Skip to main content
Top

20-06-2023 | Investition | Interview | Article

"Die Abhängigkeit der Klubs von Investorengeldern steigt"

Author: Angelika Breinich-Schilly

5:30 min reading time

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
print
PRINT
insite
SEARCH
loading …

Fußball ist ein Spiel für Millionen und oft geht es um viele Millionen. Wer in die Top-Ligen und -Vereine investiert und wie diese Kommerzialisierung die Strukturen der Klubs und den gesamten Sport verändern, erläutern die Springer-Autoren Sebastian Friedrich, Marc Friedrich und Ludwig Hierl im Interview.

springerprofessional.de: Professionelle Anleger denken sicher nicht zuerst an Fußball, wenn es um interessante Investitionsziele geht. Dennoch gibt es bereits eine Reihe von Vereinen, die ihre Hauptanteile an einen Investor oder Fonds verkauft haben. Wer steckt hinter diesen Geldgebern? 

Ludwig Hierl: Bei deutschen Fußballklubs sind einige erfolgreiche Geschäftsleute investiert, die nicht nur ihren Herzensverein unterstützen wollen, sondern teilweise auch konkrete Businessmodelle verfolgen. Öffentlich am bekanntesten sind hierzulande wohl Dietmar Hopp (TSG Hoffenheim), Martin Kind (Hannover 96), Klaus-Michael Kühne (HSV) und der zwischenzeitlich verstorbene Dietrich Mateschitz (RB Leipzig). International sind beispielsweise die Glazer-Familie (Manchester United) sowie die Investoren-Gruppe um Todd Boehly anzuführen, die beim FC Chelsea die Anteile von Roman Abramowitsch übernommen hat. Die Glazer-Familie wird ihre Anteile eventuell an Investoren aus dem Nahen Osten verkaufen. Staatsfonds aus reichen Ölländern sind allerdings ohnehin bereits bei einigen bekannten Fußballklubs als Investoren tätig, so zum Beispiel die Abu Dhabi United Group bei Manchester City, Qatar Sport Investment bei Paris Saint-Germain sowie der Public Investment Fund Saudi-Arabiens als Leadinvestor bei Newcastle United.

Editor's recommendation

2023 | Book

Kommerzialisierung des Fußballs vom Amateursport bis zur Super League

Mit Geleitwort von Fredi Bobic und Interview mit Martin Kind

Das Buch skizziert die wirtschaftliche Entwicklung im Spitzenfußball: Ausufernde Spielergehälter und Ablösesummen lassen Vereine zunehmend wirtschaftlich defizitär agieren, um sich bei der Jagd nach begehrten Titeln wie in der Champions League Vorteile zu verschaffen. Diese Spirale veranlasste die UEFA, ein umstrittenes Reglement - Financial Fairplay - im europäischen Fußball zu installieren, das als gescheitert gilt und durch Financial Sustainability ersetzt wurde. Das Autorentrio stellt Alternativkonzepte für mehr sportliche Ausgeglichenheit in den Wettbewerben vor.

Wie sehen solche Deals in der Praxis aus? Welche Vor- und Nachteile erwachsen den Clubs aus den Verträgen, die ihnen zum Teil enorme Summen einbringen? 

Ludwig Hierl: Mit der aus dem Anteilsverkauf an Investoren generierten Liquidität können neue, vermeintlich bessere Spieler gekauft sowie Investitionen in Spiel- und Trainingsstätten finanziert werden. Damit eröffnet sich die Chance auf eine Erreichung des dominierenden Unternehmensziels im Sportbusiness, nämlich der Gewinn von Titeln. Immer öfter sehen sich Investoren allerdings nicht mehr nur in der Rolle eines Geldgebers, sondern wollen auch aktiv mitgestalten. Wenn in Deutschland die 50+1-Regel abgeschafft worden wäre, wäre wohl Lars Windhorst noch Investor bei Hertha BSC - anstelle der Investmentgesellschaft 777 Partners - und Hasan Ismaik hätte nach eigener Aussage bei 1860 München weitere bis zu 200 Millionen Euro in - von ihm ausgewählte - neue Spieler und Trainer investiert. 

Haben Sie weitere Beispiele?

Dass Investoren nicht immer die beste Fachexpertise und hinreichend Geduld haben, zeigt der Tatendrang des neuen Investors bei Chelsea. Ein weiterer Nachteil ist, dass nicht nur bei Investoren aus dem arabischen Raum jegliche Kritik eher unerwünscht ist. Und was passieren kann, wenn ein Investor das Interesse an seiner Beteiligung verliert, kann am Beispiel des FC Malaga nachvollzogen werden. Nach dem Aufstieg in die Champions League folgte damals der Abstieg bis in die dritte spanische Liga, als der Zahlungsstrom aus Katar versiegte. 

Welche Kriterien sind für Investoren auf der Suche nach dem passenden Verein ausschlaggebend? 

