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14-04-2020 | Energie + Nachhaltigkeit | Interview | Article

„Unternehmen in der Krise bei Modernisierung ihrer Anlagen unterstützen!“

Author: Frank Urbansky

5:30 min reading time

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Die Corona-Pandemie sorgt für einen Rückgang der Energieverbräuche und damit auch der Treibhausgasemissionen. Der Thinktank Agora Energiewende hat mit Hilfe von Prognosen des Umweltbundesamtes (UBA) prognostiziert, inwieweit das dem Klima nützt.

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Wie sah Ihre Methodik im Zusammenhang mit den UBA-Zahlen aus, um zur Prognose von 40 bis 45 % Emissions-Einsparungen zu kommen?

Wir haben zunächst die Effekte für das erste Quartal ausgewertet, die man statistisch bereits gut ablesen kann. Dazu haben wir die aktuellen Daten des Strommarktes verwendet und eine Temperaturbereinigung auf Basis der Messwerte des Deutschen Wetterdienstes für den Heizenergiebedarf vorgenommen. Für den weiteren Jahresverlauf haben wir dann abgeschätzt, wie sich die Corona-Krise in ihrer Dauer und Ausprägung auf den Verkehr und die industrielle Produktion auswirkt. Wir haben also abgeschätzt, inwieweit der Personenverkehr zurückgeht, wie viel weniger Güter transportiert werden und wie sich die Nachfrage nach Stahl, Zement sowie chemischen Produkten entwickelt. Das haben wir dann mit typischen Energieverbrauchskennwerten in vermiedene CO2-Emissionen übersetzt. Für den Gebäudeenergieverbrauch haben wir nach März die gleiche Entwicklung wie im Vorjahr angenommen und für den Stromsektor die gleiche Erzeugung erneuerbarer Energien ab April wie im Vorjahr.

Wie hoch ist der Anteil der Stromerzeugung, insbesondere der Windkraft, prozentual gesehen an diesem Rückgang?

Im ersten Quartal 2020 hatten wir durch die Winterstürme eine überdurchschnittlich hohe Einspeisung an Windenergie. Es gab im Stromsektor allerdings noch weitere Faktoren, die zur Einsparung von knapp 20 Millionen Tonnen CO₂ im Vergleich zum ersten Quartal 2019 geführt haben: Erstens die niedrigere Stromnachfrage aufgrund einer schwachen Konjunktur und des warmen Winters, zweitens deutlich geringere Stromexporte aufgrund einer schwachen Nachfrage im Ausland und drittens niedrige Gaspreise aufgrund des warmen Winters, die im Zusammenhang mit den Preisen für CO₂ die Kohleverstromung deutlich zurückgedrängt haben. Den alleinigen Windeffekt kann man nur in einer aufwendigen kontrafaktischen Modellierung analysieren. Das haben wir nicht gemacht.

Sie fordern ein Konjunkturpaket für grüne Technologien und Investments. Das derzeitige Paket der Bundesregierung will vor allem sozial und finanziell absichern und so im Fall der Fälle die Konsumtion und damit die Produktion wieder anwerfen. Wie könnte ein solches Programm aussehen?

Der Zubau von Wind- und Solarstromanlagen muss wieder Fahrt aufnehmen – zum einen, um günstige Strompreise zu sichern, zum anderen, damit Deutschland seine Klimaziele und den Kohleausstieg schafft. Kurzfristig sollten dazu die Schutzabstände um Drehfunkfeuer für den Flugverkehr auf das europäische Normalmaß reduziert werden, um so Eignungsgebiete für Windkraftanlagen freizugeben. Bei der Photovoltaik ist es wichtig, dass der Ausbaudeckel von 52 Gigawatt abgeschafft wird und die Ausschreibungsvolumina erhöht werden. Diese Maßnahmen belasten den Bundeshaushalt nicht, wirken aber für die Solar- und Windindustrie wie ein Konjunkturprogramm. Gleichzeitig senken sie mittelfristig den Strompreis für die energieintensive Industrie und entfalten daher auch hier eine belebende Wirkung.

