deutschen intelligente Sprachassistenten nutzten (Postbank Digitalstudie 2020). Nicht zuletzt wegen der neu angebotenen Smart Services: Bedient per Sprachbefehl kann Alexa zum Beispiel durch den morgendlichen Weckruf, über den Buchkauf am Nachmittag mit Amazon Prime, bis hin zum Streaming am Abend über Amazon Music und Video ihrem Nutzer im Alltag assistieren. Sprachassistenten sind nur eines von vielen Beispielen für das Aufkommen digitaler Technologien. Sie ermöglichen intelligente, vernetzte Services basierend auf physischen Objekten sowohl im B2C-Bereich (z. B. Amazon Alexa Voice Services zusammen mit dem intelligenten Lautsprecher Amazon Echo) als auch im B2B-Bereich (z. B. Predictive Maintenance Services basierend auf mit Sensorik und Aktorik ausgestatteten Produktionsmaschinen). Diese technologischen Entwicklungen und neuen Kundenbedürfnisse führen zu verschwimmenden Grenzen zwischen der physischen und der digitalen Welt (Buck et al. 2021). Sie stellen Unternehmen aller Größen und Branchen vor Herausforderungen, die immer komplexer und schnelllebiger sind (Kohli und Melville 2019).
  • Neuartige digitale Technologien verändern bestehende Beziehungen und Geschäftsregeln, da sie das Verhältnis, welches Unternehmen zu ihren Kunden haben, verändern (Porter und Heppelmann 2014). Beispielsweise sind traditionelle Kunden- und Anbieterrollen im Umbruch, indem Kunden sich selbst aktiv in die Wertgenerierung einbringen und Unternehmen durch neue Serviceangebote auch nach Verkauf eines Produkts kontinuierlich Kontakt zu ihren Kunden haben (Fischer et al. 2020).
  • Digitale Geschäftsmodelle erfordern eine neue Denkweise, einen neuen Ansatz und neue Methoden für die Wertschöpfung, da sich ihre Wertschöpfungsmechanismen (und -potenziale) oft grundlegend von traditionellen und analogen Unternehmen unterscheiden (Buck et al. 2021). Digitale Technologien verändern die Art und Weise, wie im Geschäftsmodell Umsätze getätigt und Wert generiert werden (Oberländer et al. 2019). Außerdem erfolgen digitale Innovationen und einhergehende Geschäftsmodelländerungen in schnellen Innovationszyklen, weswegen langwierige Innovationsprojekte und Veränderungsprozesse etablierter Unternehmen durch die sich schnell ändernden Umweltbedingungen ungeeignet sind (Buck et al. 2021).
  • Neue Kundenwünsche müssen adressiert werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die bestehenden Marktanteile zu sichern (Fischer et al. 2020). Beispielsweise fordern Kunden zunehmend digitale Schnittstellen und Plattformen zur gemeinsamen Zusammenarbeit. Außerdem sind sie aus dem privaten und beruflichen Alltag Smart Services (bspw. Amazon Alexa, Voi Roller App, etc.) gewöhnt und haben eine Zahlungsbereitschaft für Smart Services.
Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen sind etablierte Geschäftsmodelle im Sinne der Wertgenerierung für Kunden und Erlösgenerierung für Unternehmen im Wandel (Oberländer et al. 2019). Daher gewinnen Service-Ökosysteme an Bedeutung, um sich an die geänderten Geschäftsregeln, neuen Marktdynamiken und Logiken der Werterzeugung anzupassen (Fischer et al. 2020). Eine Möglichkeit zur Anpassung des traditionellen Geschäftsmodells besteht in der Weiterentwicklung hin zu einem im Service-Ökosystem eingebetteten Geschäftsmodell „As-A-Service“ (Oberländer et al. 2019). Diese Art Geschäftsmodell schafft über die Ergänzung physischer Produkte um digitale Services neuen Kundennutzen und basiert damit auf Smart Service Innovationen.
Um zum Unternehmen passende Smart Service Innovationen zu designen, müssen unternehmensspezifische Potenziale aufgedeckt und zu den Kunden und vorhandenen Ressourcen passende Smart Service Innovations-Ideen generiert werden. Diese Potentialanalyse und Ideengenerierung erfolgt bei der Initiierung von Innovationen, das heißt in der frühesten Phase des Innovationsprozesses (Kohli und Melville 2019). Diese Phase legt den Grundstein für den gesamten Designprozess. Aufgrund der Komplexität von Smart Service Innovationen, die auf die verschiedenen involvierten Akteure sowie die physischen und digitalen Komponenten zurückzuführen ist, stellt die Initiierung von Smart Service Innovationen für Unternehmen eine große Herausforderung dar (Marx et al. 2020). Insbesondere Unternehmen, deren Innovationsstrukturen bisher auf die inkrementelle Weiterentwicklung des physischen Produktportfolios ausgelegt waren, benötigen für eine systematische Ideengenerierung Unterstützung und neue, strukturierte Designansätze, die unterschiedliche Perspektiven im Sinne von involvierten Akteuren und Komponenten von Smart Service Innovationen berücksichtigen (Baines et al. 2009; Marx et al. 2020). Bisher fehlt es in der Praxis oder Literatur jedoch an solchen Smart Service-spezifischen Herangehensweisen (Marx et al. 2020). Der folgende Beitrag schlägt daher einen neuen Designansatz vor, der die Komplexität von Smart Services durch das Herunterbrechen in die einzelnen Perspektiven reduziert. Damit wird die Betrachtung von Smart Services aus unterschiedlichen Blickwinkeln sowie das Design neuer Smart Service Innovationen abseits herkömmlicher, produktzentrierter Prozesse angeregt. Der Beitrag zielt darauf ab, die Grundlage für die Durchführung eines strukturierten Ideenworkshops zur Ideengenerierung von Smart Service Innovationen zu bilden. Vor dem Hintergrund eines Innovationsprojekts mit der BWF Offermann, Waldenfels & Co. KG (kurz: BWF Group)1, einem weltweit tätigen Textil- und Kunststoff-verarbeitenden Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe, werden die Smart Service Perspektiven genauer beleuchtet. Der Workshop präsentiert erste Ansätze für eine Smart Service-spezifische Herangehensweise zur Generierung von Ideen und dient als Basis für die Ableitung von Handlungsempfehlungen. Der Beitrag folgt methodisch einem gestaltungsorientierten Ansatz und zeigt anhand des Fallbeispiels der BWF Group auf, wie ein Workshop zum Design von Smart Service Innovationen durchgeführt werden kann. Auf Basis der Erfahrungen und Beobachtungen aus dem Workshop, dem Feedback der Workshopteilnehmenden und aus der Literatur werden Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet und die Vorgehensweise evaluiert.
In Kap. 2 werden Service-Ökosysteme, Smart Services und deren Perspektiven kurz theoretisch beleuchtet. Kap. 3 stellt die BWF Group sowie einen im Rahmen des Innovationsprojekts durchgeführten Workshop zur Ideengenerierung von Smart Service Innovationen vor, woraus praxisrelevante Erkenntnisse über die Entwicklung von Smart Service Innovations-Ideen strukturiert anhand der Perspektiven gewonnen werden. Basierend darauf sprechen wir in Kap. 4 Handlungsempfehlungen für Unternehmen aus, die vor ähnlichen (Innovations‑)Herausforderungen stehen und gezielt Smart Service Innovationen ergänzend zu bestehenden Produkten entwickeln möchten. Der Beitrag bietet Unternehmen Ansatzpunkte für den Wandel hin zu Smart Service Innovations-basierten Geschäftsmodellen sowie für die Anbindung an digitale Märkte und Service-Ökosysteme.

