5.1 Allgemeine Bewertung der Nachhaltigkeit von Aktivitäten der Kreislaufwirtschaft mit Fahrrädern
Bevor die Ergebnisse der Sekundär- und Primäranalyse anhand der SDGs weiter analysiert werden, versuchen wir an dieser Stelle eine allgemeine Bewertung der Nachhaltigkeit, die sodann in den Kontext der SDGs gesetzt wird.
Aus ökonomischer Sicht können sich durch eine Intensivierung der Fahrrad-Nutzung Möglichkeiten zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle wie Sharing oder Produkt-Service-Modelle ebenso ergeben wie vermehrte Nutzung von Reparatur- und Wartungsleistungen (Bungard
2018). Das führt auch gesamtwirtschaftlich zu positiven Auswirkungen hinsichtlich der Beschäftigung und des Bruttoinlandsprodukts (Chateau und Mavroeidi
2020). Viele der Geschäftsmodelle in diesem Bereich sind sozialökonomisch und fördern die Integration von Menschen fern des sogenannten ersten Arbeitsmarkts, was ebenfalls zu einer Erhöhung der Beschäftigung führt. Schließlich können durch den Ausbau von Refurbishing, Remanufacturing, Recycling und Repurposing Einnahmequellen erschlossen werden, indem durch verbesserte Aufarbeitung und Redesign der Komponenten und Inhaltsstoffe höhere Erlöse für an sich nicht mehr gebrauchsfähige Fahrräder erzielt werden.
Aus ökologischer Sicht trägt eine Intensivierung der Fahrradnutzung bei gleichzeitiger Reduktion der Nutzung von PKWs und auch öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer Verringerung von Umweltbelastungen wie Feinstaub oder CO
2-Ausstoß bei. Aus Sicht der Kreislaufwirtschaft mit Reparatur, Wiederaufbereitung und Recycling sind das allerdings Nebeneffekte, denn aus dieser Perspektive sind die Verlängerung des Lebenszyklus und die im Gegensatz zur Durchflusswirtschaft gesteigerte Ressourceneffizienz und Abfallreduktion ebenso wesentlich wie die Senkung des Gesamtenergieverbrauchs durch Verringerung des Materialdurchsatzes (Kraft et al.
2022).
Aus sozialer Sicht können die neuen Geschäftsmodelle auch zu einer besseren gesellschaftlichen Durchdringung führen. Zwar sind Fahrräder meist mit überschaubaren Anschaffungskosten verbunden, doch besonders teure und leistungsfähige Fahrräder, wie sie beispielsweise im Sport- und Freizeitbereich zu finden sind, stellen oft erhebliche finanzielle Hürden dar. Sharing- und Produkt-Service-Modelle ermöglichen es auch jenen Bürger:innen, die sich den Kauf eines solchen Fahrrads nicht leisten können, darauf zuzugreifen. Das trägt nicht nur zu einer sozial gerechteren Verteilung bei, sondern auch zur Gesundheitsförderung durch die Förderung körperlicher Aktivität. Die oben bereits erwähnten sozialökonomischen Geschäftsmodelle sowohl im Bereich des Sharing wie auch im Bereich der Verlängerung der Nutzungsdauer leisten einen Beitrag zur besseren Integration von Menschen in prekären Lebensverhältnissen.
5.2 Konnex der Kreislaufwirtschaft mit Fahrrädern mit den SDGs
Aus den oben zusammengefassten Nachhaltigkeitsaspekten ergeben sich mehrere Querverbindungen zwischen Kreislaufwirtschaft, Fahrradmobilität und SDGs, deren allgemeinstes in Ziel 12.2 „Bis 2030 nachhaltiges Management und effiziente Ressourcennutzung erreichen“ ist. Dies steht in direktem Zusammenhang mit SDG 9.4, das eine gesteigerte Nachhaltigkeit der Infrastruktur und die Förderung sauberer und umweltfreundlicher Technologien fordert, und auch mit SDG 8.4, das eine globale Steigerung der Ressourceneffizienz verlangt. Zu beidem kann die bessere und verlängerte Nutzung von Fahrrädern einen Beitrag leisten, ebenso wie zu SDG 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz), wenn auch hier die Unterziele ein sehr hohes Abstraktionsniveau aufweisen.
Wesentlich und sehr konkret in Richtung Kreislaufwirtschaft geht auch Ziel 12.5, das bis 2030 eine substanzielle Verringerung der Abfallproduktion durch Vermeidung, Verringerung, Recycling und Reuse fordert. Alle genannten Aspekte wurden in Abschn. 3 im Detail dargestellt und belegt.