Marc Friedrich: Das ist davon abhängig, welche Ziele die entsprechenden Investoren verfolgen. Während am klassischen Kapitalmarkt Erfolgs- und Rentabilitätsziele im Vordergrund stehen, scheinen die Investoren von Fußballklubs wie beispielsweise Manchester City oder Paris Saint-Germain andere Absichten zu haben. Der Begriff Sportswashing beschreibt den Versuch, den Sport zu instrumentalisieren und von weniger positiven Aspekten abzulenken und das eigene Ansehen zu verbessern. Dies gelingt umso mehr, je mehr Einfluss auf einen Klub und seine Fans genommen werden kann. Prohibitive Einschränkungen wie die deutsche 50+1-Regel gefährden diese Zielerreichung. Als der Saudi Arabia Public Investment Fund Newcastle United kaufte, haben Fans vor dem Stadion mit der Flagge Saudi-Arabiens gefeiert. Bedenken über die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sowie den Mord an Jamal Khashoggi wurden von den Erfolgsaussichten durch den unverhofften Geldregen überlagert.

In Deutschland haben sich einige Klubs zu Kapitalgesellschaften gewandelt. Welche Vorteile bietet ihnen diese Rechtsform? 

Sebastian Friedrich: Die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung von Fußballvereinen in Kapitalgesellschaften wie eine GmbH, eine GmbH & Co. KGaA oder eine AG birgt verschiedene Vorteile. Neben einer Haftungsbegrenzung sowie einer Verbesserung der Reputation wird hierdurch die Übertragung von Geschäftsanteilen an Investoren ermöglicht. Diese Möglichkeit bleibt Klubs wie zum Beispiel Schalke 04 oder dem FC Barcelona verwehrt, die beide weiter in der Vereinsrechtsform "e.V.". firmieren. In Deutschland begrenzt die 50+1-Regel den Einfluss von Kapitalanlegern und stellt sicher, dass der Mutterverein die Mehrheit der Stimmrechte in der Kapitalgesellschaft behält. Durch die klare Aufteilung der Verantwortlichkeiten zwischen der Geschäftsleitung, dem Aufsichtsrat und den Gesellschaftern wird eine effiziente Governance gewährleistet. Die Transformation in eine Kapitalgesellschaft führt zu einer klaren rechtlichen Struktur und einer präzisen Regelung, wodurch die Vereinsführung erleichtert, und eine größere Transparenz ermöglicht wird. Dieser Wandel stellt sicher, dass die Anforderungen des modernen Fußballgeschäfts erfüllt werden können.

Welche anderen rechtlichen Konstrukte unter deutschen Fußball-Klubs gibt es noch? 

Sebastian Friedrich: Reine Personengesellschaften wie eine GbR, eine KG oder eine OHG gibt es nicht. Neben Kapitalgesellschaften ist bisweilen noch die tradierte Rechtsform des eingetragenen Vereins, kurz e.V., anzutreffen. Diese unterliegt dem Vereinsrecht und wird in der Regel als gemeinnützig eingestuft. Die Mitglieder sind Teil des Vereins und haben Stimm- und Mitbestimmungsrechte bei Entscheidungen. In der Saison 2022/2023 wurden nur noch vier Vereine - FC Union Berlin, SC Freiburg, FSV Mainz 05 und Schalke 04 - als eingetragener Verein geführt. Es ist bemerkenswert, dass die Rechtsform GmbH & Co. KGaA, die in der Bundesliga weit verbreitet ist - FC Augsburg, VfL Bochum, Hertha BSC, SV Werder Bremen, Borussia Dortmund und 1. FC Köln - im übrigen Wirtschaftsleben eine vergleichsweise geringe Verbreitung aufweist. 

Durch die zunehmende Kommerzialisierung verändern sich die Prozesse im Fußball. Spürbar ist das nicht nur bei der Vermarktung. Auch politisch versuchen Investoren über die großen Ligen und im internationalen Fußball Einfluss zu erlangen. Welche Gefahren birgt das und wie werden diese über regulative Vorgaben gebannt? 

Marc Friedrich: Die Abhängigkeit der Klubs, aber auch der Verbände, von Investorengeldern steigt. Sportswashing wird immer besser gelingen, moralisch-ethische Bedenken werden zurückgedrängt, der Sport verliert weiter an Bodenständigkeit und Ehrlichkeit. Um diesem Missbrauch des Sports entgegenzuwirken, bedarf es einer umfassenden regulatorischen Rahmengestaltung und Kontrollmechanismen. Ob die Einführung von Transparenzregeln es ermöglichen wird, die wahren Absichten und Hintergründe von Investoren offenzulegen, bleibt ebenso fraglich wie die Einhaltung moralisch-ethischer Grundprinzipien durch die Etablierung von Ethikrichtlinien und Verhaltenskodizes. Sie bieten zumindest die Chance dafür. Kritische Medienberichterstattung sowie öffentliche Aufklärungsarbeit bleiben weiter wichtig, um den Druck auf Vereine, Investoren und Verbände aufrechtzuerhalten, damit sie verantwortungsbewusst handeln und den Sport vor Missbrauch schützen.

print
PRINT

Related topics

Background information for this content

Related content