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2022 | Book

Sexualität und Macht in der Polizei

Eine multiperspektivische Fallanalyse

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About this book

Ein hochrangiger Polizeibeamter bietet einer Angestellten eine Beförderung an und fragt sie dabei, ob sie sich „hochschlafen“ wolle. Die Frau weist ihn zurück und behält den Vorfall jahrelang für sich. Zuvor hatte sie in der Polizei vergeblich um Unterstützung ersucht. Erst Jahre später taucht dieser Polizeibeamte in den Schlagzeilen auf, weil er seiner jungen Kripochefin nachgestellt haben soll. Erst daraufhin wird er aufgrund der Anzeige der Angestellten rechtskräftig verurteilt.

Diesen konkreten Rechtsfall sexualisierter Grenzüberschreitung, nehmen die Herausgeber des Buches als Anlass interdisziplinär zu untersuchen, wie Mechanismen der Skandal- und Krisenbewältigung und die damit einhergehenden Formen der institutionellen Abwehr in der Organisation Polizei wirken. Das Wegsehen und rationalisierende Verdrängen seitens Vorgesetzter, Kolleginnen und Kollegen ist unbedingt aufklärungsbedürftig. Ziel des Buches ist die Schaffung einer interdisziplinären Grundlage für die Reflexion vergleichbarer Fälle in der „Organisation mit Gewaltlizenz“ und damit die Initiierung eines organisationalen Lernprozesses, der solche Fälle zu verhindern hilft.

Table of Contents

Frontmatter
Einleitung
Zusammenfassung
„Stellt ein Beamter, dem insoweit zumindest die Möglichkeit der Einflussnahme zu Gebote steht, die Förderung der Karriere einer Bediensteten bei Stellenbesetzung gegen sexuelle Gunstgewährung in Aussicht, so erfüllt dies den Tatbestand der Bestechlichkeit auch dann, wenn die konkrete Art der Förderung im Unbestimmten bleibt“ heißt es im Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 2020.
Christian Barthel, Claudia Puglisi

