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2021 | Book

Handbuch Filmsoziologie

Editors: Dr. Alexander Geimer, Dr. Carsten Heinze, Prof. Dr. Rainer Winter

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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About this book

Der Band greift filmsoziologische Fragestellungen in ihren vielfältigen Facetten auf, die von renommierten Wissenschaftler*innen bearbeitet werden. In Überblicksartikeln wird ein Einblick in die zentralen Themenfelder eröffnet. Im ersten Kapitel werden historische Wurzeln und Traditionen am Beispiel bedeutender Filmsoziolog*innen dargestellt und so ein historischer Abriss zu Themen und Problemen der Filmsoziologie gegeben. Im zweiten Kapitel werden theoretische Perspektiven der Filmsoziologie behandelt, im dritten Kapitel verschiedene Methodologien vorgestellt. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit einzelnen Themen des Films und Genreanalysen. Das fünfte Kapitel widmet sich in Abgrenzung zum fiktionalen Film dem dokumentarischen Film in Theorie und Geschichte. Das sechste Kapitel stellt aktuelle Bezugsfelder der Filmsoziologie dar und öffnet Perspektiven für den interdisziplinären Austausch.

Table of Contents

Frontmatter
Einleitung

Die Einleitung gibt einen Überblick über Stand und Perspektiven der Filmsoziologie. Es wird begründet, weshalb die Filmsoziologie einen wesentlichen Bestandteil der Gesellschaftsanalyse darstellen kann. Dazu werden unterschiedliche Aspekte und Ansätze kurz vorgestellt, die sich aus der soziologischen Beschäftigung mit Film herausgebildet haben. Schließlich wird eine aktuelle Bestandsaufnahme heutiger filmischer Phänomene vorgestellt, die verdeutlicht, wie breit und vielfältig Filme und Bewegtbilder sich heutzutage auf unterschiedlichen Feldern ausbreiten. Abschließend wird kurz das Zustandekommen des Handbuchs erläutert.

Carsten Heinze, Alexander Geimer, Rainer Winter

Klassische Positionen der Filmsoziologie

Frontmatter
Emilie Altenloh

Emilie Altenlohs 1914 erschienene Heidelberger Dissertation Zur Soziologie des Kino gilt seit den 1970er-Jahren als Klassiker der Kinosoziologie. Altenlohs Sichtweise auf das Kino der frühen 1910er-Jahre und ihre empirischen Erhebungen in Mannheim werden dargestellt im Kontext von Alfred Webers Soziologie der Kultur. Anschließend resümiert der Beitrag retrospektive Beurteilungen, zeitgenössische Rezensionen und die politische bzw. akademische Rezeption seit den 1960er-Jahren.

Martin Loiperdinger
Walter Benjamin

Benjamin, der an persönliche Erfahrungen anknüpfte, entwickelte eine Filmtheorie, die kritischer Reflexion gegenwärtiger Tendenzen dienen kann. Offen für Experimente mit dem eigenen Wahrnehmungsapparat, untersuchte er die Bedeutung des Schocks, der Bilder unterschiedlicher Ausdrucksqualität durch Montage aufeinanderprallen lässt. Den Vorläufer sieht er im Dadaismus, dessen Leistung, nämlich die Kritik der Konventionen der Kunstwelt, der Film fortsetzt. Bereits die Fotografie erschloss das ‚optisch Unbewusste‘, das dem menschlichen Auge nicht unmittelbar Zugängliche. Der Film führt diesen Weg weiter. Benjamin bezieht, im Unterschied zu Adorno, das populärkulturelle Medium als wesentliches Moment der Bildung in seine ästhetische Theorie ein. Das konnte sowohl für Andy Warhol, als Pop-Künstler, als auch für den Ansatz der Cultural Studies fruchtbar werden.

Lutz Hieber
Siegfried Kracauer

Der Text arbeitet Kracauers Bedeutung für die Entwicklung filmsoziologischen Denkens heraus. Ohne ihn als Filmsoziologen festschreiben zu wollen, werden Entwicklung und Widersprüche seines Werks als Filmkritiker, -historiker und -theoretiker beschrieben. In ihm entsteht aus einem breiten Beziehungsgeflecht unterschiedlichster (massen)kultureller (Oberflächen-)Erscheinungen eine komplexe Phänomenologie der Moderne, moderner Lebenswelt und ihren Erfahrungen. Kracauers breite historische, soziale und kulturelle Kontextualisierung aller Äußerungen zu Film und Kino sollte Voraussetzung jeder nicht empirisch verkürzten Filmsoziologie sein.

Irmbert Schenk
Erwin Panofsky

Erwin Panofsky, bedeutender Kunsthistoriker und -theoretiker, emigrierte 1933 aus Deutschland in die USA. Sein Interessenschwerpunkt lag in der Kunst früherer Jahrhunderte, gleichwohl widmete er dem Film einen Essay. Beim Aufbau der Film-Abteilung des Museum of Modern Art in New York (MoMA) hatte er eine wesentliche Funktion. Pierre Bourdieu erkannte den Nutzen von Panofskys Habitus-Begriff für die Soziologie. Panofsky führte mit Ikonografie und Ikonologie eine kunstwissenschaftliche Methodik zur Reife, die erlaubt, Denken und Gewohnheiten des Rezipienten in der Bild-Interpretation zurückzunehmen und Reflexivität zu ermöglichen. Ihr Nutzen für die Filmsoziologie wird an einem zeitgenössischen Hollywood-Film und am Filmmaterial aus einer früheren Epoche expliziert.

Lutz Hieber
Herbert Blumer

Der Beitrag stellt die Ergebnisse der ersten, detaillierten qualitativen Studie zur Filmrezeptionsforschung vor, die von dem Vertreter der Chicago School Herbert Blumer vorgelegt wurde. In dieser Arbeit über Movies and Conduct finden sich Ambivalenzen und Widersprüche in der Einschätzung der Prägekraft und des (mal mehr, mal weniger spezifisch visuell gefassten) Wirkungspotenzials des Films, die auf theoretische Un(ter)bestimmtheiten und methodologisch-methodische Suchbewegungen in der frühen qualitativen Forschung zurückgehen. Trotz dieser ‚Mängel‘ ist Blumer als Klassiker der Filmsoziologie zu verstehen, wie die genaue Lektüre seines Werk Movies and Conduct zeigt, da sich in diesem Werk Grundfragen der qualitativen Film- und Medienforschung hinsichtlich der Konzeption der Interaktion von Film und Zuschauer_innen, wenngleich noch recht unsystematisch, spiegeln. Dies betrifft insbesondere die Frage nach der eher passiven, präreflexiven Konstitution eines Zuschauer_innen-Subjekt oder reflexiv-aktiven Konstruktion von Zuschauer_innen-Identität.

Alexander Geimer
Edgar Morin

Edgar Morins filmsoziologische Schriften aus den 1950er-Jahren werden in ihrer historischen Entwicklung dargestellt. Nachgezeichnet werden die Grundmuster seines dialektischen Denkens, die auch in den Arbeiten zur Kinosoziologie prägend wirken, wie etwa der Versuch, das Kino durch soziologische und anthropologische Kenntnisse gründlicher zu verstehen und umgekehrt vom Film Auskünfte über unbekannte Bereiche der Gesellschaft zu erlangen. Näher eingegangen wird auf Morins filmsoziologische Aufsätze aus der Revue internationale de filmologie, auf seine Kinoanthropologie Le cinéma ou l’homme imaginaire (1956) und auf Les stars (1957), seine Studie zum Phänomen der Filmstars. Dabei werden die jeweiligen Kerngedanken herausgearbeitet, um zu zeigen, dass Morins Ideen und methodische Ansätze bis heute erhellend und anregend wirken können.

