Skip to main content
Top

30-12-2019 | Bankvertrieb | Interview | Article

"Geschichten sind der Klebstoff zwischen Bank und Kunde"

Author: Angelika Breinich-Schilly

7:30 min reading time

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
print
PRINT
insite
SEARCH
loading …
Interviewee:
Gisbert Straden

ist Dipl. Betriebswirt und arbeitet als unabhängiger Berater und Trainer mit Schwerpunkt in der Finanzbranche.

Mit Geschichten transportieren Banken Emotionen, Werte und Einstellungen, die ihre Marke zu etwas Besonderem machen. Doch nur mit der richtigen Story erreichen sie ihre Kunden wirklich. Was das für die Beratung bedeutet, erläutert Marketingcoach Gisbert Straden. 

springerprofessional.de: Marken brauchen Geschichten, damit sie sich in unseren Köpfen festsetzen. Können Banken gute Geschichten erzählen?

Gisbert Straden: Selbstverständlich können Banken Geschichten erzählen. Die meisten Häuser haben eine spannende Historie, egal, ob es Geschäfts- oder Privatbanken sind. Es sind die Geschichten der Gründer und der Gründung, der Anfänge mit allen Höhen und Tiefen, der ersten Erfolge, aber auch der ersten Krisen und deren Bewältigung. Dazu gehören auch die stetigen Anpassungen an veränderte Marktgegebenheiten und an technische Möglichkeiten und Herausforderungen. Letztlich finden Sie in der Historie einer Bank alle Stationen einer Heldenreise. Es ist das klassische Format, mit dem alle großen Filmproduzenten arbeiten. Diese Geschichten, die auch jedes andere Unternehmen und jeder Freiberufler kennt, sind der Spiegel dessen, was jeder Kunde in seinem Leben erlebt. Sie können ein verbindendes Element zwischen Bank und Kunden sein, eine Art Bindemittel, ein Klebstoff. Sie müssen nur erzählt werden. 

Editor's recommendation

2019 | Book

Empfehlungsmarketing für das Bankgeschäft

Erfolgstreiber in der Neukundengewinnung

Dieses Buch vermittelt Finanzberatern praxisnah die Vorteile von Empfehlungen als Instrument für die Neukundenakquise. Dabei werden dem Leser keine vorgefertigten Formulierungen geliefert; vielmehr findet er eine Vielzahl von Anregungen, Anstößen, Inspirationen, um daraus den zu ihm passenden Weg zu finden.

Was bedeutet das genau?

Geschichten und Bilder transportieren Emotionen, Werte und Einstellungen. Also all das, was uns Menschen wichtig ist, um Orientierung und Identifikation zu erleben. Darüber hinaus verfügen Banken über wahre Fundgruben an Geschichten: Die Geschichten ihrer Kunden, die sich in deren Lebenswelt abspielen. Hier fehlt es häufig leider an der Fähigkeit, diese Story für den Vertrieb oder Verkauf aktiv zu nutzen oder zu übersetzen, um es den Kunden einfacher zu machen, Gedanken und Ideen der Banken folgen zu können.

In einer guten Story liegt auch immer eine Empfehlung. Allerdings steht und fällt diese mit der Person, an der die Geschichte geknüpft ist. Nicht jeder Markenbotschafter überzeugt. Worauf müssen Banken bei der Auswahl achten?

Die Frage beantworte ich gerne mit einer kleinen Geschichte. Als ich vor Jahren versuchte als Trainer und Coach in der Sparkassen-Finanzgruppe zu landen, berichtete ich bei meinen ersten Akquisegesprächen immer von meinen Erfahrungen und Referenzprojekten bei Groß- und internationalen Privatbanken. Ich erhielt die Rückmeldung, wie interessant und wichtig all dies sei, allein es fehle mir das Verständnis für die Sparkassenwelt. Sparkasse 'ticke' anders und regional sei anders als international. Nachdem mir dies zwei, drei Mal passiert war, veränderte ich die Story, indem ich hauptsächlich von meinen Erfahrungen aus der Kantonalbankenwelt berichtete. Die Schweizer Kantonalbanken sind sehr gut mit den Sparkassen vergleichbar. Diese reicherte mit ein paar Geschichten aus der internationalen Großbankenwelt an. Dies war offensichtlich der Schlüssel zum Erfolg. Dann bekam ich die Rückmeldung, dass ich ja nicht nur internationale Erfahrung in einem für die Finanzgruppe relevanten Segment, dem Private Banking hätte, sondern auch die Besonderheit der Regionalität in der Tiefe verstehen würde. Und dies ist eben ein Teil der Antwort. 

