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02-11-2021 | Automobilwirtschaft | Gastbeitrag | Article

Was plant Stellantis mit Opel?

Authors: Dr. José Campos Nave, Dr. Michael S. Braun

6:30 min reading time

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Opel kommt auch unter Stellantis nicht zur Ruhe. Der neue Mutterkonzern scheint offenbar Produktionswerke aus der deutschen Firma ausgliedern zu wollen. Die Wirtschafts- und Anwaltskanzlei Rödl&Partner ordnet die Stellantis-Pläne ein. 

Bereits 1898 begann Opel mit dem Automobilbau und gehört damit zu den Pionieren der deutschen Automobilbranche. Über mehrere Jahrzehnte hinweg zählte die Marke Opel zu den erfolgreichsten Herstellern weltweit. Dementsprechend stammten kurz vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren etwa 44 % aller im Deutschen Reich produzierten Kraftfahrzeuge aus der Produktion von Opel und das Modell Opel P4 verkaufte sich Mitte der 1930er Jahre derart gut, dass es rückblickend gar als der erste "Volkswagen" bezeichnet wird. Eine wechselvolle Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg sowie der Ölkrise in den Siebzigern nimmt ihren Lauf bis in die 2000er Jahre. Aktuell hat Opel in Deutschland noch einen Marktanteil von circa 6 %. 

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Wechselnde Eigentümerverhältnisse

1929 wurde Opel an den amerikanischen Automobilkonzern General Motors (GM) verkauft, dem großer Anteil am Erfolg, aber auch am Abstieg der Marke zugeschrieben wird. Infolge der Finanzkrise 2007/2008 stand Opel erneut zum Verkauf, der allerdings erst 2017 an die französische Gruppe PSA (abgekürzt für Peugeot Société Anonyme) glückte. Diese fusionierte im Januar 2021 mit Fiat Chrysler Automobiles zur Stellantis N.V. und damit zum viertgrößten Automobilhersteller der Welt (nach verkauften Fahrzeugen). 

Unter dem Dach der Stellantis N.V. sind 14 Marken versammelt, unter anderem Fiat, Peugeot, Chrysler und Maserati. Die Fusion fand inmitten einer der größten Strukturwandel der automobilen Geschichte statt. Stellantis kündigte an, bis 2025 30 Milliarden Euro in die Elektrifizierung der Flotte und in Software investieren zu wollen. Zugleich sollen durch Synergien aufgrund des Zusammenschlusses jährlich fünf Milliarden Euro eingespart werden, damit die elektrische Antriebstechnik billiger wird. Bis 2026 ist eine zweistellige Umsatzrendite angestrebt, die Zeichen stehen also auf Umschwung. Geradezu kurios mutet in diesem Zusammenhang die Meldung an, Opel solle Brennstoffzellen entwickeln und diese Technologie in Hybriden mit Elektroantrieb in den Markt bringen. Zwar verfügt Opel aus GM-Zeiten über 20jährige Erfahrung im Bereich Wasserstoffantrieb, dessen Zukunftschancen dürften jedoch angesichts der gegenwärtigen Fokussierung von Gesellschaft, Politik und Branche auf reine Elektroantriebe zu hinterfragen sein.

Synergien für die Zukunft und Restrukturierung

Klarer zeichnet sich hingegen ab, dass Stellantis Synergien sucht und ganz offensichtlich Restrukturierungsmaßnahmen plant und/oder bereits umsetzt. So wurde jüngst bekannt, dass das Opel-Werk in Eisenach mindestens bis zum Jahresende schließt. Gemeint ist Kurzarbeit bis Jahresende, die seitens Stellantis mit der anhaltenden Pandemie und dem weltweiten Mangel an Halbleitern begründet wird. Trotzdem lässt dieser Schritt aufhorchen, lief doch schon 2019 die Produktion der Modelle Adam und Corsa im Werk Eisenach aus. Mehrere Monate Kurzarbeit und die damit verbundene Einstellung der Produktion des letzten verbliebenen Modells Grandland lassen Belegschaft und Gewerkschaft eine "kalte Betriebsverlagerung" befürchten.

Gleichzeitig wurde bekannt, dass sich Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung aus dem Entwicklungszentrum in Rüsselsheim unter Druck gesetzt fühlen, ihren Arbeitsplatz aufzugeben. Hintergrund sei eine Verlegung von Stellen nach Marokko. Dort unterhält Stellantis bereits ein Werk und plant, hunderte Stellen für Ingenieure und Techniker zu schaffen.

Berichten zufolge sollen die betroffenen Werke in Rüsselsheim und Eisenach in eigene Rechts- und Produktionsorganisationen überführt werden und so einen neuen Platz im Konzern unabhängig von Opel erhalten, um die Auslastung zu sichern. Nicht nur die Arbeitnehmer von Opel dürften diese Entwicklungen rund um Stellantis und Opel mit Spannung und Sorge verfolgen. Mit dem Zusammenschluss zu Stellantis haben sich auch die Machtverhältnisse gegenüber den Zulieferern weiter verschoben. Die Zulieferindustrie rund um das Werk in Eisenach spürt dies schon heute akut. Auch wenn sich das große ganze Bild der Restrukturierung erst mit der Zeit abzeichnen wird, scheint klar zu sein, dass grundlegende Veränderungen auf Opel zukommen. Ob als "shared service center" oder mittels Lohnfertigung, die Ausgliederung ist offenbar eine von Stellantis erwogene Option.

Abspaltung oder Ausgliederung?