2 Service-Ökosysteme und die fünf Perspektiven von Smart Services

Service-Ökosysteme sind ein Instrument zur Vernetzung verschiedener Akteure, ihrer Kompetenzen und Ressourcen, worüber innovative Wertangebote geschaffen werden (Fischer et al. 2020). Zahlreiche Ausgestaltungsformen von in Ökosystemen eingebetteten Geschäftsmodellen sind denkbar, von der Ergänzung des Produktportfolios um digitale Services bis hin zum Wandel zum Komplettlösungsanbieter, der den gesamten Produkt-Lebenszyklus abdeckt (Oberländer et al. 2019). Besonders für Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe eignet sich die Weiterentwicklung ihres traditionellen Geschäftsmodells hin zu einem Geschäftsmodell „As-A-Service“ basierend auf hybriden Produkt-Servicebündeln (Oberländer et al. 2019). Smart Services stellen solche hybriden Produkt-Servicebündel dar und werden definiert als eine Art digitaler Innovationen bestehend aus physischen und digitalen Komponenten. In ihrer Kombination schaffen sie verbesserte Wertangebote, vertiefte Kundeninteraktionen und ermöglichen damit neue Marktchancen und Geschäftsmodelle (Porter und Heppelmann 2014; Marx et al. 2020). Smart Services können Grundlage eines neuen Geschäftsmodells sein oder transformierenden Einfluss auf verschiedene Ebenen eines bestehenden Geschäftsmodells ausüben (z. B. im Hinblick auf die Zielkundenstruktur, Umsatzgenerierung und Unternehmensinfrastruktur) (Oberländer et al. 2019). Außerdem fördern sie die Netzwerkbildung mit Partnern und Kunden, da Unternehmen über Smart Services ganze Produkt- und Service-Ökosysteme aufbauen können (Strobel et al. 2019).
Smart Service Innovationen erfordern eine umfassende Betrachtung aus fünf Perspektiven, welche die an einem Smart Service beteiligten Akteure (Kunde und Unternehmen) und Komponenten (Produkt, Service und digitale Infrastruktur) beschreiben (Beverungen et al. 2019; Marx et al. 2020). Abb. 1 stellt diese Perspektiven vereinfacht dar und verdeutlicht, dass alle Perspektiven integriert betrachtet werden müssen, damit eine Smart Service Innovation entsteht. Das Ineinandergreifen der Smart Service Innovations-Perspektiven ermöglicht den Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen, begünstigt innovative Wertversprechen sowie neue Ertragsmodelle und vertieft die Wertschöpfung.
Kunde und Unternehmen sind die beiden Hauptakteure bei der Erbringung von Smart Service Innovationen. Sie werden digital miteinander vernetzt, bringen ihre jeweiligen Ressourcen aktiv ein und schaffen darüber einen gemeinsamen, individuellen Wert (Marx et al. 2020). Um den steigenden Ansprüchen von Kunden gerecht zu werden, können Unternehmen über Smart Services innerhalb ihres Ökosystems partnerschaftliche Beziehungsgeflechte mit Kunden, Partnern und auch Wettbewerbern aufbauen. Darüber schaffen sie gemeinsam Wert, ergänzen eigene Ressourcen mit denjenigen aus dem Ökosystem und ermöglichen schließlich innovative Wertversprechen in Form von Smart Services, die ein Unternehmen allein nicht hätte abbilden können (Fischer et al. 2020). Statt eines einmaligen Kontakts für den Kauf bzw. Verkauf eines physischen Produkts wird zusammen mit dem Service ein wiederkehrender Kontakt mit entsprechenden Monetarisierungsmöglichkeiten, vielfältigen Ertragsmodellen für das Unternehmen und erweitertem Wertversprechen für den Kunden erreicht (Strobel et al. 2019).
Ermöglicht wird der Austausch im Ökosystem durch smarte Produkte, welche als Grenzobjekte die beiden zentralen Akteure verbinden (z. B. Amazon Alexa als Schnittstelle zwischen Kunden und Unternehmen) (Beverungen et al. 2019). Smarte Produkte verfügen über physische (z. B. mechanische Teile), intelligente (z. B. Sensoren, Software) und konnektive (z. B. Anschlüsse, Antennen) Merkmale, wodurch sie in der Lage sind, Funktionen der Überwachung, Steuerung, Optimierung und Autonomie zu übernehmen (Beverungen et al. 2019; Porter und Heppelmann 2014). Die Anwendungsfunktionalität (z. B. Lebensmittelbestellung per Sprachbefehl) und der Nutzen (z. B. Zeitersparnis, indem alltägliche Aufgaben vom Sprachassistenten übernommen werden) eines Services für den Kunden sind konstitutiv für einen Smart Service und festigen die Kundenbeziehung (Marx et al. 2020). Das Produkt und der Service wirken zusammen, ermöglichen Wertschöpfung, Interaktion und Austausch zwischen den Akteuren und verbessern insgesamt in ihrer Kombination die Funktionalität, den Umfang und Wert der Smart Service Innovation (Chowdhury et al. 2018). Die digitale Infrastruktur bildet den technologischen Rahmen einer Smart Service Innovation im Sinne von vorhandener und benötigter technologischer Infrastruktur, Daten und Software. Über digitale Schnittstellen werden die Vernetzung und der Austausch beteiligter Akteure ebenso wie die Verknüpfung der Smart Service Innovations-Komponenten ermöglicht. Da sie die neue Kombinierung existierender Ressourcen fördert, ist das Vorhandensein geeigneter digitaler Infrastruktur eine Voraussetzung für die Bereitstellung von Smart Service Innovationen (Ciriello et al. 2018).