Guido Kirsten
Gerd Albrecht

Gerd Albrecht hat seit den 1960er-Jahren mit dem Verfahren der Inhaltsanalyse von Filmen eine datenbasierte, systematische und damit zu seiner Zeit eher der soziologischen Methodologie zugerechnete Perspektive ins interdisziplinäre Feld der Filmanalyse eingeführt. Im Blick stehen dabei nicht nur die Filme selbst, sondern auch Dokumente als Quellen objektivierbarer Daten, die an der Schnittstelle zwischen Filmproduktion und der gesellschaftlichen Rezeption von Filmen entstehen: Filmkritiken, Verleihinformationen, Einspielergebnisse, Besucherstatistiken oder auch politische Äußerungen vor dem Hintergrund von Filmkontrolle und Zensur. Diese Perspektive leitet ihn zur Analyse einer durch die politische Beeinflussung der Massenmedien mehr oder weniger lenkbaren Gesellschaft, ohne dabei die beständige Wechselwirkung zwischen Filmproduktion und Gesellschaft aus den Augen zu verlieren.

Oliver Dimbath
Ian C. Jarvie

Der Popper-Schüler Jarvie entwickelt eine Soziologie des Kinos als historisch dominante Kulturform, die sich insbesondere mit der Koordination zwischen Filmindustrie und Publikum beschäftigt. Auf philosophischem Gebiet untersucht Jarvie Film als Wirklichkeit eigener Art, dessen Unterscheidung von anderen Wirklichkeiten durch den Zuschauer als „learned disbelief“ erworben wird. Seine ‚Kartierung‘ der Institution Film konzentriert sich auf die wissenschaftliche Rehabilitierung des ‚illegitimen‘ Geschmacks u. a. hinsichtlich konkreten Filmgenres oder der Pornografie.

Matthias Roche
Martin Osterland

Die Arbeit Martin Osterlands zu Gesellschaftsbildern in Filmen steht als zeitdiagnostische Analyse in der Tradition Siegfried Kracauers. Empirisch erschließt er sich seinen Gegenstand, das Spielfilmangebot der jungen Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1964, auf dem Weg einer Inhaltsanalyse von Filmbegleitmaterialien: Pressemappen, Filmkritiken etc. Durch quantifizierende Vergleiche zwischen erzählerischen Elementen der Filmhandlung oder Herkunftsländern der Filme erzielt er bemerkenswerte Einsichten über den Zustand der Gesellschaft, in der diese Filme zum Zweck der Massenunterhaltung eingesetzt werden.

Oliver Dimbath
Norman K. Denzin

Norman K. Denzin ist einer der wichtigsten Vertreter der Filmsoziologie. Denzin kommt aus der Tradition des Symbolischen Interaktionismus, hat diese aber mit dem Poststrukturalismus, den Cultural Studies und der kritischen Soziologie von Charles Wright Mills verbunden. Im Zentrum seiner Filmsoziologie stehen Hollywoodfilme und ihre kulturellen Repräsentationen. Er untersucht u. a. die Repräsentation des Alkoholismus, des postmodernen Selbst, des Rassismus und den Beitrag des Kinos zur Überwachungsgesellschaft. Denzin zeigt, dass Hollywood-Filme nicht nur dominante Vorstellungen inszenieren, sondern diese auch in Frage stellen können. Die Filmsoziologie ist ein wichtiger Teil seines kritisch-interpretativen Projekts der Gesellschaftsanalyse.

Rainer Winter
Douglas Kellner

Douglas Kellners Arbeiten zur Filmsoziologie finden weltweit Beachtung. Die Analyse von Filmen in ihrem kulturellen und gesellschaftlichen Kontext dient ihm dazu, eine kritische Theorie der US-amerikanischen Gesellschaft zu entwerfen. Dabei hat er vor allem die rechtskonservative Wende seit den 1980er-Jahren im Blick. Kellner verbindet in seinen Studien die gesellschaftskritischen Traditionen der Frankfurter Schule und der Cultural Studies. Er zeigt, dass sich in den Repräsentationen von Hollywoodfilmen die ideologischen Auseinandersetzungen der Zeit ihrer Entstehung artikulieren. Kellner arbeitet ihre verschiedenen Bedeutungsdimensionen heraus und erörtert, wie in ihnen Diagnosen der Gegenwart enthalten sind. Die Filmanalyse wird zu einer kritischen Gesellschaftsanalyse in interventionistischer Absicht.

Rainer Winter
Rainer Winter

Mit seinem Buch „Filmsoziologie. Eine Einführung in das Verhältnis von Film, Kultur und Gesellschaft“ hat Rainer Winter (1992, Filmsoziologie. Eine Einführung in das Verhältnis von Film, Kultur und Gesellschaft. München: Quintessenz) das Interesse an der wissenschaftlichen Betrachtung des Films in der Soziologie nachhaltig beeinflusst, zumal er einen Brückenschlag zwischen Soziologie und Cultural Studies herstellt. Film wird von ihm als Teil der populären Kultur gesehen, wobei er die strikte Trennung zwischen Hochkultur und Populärkultur negiert. Zentral ist für (Winter 2010; zuerst 1995) der „produktive Zuschauer“, denn Medienaneignung wird als kultureller und ästhetischer Prozess gesehen. Basierend auf den Erkenntnissen der Cultural Studies und ihrer Analysen der Medien- und Populärkultur sowie auf den Erkenntnissen französischer Philosophen hat Winter ein Modell der Filmanalyse als kritischer Gesellschaftsanalyse entwickelt – und in zahlreichen Fallstudien auch angewendet. Filme werden dabei als Teil der gesellschaftlichen Diskursordnung verstanden, deren Bedeutung aber erst in der Rezeption durch aktive Zuschauer hergestellt wird.

Lothar Mikos

Theoretische Perspektiven der Filmsoziologie

Frontmatter
Für eine Soziologie des Kinos

Der vorliegende Artikel umreißt die Rahmenbedingungen zur Entwicklung eines ‚starken Programms‘ für eine Soziologie des Kinos. Hierzu werden zunächst soziologische Pionierarbeiten zur Erforschung des neuen Mediums des Films dargestellt. Daran anschließend wird die Problematik der (Be-)Gründung einer eigenständigen Filmsoziologie in Auseinandersetzung mit den Konzepten von Massengesellschaft und Massenkultur sowie den Filmwissenschaften dargelegt. Als Ausweg aus diesem konfliktbehafteten Feld plädieren Heise und Tudor schließlich für die Entwicklung eines starken filmsoziologischen Programms auf Grundlage der Soziologie Pierre Bourdieus.