Gesellschaftsrechtlich ist die Überführung einzelner Werke aus der Opel Automobile GmbH in die rechtliche Selbständigkeit beispielsweise als Auf- oder Abspaltung ohne Weiteres denkbar. Das Umwandlungsrecht stellt hier diverse Varianten zur Verfügung. Eine Aufspaltung würde zu einer Teilung der Opel Automobile GmbH führen, wobei das gesamte Vermögen auf mindestens zwei weitere Rechtsträger übertragen würde. Da in dieser Variante der ursprüngliche Rechtsträger als Ganzes untergeht, scheint sie vor allem denkbar, wenn Stellantis die Marke Opel vom Markt nehmen, die Werke anderweitig auslasten und die Entwicklung tatsächlich ganz verlagern wollte. 

Näher liegt der Gedanke einer Abspaltung, bei der die Opel Automobile GmbH erhalten bliebe und die beiden Werke auf eigene Rechtsträger übertragen werden könnten. Die neu geschaffenen "Werk-GmbHs" und die Opel Automobile GmbH wären Schwestergesellschaften unter derselben Muttergesellschaft. Diese Anteilsverhältnisse würden am besten zu einer angestrebten Selbständigkeit der Werke im Konzern und deren Auslastung auch durch andere Marken passen. Das unterscheidet die Abspaltung von der Ausgliederung, die letztlich dazu führen würde, dass die beiden Werke zwar jeweils in eigenständige Rechtsorganisationen überführt werden können, sie wären dann allerdings Tochtergesellschaften der Opel Automobile GmbH und damit dem direkten Zugriff der Konzernobergesellschaft(en) entzogen.

Bei Umstrukturierungen innerhalb Deutschlands werden die umwandlungsrechtlichen Regelungen durch das Umwandlungssteuergesetz flankiert, das unter bestimmten Voraussetzungen weitgehend steuerneutrale Umstrukturierungen ermöglichen soll. Gleichwohl drohen auch hier Nachteile, wie zum Beispiel der Untergang von Verlustvorträgen. Auch könnten vorbereitend weitergehende Gestaltungen geboten sein, um für die Steuerneutralität notwendige Voraussetzungen, wie etwa Teilbetriebserfordernisse, herzustellen. Besonderes Augenmerk wäre erforderlich, wenn im Zuge der Umstrukturierung Wirtschaftsgüter oder betriebliche Funktionen ins Ausland verlagert werden sollen, da dann unter anderem auch die komplexen Regelungen zur Entstrickung beziehungsweise des Außensteuergesetzes zu berücksichtigen sind.

Arbeitsrechtliche Spannungen bahnen sich an

Spannungen zeichnen sich auch und insbesondere arbeitsrechtlich ab. Gewerkschaften und Betriebsräte befürchten schon heute, dass Stellantis und Opel mit ihren ersten Maßnahmen einerseits rechtsbrüchig geworden sind und andererseits künftig verstärkt in Regionen abwandern wollen, die dem Konzern aus Perspektive des Lohnniveaus und des Arbeitsrechts vorteilhaft scheinen. So dürfte das Arbeitsrecht in Marokko in seinem Schutzniveau für Arbeitnehmer deutlich hinter europäischen und insbesondere deutschen Standards zurückbleiben. Beim Lohnniveau ist das offensichtlich. 

Betriebliche und unternehmerische Mitbestimmung könnten im Fokus der Überlegungen stehen, denn Ausgliederungen führen zu kleineren Einheiten und damit möglicherweise zu einer weniger starken Beteiligung der Gewerkschaften im Aufsichtsrat. Der Weg dorthin ist arbeitsrechtlich allerdings steinig: Maßnahmen wie die Verlagerung von Entwicklungseinheiten oder die Schließung von Werken sind Betriebsänderungen und damit mitbestimmungspflichtig. Arbeitgeber und Betriebsrat haben über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan zu verhandeln. Unterbleibt dies, könnte dem Betriebsrat sogar ein Unterlassungsanspruch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zustehen. Mangels abschließender Bestätigung dieses Rechtsinstituts durch das Bundesarbeitsgericht hängt die Anerkennung jedoch von der Rechtsprechung des jeweiligen Landesarbeitsgerichts ab. 

Strategie bislang unklar

Erschwerend hinzu tritt zumindest aktuell, dass die Strategie hinter den bekannten Maßnahmen noch unklar ist und damit schwer gerichtsfest darlegbar sein dürfte. Unterbleiben Verhandlungen um einen Interessenausgleich und Sozialplan rechtswidrig und setzt der Arbeitgeber die Maßnahme gleichwohl um, kommt im Nachgang ein Nachteilsausgleich in Betracht. Zudem stehen betriebsbedingten Kündigungen voraussichtlich bis 2023 beschäftigungssichernde Tarifverträge entgegen. Dies erschwert die schnelle Reduzierung von Personalkosten natürlich ungemein. Sollte deshalb die Kurzarbeit in Eisenach tatsächlich mit einer Produktionsverlagerung in ein anderes Werk einhergegangen sein, könnte auch die Einführung der Kurzarbeit rechtlich fraglich sein. Schließlich ist Kurzarbeitergeld daran gebunden, dass der Mangel an Beschäftigungsmöglichkeit vorübergehend und nicht dauerhaft ist.

Opel hat eine bewegte jüngere Vergangenheit und scheint auch unter Stellantis nicht zur Ruhe zu kommen. Im Gegenteil wirkt es, als ob eine Restrukturierungsphase bevorsteht. Dabei ist dieser großen Marke des deutschen Automobilbaus die lang ersehnte Konsolidierung zu wünschen.

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