Fallanalyse

Frontmatter
Journalistische Aufbereitung des Falls W-Stadt
Zusammenfassung
Für Journalisten ist es oft schwierig eine gute Geschichte zu finden. Manchmal ist man lange auf der Suche, manchmal liegt sie einem direkt vor den Füßen. Doch was macht eigentlich eine gute Geschichte aus? Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn es liegt in der Natur der Sache, dass da jeder eine ganz eigene Meinung hat und „gut“ und „schlecht“ für sich exklusiv definiert.
Die folgende Geschichte ist eine von diesen „guten Geschichten“, sie hat ein bisschen was von David gegen Goliath, sie steht für Mut, Frauenrechte und sie gibt der Leserin und dem Leser die Chance in einer Institution Mäuschen zu spielen, die sich eigentlich als Bollwerk versteht, bei dem Außenstehende normalerweise nicht mal an der Fassade kratzen können.
Hier geht es um sexuelle Belästigung, Stalking, unerwiderte Begierde, unmoralische Angebote, Vetternwirtschaft, Korps-Geist, Gerichtsprozesse und den Kampf einer Beamtin gegen einflussreiche Teile einer ganzen Behörde (Der folgende Bericht beruht auf den Angaben von Claudia Puglisi).
Jan Bockemüller
Resilienz, Integrität und Führungsverantwortung bei Regelverstößen und Straftaten im Polizeidienst
Zusammenfassung
Dieses Kapitel widmet sich dem Thema Sexualität und Polizei aus der grundlegenden Perspektive von Standardpathologien öffentlicher Verwaltung. Im Mittelpunkt steht das Spannungsverhältnis zwischen Resilienz und Integrität unter den besonderen Bedingungen des rechtsstaatlichen Gewaltmonopols. Das heute populäre Stichwort der Resilienz verweist darauf, dass Behörden sich um ihrer Leistungsfähigkeit willen in erheblichem Umfang mit sich selbst beschäftigen müssen. Ohne alltägliche Rücksichtnahme des Personals untereinander kann die Funktionsfähigkeit arbeitsteiliger Zusammenhänge nicht sichergestellt werden. Diese verlässliche Funktionsfähigkeit auf der Basis internen Zusammenhalts steht in einem latenten Spannungsverhältnis zur professionellen Integrität. Im Polizeidienst kann Gruppensolidarität mit rechtsstaatlichen Kernfunktionen in Konflikt geraten. Sexuelle Grenzüberschreitungen und deren Vertuschung sind hierfür exemplarisch. Zum einen, weil ungesetzliches Handeln mit dem Kernauftrag der Polizei von vornherein unvereinbar ist. Zum anderen durch die Fehlinterpretation von Resilienzerfordernissen durch das Führungspersonal der Polizei. Kurzfristige und kurzsichtige Prioritätensetzungen durch das administrative und politische Führungspersonal der Polizei begünstigen die Verschleierung sexueller Grenzüberschreitungen in der Polizei und damit die Fortschreibung einer Missachtung  rechtsstaatlicher Grundsätze in einer Kerninstitution des Rechtsstaats selbst. Illustriert wird dies anhand eines Falles aus Niedersachsen, zu dessen Schlüsselakteuren höhere und hohe Polizeibeamte ebenso gehörten wie der verantwortliche Innenminister.
Wolfgang Seibel
Führung als mikropolitisches Regime
Zusammenfassung
Der Beitrag ist insbesondere dem polizeifremden Leser gewidmet, der sich ein Hintergrundverständnis für den in diesem Buch besprochenen Fall aneignen möchte. Der Text versteht sich als eine – selbstverständlich nur kursorische – Einführung in die Komplexität der Alltagsorganisation einer polizeilichen Dienstelle: einer Polizeiinspektion in der Landespolizei Niedersachsen. Dabei wird grundsätzlich über die Funktion der Führung informiert, darauf aufbauend über die unterschiedlichen Typen der Führungspraxis, und schließlich über den Mikropolitiker in der Leitungsfunktion. Er – so lautet die These dieses Beitrags – ist die idealtypisch zugespitzte Variante einer Führungspraxis, die im hier besprochenen Fall W-Stadt zur Wirkung kommt. Insgesamt wird damit ein organisationssoziologisch informierter Hintergrund entfaltet, der hilft den Fall in seiner Besonderheit, aber auch seiner organisationskulturellen Typik einzuordnen.
Christian Barthel