Tatiana Signorelli Heise, Andrew Tudor
Film und die Repräsentation von Gesellschaft

Die Beziehung von Filmen zur gesellschaftlichen Wirklichkeit hat in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Medium eine wichtige Rolle gespielt. Schon früh wurde erkannt, dass Filme gesellschaftliche Realität darstellen können. Sie sind in die lebensweltlichen Sinnzusammenhänge integriert und fügen sich in gesellschaftliche Diskurse ein. Filme können daher nur im Rahmen des lebensweltlichen Horizonts der Zuschauer Sinn machen, weil sie hier als sinntragende Diskurse dekodiert werden. Sie sind zudem Teil der gesellschaftlichen Repräsentationsordnung. Filme sind immer doppelt strukturiert: Einerseits beobachten und reflektieren sie gesellschaftliche Realität, andererseits tragen sie selbst zum Diskurs über eben diese Realität bei. Soziologisch gesehen muss der Film vom Publikum her gedacht werden, dient er doch als Mittel der Kommunikation. Filme tragen daher wie andere Medien auch zur gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit bei.

Lothar Mikos
Gesellschaft im Film

Der Beitrag untersucht die vielfältige Beziehung zwischen Film und Gesellschaft in vier Schritten: In einem ersten Schritt geht es um einige grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis von Film und Gesellschaft (1). Anschließend wird der Frage nachgegangen, was uns der Film von der Gesellschaft zeigt, welche gesellschaftliche Themen behandelt werden, welche Gesellschaftsbilder darüber erzeugt werden und welcher Gesellschaftsbegriff dabei zugrunde gelegt wird (2). Schließlich wird gezeigt, dass nicht nur die Gesellschaft in den Film eingeht, sondern auch der Film auf die Gesellschaft zurückwirkt, wodurch sich das Verhältnis zwischen Film und Gesellschaft als ein wechselseitiges bestimmen lässt (3). Der Beitrag schließt mit einigen Überlegungen zur zunehmenden Amalgamierung von Film und Gesellschaft, das Verschmelzen von Film und Gesellschaft zu einer gefilmten Gesellschaft (4).

Markus Schroer
Filmsoziologie als Teil einer Kultursoziologie

Vor dem Hintergrund eines konstruktivistischen Verständnisses sozialer Wirklichkeit sowie der Rolle medialer Kommunikation in gegenwärtigen Gesellschaften wird das Verfahren filmischer Wirklichkeitskonstruktion vorgestellt. Die Analyse zweier Beispiele – Comizi d’amore von Pier Paolo Pasolini und Viva Maria! von Louis Malle – verdeutlicht, inwiefern eine Soziologie des Films mit einer kultursoziologischen Untersuchung der Stellung konvergiert, die Filme in und zu der sozialen Wirklichkeit ihrer Zeit einnehmen.

Angela Keppler
Filmsoziologie und Kritische Theorie

Trotz des großen Einflusses, den das Konzept der Kulturindustrie auf die Analyse und Rezeption der für die spätkapitalistischen Gesellschaften typischen Formen der Massenkultur genommen hat, wurde seitens der Kritischen Theorie kein genuin mediensoziologischer Ansatz entwickelt, geschweige denn eine Filmsoziologie. Vergleichsweise frühe Ansätze in diese Richtung liegen insbesondere bei Walter Benjamin und Siegfried Kracauer vor. Den Versuch einer film- und mediensoziologischen Systematisierung im Anschluss an die Kritische Theorie unternimmt, vor allem in den 1970er- und 1980er-Jahren, aber erst Dieter Prokop.

Jörn Ahrens
Filmsoziologie und Poststrukturalismus

Der Beitrag bietet sieben Einblicke in die Arbeiten zweier Generationen französischer Philosophen zu Kino und Film. Zu der älteren Generation zählen poststrukturalistische Autoren wie Roland Barthes, Jean-François Lyotard, Félix Guattari und Gilles Deleuze. Exemplarisch für die nachfolgende, etwas jüngere Generation werden hier Alain Badiou, Jean-Luc Nancy und Jacques Rancière vorgestellt. Neben den je eigenen Zugängen und Methoden durchziehen die Kinobücher von Gilles Deleuze die Arbeiten der anderen Autoren als Dreh- und Angelpunkt.

Frank Beiler, Olaf Sanders
Filmsoziologie und psychoanalytische Filmtheorie

Der Begriff „Psychoanalytische Filmtheorie“ bezeichnet die filmästhetischen Theorien, die im psychoanalytischen Diskurs entwickelt worden sind, zum anderen aber auch film- und medienwissenschaftliche Ansätze, die sich auf die Psychoanalyse als Theorie (meist auf Lacan) berufen. Der Beitrag verbindet beide Theorielinien und verbindet sie mit der Filmsoziologie.

Andreas Hamburger
Filmsoziologie und Feministische Filmtheorie: Film im Gender- und Queer-Diskurs

Feministische Filmsoziologie dient als umbrella term für feministische und queere Auseinandersetzung mit Film, Filmschaffen und Aneignung von Film in Theorie und Praxis. Der Text befasst sich mit Film und Kino als kulturellem System in seinen Epistemologien, Repräsentationsstrategien, Subjektivitätskonzepten, Produktions- und Rezeptionsbedingungen entlang vergeschlechtlichter und geschlechterspezifischer Macht- und Herrschaftsverhältnisse im Film (on screen) und im Filmschaffen (off screen). Der Beitrag skizziert Protagonist*innen und Etappen Feministischer Filmsoziologie (Feministisch gehört hier zum Eigennamen des Forschungsfelds, ist mehr als ein Adjektiv und wird daher in Großbuchstaben geschrieben.) und Filmtheorie seit der Entstehung von Film vor über 100 Jahren.

Eva Flicker
Filmsoziologie und Medienwissenschaft: Vier Momentaufnahmen

Anhand von vier Momentaufnahmen wird das komplexe und disparate Verhältnis von Filmsoziologie und Medienwissenschaft beschrieben: Von Theorien des Films als Spiegel der Gesellschaft, über das Medialitätsparadigma und der Dispositiv-Theorien hin zu einer praxeologischen Wende in neueren medienwissenschaftlichen Ansätzen, die konkrete Akteur-Netzwerk-Beziehungen in medialen Milieus in ihrer Prozessualität untersuchen, werden wichtige Theoriekontexte vorgestellt, in denen sich filmsoziologische und medienwissenschaftliche Perspektiven überschneiden und wechselseitig erhellen können.

Thomas Weber

Methodologische Zugänge zur Filmsoziologie

Frontmatter
Die soziologische Filmanalyse – Relevanz, Vorgehen und Ziel

Filme sind ebenso Vermittler als auch Archive gesellschaftlichen Wissens. Wie filmische Produkte gestaltet sind und damit zur Produktion von Bedeutung sowie der sozialen Konstruktion von Wirklichkeit beitragen – danach fragt diese soziologische Filmanalyse. Ihr geht es um eine Interpretation der Einstellungen und Sichtweisen, die durch die Machart des jeweiligen Films nahegelegt werden. Dieser Beitrag zeigt auf, wie an Spielfilmen empirisch untersucht werden kann, was derartige Produkte in ihrer audiovisuellen Präsentationsweise über die Verfassung der sozialen Wirklichkeit zeigen und was eine Interpretation solcher Filme für die Erforschung gegenwärtiger Gesellschaften zu leisten vermag.