Was bedeutet das für konkret für die Person des Markenbotschafters?

Dazu gehört, dass die Marke zum Markenbotschafter passt und umgekehrt. Ein Phänomen, das wir häufig im Private Banking beobachten. In der Regel sind die Berater sehr viel erfolgreicher, die selbst mit dem Begriff Private Banking aus eigenem Erleben etwas anfangen können. Sei es, weil sie selbst vermögend sind oder aber aus einem Elternhaus mit entsprechendem Hintergrund stammen. Wobei wir hier nicht über Millionen von Euro sprechen. Stellen Sie sich einmal einen Berater vor, der selbst kein Verhältnis zur Geldanlage hat. Wie soll er im Ansatz verstehen, was einen Anlagekunden bewegt? Insofern täten Banken gut daran, auch diesen Aspekt bei der Auswahl von Markenbotschaftern zu berücksichtigen. Eine Unternehmerstochter als Firmenkundenbetreuerin versteht einfach auf Grund der eigenen Biographie, was den Unternehmerkunden bewegt und wirkt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus diesem Grunde deutlich authentischer.

Das gilt doch auch sicherlich für die Geschichte, oder?

Der Markenbotschafter und die Story zur Marke muss zum Kunde passen. Es geht zum einen um Authentizität und zum anderen um Identität und Wiedererkennungswert. Ein Kunde muss sich in dem, was der Markenbotschafter – und hier ist jeder Bankmitarbeiter Markenbotschafter seines Hauses – erzählt, wiedererkennen. Die Geschichte muss einen Teil der Kundenrealität widerspiegeln. Runtergebrochen auf den einzelnen Berater als Markenbotschafter heißt das, er muss in der Lage sein, unterschiedliche Stories in sein Repertoir aufzunehmen und die richtige Geschichte dem Kunden erzählen. Dies bezieht ebenso auf die Vermittlung von komplexen Themen, die es zu vermitteln gilt. Ähnlichkeiten schaffen Sympathie. Bilder transportieren mehr als 1.000 Worte. Das Fazit könnte lauten: Konditionen und Fakten machen vergleich- und damit austauschbar. Geschichten hingegen machen den Berater und das Institut unvergleichlich und somit empfehlungsfähig.

Welche Rolle spielt das Storytelling im Verhältnis Kunden und Bank?

Geschichten können auch Übersetzungshilfe für komplexe Themen oder Beratungsansätze sein. Die meisten Bankmitarbeiter sprechen hervorragend 'bänkisch', eine Fremdsprache, die nur wenige Kunden wirklich verstehen und nachvollziehen. Viele Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken kommen distanziert, unnahbar und profitorientiert rüber. Menschlich? Fehlanzeige. Hier können Geschichten helfen, Menschlichkeit herzustellen. 

Wie kann das funktionieren?

Ein Handwerksunternehmen käme niemals auf die Idee, sich mit einer Bank zu vergleichen. Beide haben auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun? Aber genauso wie der Handwerksbetrieb einmal klein angefangen hat, hat auch jede Bank einmal klein angefangen – mit allen Höhen und Tiefen. Wie andere Unternehmen kämpfen auch Geldhäuser an unterschiedlichen Fronten um Überleben, Zukunft und Mitarbeiter. Schließt eine Bank eine Filiale, kommt dies bei vielen Kunden so an, als ob das Institut Arbeitsplätze abbaut, um den Profit zu erhöhen. Dass sich dahinter unternehmerische Entscheidungen verbergen, um die hart gerungen wird, und mit denen Leid und Hoffnungen verbunden sind, wird in der Regel nicht erzählt. Doch genau das würde Verständnis und Nachvollziehbarkeit beim Handwerker ermöglichen. Banken versäumen es, die Geschichten dahinter zu erzählen und diese im direkten Kontakt mit dem Kunden zu nutzen, um transparent zu machen, dass Banken genauso arbeiten wie ihre Kunden - strukturiert, planvoll und erfolgsorientiert.