3 Smart Service Innovationen im Service-Ökosystem eines Unternehmens aus dem produzierenden Gewerbe

Im Rahmen eines Innovationsprojekts hat die BWF Group einen Innovationsworkshop zur Generierung von Smart Service Innovations-Ideen durchgeführt. Im Folgenden wird der verwendete Designansatz, welche Herausforderungen es zu bewältigen galt und welche Ergebnisse durch Betrachtung der fünf komplementären Perspektiven im digitalen Service-Ökosystem erzielt wurden, kurz vorgestellt. Auf der Grundlage der Erfahrungen mit der BWF Group wird aufgezeigt, wie etablierte Unternehmen Innovationsworkshops durchführen und die fünf Perspektiven für das Design von Smart Service Innovationen einsetzen können.

3.1 Vorstellung der BWF Group und den Herausforderungen im digitalen Service-Ökosystem

Die BWF Group hat über 1800 Mitarbeiter und erzielte im Jahr 2020 einen Jahresumsatz von 300 Mio. € als führender, weltweit tätiger Hersteller im Bereich textile Filtermedien, technische Nadelfilze, Wollfilze und hochwertige Kunststoffprodukte. Die BWF Group ist in der fünften Generation inhabergeführt und an 16 Produktionsstandorten weltweit tätig. Dabei zeichnet sich die BWF Group durch seine individuellen Lösungen auf höchstem Qualitätsniveau aus. International setzt die BWF Group Maßstäbe durch Innovation, Kompetenz und Engagement. Das Produktspektrum verteilt sich auf vier in ihren Märkten eigenständige Unternehmensbereiche (BWF Envirotec, BWF Protec, BWF Feltec und BWF Profiles). Die Bereiche agieren größtenteils autonom mit einigen Querschnittsfunktionen und stellen eigene Produkte für unterschiedlichste Branchen- und Anwendungsbereiche her (bspw. industrielle Filter, technische Filze, Filzprodukte, und Kunststoffprofile).
Die BWF Group sieht sich den in Kap. 1 erwähnten Herausforderungen ebenfalls gegenüber. Etablierte Unternehmen wie die BWF Group sind daher auf neue Herangehensweisen angewiesen, die es ihren Mitarbeitern ermöglichen, wertschöpfende Innovationen in dynamischen Umfeldern zu entwickeln (Buck et al. 2021). Um diese Herausforderung zu meistern, hat sich die Betrachtung der fünf Perspektiven: Kunde, Unternehmen, Produkt, Service und digitale Infrastruktur für die vielfältigen Herausforderungen herauskristallisiert. Die Perspektiven können zur systematischen Entwicklung von Smart Service Innovations-Ideen in digitalen Service-Ökosystemen und als Vorbereitung für darauf aufbauende digitale Geschäftsmodelle dienen.
Im Rahmen des Innovationsworkshops wurden Smart Service Innovationen für die beiden Unternehmensbereiche BWF Feltec (Produktportfolio umfasst unter anderem Akustikprodukte, Unterkragenfilze, Farbfilze, Designfilze und technische Filze) und BWF Profiles (umfasst unter anderem Kunststoffprofile, -rohre, -platten und optische Folien) von elf BWF-Mitarbeitern entwickelt. Das angewandte Vorgehen mit Hilfe der fünf Perspektiven wird im Folgenden vorgestellt.

