Neu ist das Thema Social Media Recruiting nicht, aber viele Unternehmen praktizieren die Personalsuche via Social Web noch immer nicht. Dabei sind die Bedingungen in der Corona-Krise dafür günstig. Wie HR-Abteilungen am besten vorgehen, erklärt Experte Ralph Dannhäuser.
Wie setzen Unternehmen soziale Netzwerke im Recruiting derzeit ein?
- Schaltung von Stellenanzeigen oder auch anzeigengestützte Personalsuche genannt: Generell gilt, dass das Schalten oder Posten von Stellenanzeigen auch in sozialen Netzwerken der am leichtesten umzusetzenden Weg ist. Job-Postings auf Xing oder Linkedin funktionieren ähnlich wie auf klassischen Online-Jobbörsen – allerdings bieten beide Karrierenetzwerke zusätzliche Funktionen, damit die Stellenanzeigen auch latent Jobsuchende erreichen und sich viral in der relevanten Zielgruppe verbreiten.
- Employer Branding und Imagewerbung: Eine professionelle Präsentation der Arbeitgebermarke, beispielsweise mit einem Unternehmensprofil oder einer Karriereseite, ist inzwischen Pflichtprogramm für das Employer Branding: Fast jeder zweite Kandidat (42,2 Prozent) sucht laut der Studie "Bewerbungspraxis 2019" der Universität Bamberg 2019 gezielt auf Xing nach Unternehmensinformationen, und fast jeder dritte Kandidat (31,2 Prozent) vernetzt sich dort mit Unternehmen..
- Active Sourcing: Signifikante Recruiting-Erfolge können Unternehmen im Active Sourcing erzielen: Durch die aktive Suche und Ansprache potenzieller Kandidaten. Insbesondere mittelständische Unternehmen punkten mit pfiffigen Kontaktstrategien und schnellen Auswahlprozessen – und machen so vermeintliche Nachteile gegenüber bekannten Arbeitgebermarken wett.
- Einsatz der eigenen Mitarbeiter als aktive Empfehlungsgeber über Mitarbeiterempfehlungsprogramme: Die Mitarbeiterempfehlung ermöglicht den Unternehmen, ihre Mitarbeiter als Botschafter des Unternehmens einzusetzen und zum Beispiel Stellenanzeigen an ihr Netzwerk weiterzuempfehlen oder einen konkreten Kandidaten vorzuschlagen.
- Suche nach Informationen über bereits identifizierte Kandidaten: Auch der googelnde Personaler ist längst Realität: In Karrierenetzwerken recherchieren Personalverantwortliche Informationen über bereits identifizierte Kandidaten, um sich jenseits der klassischen Bewerbungsmappe einen authentischen Eindruck vom potenziellen Mitarbeiter zu verschaffen.
Wo verschenken HR-Abteilungen dabei derzeit am meisten Potenzial?
Die meisten Potenziale werden in der Reaktionszeit, Verzahnung der Prozesse mit den einzelnen Beteiligten sowie bei der Zeitplanung des Recruitingprozesses verschenkt. Die Folge sind Absprünge von Top-Kandidaten durch interne Prozessverschleppungen.
Welche Fragen sollten Unternehmen klären, bevor sie rund um Employer Branding und Karriere in Netzwerken aktiv werden?
- Was wollen wir im Bereich Employer Branding oder mit einer Karriereseite genau tun?
- Für welche Zielgruppen möchten wir es tun?
- Was möchten wir damit bis wann erreichen?
- Und wie möchten wird das Erreichte genau messen?
Über allem steht die grundlegende Frage, inwieweit sich das Unternehmen diesbezüglich nach außen öffnen möchten, wie offen es für einen internen Kulturwandel ist und Mitarbeiter zu Wort kommen lassen möchte. Wichtig ist auch, vorab zu klären, wie hoch die Bereitschaft ist, sich kritisch, aber wertschätzend öffentlich mit der Zielgruppe auseinander zu setzen, etwa im Rahmen von Arbeitgeberbewertungen.
Was sind Erfolgsfaktoren, um geeignete Kandidaten in sozialen Netzwerken anzusprechen?
Als erstes müssen HR-Abteilungen genau verstehen, was die Fachabteilung sucht, um so die Auswahl der passenden Netzwerke zu treffen. Dann wird eine Suchstrategie vorbereitet, um geeignete Kandidaten zu identifizieren (Passung). Anschließend gilt es, eine ausgefeilte Kontaktstrategie zu erarbeiten, um Interesse bei den ausgewählten Kandidaten zu wecken und gleichzeitig abzufragen, ob es sich gerade um einen aktiv suchenden, latent suchenden oder passiven Kandidaten handelt, mit dem der Dialog intensiviert wird.
Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf die Personalsuche in Social Networks?
Die gute Nachricht lautet: Die Erreichbarkeit von Kandidaten in den Social Networks, auch tagsüber, war noch nie so gut wie im letzten halben Jahr. Viele Angestellte waren im Homeoffice anzutreffen und ungestört erreichbar, da keine Kollegen oder der Chef im Nacken sitzen. Daran hat sich auch aktuell nicht viel geändert, denn viele Unternehmen haben immer noch einige Mitarbeiter, die von zu Hause aus arbeiten oder sich im Wochen-Rhythmus im Büro abwechseln, um die Corona-Regeln einzuhalten.
Mit welchen Trends sollten sich Unternehmen beim Thema Social Media Recruiting künftig unbedingt beschäftigen?
Wir beobachten, dass die Professionalisierung im HR-Bereich insgesamt weiter vorangetrieben wird durch Tools, Prozesse und Spezialisten. HR-Analytics und Data Base werden noch weiter Einzug in den Personalbereich halten, um die Aufwendungen und Erfolge besser messen zu können. Künstliche Intelligenz und Robot Recruiting unterstützen den Active Sourcing- und Recruiting-Prozess weiter. Der Erfolgsfaktor Mensch bleibt ganz am Ende des Prozesses weiterhin unersetzlich. Employer Branding und Recruiting werden in den nächsten zehn Jahren immer mehr zusammenwachsen.