Angela Keppler, Anja Peltzer
Aktuelle Methoden der Filmanalyse

In der Medien- und Filmwissenschaft haben sich verschiedene Methoden der Filmanalyse und – interpretation herausgebildet. Die meisten dieser Ansätze blenden aus, dass Filme ein Kommunikationsmittel sind, dessen Bedeutung sich erst im sozialen Gebrauch ergibt, und dass sie Teil der gesellschaftlichen Repräsentationsordnung sind. Daher ist es notwendig, Filme aus einer eher soziologischen und kommunikationswissenschaftlichen Perspektive zu analysieren, die den Kommunikationsaspekt in den Mittelpunkt stellt. Die Analyse kann sich nicht auf den Inhalt und die Themen der Filme beschränken, sondern muss sich auch den Inszenierungsweisen widmen, die die Aufmerksamkeit der Zuschauer lenken und deren Bedeutungsbildung vorstrukturieren. Eine methodisch kontrollierte Filmanalyse kann in vierzehn Arbeitsschritten erfolgen. Ferner muss die Analyse theoretisch und historisch kontextualisiert werden.

Lothar Mikos
Quantitative Filmanalyse

Der Beitrag stellt die quantitative Filmanalyse in den Mittelpunkt, die grundsätzlich als eine Sonderform der quantitativen Inhaltsanalyse zu verstehen ist. Grundsätzlich folgen beide den Prinzipien der empirischen Forschung, vor allem der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit, Reliabilität und Validität – von daher unterscheidet sich die quantitative Filmanalyse von der qualitativen und von hermeneutischen Filminterpretationen. Dabei ist der Aufsatz als Handreichung für die systematische Vorgehensweise bei der (quantitativen) Filmanalyse zu verstehen, der die einzelnen Schritte und Entscheidungen berücksichtigt. Der Beitrag systematisiert zunächst bestimmte Ebenen, auf die sich potenzielle Fragestellungen beziehen können, etwa auf filmästhetische Gestaltungsmittel, Figuren oder Bezug zu zeithistorischen Diskursen und Kontexten. Danach wird auf Fragen der Datenerhebung, wie Stichprobengestaltung (Œuvre, Programm, Zeitraum etc.), Analyseeinheiten (Film, Figur, Einstellung etc.) und die damit zusammenhängende Gestaltung des Kategoriensystems eingegangen. Hier wird, abhängig von der Analyseeinheit, vorgeschlagen, das Kategoriensystem der Inhaltsanalyse mit dem nötigen Sequenzprotokoll zu kombinieren, wobei die Vorzüge dieser Kombination aufgezeigt werden. Dazu werden die verschiedenen Auswertungsstrategien (etwa Frequenz-, Valenz- und Intensitätsanalysen) vorgestellt. Zur besseren Nachvollziehbarkeit und um die Beispiele anschaulich zu gestalten, werden in einem letzten Abschnitt inhaltsanalytische Studien vorgestellt, die für alle besprochenen Aspekte diskutiert werden. Kritische Perspektiven vor allem für die computergestützte Analyse runden den Beitrag ab.

Sascha Trültzsch-Wijnen
Soziologisches Filmlesen

Soziologisches Filmlesen verknüpft soziologische Theorie mit der Analyse großer Filmsamples. Mit der Anwendung doppelt verschränkten Wissens – mit Rückgriffen auf Soziologie und Filmwissenschaft – ist soziologisches Filmlesen voraussetzungsvolle akademische Forschungspraxis. Die hier vorgestellte Analyse von Film bzw. filmischen Formaten in großen Samples fungiert als Repräsentations- und Viskursanalyse filmischer Artefakte und der darin eingebetteten Narrationen, Figuren und Argumentationslinien. Der Text verortet Soziologisches Filmlesen methodologisch und gibt Einblicke in konkrete Arbeitsschritte.

Eva Flicker, Irene Zehenthofer
Filmanalyse als Genreanalyse

In der Filmgeschichte haben sich unterschiedliche Arten der Inszenierung herausgebildet, die bestimmten Konventionen der Narration und der Ästhetik folgen. Genrefilme ähneln einander, da sie mit Erwartungen der Zuschauer korrespondieren. Die Filmanalyse muss diese Konventionen der Darstellung und Erzählung berücksichtigen, da mit ihnen unterschiedliche Positionierungen der Zuschauer verbunden sind. Das Spiel mit den Erwartungen der Zuschauer hat dazu geführt, dass sich sogenannte Hybrid-Genres entwickelt haben. Am Beispiel der unterschiedlichen Inszenierung von Gewalt in verschiedenen Genres wird die Bedeutung der Genreanalyse hervorgehoben.

Lothar Mikos
Filmsoziologie und Diskursanalyse

Der Beitrag widmet sich den diskursanalytisch ausgerichteten Studien der Cultural Studies, die ausgehend von den ideologiekritischen Arbeiten Althussers und Gramscis (und in kritischer Auseinandersetzung mit der Screen Theory) Kämpfe um soziokulturelle Deutungsmacht fokussieren, die sich in Werken ausdrücken und abspielen. Filme werden vor diesem Hintergrund weder als Widerspiegelung des Sozialen im Sinne eines Abbilds noch lediglich als Reproduktion des Sozialen durch Identifikationen mit bestehenden, mehr oder weniger stereotypen Subjektpositionen verstanden, sondern als diskursive Sinnstiftungsagenturen, die ganz unterschiedliche Positionierungen der Rezipient_innen ermöglichen. Diese Perspektive geht wesentlich auf das Encoding/Decoding-Modell von Hall zurück, das verschieden weiter entwickelt wurde und hier in seinen Facetten detailliert diskutiert wird. Insbesondere die Einsätze von Fiske, der verstärkt Polysemie und Widersprüchlichkeit hegemonialer Ordnungen und die Offenheit von Film- und Medientexten betont und von Denzin, der vor allem diskursive Engführungen durch filmische Repräsentationen und die (Infragestellung der) Reproduktion kultureller Ordnungen akzentuiert, werden als zentrale Beispiele für filmsoziologisch relevante Diskursanalysen angeführt.

Alexander Geimer
Postmoderne Kulturanalyse: Blue Velvet

Die folgende Theorie strukturiert die Argumentation des vorliegenden Textes: Zeitgenössische Filme wie David Lynchs Blue Velvet (1986) können als kulturelle Texte gesehen werden, die all die Schrecken und simulierten Realitäten Lyotardys (1984) und Baudrillards (1983) der postmodernen Zeit in den Kleinstädten Amerikas (Lumberton, USA) verorten. Eine Analyse dieser Filme kann zu einem tieferen Verständnis der Rollen von Männern, Frauen und biografischen Erfahrungen führen, die den Individuen in der Spätpostmoderne zur Verfügung gestellt wurden (siehe dazu Mills 1959, S. 166; zum Film Corliss 1986; und andere Filme wie True Stories 1986, Peggy Sue Got Married 1986, Something Wild 1986). Solch eine Analyse soll dazu beitragen, die verschiedenen kulturellen, ästhetischen und soziologischen Bedeutungen des Begriffs ‚Postmoderne‘ in den späten 1980er-Jahren zu verdeutlichen. Und zudem einen Beitrag zur konzeptuellen und interpretativen Verfeinerung innerhalb der postmodernen Kulturtheorie leisten (siehe Denzin 1987a; Lyotard 1984; Jamson 1983; Featherstone 1987a, b; Elias 1987, S. 223; Games 1987). Dementsprechend werde ich zuerst die narrative Struktur des Films diskutieren und mich dann der Analyse zuwenden, die sich auf den zuvor erörterten interpretativen Rahmen stützt (diese Analyse bezieht sich auf Kritiken des Films innerhalb der Populärpresse). Im Sinne von Grossberg (1986, S. 86) werde ich argumentieren, dass „die Bedeutung eines Textes immer eine Seite eines Kampfes darstellt“.