Das institutionelle Abwehrsystem

Frontmatter
Die Polizei „durchlüften“ – Führung als skandalpräventive Ressource in der Polizei
Zusammenfassung
Der Beitrag weist die Polizei als institutionelle Organisation aus – eine Organisation, die in ganz besonderer Weise von der sozialen Akzeptanz, dem Vertrauen und der Integritätszuschreibung der Gesellschaft abhängig ist. Die Wahrung dieser Integrität, die Gewährleistung, dass die Organisation sich responsiv gegenüber den Erwartungen und Wertehorizonten der Gesellschaft in ihrem alltagspraktischen Handeln erweist, ist Aufgabe der Führung, insbesondere der Führungskräfte des ehemaligen höheren Dienstes. Sie müssen die Integrität der Organisation gegenüber Fehlhaltungen im Polizeiberuf verteidigen (z. B. rechtsextremistische, rassistische Einstellungen, die Ausübung von unangemessener Polizeigewalt, aber auch sexualisierte Grenzverletzungen), gleichsam gegenüber einer diese Fehlentwicklungen bagatellisierenden Organisationskultur. Um diese anspruchsvolle Aufgabe der Führung konzeptionell zu erfassen, wird das organisationssoziologisch informierte Konzept des „Institutional Leaderships“ von Philipp Selznick eingeführt und auf das Handlungsfeld polizeilicher Führungskräfte übertragen. Das konkrete Beispiel für institutional leadership in Aktion, liefert der in diesem Band besprochene Fall. Im Fokus steht das verantwortliche Verhalten einer polizeilichen Spitzenführungskraft. Der Polizeiskandal W-Stadt dient dabei als Projektionsfläche, um einen defensiv-unprofessionellen und einen aktiv-professionellen Idealtypus des institutional leaders zu konstruieren.
Christian Barthel, Claudia Puglisi
Lieber nicht darüber reden? – Institutionelle Konfliktscheu versus professionelle Krisenkommunikation
Zusammenfassung
Der Beitrag macht deutlich, dass die institutionalisierte Konfliktscheu in der Polizei nicht nur bedenkliche Folgen für die kompetente Aufarbeitung des hier beschriebenen Falles hat, sondern auch für die professionelle Gestaltung der internen und externen Kommunikation in diesem wie in ähnlich gelagerten Fällen. Schlussendlich bleibt die Polizei erheblich hinter ihren Möglichkeiten guter Krisenkommunikation zurück, die sie im Gegensatz hierzu, zum Beispiel anlässlich der Begleitung schwieriger Einsatzsituationen, an den Tag legt. Plädiert wird schließlich für eine „offene Fehler- und Kommunikationskultur“, die sich nicht zuletzt in der Form eines behördlich institutionalisierten Krisen- und Kommunikationsmanagements äußern muss.
Hartwin Möhrle
Wenn Medien den Bagger ansetzen – Chronik eines Polizeiskandals
Zusammenfassung
Der Beitrag zeigt anhand der Skandaluhr nach Burkhardt auf, wie sich das in diesem Buch diskutierte Fallbeispiel W-Stadt über einen Verlauf von fast fünf Jahren zum Skandal entwickelt und in den Medien gespiegelt hat. Hierbei werden die einzelnen Phasen des Skandals – Latenz, Aufschwung, Etablierung, Abschwung und Rehabilitation – anhand einer Auswahl der zahlreich veröffentlichten Medienbeiträge nachgezeichnet.
Darauf aufbauend werden die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine professionelle Krisenkommunikation aufgezeigt und mit einzelnen Kommunikationssequenzen im Fall W-Stadt abgeglichen. Schlussendlich plädiert die Autorin im Fall des Feststellens von Missständen innerhalb der Polizei weniger für eine Diskussion über die dem Skandal innewohnenden Gegenpole von ‚gut‘ und ‚böse‘, sondern für eine Differenzierung in Bezug auf das ‚verantwortliche Handeln‘ und das  ‚unverantwortliche Handeln‘ der zuständigen Führungskräfte.
Claudia Puglisi
Polizeiliche Superiorität und toxische Männlichkeit – Wenn Menschen eindringen, wo sie wollen
Zusammenfassung
