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14-01-2021 | Vertriebskanäle | Schwerpunkt | Article

Modevertrieb steckt in der Krise

Author: Eva-Susanne Krah

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Die Corona-Pandemie führt besonders im Modevertrieb zu wirtschaftlichen Schäden. Mit Adler und Tom Tailor fallen weitere Unternehmen der Insolvenzwelle zum Opfer. Die Gründe liegen jedoch tiefer und sind hausgemacht. Ein Schlüssel liegt im E-Commerce.

Auf 300 Millionen Teilen Ware aus der Wintersaison 2020/2021 werden deutsche Modeeinzelhändler aktuellen Berechnungen der Branchenverbände BTE, BDSE und BLE zufolge wegen der Corona-Krise bis Mitte Januar wohl sitzen bleiben. Bis Ende Januar dürfte nach deren Berechnungen sogar eine halbe Milliarde nicht verkaufter Modeartikel in den Lagern liegen. Der zweite Shutdown frisst die Kapitalreserven mittelständischer wie zunehmend auch größerer Unternehmen nach und nach auf. Ein gewaltiger aufgelaufener Umsatzverlust von insgesamt bis zu zehn Milliarden Euro, den der BTE für den Modehandel allein aus dem Winter-Lockdown bis Ende Januar 2021 prognostiziert, zeigt das ganze Ausmaß des Problems. 

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Trotz der Überbrückungshilfen sind 1.500 Händler aus verschiedenen Bereichen in einer Trendumfrage des Hauptverbands des deutschen Einzelhandels (HDE) pessimistisch: Rund 80 Prozent von ihnen gehen davon aus, dass die derzeitigen Hilfsmaßnahmen nicht ausreichen, um die Existenz zu sichern. Knapp 60 Prozent der Unternehmen in den Innenstädten stehen laut Studie ohne weitere staatliche Hilfen vor akuten Existenzproblemen. 

Ausbleibende Umsätze bei Fashion & Lifestyle

Der HDE-Standortmonitor 2021 zeigt zudem, dass die Warengruppe Fashion & Lifestyle als Bereich, der von der Covid-Krise am stärksten betroffen war, online und offline im Verlauf des zweiten Halbjahrs 2020 weiterhin deutlich unter dem Vorjahrsergebnis blieb. Die Handelsexperten befürchten außerdem, dass die für Bayern beschlossene FFP2-Maskenpflicht den stationären Vertrieb weiter schwächen könnte, sagte der HDE dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". 

In der gesamten Fashion-Branche hat Corona ein miserables Ausnahmejahr bewirkt. "Ausbleibende Umsätze in den Schließungswochen, einbrechende Umsätze danach, zu hohe Läger, zu hohe Abschriften und zu hohe Kosten! Liquiditätsprobleme und Rentabilitätsprobleme sind das traurige Ergebnis", kommentiert BTE-Präsident Steffen Jost die Lage. 

Modebranche leidet schon länger

Die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (Pwc) sieht in der Studie "Trends, Herausforderungen und Lösungsansätze im Fashionmarkt" die Umsatzkrise der Modeunternehmen allerdings als teils hausgemacht. Modehersteller und -händler hätten in Deutschland bereits vor dem Krisenjahr 2020 mit rückläufigen Umsätzen und einer voranschreitenden Konsolidierung in der Branche gekämpft. In den Jahren 2010 bis 2019 sei eines von drei deutschen Unternehmen im Mode-Einzelhandel vom Markt verschwunden. 

"Verbessern Sie die Customer Journey Experience und investieren Sie konsequent in Omnichannel-Konzepte und die Digitalisierung", rät Patrick Ziechmann, Experte für Handel und Konsumgüter bei PwC Deutschland. Gewinner der Digitalisierung im stationären Einzelhandel seien innovative Händler, denen es gelänge, "eine inspirierende und zugleich reibungslose Customer Journey von der Ideensuche bis zur Kaufentscheidung aufzubauen."

Große Player profitieren

Der Erfolgskurs großer Internetplattformen wie Amazon oder Zalando, die seit der Corona-Krise überproportional vom verlagerten Online-Geschäft profitieren, hat in einer traditionell vom klassischen Einzelhandel geprägten Branche wie dem Mode- und Textilgeschäft tiefe Spuren hinterlassen. Während überall im Land sichtbar große Logistikzentren der Online-Riesen entstehen, mussten Betriebe wie das bayerische Traditionsunternehmen Adler Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden. 

Ähnlich ging es dem Hamburger Unternehmen Tom Tailor, ein Aufsteiger der 90er Jahre. Im Sommer 2020, nach der ersten Corona-Welle, rutschte die Marke in die Insolvenz, weil der Tochtergesellschaft Bonita die Zahlungsunfähigkeit drohte. Das chinesische Unternehmen Fosun hatte dann Tom Tailor aus der Insolvenz gekauft. 