Norman K. Denzin
Kinopublikumsforschung

Ohne Publikum gibt es keinen Film. Warum aber wird ins Kino gegangen und welche Filme werden gesehen? Der Überblick befasst sich mit dem Forschungsstand zur Kinonutzung, zur Einstellung zum Kino und zu Motiven der Kinonutzung. Es wird ums deutsche Kinopublikum gehen, wie der demografische Wandel seine Zusammensetzung beeinflusst und wie es seine Filmauswahl trifft. Da es das eine Kinopublikum nicht gibt, sondern viele Kinobesucher viele verschiedene Filme mögen, wird auch auf die Unterschiede zwischen einem Publikum, das sich eher Arthaus-Filme ansieht, und dem Mainstream-Publikum eingegangen. Dieses Kapitel stellt also die soziodemografische Zusammensetzung des Kinopublikums dar, die Motive ins Kino zu gehen und das veränderte Kinoverhalten im Laufe eines Lebens.

Elizabeth Prommer
Qualitative Filmrezeptionsforschung

Der Beitrag liefert keine Übersicht zu allen Varianten der qualitativen (Film)Rezeptionsforschung, sondern führt in spezifisch soziologische Positionen ein. Für diese ist das Rezeptionsmodell von Hall wegweisend, das in den Cultural Studies (weiter)entwickelt wurde (wozu die Anschlüsse Morleys und Angs an Hall dargestellt werden). Der Pionierarbeit der Cultural Studies für die Methodologie der qualitativen Rezeptionsforschung stehen aber auch Engführungen gegenüber, in denen kreative und subversive Aspekte der Aneignung überpointiert werden. Eine wissenssoziologische Präzisierung des Konzepts der Aneignung wird als eine mögliche Korrektur vorgeschlagen, wodurch Varianten der Aneignung – jenseits einer (etwa subversiven) Politik und (etwa kreativen) Ästhetik der Rezeption – in den Blick geraten.

Alexander Geimer
Quantitative Filmrezeptionsanalyse

Der Artikel führt in Zielsetzung und Einsatzszenarien quantitativer Filmrezeptionsanalysen ein, die sich dezidiert als Komplement qualitativer Verfahren für Forschungsprojekte mit großen Stichproben und Makrofragestellungen verstehen. Beispielhaft wird anschließend die Postrezeptive Lesartenanalyse (PLA) als konkretes Verfahren vorgestellt. Ihr Kategorienschema formalisiert interdisziplinäres Basiswissen zur Filmrezeption und bildet damit einen produktiven ‚Baukasten‘ für die Durchführung angewandter hypothesenprüfender oder hypothesengenerierender Forschungsprojekte zu Ähnlichkeiten im Filmerleben größerer Publika.

Steffen Lepa
Filmgestützte Interaktionsanalyse

Spielfilme als sozialwissenschaftliche Daten erscheinen als kaum satisfaktionsfähig. Im vorliegenden Beitrag wird ein auf Filmmaterial gestütztes Verfahren der soziologischen Interaktionsanalyse umrissen. Im Mittelpunkt steht die These, dass auch Darstellungen in fiktionalen Filmen an (stereo-)typisierten gesellschaftlichen Bezugsrahmen orientiert sind, da auch der filmische Erzählzusammenhang auf Interaktionen als intersubjektive nachvollziehbare Elemente des dargebotenen Handlungsfortgangs angewiesen ist. Das Schauspiel lässt sich demgemäß hinsichtlich seiner (nonverbalen) Mikrostrukturen als quasi-authentisch ebenso analysieren wie es Einblicke in Interaktionszusammenhänge liefert, die der alltäglichen Beobachtung in der Regel verschlossen bleiben. Der Zugang ist zunächst mikrosoziologisch und sieht sowohl synchrone als auch diachrone Vergleichsoperationen vor, die letztlich auch die Genese von Aussagen über sozialen Wandel aus makrosoziologischer Sicht in Aussicht stellen.

Oliver Dimbath
Videoanalyse und Videographie

Dieser Beitrag gibt einen knappen überblick über die in der Soziologie gängigen Verfahren der Videoanalyse v.a. im deutschsprachigen Raum. Zu diesem Zweck werden die Besonderheiten des technischen Mediums geklärt und die historische Entwicklung der Analysen kursorisch dargestellt. Es folgt eine Abgrenzung der verschiedenen Datensorten und darauf aufbauend der verschiedenen Video-Analyse-Methoden mit ihrem jeweiligen besonderen theoretischen Hintergrund wie auch typischen empirischen Anwendungen.Zum Schluss wird auf die Besonderheit der Videographie eingegangen, bei der Feldarbeit mit der Videoanalyse systematisch verbunden wird. Desiderata in Bezug auf die Nutzung audiovisueller Medien zur Darstellung von Forschungsergebnissen bilden den Schluss.

René Tuma
Der Film als Erhebungsinstrument: Videografie und Dokumentarische Methode

Innerhalb der Filme resp. Videos, welche Datengrundlage sozialwissenschaftlicher Analysen sind, lassen sich solche Produkte, die insgesamt als Ausdruck der Weltanschauung, des Habitus oder Lifestyles der Erforschten genommen werden, von denjenigen unterscheiden, in denen die Erforschten lediglich als Abgebildete Relevanz gewinnen, da hier die Forschenden die Abbildenden sind. Letzteres charakterisiert Filme oder Videos als Erhebungsinstrumente. In diesem Sinne ist im Bereich der Sozialwissenschaften zumeist von Videografien die Rede. Überwiegend wird in derartigen Videografien die ikonische, die bildliche Dimension immer noch lediglich als Ergänzung zur verbalen (audiografisch erfassbaren) Dimension verstanden. Demgegenüber wird in der Dokumentarischen Methode auch die Bilddimension in ihrer Eigenlogik erfasst, welche uns vor allem einen validen Zugang zu den inkorporierten Praktiken der Erforschten eröffnet.

Ralf Bohnsack
Kamera-Ethnographie: Schauen, Sehen und Wissen filmisch gestalten

Mit dem Ziel, Praktiken sichtbar zu machen und sie als situierte Praktiken zu untersuchen, ist unter dem Begriff „Kamera-Ethnografie“ in den vergangenen 15 Jahren ein eigenständiges Profil visueller Ethnografie entwickelt worden. Die Forschungsprozesse selbst werden dabei mit filmischen Mitteln gestaltet und schließlich als ethnografische Erfahrung des Hinschauens und Sehenlernens im Rahmen einer zeigenden Ethnografie kommuniziert. Grundzüge der Kamera-Ethnografie werden in vier Teilen vorgestellt: „Blickschneisen: Filmen als Hinschauen“; „Dynamik: Forschen durch situierte Methodologie“; „Schnittstellen: Schneiden als Versuchen“; „Visuelle Analytik: Zeigende Ethnografie im Modus des Arrangements“.