Wie in jeder Gesellschaft und in jeder Organisation, so gibt es auch in der Polizei eine „Ober-“ und eine „Unterwelt“ (Hondrich, 1987). In meinen bisherigen Arbeiten habe ich implizit diese Unterscheidung auch getroffen, und zwar als Arbeitsbündnis von Polizeikultur und Polizistenkultur (Behr, 2008). Der Themenkomplex, der hier bearbeitet werden soll, lässt sich darin nicht einordnen. Sexuell motivierte Grenzverletzungen durchziehen die gesamte Organisation, in jeder Ebene gibt es Täter und Opfer. Überall sind Menschen, die sich integer und loyal verhalten und solche, die ihre Position (z. B. als Vorgesetzter, Ausbilder, Mann) ausnutzen, um ihr erotisches Begehren an anderen Menschen zu befriedigen, ohne sicherzustellen, dass diese das auch wollen. Ebenso steht es um die Adressatinnen der Übergriffigkeiten: Auch sie kommen sowohl aus der Gruppe der „Hands-on“-Mitarbeiter:innen (= Cop Culture) als auch aus dem Management (= Polizeikultur). In diesem Text geht es um Männer und um toxische Männlichkeit in der Polizei. Ich gehe aber davon aus, dass das nicht nur auf Polizisten zutrifft, sondern prinzipiell auf alle Männer in hierarchischen Regimen.
Rafael Behr
Grenzverletzungen in Organisationen: Leadership gesucht
Zusammenfassung
Der Beitrag fokussiert aus organisationssoziologischer und zugleich psychoanalytischer Perspektive das eigentümliche Schweigen der polizeilichen Entscheidungsträger:innen, die im hier besprochenen Fall ihrer Aufsichts- und Fürsorgepflicht gegenüber den Opfern sexualisierter Grenzverletzung nicht nachgekommen sind. Dieses Schweigen, respektive Dethematisieren und Rationalisieren wird als kollektive Angstabwehr gedeutet, die bezüglich des Organisationszwecks der Polizei einen zugleich funktionalen wie auch potenziell dysfunktionalen Charakter hat. Um den schmalen Grat zwischen funktionaler und dysfunktionaler Angstabwehr für die Organisation gangbar zu machen, wird Leadership als eine besondere Form des professionellen Grenzmanagements empfohlen.
Ronny Jahn
Vogel im Wolfspelz – Über Zivilcourage in einer uniformierten Organisation
Zusammenfassung
Ich bin Polizistin und in der Polizei seit mehr als 15 Jahren im oberen Management tätig. Im vorliegenden ‚Fall W-Stadt‘ habe ich im Jahr 2016 zunächst eine Strafanzeige wegen Stalking gegen den Inspektionsleiter zwecks Prüfung durch die Staatsanwaltschaft eingereicht sowie eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den für ihn zuständigen Polizeipräsidenten an meine Vorgesetzten weitergeleitet. Die damals 35 Jahre alte Kripochefin hatte mich um Unterstützung gebeten, nachdem sie sich über Monate vergeblich gegen die aufdringlichen Belästigungen ihres 60-jährigen Inspektionsleiters gewehrt, diese dokumentiert und schließlich den Polizeipräsidenten um Hilfe gebeten hatte. Der kümmerte sich zunächst lediglich darum, dass die Kripochefin ihren Dienstposten wechselte. Gegen den Inspektionsleiter wurden von ihm keine Maßnahmen getroffen. Im Gegenteil: Er trieb die geplante Beförderung des Inspektionsleiters voran. Wenig später, nachdem die Belästigungsvorwürfe gegen den Inspektionsleiter in den Medien und der Politik diskutiert wurden, kam auch die Angestellte auf mich zu: Sie warf dem Inspektionsleiter vor, ihr einige Jahre zuvor eine Beförderung gegen Sex angeboten zu haben. Für die Angestellte engagierte ich mich wiederum und sorgte dafür, dass sie das Erlebte bei der Staatsanwaltschaft anzeigte, wofür der Inspektionsleiter 2019 verurteilt wurde. Das Urteil wurde 2020 durch den BGH bestätigt, nachdem der Inspektionsleiter Revision eingelegt hatte. Im Prozess sagte ich als Zeugin aus. In beiden Fällen geriet ich insbesondere bei meinen Vorgesetzten in einen negativen Fokus, was bis heute dienstliche und persönliche Folgen für mich hat.
Claudia Puglisi
Das „versteckte Narrativ“ in der Geschichte der Claudia P.
Zusammenfassung
Auf der Grundlage eines biografischen Interviews werden die persönlichen Ressourcen identifiziert, die es der Hinweisgeberin Claudia Puglisi ermöglicht haben, trotz der erwartbaren Widerstände und Hemmnisse aus der Polizeiorganisation die Zivilcourage aufzubringen, den in diesem Buch besprochenen Fall justiziabel zu machen.
Peter Alheit