Weiters relevant ist SDG 12.6, in dem Unternehmen gefordert werden, nachhaltige Praktiken zu fördern und das, wie in 3.10 dargelegt, durch Förderung der Fahrradmobilität ihrer Mitarbeiter:innen tun können.
Radfahren leicht zugänglich und auch kostengünstig zu machen, kann nicht nur über Firmen, sondern auch über die Zurverfügungstellung von öffentlichen oder auch privaten Sharingmodellen gewährleistet werden. Es steht daher in direktem Zusammenhang mit SDG 9.1 (zuverlässige und nachhaltige Infrastruktur mit einem Fokus auf leistbarem und fairem Zugang für alle). Zudem begünstigt mehr körperliche Bewegung insgesamt die Erreichung von SDG 3.4.1 (Verminderung der Sterblichkeitsrate infolge von Krankheiten des Kreislaufsystems, bösartigen Neubildungen, Diabetes mellitus oder chronischen Atemwegserkrankungen).
Einen weiteren Beitrag zu sozialer Nachhaltigkeit neben der Gesundheitsförderung leisten die sozialökonomischen Geschäftsmodelle, in denen Menschen in prekären Verhältnissen und Jugendliche unterstützt werden. Diese Einrichtungen fördern sowohl die Erreichung von SDG 8.5 (anständige Arbeit für alle Frauen und Männer, einschließlich junger Menschen und Menschen mit Behinderung), von SDG 8.6, das sich explizit auf junge Menschen bezieht, die nicht in Ausbildung oder Beschäftigung sind, und auch SDG 10.2, das die Unterstützung und Förderung sozialer, ökonomischer und politischer Inklusion aller Menschen fordert. Doch nicht nur im Hinblick auf Menschen mit besonderen Bedürfnissen aller Art, auch in anderen Bereichen und insbesondere in kleineren und mittleren Unternehmen sollen der Fokus auf Bereichen mit hoher Wertschöpfung und hoher Arbeitsintensität liegen (SDG 8.2) und faire Arbeitsplätze, Unternehmergeist, Kreativität und Innovation in den Vordergrund gestellt werden (SDG 8.2). Alle diese Anforderungen werden nicht nur in sozialökonomischen, sondern auch in wirtschaftlichen Unternehmen im Bereich Fahrräder und Kreislaufwirtschaft umgesetzt, denn ohne diese Qualitäten könnten arbeitsintensive Unternehmen wie die hier tätigen nicht überleben.
Im Blickpunkt der SDGs stehen nicht nur Unternehmen, sondern auch das menschliche Zusammenleben insgesamt, und auch hier leistet fahrradbezogene Kreislaufwirtschaft einen wichtigen Beitrag: Zunächst und sehr zentral ist der Beitrag zu SDG 11.2, das nachhaltige Verkehrssysteme fördern will. Auch wenn hier der Fokus auf öffentlichem Personennahverkehr liegt, ist Fahrradverkehr definitiv zu den nachhaltigen Verkehrssystemen zu zählen, zumal er auch zur Reduktion der Umweltbelastung insbesondere in Städten beiträgt (SDG 11.6) und durch mehr Fahrrad- und weniger motorisierten Individualverkehr die Verfügbarkeit und der Zugang zu Grünflächen und sonstigen öffentlichen Räumen verbessert werden können (SDG 11.7).
Diese Überlegung führt zu den Anforderungen, die die SDG auch an Politik und öffentliche Verwaltung stellen: Wirksame öffentliche, public-private und zivilgesellschaftliche Partnerschaften müssen vorangetrieben und ausgebaut werden, um die Integration einer Kreislaufwirtschaft mit Fahrrädern voranzutreiben (SDG 17.17). So kann ein wesentlicher Beitrag zur politischen Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Inklusion, Ressourceneffizienz und Abschwächung des Klimawandels in Städten geleistet werden (SDG 11.b). Dazu bedarf es leistungsfähiger, verantwortungsvoller und transparenter Institutionen auf allen Ebenen (SDG 16.6), die zu einer konsistenten, nachhaltigkeitsorientierten Politik beitragen (SDG 17.14). Dies umfasst auch die Bereitstellung von Information und die Sensibilisierung für dieses Thema (SDG 12.8), damit die Bildung für Nachhaltige Entwicklung (SDG 4.7) und, getrieben von allen SDGs, die Verstärkung der öffentlichen Teilhabe bzw. Partizipation aller Menschen.