Bina Elisabeth Mohn

Film(genre)analysen

Frontmatter
Western

Der Western gilt als paradigmatisches Genre Hollywoods. Er ist ein kulturindustrielles Produkt, in dem Stereotypen, Mythen und Ideologien eine zentrale Rolle spielen. In seinen berühmtesten Exempeln ist der Western eine (männliche) Imagination von der mühevollen doch letztlich glorreichen Eroberung eines Kontinents. Es ist ein Narrativ, in dem es um das Potenzial von Gewalt in einer Welt geht, in der das Verhältnis von Gesetz und Moral, von Gerechtigkeit und Ordnung stets aufs Neue verhandelt werden muss.

Thomas Klein
Liebe/Romanze

Der Liebesfilm bezeichnet ein Genre, in dem die Darstellung einer Liebesbeziehung im Mittelpunkt des Plots steht. Er reflektiert einen gesellschaftlich-kulturellen Romantikcode, der durch Visualisierung und Verbalisierung von inneren Befindlichkeiten der Filmfiguren kinematografisch umgesetzt und damit oft erst zur Anschauung gebracht wird. Die Entwicklung des Genreplots der modernen, romantischen Liebe hat jedoch auch eine sozialstrukturelle Voraussetzung in den urbanen Zentren der USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Kornelia Hahn
Horror

Die definitorische Einleitung ordnet das Horrorgenre im Kontext des fantastischen Films ein und grenzt es gegen verwandte und hybride Genres wie den Psychothriller und den Fantasyfilm ab. Dabei kommt der Wandel der Horrormotive seit der Stummfilmzeit, aber auch deren Kontinuität zur Sprache. Mit der Modernisierung des Horrorfilms Ende der 1960er-Jahre wurde die Inszenierung zunehmend jugendorientiert: Jugendliche Darstellerinnen und Darsteller boten Identifikationspotenziale für den jugendlichen Zuschauer und thematisierten zusätzlich gender-Aspekte (etwa im final girl-Komplex), eine Tendenz, die bis heute sogar noch verbreiteter ist. Das Horrorgenre trug somit gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung. Der Schlüsselmechanismus des Horrorfilms sind dabei gesellschaftliche und individuelle Urängste, die bis heute wesentlich für die Horrorinszenierung sind und speziell für pubertierende und adoleszente Zuschauerinnen und Zuschauer eine symbolische Basis der Identitätsbildung bieten. Auch reale und soziale Probleme werden im Horrorfilm symbolisch verschlüsselt und für das Publikum aus einer neuen Perspektive greifbar. Schließlich wird die Funktion des modernen Horrorfilms als symbolischer Passageritus diskutiert, der dem weitgehend initiationsfreien Jugendlichen der westlichen Industriegesellschaften eine Möglichkeit der Ich-Bildung ex negativo ermöglichen könnte.

Marcus Stiglegger
Krieg

Kriegsfilme entwerfen Szenarien, die vor einem Publikum bestehen müssen, das selbst zwar zu großen Teilen über keine eigenen unmittelbaren Kriegserfahrungen verfügt, dafür allerdings über Zugang zu einem breiten medienvermittelten Wissen über historisch verbürgte, kriegerische Ereignisse. Nichtsdestotrotz sind die filmischen Vorstellungen vom Krieg primär als die Interpretationen historischer Ereignisse vor dem Hintergrund des jeweiligen Produktionsumfeldes der Filme zu verstehen. Womit der Kriegsfilm vielmehr als Zeitzeuge seiner eigenen Gegenwart zu verstehen ist, als von einem bereits vergangenen Krieg. Für die Filmsoziologie liegt hier ein vielsagender Untersuchungsgegenstand vor, denn: Innerhalb dieses Zusammenspiels aus Produktionskontext, historischem Ereignis und medialer Interpretation modifizieren Kriegsfilme zu einem entscheidenden Teil die Verfasstheit des kollektiven Kriegsverständnisses.

Anja Peltzer
Science-Fiction

War die Science-Fiction (SF) bis 1950 in Hollywood kaum präsent und in den folgenden zwei Jahrzehnten primär ein Billig-Genre, bildet sie heute in der Form crossmedialer Franchises eine der tragenden Säulen der großen Hollywood-Studios. Zugleich ist SF durch ihre Verfremdungsleistung aber ein potenziell kritisches und subversives Genre; auch die SF-Fans verstehen sich traditionell als aufgeklärte, progressive Subkultur. Durch die extreme Kommerzialisierung des Genres rücken diese Tendenzen zwar in den Hintergrund, sie sind in einzelnen Filmen aber nach wie vor präsent.

Simon Spiegel
Superhelden

In der Geschichte der amerikanischen Populärkultur tritt der Superheld zuerst im Jahr 1938 mit Supermans Debut in Action Comics #1 auf. Dieser ikonische Charakter ermöglicht es später, das Superheldengenre im Film mit der Veröffentlichung von Superman im Jahr 1977 zu etablieren. Dieser Text behandelt die Entwicklung des Superheldengenres im Film, indem dargelegt wird, wie sich die Merkmale des Superhelden und des Superheldengenres im Comic entwickelten. Es wird gezeigt, dass das Kino durch seine Fähigkeit zur Adaption dieser Merkmale, beispielsweise der Superheld als Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit, zur Erhaltung des Superheldengenres beigetragen hat. Darüber hinaus scheint das Superheldengenre zu großen Teilen deshalb zu verschiedenen Zeiten und weltweit erfolgreich zu sein, weil seine Filme soziokulturelle Fragen und Konflikte aufwerfen, für die das Superheldenmodell wünschenswerte Lösungen anbietet.

CarrieLynn D. Reinhard, Christopher J. Olson
Krimi

Der Artikel beschreibt den Kriminalfilm als Genre. Es werden medienhistorische Entwicklungen dieses Genres beschrieben und ein gesellschaftlicher Bezugsrahmen hergestellt. Darin werden die Dramaturgie und Figuren des Kriminalfilms als zentrale Inszenierungselemente berücksichtigt. Es wird darüber hinaus deutlich gemacht, dass Kriminalfilme allgemeine kommunikative Funktionen ausüben, indem sie moralische Fragen diskursivieren und nach Lösungen suchen. Der Artikel arbeitet heraus, dass Krimis als beliebte Unterhaltungsform gesellschaftliche Konflikte und damit Werte und Normen zur Diskussion stellen.

Knut Hickethier
Film Noir

Der Film noir war eine der einflussreichsten ästhetischen Filmbewegungen. Der Beitrag untersucht seine Entstehung und seine Merkmale im Kontext des Zweiten Weltkrieges und seiner Nachwirkungen in den USA. Zunächst wird die Entstehung des Konzepts „Film Noir“ in der Filmkritik in Frankreich nach Ende des Krieges betrachtet. Dann werden zentrale Charakteristika des Film noir bestimmt. So werden u. a. seine inhaltlichen sowie stilistischen Merkmale, seine visuellen Motive, seine existenzialistische Gefühlsstruktur, seine Verbindung zur Psychoanalyse und seine narrativen Strukturen analysiert. Abschließend wird der Red noir und seine Kritik des Kapitalismus erörtert. Es zeigt sich, dass der klassische Film noir soziologisch von besonderem Interesse ist.