3.2 Die fünf Smart Service Perspektiven zur Ideengenerierung im Workshop

Unternehmensperspektive
Die Unternehmensperspektive dient durch die Berücksichtigung existierender Unternehmensressourcen als Grundlage für die Ideengenerierung von zum Unternehmen und dessen digitalem Service-Ökosystem passender Smart Service Innovationen. Ressourcen umfassen dabei dem Unternehmen zur Verfügung stehende materielle und immaterielle Güter (z. B. Maschinen, Daten) ebenso wie Fähigkeiten und Fertigkeiten (z. B. Analysefähigkeiten) (Oberländer et al. 2021). Im Innovationsworkshop werden aus der Unternehmensperspektive alle Ressourcen eines Unternehmens gesammelt, mit ihnen verbundene Herausforderungen zusammengetragen und darauf aufbauend Chancen und Möglichkeiten für neue Lösungen in einem gemeinsamen Brainstorming generiert. Ziel der Perspektive ist es, eine holistische Sicht über die tangiblen und intangiblen Ressourcen eines Unternehmens zu erhalten, sowie die Teilnehmer des Workshops Herausforderungen und Chancen für das digitale Service-Ökosystem erarbeiten zu lassen. Um die Perspektive vertieft zu bearbeiten, können passende bestehende Methoden, wie beispielsweise die ressourcenzentrierte Taxonomie von Oberländer et al. (2021) zur Erkundung verfügbarer Ressourcen und damit verbundener digitaler Möglichkeiten, verwendet werden.
Im vorliegenden Innovationsworkshop wurden Reizfragen genutzt, um die Bearbeitung der Unternehmensperspektive zu strukturieren. Diese Fragen regen den Ideenfluss an und geben gleichzeitig eine Richtung vor, sodass der Workshopfokus auf Smart Service Innovationen nicht verloren geht (Backerra et al. 2020):
  • Welche Ressourcen hat das Unternehmen intern sowie mit externem Zugriff zur Verfügung?
  • Welche Herausforderungen hat das Unternehmen bezüglich seiner Ressourcen im digitalen Service-Ökosystem?
  • Welche Chancen und Möglichkeiten für die Zukunft sieht das Unternehmen bezüglich seiner Ressourcen im digitalen Service-Ökosystem? Gibt es Digitalisierungs- und Datennutzungsmöglichkeiten?
Beispielsweise erkannte das Team der BWF Group im Workshop für beide Bereiche BWF Feltec und BWF Profiles, dass die Beschaffung von Rohstoffen aufgrund von Preisschwankungen und dem zunehmenden Preis- und Margendruck, verursacht durch einen wachsenden „Billigsektor“, eine Herausforderung hinsichtlich ihrer Ressourcen darstellt. Darauf basierend entwickelten sie die Idee automatisierter Bestellvorgänge, bei denen eine Software Preise auf dem Rohstoffmarkt verfolgt und bei Bedarf sowie einer günstigen Preisentwicklung automatisiert Bestellungen vornimmt.
Kundenperspektive
Die Kundenperspektive berücksichtigt die aktuellen Kundengruppen mit dem Ziel eines kundenzentrierten Wertversprechens durch eine passende Smart Service Innovation. Im Innovationsworkshop werden zunächst die verschiedenen Kunden identifiziert. Darauf aufbauend werden alle vorhandenen Kundengruppen geclustert, mit ihnen verbundene Herausforderungen und deren Schmerzpunkte zusammengetragen und anschließend Chancen und Nutzungspotentiale für neue Lösungen in einem gemeinsamen Brainstorming generiert. Ziel der Perspektive ist es, eine holistische Sicht über die aktuellen Schmerzpunkte und Nutzenpotentiale der Kunden zu erhalten, sowie die Teilnehmer des Workshops Anknüpfungspunkte für das digitale Service-Ökosystem erarbeiten zu lassen. Um die Perspektive vertieft zu bearbeiten, können passende bestehende Methoden, wie beispielsweise das Customer Profile des Value Proposition Canvas von Osterwalder et al. (2014) zur Betrachtung der Kunden, ihrer Bedürfnisse, Schmerzpunkte und damit verbundener digitaler Möglichkeiten, verwendet werden.
Im vorliegenden Innovationsworkshop wurden folgende Reizfragen genutzt, um die Bearbeitung der Kundenperspektive zu strukturieren und die Kreativität anzuregen:
  • Wer sind die Kunden des Unternehmens? Welche Bedürfnisse haben sie?
  • Vor welche Herausforderungen stellen die Kunden das Unternehmen?
  • Welche Ideen und Möglichkeiten sieht das Unternehmen zur Adressierung der Kundenbedürfnisse? Gibt es Digitalisierungs- und Datennutzungsmöglichkeiten?
Im Workshop identifizierte das Team der BWF Group für den Bereich BWF Feltec beispielsweise das Bedürfnis nach personalisierten, funktionalen Filz-Produkten, die als Büroausstattung das Umfeld aufwerten und eine angenehme Arbeitsatmosphäre kreieren. Darauf basierend entwickelten sie die Idee eines Wandfilzes, welcher das Raumklima überwacht und beispielsweise eine Aufforderung zum Lüften anzeigen kann.
Serviceperspektive
Die Serviceperspektive berücksichtigt die aktuell intern und extern angebotenen Services unter Berücksichtigung neuer Wertschöpfungsmöglichkeiten (z. B. das Zurverfügungstellen von internen Kompetenzen, Wissen und internen Services an externe Partner) über eine passende Smart Service Innovation. Im Innovationsworkshop werden zunächst die verschiedenen analogen und digitalen Services gesammelt. Darauf aufbauend werden Herausforderungen mit den Services zusammengetragen sowie anschließend Chancen und Nutzungspotentiale (bspw. durch Automatisierung) in einem gemeinsamen Brainstorming generiert. Ziel der Perspektive ist es, eine holistische Sicht über die aktuellen Services zu erhalten und diese als Grundlage für neue Smart Service Innovationen im digitalen Service-Ökosystem des Unternehmens zu nutzen. Um die Perspektive vertieft zu bearbeiten, können passende bestehende Methoden, wie beispielsweise die Value Map des Value Proposition Canvas von Osterwalder et al. (2014) zur Erkundung von Services (und Produkten) zur Stillung von Kundenbedürfnissen und -schmerzpunkten sowie damit verbundener digitaler Möglichkeiten, verwendet werden.
