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16-08-2017 | Aus- und Weiterbildung | Schwerpunkt | Article

Ohne Ausbildung werden Fachkräfte noch rarer

Author: Michaela Paefgen-Laß

4:30 min reading time

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In Berlin fehlen die Lehrstellen, in Bayern die Bewerber und insgesamt wird trotz Rekordbeschäftigung immer weniger ausgebildet. Ein Blick in die Zahlen kurz nach Beginn des neues Ausbildungsjahres. 

Warum nicht Binnenschiffer werden und in der Lehrzeit Passagiere über den Bodensee schippern oder Frachten rheinabwärs verschiffen? Danach vielleicht Nautik studieren oder im Hafenbau tätig werden? Binnenschiffer ist der am höchsten dotierte Ausbildungsberuf in Deutschland. Auch in der Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierung lässt sich als Azubi bestens verdienen. Angehende Klavierbauer können sich ab diesem Jahr über eine modernisierte Ausbildung freuen. Auf dem Lehrplan stehen künftig Soft-Skills, die auf eine spätere Selbstständigkeit vorbereiten sollen. Gerüstbauer verdienen nach Auskunft der "Deutschen Handwerkszeitung" ebenfalls nicht schlecht, will aber keiner werden. Fleischer, Koch und Kellner sind auch solche Jobs, auf die einfach niemand Lust hat

Studieren trumpft bei jungen Menschen und wenn schon Lehre dann irgendwas mit Tieren, Veranstaltungen oder Medien. In Deutschland gibt es rund 330 Ausbildungsberufe. Aber die versteckten Schätze, die reizvollen Angebote zwischen meist-gehasst und heißgeliebt schaut sich kaum ein Jugendlicher an. Wie schade, denn die Welt der Lehrstellen ist noch ganz schön in Ordnung. Oder?

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Ausbildung zum Fleischer ist nicht trendy

Wie es um die Lage auf dem Deutschen Ausbildungsmarkt bestellt ist, lässt sich pauschal nicht beantworten. Nach Zahlen bekommt jeder Jugendliche, der nach der Schule ins Berufsleben strebt, die Chance zur Ausbildung. Es gibt in Deutschland im Berufsberatungsjahr 2016/17 laut aktuellem Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit 512.000 offene Lehrstellen und genau so viele Bewerber. Doch sagt diese Zahl nichts über das tatsächliche Beschäftigungsverhältnis aus. Denn, egal welche Offerten der Arbeitsmarkt bereit hält, in der Berufswahl entscheiden Schulabgänger sich vorsichtig konventionell und wählen allseits beliebtes, also Trendberufe. Und: Die Chance auf einen Ausbildungsvertrag hängt stark vom Zufall des Heimatortes ab.

In Berlin und Bremen kamen im Juli auf 100 Ausbildungsstellen 131 und 164 unversorgte Bewerber. In Bayern und Thüringen dagegen auf 100 unbesetzte Lehrstellen 51 und 56 Bewerber. Bis in die Spätsommerwochen wird sich der Ausbildungsmarkt noch bewegen, Betrieb und Lehrling an vielen Orten zusammen bringen. Wenn beide Seiten das überhaupt noch wollen. Das ist das dritte Hindernis. Denn so wie es die Jugend in die Hörsäle zieht, stellen immer mehr Betriebe das Ausbilden ein, obwohl sich die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland mit 44 Millionen auf Rekordniveau bewegt. Das gilt vor allem für Klein- und Mittelbetriebe wie eine von der Bertelsmann-Stiftung geförderte Studie des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen zeigt. 

Ausbildungsabschluss ohne Anschluss

Über alle Betriebsgrößen hinweg hat sich das Verhältnis von Ausbildung und Beschäftigung zwischen 1999 bis 2015 auseinander bewegt. In dieser Zeit wuchs die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 12,1 Prozent, während sich die Zahl der Auszubildenden um 6,7 Prozent zurück bewegte. Dort, wo Handwerk entsteht ist die Ausbildung besonders dramatisch eigebrochen. In Kleinstbetrieben bis fünf Mitarbeiter ging die Zahl der Beschäftigten leicht zurück (- 3,2 Prozent), die Zahl der Auszubildenden verringerte sich gleich um 33,3 Prozent. In Kleinbetrieben mit einer Belegschaft von sechs bis 49 Mitarbeitern  - hier wird laut Studie ein Drittel der gesamten Ausbildungsleistung erbracht - sank die Ausbildungsquote um 11,1 Prozent während die Beschäftigung um 9,2 Prozent anhob. Nur in Betrieben mittlerer Größe (50 bis 249 Mitarbeiter) bleibt die Ausbildung stabil (+ 11,3 Prozent). Die Zahl der Beschäftigten erhöhte sich gleichzeitig um 19,3 Prozent. In Großbetrieben über 500 Mitarbeiter wird am wenigsten ausgebildet. Hier lernen laut Studie nur ein Fünftel aller Azubis. 

Betroffen von der Ausbildungsproblematik sind vor allem junge Menschen mit Hauptschulabschluss. Besonders von technologiestarken Unternehmen wird eine höhere schulische Qualifikation eingefordert. Die Verschiebung zwischen den Qualifikationsgruppen, so befürchten die Forscher, wird dazu führen, dass sich mittlere und Großbetriebe weiter aus der Ausbildung zurück ziehen. Schon jetzt ist jeder achte 20- bis 29-Jährige ohne Berufsabschluss. "Wenn Unternehmen in der aktuell guten Konjunktur- und Beschäftigungslage nicht mehr junge Menschen ausbilden, ist der Fachkräftemangel hausgemacht", so Bertelsmann-Vorstand Jörg Dräger. Was tun?

Innovation entsteht gemeinsam

Die Bertelsmann-Stiftung fordert eine deutliche bessere Unterstützung kleiner Betriebe bei der Ausbildung und eine staatlich geförderte Ausbildungsgarantie für Schulabgänger ohne Ausbildungsplatz. Außerdem schlägt sie vor, die räumliche Flexibilität von Azubis zu fördern. Auf dem Spiel stehe der Verlust des "Exportschlagers" duale Ausbildung. Dessen Vorteile für das Innovationssystem in Deutschland beschreibt Springer-Autorin Uschi Backes-Gellner. Qualitativ hochwertige Innovationen, so die Autorin, kommen in Deutschland dadurch zustande, dass unterschiedlich qualifizierte Kräfte aus Entwicklung und Produktion "alle am gleichen Ort sind und eine gemeinsame professionelle Sprache sprechen" (Seite 172). Die Mischung zwischen Hochschulabsolventen und Facharbeiten habe deshalb höchste Innovatoionseffekte, weil "Verbesserungen und Änderungen sowie deren Qualität oft aus hands-on-Erfahrungen und direkter Beobachtung in der Produktion erwachsen" (Seite 173). 

Solche Synergien lassen sich aber nur über eine systematische Entwicklung von Facharbeitern währen der dualen Berufsausbildung mit gleichzeitiger Implementierung von Systemen des Wissensaustausches generieren. Brechen kleine bis mittlere Betriebe weiter aus dem Ausbildungssystem aus, schwächt dies das "innovative Eco-System" Deutschland (Seite 175). Zum Erhalt der Innovationsfähigkeit empfiehlt die Autorin, den Blick künftig auf individuell flexible Bildungskarrieren statt auf eine Erhöhung von Akademikerquoten zu fokussieren (Seite 180).

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