Rainer Winter
Komik

Ausgehend von der Tatsache, dass sich Komik zumal den unvermeidlichen Reibungen im menschlichen Zusammenleben verdankt (und entsprechend ein zentrales Thema der Soziologie darstellen sollte), rückt der Beitrag die nach wie vor wichtigste Sozialtheorie der Komik bzw. des Lachens, jene Henri Bergsons, in den Fokus, um ihre Operationalisierbarkeit in der Auseinandersetzung mit Charlie Chaplins Modern Times zu erproben.

Jörn Glasenapp
Jugend

Der Artikel befasst sich aus einer kultur-, medien- und filmsoziologischen sowie einer jugendsoziologischen Perspektive mit dem Zusammenhang von Jugend und Film. Um diesen Zusammenhang in seinen verschiedenen Kontexten näher zu betrachten, wird auf das historische Verhältnis von Jugend und/im Film eingegangen. Unterschieden wird hierfür zwischen den Darstellungen von Jugend und Jugendlichkeit im Film sowie Jugendlichen als Zielpublikum des Films.

Carsten Heinze
Populäre Musik

Der Artikel beschäftigt sich mit Musikfilmen aus verschiedenen Perspektiven. Im Mittelpunkt steht der Versuch, Musikfilme aus dem Bereich des Pop und Rock als Gegenstand der Kulturanalyse zu beschreiben und zu konzeptualisieren. Neben genrespezifischen Fragen werden kultur- und filmsoziologische Perspektiven formuliert. Eine wesentliche Unterscheidung wird idealtypisch zwischen dokumentarischen und fiktionalen Formen getroffen. Diese Unterscheidung wird anhand zahlreicher Beispiele sowohl thematisch als auch historisch begründet vorgeschlagen.

Carsten Heinze
Schund/Trash

Der Artikel behandelt Schundfilm und Trashfilm als historisch entstandene und sich wandelnde Produkte von Zuschreibungen, von wertenden und vergemeinschaftenden Praktiken. Schundfilm wurde vor allem von seinen Gegnern definiert: von sozialen Gruppen, die grenzüberschreitende Auswirkungen des erzählenden Films grundsätzlich einhegen wollten. Trash ist Ergebnis von Selektion aus dem Fundus ästhetisch und ethisch für minderwertig erklärter Filme, die an eine moralisch indifferente Schaulust appellieren und mittels ironisch-reflektierter Rezeption distanziert genossen werden sollen. Zugleich dienen Trash-Praktiken als Mittel zur Distinktion innerhalb des Filmpublikums.

Kaspar Maase
Heimat, Liebe und Familie

Aus einer genregeschichtlichen und einer geschlechtersoziologischen Perspektive wird in dem Artikel gezeigt, dass Heimatfilme sich für eine Filmsoziologie hervorragend eignen, um Fragen der gesellschaftlichen Modernisierung zu untersuchen. Der Artikel beschreibt zunächst den aktuellen Forschungsstand. Modernisierungsprozesse der Familien- und Geschlechterordnung werden anschließend anhand der fünf Verfilmungen der Geierwally, einem Klassiker des Heimatfilms, untersucht.

Sylka Scholz
Sport

Die Geschichte des Sportfilms reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück, die wissenschaftliche Sportfilmanalyse ist verglichen damit recht jung. Das gilt besonders für die Soziologie des Sportfilms, die noch kaum existiert. Vor diesem Hintergrund gibt der Beitrag einen Überblick über die historisch-soziologische Entwicklung des Sportfilms sowie über zentrale soziologische Themen und narrative Strukturen in Sportfilmen. Er stellt zudem die grundlegende Frage, inwiefern die Rede von einem Genre Sportfilm angemessen ist.

Robert Gugutzer
Porno

Porno – die weltweit etablierte Kurzform für ein bis heute verfemtes und trotz seines internationalen Erfolges marginalisiertes Filmgenre –, bezeichnet den pornografischen Film, eine explizite Spielart des inszenierten Sexfilms, der real durchgeführte Geschlechtsakte zum Zwecke der sexuellen Stimulation und Unterhaltung des Publikums vorführt. Mit den späten 1960er-Jahren etablierte sich der Pornofilm nach und nach und verzeichnet bis heute einen internationalen Erfolg, wobei sich die Rezeption von der Leinwand über die Sexshops (Videokabinen), Videotheken und das Heimkino (VHS, DVD) weitgehend auf das Internet verlagert hat. Pornografie wird, ebenso wie der Pornofilm, gesellschaftlich als tabubrechend diskutiert und als obszöne Darstellung des Sexualaktes, des nackten Körpers oder einzelner Körperteile stigmatisiert. Er wurde und wird von gesellschaftlichen Interessengruppen aktiv bekämpft und als ‚Sexualisierung von Gewaltʻ diffamiert, etwa im Kontext der PorNO-Kampagne. Die Geschichte und Verbreitung der Pornografie, ebenso wie die des Pornofilms, ist daher an die Zensur gebunden. Umgekehrt spielte die alternative Pornoproduktion bei der Etablierung queerer sowie alternativer Lebensentwürfe und Sexualmoralen eine bedeutende Rolle. Eine objektiv-gegenstandsorientierte Debatte blieb allerdings zumeist aus. Nicht das Material selbst in seinen vielfältigen Darstellungsformen stand im Vordergrund, ebenso wenig die spezifische pornografische Bedeutungs- und Wissensproduktion, die aus der eigensinnigen Verbindung von Diskursivem und Sensuellem entsteht. Vielmehr dominierten zumeist ein Meinungsklima und Vorurteile gegenüber dem Pornofilm. In aktuellen Studien verändert sich dieser Aspekt schrittweise.

Marcus S. Kleiner, Marcus Stiglegger
Filme in der Kunstwelt

Der Vorführungsort für Filme, als kommerzielle Produkte, war seit seiner Entstehung das Kino. Kunstmuseen, die sich dem autonomen – also nur aus kunstimmanenten Intentionen entstandenen – Werk widmeten, grenzten sie lange Zeit aus. Die historische Avantgarde (vor allem Surrealismus), die keine Berührungsängste gegenüber populärkulturellen Medien hatte, brachte im frühen 20. Jahrhundert jedoch Filme hervor. Ihren Intentionen folgten in der Nachkriegszeit der US-Postmodernismus auf neuer Ebene (Fluxus, Warhol-Factory, künstlerischer Aktivismus in der Aids-Krise). Parallel zu diesen Praktiken, die gegen Konventionen der etablierten Kunstwelt opponierten, führten Experimente mit ‚Filmen ohne Kamera‘ zum Animationsfilm. Unter gänzlich neuen Vorzeichen entstand in den 1980er-Jahren jedoch mit Film-als-Kunst ein neuer Typus von Werken, der dem Autonomie-Paradigma des konventionellen Museums entsprach.

Lutz Hieber
Independent-Kino

Die Bezeichnung Independent-Film bezieht sich gemeinhin auf Produktionen des amerikanischen Kinos. Bereits vor Etablierung des klassischen Hollywood-Studiosystems in den 1910er-Jahren existierte in den USA eine unabhängige Filmpraxis, deren wichtigste Akteure später im Machtzentrum der amerikanischen Filmindustrie stehen sollten. Der Beitrag wirft einen schlaglichtartigen Blick auf die Geschichte dieses Independent-Kinos, von seinen Anfängen über den Underground-Film der 1960er- und 1970er-Jahre bis hin zum sogenannten Indiewood-Phänomen der 1990er- und 2000er-Jahre. Neben den komplexen Relationen zwischen Independent- und Mainstream-Film wird vor allem die Bandbreite heterogener Filmformen und Praktiken thematisiert, die seit jeher das Konzept des unabhängigen Films, nicht zuletzt mit Blick auf seine gesellschaftliche Bedeutung, verkompliziert.