Im vorliegenden Innovationsworkshop wurden folgende Reizfragen genutzt, um die Bearbeitung der Serviceperspektive zu strukturieren und die Kreativität anzuregen:
  • Welche Services bietet das Unternehmen seinen Kunden, Partnern und Mitarbeitern an?
  • Vor welche Herausforderungen stellen die Services das Unternehmen?
  • Welche Ideen und Möglichkeiten sieht das Unternehmen bezüglich seiner Services? Gibt es Digitalisierungs- und Datennutzungsmöglichkeiten?
Im Workshop erkannte das Team der BWF Group für den Bereich BWF Profiles beispielsweise seine Produktberatung als bei den Kunden beliebtes Serviceangebot. Im Zusammenhang mit der Herausforderung, dass die BWF Group ein geringes digitales Serviceangebot aufweist und die Produktberatung hohe Kosten verursacht, entstand die Idee eines digitalen Produktdesignkonfigurators. Dieser Konfigurator könnte die bisherige Produktberatung ergänzen, indem Kunden bereits vor dem physischen Termin mögliche Profile online personalisiert zusammenstellen.
Produktperspektive
Die Produktperspektive berücksichtigt aktuell angebotene Produkte und (neue) Ertragsmodelle, um so eine Smart Service Innovation zu schaffen. Im Innovationsworkshop werden zunächst die verschiedenen Produkte des Unternehmens gesammelt. Darauf aufbauend werden mit diesen verbundene Herausforderungen und bekannte Schmerzpunkte zusammengetragen sowie anschließend Chancen und Nutzungspotentiale erarbeitet. Ziel der Perspektive ist es, eine holistische Sicht über die aktuellen Produkte, deren Herausforderungen und Chancen im digitalen Service-Ökosystem des Unternehmens zu erhalten. Um die Perspektive vertieft zu bearbeiten, können passende bestehende Methoden, wie beispielsweise die Value Map des Value Proposition Canvas von Osterwalder et al. (2014) zur Erkundung von Produkten (und Services) zur Stillung von Kundenbedürfnissen und -schmerzpunkten sowie damit verbundener digitaler Möglichkeiten, verwendet werden.
Im vorliegenden Innovationsworkshop wurden folgende Reizfragen genutzt, um die Bearbeitung der Produktperspektive zu strukturieren und die Kreativität anzuregen:
  • Welche Produkte bietet das Unternehmen an?
  • Vor welche Herausforderungen stellen die Produkte das Unternehmen?
  • Welche Ideen und Möglichkeiten sieht das Unternehmen bezüglich seiner Produkte? Gibt es Digitalisierungs- und Datennutzungsmöglichkeiten?
Im Bereich BWF Feltec identifizierte das Team der BWF Group die Herausforderung, dass Wandfilze häufig nur für optische Zwecke beim Kunden eingesetzt werden. Um die Einsatzmöglichkeiten zu erweitern, entwickelten sie die Idee einer „Noise Cancelling“-Funktion, indem Wandfilze mit Sensoren zur Lautstärkemessung ausgestattet sind und über Aktoren die Akustik des Raumes beeinflussen können.
Digitale Infrastrukturperspektive
Die Digitale Infrastrukturperspektive zielt auf die Verknüpfung der vier vorab genannten Perspektiven über gemeinsame Schnittstellen durch die Nutzung von Daten und digitalen Technologien ab. Somit dient die Perspektive als Bindeglied zwischen den vier bereits erarbeiteten Perspektiven und führt diese mit Hilfe gezielter Leitfragen zusammen, sodass Smart Service Innovations-Ideen für das digitale Service Ökosystem erarbeitet werden können. Durch die Verknüpfung existierender Produkte mit neuen oder bestehenden digitalen Services unter Einbezug der zu Verfügung stehenden Ressourcen entsteht eine neue Logik der Wertschöpfung und innovative Wertversprechen. Dies spiegelt sich in neuen Ertragsmodellen für das Unternehmen wider und stärkt langfristig durch kundenzentrierte Smart Service Innovationen die Kundenbeziehung. Um die Perspektive vertieft zu bearbeiten, können passende bestehende Methoden, wie beispielsweise diejenige von Geum et al. (2016) genutzt werden, welche zum einen bei der Beschreibung der technologischen Infrastruktur, Daten und Software und zum anderen bei der Verknüpfung mittels morphologischer Analyse unterstützt.
Im vorliegenden Innovationsworkshop wurden folgende Reizfragen genutzt, um die Bearbeitung der Digitalen Infrastrukturperspektive zu strukturieren und die Kreativität anzuregen:
  • Gibt es Digitalisierungs- und Datennutzungsmöglichkeiten in den vier Perspektiven?
  • Welche Ideen aus den unterschiedlichen Perspektiven passen zusammen und können verknüpft werden?
  • Wie können die Ideen über Daten und Softwareaspekte oder durch entsprechende Infrastruktur verknüpft werden?
Im Workshop sah das Team der BWF Group beispielsweise Verbindungen zwischen den bereits genannten Ideen aus der Kundenperspektive (Wandfilze zur Regulierung des Raumklimas) und Produktperspektive (Wandfilze zur Regulierung der Lautstärke im Raum). Zusammengenommen ergaben diese Ideen eine Smart Service Innovations-Idee, welche auf eine innovative Büroausstattung abzielt, indem Faktoren wie Raumtemperatur, Geräuschunterdrückung und Ähnliches automatisiert an individuelle Bedürfnisse angepasst werden. Als notwendige digitale Infrastruktur identifizierte das Team der BWF-Group z. B. Sensoren zur Messung der Raumtemperatur, oder zur Wahrnehmung von Geräuschen.