Im Wärmemarkt müssen das Dämmen, die Umrüstung von alten Heizungssystemen auf neue sowie die Nutzung von erneuerbaren Energien wie Wärmepumpen und Solarthermie vorangetrieben werden. Das kann über Direktförderungen oder über verbesserte steuerliche Abschreibungen erfolgen. Außerdem muss die Industrialisierung der Gebäudeisolierung angeschoben werden – also das digitale Vermessen von Hausfassaden und die automatisierte Fertigung von Dämmelementen in einer Fabrik. Die dort vorgefertigten Elemente können in sehr kurzer Zeit auf der Baustelle montiert werden. Dadurch werden Zeit und Kosten gespart. Die Niederlande machen bereits vor, wie das geht.
Die öffentliche Hand ist einer der größten Kunden für die heimische Industrie. Denken Sie nur an die Ausgaben für den Bau von Gebäuden, Straßen und die Beschaffung von Fahrzeugen. Hier könnten Kriterien für klimafreundlichere Materialien die notwendige Nachfrage für diese neuartigen Produktionsprozesse schaffen und auf dieser Basis können dann Unternehmen in nachhaltigere Produktionsverfahren investieren.

Für die Mobilitätswirtschaft gilt, wie für andere Branchen, dass das Geld an den richtigen Stellen ansetzen und schnell wirken muss. Auch gut gemeinte Investitionsanreize können verpuffen oder in die falsche Richtung lenken, wenn sie nicht gut durchdacht sind. Wir sprechen deshalb aktuell mit den Akteuren in Wirtschaft und Verbänden über sinnvolle Optionen. Denkbar wären finanzielle Unterstützungen für: die Gründung und den Aufbau junger Unternehmen im Mobilitätssektor, den Austausch besonders emissionsintensiver Transportfahrzeuge in Kleinst- und Kleinunternehmen wie zum Beispiel Handwerksbetrieben, die Beschaffung von Elektrofahrzeugen in öffentlichen und betrieblichen Flotten, den Ausbau der Elektromobilität im ländlichen Raum und die Modernisierung der Bussysteme in den Städten. In diesen Bereichen könnte staatliches Geld aus unserer Sicht schnell wirksame Impulse für die wirtschaftliche Wiederbelebung und die notwendige Verkehrswende zugleich setzen.

(Anm. d. Red.: Der Part zur Mobilitätswirtschaft wurde von Christian Hochfeld, Direktor der Agora Verkehrswende, beigesteuert.)

Wir können außerdem davon ausgehen, dass während der Krise, vor allem wenn sie länger andauert, Produktionsanlagen stillstehen. Hier gilt es die Unternehmen dabei zu unterstützen, die Zeit für die Modernisierung der Anlagen zu nutzen, um bei der Wiederaufnahme der Produktion effizienter zu sein. Dabei können zum Beispiel Sonderabschreibungsprogramme helfen.
Falls Produktionskapazitäten, beispielsweise im Bereich Stahl, Chemie, Aluminium oder Zement, sogar dauerhaft verloren gehen, sollte die Politik durch gezielte Programme die Unternehmen dabei unterstützen in moderne klimafreundliche Produktionsverfahren zu investieren. Damit würde die Produktion von Grundstoffen mittel- und langfristig in Europa erhalten bleiben. Eine Abwanderung der Produktion in Regionen der Welt, wo unter schlechteren Umweltstandards produziert wird, schadet dem Klimaschutz.

Kann man Aussagen treffen, wie schnell die Emissionsziele für 2030 und 2050 erreicht würden, wenn ein solches Programm umgesetzt würde?

Die aktuellen Berechnungen, die für die Bundesregierung angefertigt wurden, zeigen, dass das Emissionsminderungsziel mit den bisher beschlossenen und geplanten Maßnahmen bis 2030 nicht erreicht wird. Man kann heute bereits sicher sagen, dass ein Konjunkturprogramm, das den Kriterien der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes gerecht wird, notwendige Investitionen zur Zielerreichung zeitlich nach vorne zieht. Das würde der Erreichung der 2030er Ziele Luft verschaffen. Andersrum würde ein Konjunkturprogramm, das diesen Fokus nicht hat, die Zielerreichung 2030 nahezu unmöglich machen. Die Kosten für den Staatshaushalt, die damit verbunden sind, zum Beispiel durch den Zukauf von Zertifikaten im Rahmen unserer europäischen Verpflichtungen, wären immens.

Alle tagesaktuellen Beiträge rund um die Corona-Krise finden Sie hier.

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