Pandemie, Krieg und Inflation haben die Ersparnisse vieler Menschen schmelzen lassen. Ein Grund ist auch lückenhaftes Finanzwissen vor allem bei benachteiligten Gruppen, ermittelte eine Studie. Die Forscher fordern daher gezielte Bildungsarbeit - schon für die Kleinsten.
Die Covid-19-Pandemie, der Ausbruch des Krieges in der Ukraine und eine rasch steigende Inflation insbesondere bei Energie, Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs haben viele Menschen vor schwierige wirtschaftliche Herausforderungen gestellt. Hierzu gehören auch Einbußen beim Gehalt und beim Vermögen durch wochenlange Lockdowns, wachsende Belastungen durch steigende Hypotheken- und Verbraucherkreditzinsen und nach wie vor niedrige Zinsen bei beliebten Sparformen wie Tages- oder Festgeld, die Anleger zu langen Laufzeiten zwingen.
Gespartes bezahlt tägliches Leben
So nutzt ein zunehmender Anteil von Haushalten in Deutschland Erspartes, um die täglichen Ausgaben zu decken. Das belegt eine im März veröffentlichte Studie des ZEW Mannheim. Diese wertete die Antworten von rund 4.000 Teilnehmenden der vierten Erhebungswelle des Haushaltspanels der Deutschen Bundesbank (PHF) aus. Das Ergebnis: Bereits in den Jahren 2020 und 2021 mussten rund 20 Prozent der Menschen gespartes Vermögen einsetzen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Im Jahr 2022 lag dieser Anteil bereits doppelt so hoch.
Die der Analyse zugrunde liegenden Finanzfragen betrachten das Verständnis von Zinsen, Inflation und Risikodiversifikation und dienen als Indikator für die finanzielle Bildung des Befragten. Sie belegen vor allem den Einfluss von Finanzbildung auf die individuelle Bereitschaft zur Teilnahme am Aktienmarkt sowie die Fähigkeit, finanzielle Schwierigkeiten zu erfassen.
Gruppen mit geringerer finanzieller Bildung
Den Berechnungen zufolge treffen zahlreiche Menschen hierzulande Entscheidungen in einer Krisenlage ohne ausreichende finanzielle Kenntnisse. Zwar beantworteten zwei Drittel (62 Prozent) der deutschen Haushalte grundlegende Finanzfragen richtig. Doch der Blick in die Details zeigt, dass der Anteil bei Frauen und Ostdeutschen mit jeweils 55 Prozent darunter liegt. Unter den Personen ohne Abitur oder Ausbildung sinkt er sogar auf 37 Prozent, wie nachstehende Tabelle zeigt:
Klassifizierung der Befragten | richtige Antworten |
Gesamt | 61,8 % |
nach Alter | |
18-35 | 63,9 % |
36-50 | 68,3 % |
51-65 | 64,6 % |
>65 | 51,5 % |
Geschlecht |
|
weiblich | 54,8 % |
männlich | 67,9 % |
Bildungsgrad |
|
Abschluss der Sekundarstufe I oder weniger | 37,2 % |
Sekundarstufe II mit Ausbildung | 69,7 % |
Sekundarstufe II ohne weiteren Abschluss | 58,3 % |
Universitätsabschluss | 76,2 % |
Arbeitsverhältnis |
|
angestellt | 68,3 % |
selbstständig | 68,4 % |
ohne Job | 60,6 % |
in Rente | 49,4 % |
Quelle: Berechnungen ZEW Mannheim auf Basis des PHF
Die Mehrheit der Befragten (59,5 Prozent) verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung abgeschlossen. Ein gutes Viertel (27,6 Prozent) hat einen Hochschulabschluss. Jeder Zehnte (9,6 Prozent) verfügt über einen Abschluss der Sekundarstufe I oder weniger und ist nicht berufstätig. Eine kleine Gruppe (3,3 Prozent) hat zwar einen Abschluss der Sekundarstufe II, allerdings keine weitere Ausbildung.
Finanzwissen möglichst früh vermitteln
"Bei Finanzwissen schneidet Deutschland zwar im internationalen Durchschnitt relativ gut ab (62 Prozent), aber auch hier gibt es viele Gruppen, die sich bei Finanzthemen nicht gut auskennen", erklärt Tabea Bucher-Koenen, Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte. Gleichzeitig hänge Finanzwissen klar mit finanziellem Wohlbefinden und der Bereitschaft, sich am Aktienmarkt zu beteiligen, zusammen. "Menschen mit einem höheren Finanzwissen geben seltener an, von finanziellen Schwierigkeiten betroffen zu sein", erläutert die Expertin.
Bei den aktuellen Diskussionen über die Entwicklung einer Bildungsstrategie in Zusammenarbeit mit der OECD raten die ZEW-Forschenden zu einem gezielten Fokus auf den Bedarf von "gesellschaftlich benachteiligten Gruppen" mit geringem Finanzwissen. Die Verankerung finanzieller Bildung in Schulen habe den Vorteil, "dass nahezu jeder frühzeitig erreicht wird", heißt es in dem Bericht.