3.3 Zusammenfassung der Innovationsergebnisse zur Sicherung der Anschlussfähigkeit

Um die Anschlussfähigkeit von anhand der Perspektiven generierten Smart Service Innovations-Ideen, deren weitere Implementierung und Überführung in markfähige Innovationen sicherzustellen, sollten die Ideen bewertet werden. Die Bewertung erfolgte im Workshop durch eine initiale Umsetzungsbewertung anhand der Design-Thinking-Kriterien: Feasibility, Desirability, Viability (Dolata und Schwabe 2016). Darauf basierend wird zudem eine Priorisierung der Ideen durch die Workshop-Teilnehmer vorgenommen. Die drei höchst priorisierten Ideen werden dann in Smart Service Innovations-Steckbriefen konkretisiert und weiter ausgearbeitet. Dieser Steckbrief besteht aus vier Bestandteilen: Details bezüglich der einzelnen Smart Service Perspektiven, Titel, drei nächste Schritte, Ideenverantwortlicher.
Im Workshop der BWF Group wurde beispielsweise ein Smart Service Innovations-Steckbrief für die in der digitalen Infrastrukturperspektive bereits vorgestellte Smart Service Innovations-Idee befüllt (Abb. 2).
Das Vorgehen zum Befüllen des Steckbriefs und zugehörige Leitfragen waren wie folgt:
1.
Der Smart Service Innovations-Steckbrief wird mit Hilfe der vorab detailliert ausgearbeiteten Perspektiven konkret für die Idee befüllt. Dies hilft dabei, Lücken in der bisherigen Idee zu identifizieren und diese weiter auszugestalten.
Leitfrage: Wie lässt sich die Idee von allen fünf Perspektiven betrachtet zusammenfassend beschreiben?
 
2.
Der Idee wird ein sprechender Name/Titel gegeben, welcher auch als späterer Projekt- oder Service-Name dienen kann.
Leitfrage: Welcher Titel beschreibt die Smart Service Innovation kurz und prägnant?
 
3.
Die drei nächsten Schritte werden konkret bestimmt, um die Anschlussfähigkeit in die internen Unternehmens- und Innovationsprozesse vorzubereiten.
Leitfrage: Was sind die drei nächsten Schritte, um die Idee weiter umzusetzen, unternehmensintern zu validieren und Sponsoren zu finden?
 
4.
Ein Ansprechpartner wird festgelegt, welcher sicherstellt, dass die nächsten Schritte ausgeführt werden und der die Idee als Projekt weiter vorantreibt.
Leitfrage: Wer ist für das Vorantreiben der Idee geeignet und verantwortlich?
 
Im Anschluss an den Innovationsworkshop mit der BWF Group wurde qualitatives Feedback der Teilnehmenden zur angewandten Vorgehensweise eingeholt. Die Teilnehmenden empfanden den Workshop und besonders das Einnehmen der verschiedenen Perspektiven als herausfordernd, da dieses Vorgehen von bisher verwendeten Designprozessen abweiche. Das multiperspektivische Mindset sei in ihrem Unternehmensalltag nicht üblich, aber die Reizfragen und die zielgerichtete Anleitung lieferten Hilfestellung zur strukturierten Betrachtung und Zusammenführung aller Perspektiven. Das Lösen von gewohnten Denkstrukturen habe im besonderen Maße die Kreativität und Entwicklung neuer Smart Service Innovations-Ideen angeregt. Sie betonten die Relevanz von Smart Service Innovationen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der BWF Group und die Nützlichkeit der Smart Service Perspektiven zur zielgerichteten Generierung von Smart Service Innovations-Ideen.
Insgesamt bestätigten die Teilnehmenden den Mehrwert der angewandten Vorgehensweise und die hohe Qualität der Smart Service Innovations-Ideen als Ergebnis des Innovationsworkshops. Zwei der im Rahmen des Workshops entwickelten Ideen wurden im Nachgang weiterverfolgt, auf höheren Managementebenen vorgestellt und positiv bewertet. Anschließend wurden die beiden Smart Service Innovations-Ideen in die bestehenden Unternehmensstrukturen integriert und zu Prototypen weiterentwickelt.