Rechts- und Normenperspektive

Frontmatter
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich: Der Fall W-Stadt aus juristischer Sicht
Zusammenfassung
Andreas Kreutzer blickt auf eine fast 40jährige Erfahrung als Richter zurück. Er war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2018 Vizepräsident des Landgerichtes Hannover, davor Vorsitzender Richter am Landgericht Braunschweig. Daneben führte er sechs Jahre lang den Niedersächsischen Richterbund als deren Vorsitzender. Im folgenden Interview betrachtet Andreas Kreutzer den Fall W-Stadt aus juristischer Sicht. Hierfür wurde ihm seitens der Staatsanwaltschaft Braunschweig Einsicht in die Strafakten gem. § 476 StPO gewährt.
Andreas Kreutzer
Zur Rolle von Recht und formalen Erwartungsstrukturen im Polizeiskandal W-Stadt oder wie eine Behörde im Umgang mit sexueller Belästigung versagt
Zusammenfassung
Der vorliegende Artikel analysiert die niedersächsische Polizeiaffäre aus einer Perspektive, die sich für das Zusammenspiel von Recht und Organisationen interessiert. Zunächst argumentieren wir, dass Recht in Organisationen nicht aus sich heraus wirkt, es benötigt Akteur:innen, die es durchsetzen. Diese sitzen formal auf bestimmten Relaisstellen, deren Funktion es ist, dem Recht Geltung zu verschaffen. Im vorliegenden Fall, so zeigen wir, versagen diese Relaisstellen. Recht dient am Ende weniger dem Schutz der Betroffenen als vielmehr dem Schutz der Organisation.
Maja Apelt, Henrik Dosdall, Judith Muster
Reden oder Schweigen? Zum Umgang der Polizei mit ihrer moralischen Vulnerabilität
Zusammenfassung
Organisationen und Personen sind moralisch vulnerabel, d. h. sie müssen mit dem Risiko eigenen oder fremden Moralversagens umgehen. Für Hochmoralorganisationen wie die Polizei und Berufsgruppen, die für ihre Arbeit auf hohe Vertrauenszuschreibungen angewiesen sind, stellt dies in der Regel eine Infragestellung ihrer moralischen Integrität dar. Der Beitrag beschreibt zwei grundlegende Alternativen, mit dieser Gefährdung umzugehen: Einerseits dessen Akzeptanz samt eines aufmerksamen Umgangs mit dieser Vulnerabilität. Andrerseits dessen Abwehr samt der dafür zur Verfügung stehenden Mittel. Beide Strategien intendieren, die moralische Integrität einzelner und der Organisation als ganzer zu sichern bzw. zu stärken. Sie nutzen jedoch verschiedene Ausgangspunkte: Ausgangspunkt der Abwehr ist ein unerschütterliches Vertrauen in die eigene moralische Integrität. Ausgangspunkt der Annahme stellt ein grundlegendes Misstrauen ihr gegenüber dar. Der Beitrag argumentiert für den letztgenannten Ausgangspunkt, da er nachvollziehbare Chancen dafür bietet, die moralische Integrität zu sichern. Die Fixierung auf Vertrauen an dieser Stelle würde die moralische Integrität demgegenüber gerade gefährden. Der Weg der Annahme erfordert ‚Moral Action‘ vor allem in Form moralischen Sprechens. Dieses Sprechen ist in durch Hierarchie und Macht geprägten Organisationen mit Risiken behaftet und erfordert einen beträchtlichen persönlichen und institutionellen Mut (‚Moral Courage‘). Jede Organisation, die sich ernsthaft um die Sicherung ihrer moralischen Integrität bemüht, muss die Risiken für moralisches Sprechen für alle Beteiligten möglichst gering halten.
Werner Schiewek