Wie schaffen es Berater, Kunden eine Geschichte zu entlocken, die im Bestfall zu neuen Kontakten führt?

Einfach fragen! Interesse an den Geschichten des Kunden zeigen. Sie reflektieren mit Ihrer Frage auf das Thema Neukundengewinnung über Empfehlung. Die wenigsten Mitarbeiter identifizieren sich mit dieser Vorgehensweise. Im Gegenteil, die Mitarbeiter sind davon überzeugt, dass die Kunden keine Empfehlung geben wollen und es ihnen sogar unangenehm ist. Dabei vergessen sie meistens, dass sich hinter jeder Erfolgsstory eines Unternehmens und jedes anderen Kunden Mund-zu-Mund-Propaganda verbirgt. 

Könnten Sie das konkretisieren?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn Sie einen Unternehmer, aber auch einen erfolgreichen Angestellten im Vertrieb oder einen Steuerberater, Rechtsanwalt oder Arzt einmal danach fragen, wie die Anfänge seines Unternehmens waren, wie er es geschafft hat seinen Kunden- oder Klientenstamm Stück für Stück auszubauen, dann wird ihnen dieser an irgendeiner Stelle erzählen, das Mund-zu-Mund-Propaganda für ihn von großer Bedeutung war. Empfehlungen zufriedener Kunden haben dazu geführt, dass neue Kunden und Aufträge zu gewinnen, die ihm zu seinem Wachstum verholfen haben. Was glauben Sie, welche Einstellung wird dieser Kunde zum Thema Empfehlung haben? Sicherlich eine durchweg positive. Der Bankberater lernt also, dass der Kunde nur positives mit der Empfehlung verbindet, und er dessen Einstellung falsch eingeschätzt hat. Lässt er sich die Geschichte nicht erzählen, wird er an seiner Einstellung festhalten und mit Sicherheit das Thema nicht ansprechen. Banking ist Peoples Business. Entscheidend ist, ein unbedingtes Interesse an den Lebensgeschichten der Kunden. Ein Berater, für den das nicht an erster Stelle steht, macht einen eklatanten Fehler. Häufig vertrauen diese auf ihr Fachwissen und überfordern ihre Kunden damit. Die Folge: Der Kunde blockiert und zieht sich zurück. Eine Geschichte hätte es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vereinfacht.

Haben Sie konkrete Tipps, wie aus einem Kunden ein Testimonial wird?

Ja. Fragen. Eine der Hauptursachen, weshalb Kunden eher heimliche Testimonials sind, ist, dass sie nicht gefragt werden. Es wird dem Zufall überlassen. Damit nehmen Kunden 'keinen Auftrag' mit. Viele Kundenzufriedenheitsumfragen beinhalten auch die Frage nach der Empfehlung. Die meisten Kunden antworten, dass Sie gerne bereit wären eine Empfehlung auszusprechen, wenn sie denn ein Bewusstsein dafür hätten, dass der Berater dies wünscht. Im angelsächsischen Kontext ist es vollkommen selbstverständlich, das Berater ihre Kunden um ein Referenzschreiben bitten. Etwas, was hierzulande so ganz und gar nicht üblich ist. Allenfalls finden sie so etwas im Rahmen von Bewerbungen für Topführungspositionen. Hier bietet der Bewerber freiwillig und aktiv seinem potenziellen neuen Arbeitgeber an, Referenzen bei bestimmten Personen einzuholen. Die wenigen Vertriebler die dies heute schon tun, sind außerordentlich erfolgreich im Vergleich zu den Kollegen, die sich hiervor scheuen.

print
PRINT

Related topics

Background information for this content