4 Handlungsempfehlungen für die Praxis

Smart Service Innovationen gewinnen im Zeitalter des Internets der Dinge zunehmend an Bedeutung. Sie können die Grundlage für innovative, digitale Geschäftsmodelle sowie für die Anbindung an digitale Märkte und Service-Ökosysteme bilden. Aufgrund der Komplexität von Smart Service Innovationen bedarf es neuer, Smart Service-spezifischer Designansätze, die Praktiker bei der Ideengenerierung unterstützen. Der vorliegende Beitrag stellt einen solchen Designansatz vor, welcher sich in einem Innovationsworkshop bewährt hat. Neben einer grundlegenden Vorstellung der bei der Ideengenerierung zu berücksichtigenden Perspektiven im Sinne von Akteuren und Komponenten von Smart Service Innovationen, wurden Erkenntnisse und Operationalisierungsmöglichkeiten der Perspektiven aus einem Innovationsprojekt mit der BWF Group vorgestellt. Basierend auf den Ergebnissen des Innovationsprojekts konnten außerdem vier Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, welche bei der Generierung von Smart Service Innovations-Ideen befolgt werden sollten. Diese können Unternehmen, die vor ähnlichen Innovations- und Designherausforderungen stehen, bei ihren Vorhaben unterstützen.
  • Vernetzte Betrachtung unternehmensspezifischer Ressourcen und Kundenbedürfnisse: Um Smart Service Innovationen ganzheitlich entwickeln zu können, sollten alle fünf Smart Service-spezifischen Perspektiven im Ideenentwicklungsprozess eingenommen werden. Sie bilden eine gute Ausgangslage, um in die Ideenentwicklung technologische Möglichkeiten einzubeziehen, die Kunden Mehrwerte bieten und gleichzeitig zum Produktportfolio, den Services, Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens passen. Über die Berücksichtigung verschiedener Akteure, deren Ressourcen und Fähigkeiten können effizient innovative Wertangebote geschaffen sowie das Service-Ökosystem eines Unternehmens genutzt und ausgebaut werden.
  • Digitale Infrastruktur als Bindeglied in Service-Ökosystemen: Im Kontext von digitalen Geschäftsmodellen kommt der digitalen Infrastruktur die Rolle eines Verbindungsglieds zwischen Akteuren, Lösungen, Ressourcen und Ideen zu. Vorhandene und potenziell benötigte digitalen Infrastruktur eines Unternehmens und dessen Ökosystems sollte daher bei der Entwicklung von Smart Service Innovationen explizit berücksichtigt und konkret ausgearbeitet werden. Verknüpfungsmöglichkeiten können beispielsweise über Daten und digitale Schnittstellen entstehen. Sie ermöglichen kombinatorische Innovationen über die Verknüpfung der Smart Service Innovations-Perspektiven zur Schaffung ganzheitlicher Smart Service Innovationen.
  • Multikriterielle, frühzeitige Bewertung und Priorisierung der Ideen: Bei der Entwicklung von komplexen Smart Service Innovations-Ideen stehen dem hohen Planungs- und Koordinierungsaufwand die begrenzten Ressourcen des Unternehmens gegenüber. Um diesen Anforderungen aus der Unternehmenspraxis gerecht zu werden, sollten Smart Service Innovations-Ideen frühzeitig bewertet und priorisiert werden, um über eine Weiterverfolgung der Ideen sowie deren Eignung für den Markt zu entscheiden. Entsprechende Entscheidungen sollten auf Kriterien beruhen, die auf die individuelle Situation im Service-Ökosystem und Strategie des Unternehmens angepasst sind.
  • Iteratives Vorgehen als Schlüssel zum Erfolg: Im Zeitalter des Internets der Dinge erfolgen Innovationen und Geschäftsmodelländerungen in schnellen, sich überschneidenden Innovationszyklen mit einem hohen Maß an Unvorhersehbarkeit, was die parallele Bearbeitung einer Vielzahl von Aufgaben erfordert. Aus diesem Grund sind traditionelle Wasserfall-Ansätze nur bedingt für die Entwicklung von Smart Service Innovationen und Interaktionen im Service-Ökosystem geeignet. Iterative Ansätze hingegen geben sowohl Praktikern als auch betroffenen Akteuren die Möglichkeit, den Erfolg zu kontrollieren, ständige Anpassungen vorzunehmen, Ideen schneller zu konkretisieren und wertvolles Feedback aus unternehmensinternen und -externen Quellen im Innovationsprozess einzubeziehen.
Insgesamt zeigt der vorliegende Beitrag einen neuen Designansatz zur Gestaltung von Smart Service Innovationen in der Praxis auf. Dieser Ansatz strukturiert die Initiierungsphase von Smart Service Innovationen und schlägt eine Vorgehensweise orientiert an den Smart Service-spezifischen Perspektiven vor. Zunächst werden diese Perspektiven isoliert betrachtet und anschließend über die digitale Infrastruktur vernetzt. Darüber werden Smart Service Innovations-Ideen ganzheitlich generiert und Praktiker systematisch in ihrem Innovationsvorhaben unterstützt. Die Vorgehensweise ist besonders für etablierte Unternehmen mit festen Strukturen von großem Wert, da der Ansatz dabei hilft, sich von gewohnten Denkmustern zu lösen und mit einer neuen Herangehensweise zielgerichtet Smart Services zu designen. Zusammen mit den Handlungsempfehlungen bietet der Beitrag darüber hinaus Orientierung und Anhaltspunkte für das Design digitaler Geschäftsmodellinnovationen und den Ausbau von Service-Ökosystemen. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass durch Veränderungen von Technologien und Geschäftsparadigmen zukünftig weitere Aspekte bei der Entwicklung von Smart Service- und Geschäftsmodellinnovationen zu berücksichtigen sein können. Es sei außerdem darauf hingewiesen, dass die hier vorgestellten Ergebnisse auf der Analyse eines Innovationsprojekts mit einem Unternehmen zurückzuführen sind. Um eine größere Datengrundlage zu erreichen, die in eine detaillierte Design-Methodik überführt werden könnte, müssten weitere Daten durch Projekte mit anderen Unternehmen erhoben werden. Zur Beurteilung der Qualität der entwickelten Ideen könnte eine Betrachtung über einen längeren Zeitraum spannend sein, um zu verfolgen, was aus den entwickelten Ideen entsteht und wie sie in die bestehenden Unternehmensprozesse überführt werden. Trotz der genannten Restriktionen kann der vorliegende Beitrag Praktiker dabei unterstützen, die Chancen digitaler Technologien zu nutzen, veränderte Kundenbedürfnisse zu adressieren sowie ihre Arbeitsweise, Geschäftsmodelle und Service-Ökosysteme auf veränderte Bedingungen im Internet der Dinge anzupassen. Auf diese Weise werden wertvolle Beziehungsgeflechte aufgebaut, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit gesichert und der Weg in eine digitale, vernetzte Zukunft geebnet.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Our product recommendations

HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik

HMD liefert IT-Fach- und Führungskräften Lösungsideen für ihre Probleme, zeigt ihnen Umsetzungsmöglichkeiten auf und informiert sie über Neues in der Wirtschaftsinformatik (WI).

Literature
go back to reference Backerra H, Malorny C, Schwarz W (2020) Kreativitätstechniken: Kreative Prozesse anstoßen, Innovationen fördern. Carl Hanser, München Backerra H, Malorny C, Schwarz W (2020) Kreativitätstechniken: Kreative Prozesse anstoßen, Innovationen fördern. Carl Hanser, München
go back to reference Buck C, Grüneke T, Stelzl K (2021) Structuring the jungle of capabilities fostering digital innovation. In: Proceedings of the 16th International Conference on Wirtschaftsinformatik (WI) Duisburg-Essen, Deutschland Buck C, Grüneke T, Stelzl K (2021) Structuring the jungle of capabilities fostering digital innovation. In: Proceedings of the 16th International Conference on Wirtschaftsinformatik (WI) Duisburg-Essen, Deutschland
go back to reference Dolata M, Schwabe G (2016) Design thinking in IS research projects. In: Brenner W, Uebernickel F (Hrsg) Design thinking for innovation. Research and practice. Springer, Cham, S 67–83CrossRef Dolata M, Schwabe G (2016) Design thinking in IS research projects. In: Brenner W, Uebernickel F (Hrsg) Design thinking for innovation. Research and practice. Springer, Cham, S 67–83CrossRef
go back to reference Marx E, Pauli T, Matzner M, Fielt E (2020) From services to smart services: Can service engineering methods get smarter as well? In: Proceedings of the 15th International Conference on Wirtschaftsinformatik (WI) Potsdam, Deutschland, S 1067–1083 Marx E, Pauli T, Matzner M, Fielt E (2020) From services to smart services: Can service engineering methods get smarter as well? In: Proceedings of the 15th International Conference on Wirtschaftsinformatik (WI) Potsdam, Deutschland, S 1067–1083
go back to reference Osterwalder A, Pigneur Y, Bernarda G, Smith A, Papadakos P (2014) Value proposition design; how to create products and services customers want. Wiley, Hoboken Osterwalder A, Pigneur Y, Bernarda G, Smith A, Papadakos P (2014) Value proposition design; how to create products and services customers want. Wiley, Hoboken
go back to reference Porter ME, Heppelmann JE (2014) How smart, connected products are transforming competition. Harv Bus Rev 92:64–88 Porter ME, Heppelmann JE (2014) How smart, connected products are transforming competition. Harv Bus Rev 92:64–88
Metadata
Title
Initiierung von Smart Service Innovationen im produzierenden Gewerbe
Authors
Christoph Buck
Felicitas Kuch
Anna Lindenthal
Tobias Merktle
Anna Maria Oberländer
Christoph Tippel
Annette Wenninger
Publication date
31-08-2022
Publisher
Springer Fachmedien Wiesbaden
Published in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Issue 5/2022
Print ISSN: 1436-3011
Electronic ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-022-00900-w

Other articles of this Issue 5/2022

HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 5/2022 Go to the issue

Premium Partner