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26-02-2020 | Wirtschaftsrecht | Schwerpunkt | Article

Negativzinsen beim Girokonto sind AGB-rechtlich möglich

Authors: Miriam Bouazza , Dr. Peter Schad

3:30 min reading time

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Negativzinsen für Guthaben auf dem Girokonto sind ein umstrittenes Thema. Die Juristen Miriam Bouazza und Peter Schad umreißen den rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen sich Banken bei der Weitergabe ihrer Kosten bewegen können. 

Dürfen Kreditinstitute Negativzinsen auf Einlagen ihrer Kunden erheben? Schließlich können sie selbst ihre durch Kundeneinlagen bedingte überschüssige Liquidität bei der Europäischen Zentralbank EZB nur zu Negativzinsen – derzeit zu minus 0,5 Prozent per anno – anlegen. So versuchen die Institute, diese Kosten teilweise auf ihre Anlagekunden abzuwälzen.

Nach der überwiegenden Ansicht in der juristischen Literatur sollen Kreditinstitute zumindest im Bestandsgeschäft nicht berechtigt sein, über Allgemeine Geschäftsbedingungen von ihren Kunden die Zahlung von Negativzinsen zu verlangen. Eine Begründung: Ein negativer Zins sei mit dem gesetzlichen Leitbild eines Darlehensvertrags nicht vereinbar.

Negativzinsen sind keine Darlehenszinsen

Dabei wird allerdings nicht berücksichtigt, dass es sich bei Negativzinsen nicht um Darlehenszinsen handelt. Denn unter Darlehenszinsen wird allgemein eine "nach einer Laufzeit bemessene, gewinn- und umsatzunabhängige Vergütung für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen Kapitals" verstanden. 

Negativzinsen stellen jedoch keine Vergütung für die Überlassung von Kapital zur Nutzung dar, sondern werden umgekehrt vom Kapitalnutzer in Rechnung gestellt. Dieses Ergebnis wird auch durch § 488 BGB bestätigt, nach dem ein Darlehensnehmer einen geschuldeten Zins an den Darlehensgeber zu zahlen hat (§ 488 Absatz 1 BGB). Das gesetzliche Leitbild des Darlehensvertrags kennt keine Negativzinsen.

Negativzinsen als Entgelt für Verwahrung 

Wie also sind Negativzinsen rechtlich einzuordnen? Dies wird man nur beantworten können, wenn man die vertragliche Grundlage des Einlagengeschäfts bestimmt. Die Vertragsparteien – und das sind nicht nur die Anleger, sondern auch die Kreditinstitute – verfolgen mit dem Einlagengeschäft mehrere und unterschiedliche Zwecke. Daher kommt eine im Vordringen befindliche Ansicht zu dem Ergebnis, dass im Zusammenhang mit Kundeneinlagen ein Vertrag gemischten Typs zustande kommt.

Tatsächlich verfolgen Anleger mit ihren Kundeneinlagen nicht lediglich den Zweck, ihrem Kreditinstitut Kapital zur Nutzung zu überlassen, sondern sie wollen erkennbar auch, dass ihr Geld sicher verwahrt und über die gesetzlichen und freiwilligen Einlagensicherungssysteme abgesichert wird. Im Falle von Sichteinlagen verfolgen Kunden zumeist auch den Zweck, am elektronischen Zahlungsverkehr teilnehmen zu können, und schließen insoweit zusätzlich Geschäftsbesorgungsverträge in der Form von Zahlungsdiensteverträgen ab (§ 675f BGB).

Negativzinsen als Entgelt für die Geldverwahrung

Für Kreditinstitute stellen Kundeneinlagen durchaus eine von zumeist mehreren Möglichkeiten ihrer Refinanzierung dar. Dies wurde zur Zeit der internationalen Finanzkrise deutlich, als die Geldmärkte kurzfristig austrockneten und reine Kreditbanken gegenüber Einlagenbanken bei der Geldbeschaffung im Nachteil waren.

Negativzinsen könnten ein Entgelt dafür darstellen, dass die Bank für die Kunden Geld verwahrt und – im Falle von Sichteinlagen – auch Zahlungsdienste erbringt. Würde der Kunde sein Geld von seinem Bankkonto abheben und in ein Bankschließfach legen, würde er ebenfalls für die Verwahrung ein Entgelt in Form von Miete bezahlen.

AGB-rechtliche Zulässigkeit der Erhebung von Verwahrentgelt

Dürfen Negativzinsen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder durch ihre nachträgliche Änderung festgelegt werden? Dies wird in der juristischen Literatur überwiegend mit Hinweis auf § 307 BGB als "nicht mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung vereinbar" verneint. Dies würde die Anleger "entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen".

Dieses Ergebnis spiegelt allerdings weder die Grundsätze wirtschaftlichen Handelns noch die wirtschaftliche Realität wider, wonach deutsche Kreditinstitute jährlich Milliarden an die EZB an Negativzinsen für überschüssige Liquidität zahlen. Ein Kreditinstitut kann deshalb nicht gegen "Grundsätze der Rechtsordnung" verstoßen, nur weil es einen Teil der real entstandenen Kosten seiner Geschäftstätigkeit auf seine Kunden abzuwälzen sucht, deren Einlagen diese Kosten verursachen. Das Prinzip des wirtschaftlichen Handelns von Unternehmen verstößt nicht gegen die deutsche Rechtsordnung sondern ist im Gegenteil Grundlage und fester Bestandteil von ihr.

Die Vereinbarung von Negativzinsen auf Einlagen ist AGB-rechtlich im Grundsatz möglich, stellt insbesondere keine unangemessene Benachteiligung der Kunden dar und entspricht dem gesetzlichen Leitbild eines gemischten Darlehens- und Verwahrvertrags mit Geschäftsbesorgungscharakter.

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