Doch es gibt auch Positivbeispiele. So konnte etwa das Bekleidungsunternehmen Walbusch (Avena, Mey & Edlich, La Shoe), das sowohl eigene Ladengeschäfte als auch Online-Handel betreibt, nach eigenen Angaben den Gesamtumsatz im Geschäftsjahr 2020 gegenüber 2019 trotz der Corona-Krise um 6,5 Prozent auf 369 Millionen Euro steigern (Stand: 12. Januar 2021). Dem Geschäft kam zugute, dass Stammkunden während des Lockdowns auf den vorhandenen Online-Vertriebskanal des Unternehmens wechselten. Laut Marcus Leber, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bei Walbusch, ist ein Erfolgsrezept, dass man sich in den vergangenen zwei Jahren "sehr bewusst, konzentriert und intensiv auf eine neue Markenführung in allen Kanälen fokussiert" hat.

Rettungsanker E-Commerce 

Die Beispiele zeigen: Digitalisierung und Corona rücken die Versäumnisse von tradierten Modeunternehmen aus der Vergangenheit vor allem beim E-Commerce wie unter ein Brennglas. Händler wie Anbieter mit einem durchgängigen E-Commerce-Konzept gehören zu den Gewinnern auch in der Krise, während schwach aufgestellte E-Commerce-Kanäle sich jetzt negativ auswirken. 

Eine Herausforderung besteht für Unternehmen, gleich ob Händler oder Anbieter mit Online-Shops, beispielsweise darin, die eigenen Daten für viele E-Commerce-Kanäle, Verkaufssituationen und viele unterschiedliche Endgeräte zu optimieren.

Kanalexzellenz aufbauen

Springer-Autor Gerrit Heinemann betont im Kapitel "Geschäftssysteme und Benchmarks im E-Commerce", dass der Ausgestaltung des Geschäftsmodells eine Schlüsselrolle im Online-Handel zukommt. "Sie ist auch Basis für Kanalexzellenz, die erfolgreiche Online-Händler auszeichnet", erklärt er (Seite 223). Für Unternehmen, die im E-Commerce nachjustieren müssen, sind stationäre Konzepte dabei meist nicht übertragbar. Zudem sei ein völliges Umdenken in den Bereichen Retail Branding, Markenprofil und Werbung gefragt, glaubt Heinemann. 

Unternehmen müssen jedoch nicht nur ihre E-Commerce-Modelle ausbauen und bestehende Geschäftsmodelle überdenken, sondern sich auch mit zentralen Fragen rund um den Kunden, sinnvolle Funktionalitäten und richtigen Kennzahlen beschäftigen. So wird beispielsweise die Produktivität in stationären Läden, wo der Umsatz pro Quadratmeter Verkaufsfläche herangezogen wird, anders beurteilt als im Online-Handel. Vielfach klagten Betreiber von Online-Shops über zu geringe Umsätze, die dann in Aussagen münden wie "E-Commerce lohnt sich nicht", weiß Heinemann. Im nachfolgenden Schaubild verdeutlicht er wichtige Quellen und Kennzahlen für die Online-Shop-Produktivität:

Mit neuen Technologien die Lücken am POS schließen

Der stationäre Modehandel werde in jedem Fall immer mehr durch das Internet herausgefordert, stellen die Autoren Daniel Baier, Xuan Anh Nguyen und Alexandra Rese in einem Kapitel des Springer-Buchs "Perspektiven des Dienstleistungsmanagements" fest. Sie fragen sich darin, ob neue Technologien am POS die Servicelücken des stationären Modehandels schließen könnten. Vor allem junge Kunden seien es schließlich gewohnt, mithilfe attraktiver neuer Technologien Mode in einem Online-Shop auszuwählen und mit ihrer Community bis zum Kauf zu interagieren. "Soll ein Händler etwa in interaktive Umkleidekabinen, Terminals oder digitale Preisauszeichnung investieren oder sollte er lieber stärker auf Beratung durch Verkaufspersonal setzen?" 

In ihrer Agenda für erfolgreichen E-Commerce des Essentials "Schlüsselfaktoren im E-Commerce" zeigt ein Autorenteam um Dominik Große Holtforth eine Blaupause für den richtigen E-Commerce-Workflow auf. Dazu gehören Faktoren wie

  • Kundenorientierung,
  • datenbasiertes Marketing und 
  • eine konsequente digitale Innovations- und Skalierungsstrategie. 

Unternehmen mit E-Commerce-Geschäft müssen sich jetzt verstärkt um diese Faktoren kümmern, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen.

Alle tagesaktuellen Beiträge rund um die Corona-Krise finden Sie hier

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