Ressourcen für Opfer sex. Grenzverletzungen und Führungskräfte

Frontmatter
Zwischen Bagatellisierung und Skandalisierung: Mikropolitik im Umgang mit sexueller Belästigung bei der Polizei
Zusammenfassung
Der Beitrag zeigt, dass Mikropolitik beim Umgang mit sexueller Belästigung eine bedeutende Rolle spielt. Anhand einer Fallanalyse werden mikropolitische Strategien der Beteiligten untersucht. Es wird ein mikropolitisches Kompetenzmodell präsentiert, das für Betroffene sexualisierter Grenzverletzungen wie auch für organisationseitig Verantwortliche (Führungskräfte, Gleichstellungsbeauftragte, Personalrät*innen, Supervisor*innen in den sozialwissenschaftlichen Diensten der Polizei) eine strategisch wirksame Bearbeitung derartiger Vorfälle ermöglicht.
Daniela Rastetter, Christiane Jüngling
To read the room: Interne Beratung als Reflexionsangebot für Person und Organisation
Zusammenfassung
Der nachfolgende Debattenbeitrag über die Herausforderungen und die Chancen interner Beratung für die Polizei und in der Polizei fragt nach Gelingensvoraussetzungen einer prozessorientierten und systemischen Beratung für Subjekt und Organisation auf der Folie des sogenannten „Fall W-Stadt“. Die Perspektive ist hierbei durchgängig die der Praxis interner Beratung. Die Diskussion wird anhand zweier fiktiver – jedoch nicht frei erfundener – Praxisbeispiele geführt. Dabei ist der nun folgende Artikel zu den Themen Supervision und Coaching „aus dem Inneren der Organisation“ motiviert von der Überzeugung, dass eine interne Beratung für Person und Organisation mehr Chancen als Herausforderungen bietet.
Annette Flos
Entweder/Oder. Zur Professionalisierung der Krisenverarbeitung in der Polizei
Zusammenfassung
Die Polizei ist eine paradoxe Organisation. Zum einen besteht ihre Routine in der Bearbeitung von Krisen. Zum anderen ist sie kaum in der Lage, mit Krisen umzugehen. Das trifft nicht nur, aber besonders auf Krisen zu, die sie selbst verursacht. Die Polizei externalisiert die Krisenbearbeitung auf ihre Mitglieder. Krisenerleben wird personenbezogen zugerechnet, pathologisiert und stigmatisiert. Der vorliegende Artikel geht den unterschiedlichen Mechanismen dieser Auslagerung der Krisenbearbeitung nach und beleuchtet die strukturelle wie die kulturelle Dimension. In der Folge werden Möglichkeiten der Normalisierung von Krisenerleben sowie der Routinisierung der Krisenbearbeitung in der Polizei diskutiert. In den Fokus rücken dabei die Auflösung natürlicher Gruppen in der Supervision wie die Auslagerung von Coaching- und Supervisionsangeboten aus der Organisation.
Till Jansen
Nachwort: Männer im Staatsdienst
Zusammenfassung
Bestimmte Unternehmen sind für evangelische Mitarbeiter, bestimmte Universitäten für progressive Wissenschaftler, bestimmte Behörden für Bewerber, die der CDU (oder der SPD) nahestehen, unzugänglich. Solche closed shops entstehen im Zuge einer sich selbst verstärkenden Entwicklung. Heute sprechen wir von Pfadabhängigkeit (Damit ist gemeint: Die Resultate von Prozessen, hier: die Geschlossenheit von closed shops respektive ihre Unzugänglichkeit für Protestanten, Progressive oder Frauen, sind nicht von Anfang an determiniert, sondern hängen vom Prozessverlauf ab; für Näheres siehe Ackermann (2001), Ortmann (2003, S. 271 ff.)). Wenn man den Fuß nicht am Anfang in die Tür bekommt, dann gelingt es später eben deshalb erst recht nicht mehr.
Günther Ortmann
Metadata
Title
Sexualität und Macht in der Polizei
Editors
Dr. Christian Barthel
Claudia Puglisi
Copyright Year
2022
Electronic ISBN
978-3-658-35987-4
Print ISBN
978-3-658-35986-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35987-4