Andreas Sudmann

Theorien und Praktiken des dokumentarischen Films

Frontmatter
Dokumentarische Filme/Bewegtbilder

Dokumentarischer Film ist eine Sammelbezeichnung für (audio-)visuelle Formen und Formate, mit denen als real vorgestellte gesellschaftliche Wirklichkeiten medial vermittelt und diskursiviert werden. Die Geschichte dokumentarischer Filme reicht bis in die Anfänge der Filmgeschichte zurück und umschließt vielfältige kontextuelle Verwendungsweisen und Bezugsfelder. Im Verlauf seiner Entwicklung und Ausdifferenzierung hat der dokumentarische Film eine Reihe von Formen und Formaten herausgebildet, die kaum mehr unter eine einheitliche Perspektive, geschweige denn in einen einheitlichen Definitionsrahmen gebracht werden können. Anders als fiktionale Filme, die auf Geschichten, Fiktionen und frei erfundenen Welten basieren, sind dokumentarische Filme an nicht-filmischen, aktuellen wie historischen Ereignissen oder zeitlich ausgedehnten Ereigniszusammenhängen orientiert: Sie machen die Welt zum filmischen Beobachtungs- und Reflexionsgegenstand. Gleichzeitig bringen dokumentarische Filme die Welt, die sie zu zeigen beabsichtigen, erst mithilfe dokumentarfilmischer Stile hervor. Filmsoziologisch lassen sich dokumentarische Filme als eine Quelle der Beobachtung und Reflexion des Prozesses der (reflexiven) Modernisierung von Gesellschaft(en) und ihren Schattenseiten verstehen. Dokumentarische Filmformen wurden und werden maßgeblich durch Kino und Fernsehen geprägt, finden sich seit jeher und mit stets zunehmender Bedeutung auch im Feld der Wissenschaften, neuerdings im Internet als partizipative ‚Webdoku‘ sowie im alltäglichen Gebrauch der Medienakteure oder im Feld der Kunst.Der Beitrag setzt sich sowohl mit der Theorie des dokumentarischen Films sowie seinen Erscheinungsformen als auch mit der Frage nach dem filmsoziologischen Erkenntnispotenzial dokumentarischer Filme auseinander.

Carsten Heinze
Dokumentarischer Film und Erinnerung

Dokumentarfilm und Erinnerung sind auf verschiedenen Ebenen miteinander verbunden. Obwohl charakterisiert durch die Zeitform des Präsens, können dokumentarische Filme auf vielfältige Weise Vergangenheit evozieren. Sie tun dies durch die Aneignung historischen Bildmaterials, durch Formen des Reenactments, also die Nachstellung vergangener Gegenwarten, sowie durch vergangenheitsbezogene Zeugenberichte und Erinnerungserzählungen. So wird Dokumentarfilm zu einem Medium des kulturellen Gedächtnisses. Die Gattung kann aber auch als Instrument der Bewahrung von Erinnerungen dienen, beispielsweise als Filmdokument, das im Archiv für eine noch unbestimmte Zukunft bewahrt wird.

Tobias Ebbrecht-Hartmann
Geschichte des dokumentarischen Films 1895–1945

Der dokumentarische Film bzw. was darunter verstanden wird, verändert sich kontinuierlich. Seine Produktion ist abhängig von der Technik und den ökonomischen Bedingungen. Die Kultur- bzw. Dokumentarfilmproduktion war abhängig von den jeweiligen Auftraggebern, ob nun z. B. Staat, Bildungseinrichtungen oder Wirtschaft. Bis 1945 gibt es keine klare Unterscheidung zwischen Dokumentar- und Spielfilm und es gab zahlreiche Mischformen, die man heute hybrid nennen würde. Von den Nationalsozialisten wurde der dokumentarische Film und die Wochenschau propagandistisch genutzt.

Kay Hoffmann
Geschichte des dokumentarischen Films 1945–2005

Der Dokumentarfilm hat sich seit 1945 mehrmals verändert. Der Kulturfilm setzte alte Traditionen fort und wurde ab 1960 abgelöst von einem anderen, politischen Dokumentarfilm. Die Veränderungen der Medienlandschaft und die Digitalisierung führten zu einer Professionalisierung und einem populären Dokumentarfilm, der durch große Bilder und aufwändiges Sound-Design beeindrucken will, aber auch vor unterhaltenden Aspekten nicht zurückschreckt. Nach einem regelrechten Doku-Boom Anfang des Jahrhunderts sehen viele den Dokumentarfilm momentan eher in der Krise.

Kay Hoffmann
Fernsehdokumentarismus

Der Beitrag geht davon aus, dass Fernsehdokumentarismus in einem Spannungsverhältnis von Dokumentarfilm als Autorenfilm, Journalismus und Reality TV steht. Er fragt daher nach den Beziehungen, die die Begriffe und Phänomene miteinander eingehen. Dabei rekonstruiert er, wie zwischen Dokumentarismus und Journalismus in Fachveröffentlichungen unterschieden wird, wie der Dokumentarfilm als Autorenfilm konstruiert wird und wie sich Reality TV zum Fernsehdokumentarismus verhält. Ausführlich wird auch auf „hybride“ Formen des Fernsehdokumentarismus eingegangen, zu denen bereits das Feature und das Dokumentarspiel gezählt werden können. DokuDrama, Doku-Soap, scripted documentaries sowie Fake-Dokus und fiktive Dokumentationen finden sich auch heute noch im Programm. Am Ende wird die Bedeutung verschiedener medialer Milieus für die Formenvielfalt des Fernsehdokumentarismus thematisiert.

Christian Hißnauer
Reality TV

Der Beitrag beschreibt Phasen der historischen Entwicklung und das Formatspektrum des Reality TV in Deutschland. In der Fernsehentwicklung seit der Jahrtausendwende lässt sich eine kontinuierliche Ausweitung und Ausdifferenzierung des Formatspektrums beobachten. Der Beitrag analysiert grundlegende Handlungsstrukturen und Rollenmuster. Vielfältige Grenzüberschreitungen von Fakten und Fiktion sind Teil aktueller Formen und Möglichkeiten des Realismus.Im Abschnitt zum Stand der Forschung werden neben allgemeinen Entwicklungstendenzen u. a. unterschiedliche Formen der Präsentation von Privatheit sowohl als Spiegel der Aufmerksamkeitsökonomie als auch als implizite Legitimation der Dauerüberwachung und massenhaften Verbreitung von Daten bewertet (Palmer 2014, S. 247–263). Formate beinhalten implizite neoliberale Ideologien. Es sei auch erkennbar, Sozialhilfeempfänger mittels des Reality TV-Konsums von revolutionären Aktivitäten abzuhalten (Hickethier 2005, S. 53). Diese Diagnose verweist auf die Stabilisierung gesellschaftlicher Hierarchien durch Reality Formate. Entwicklungen des Reality TV sind exemplarisch für allgemeinen Entwicklungen des Mediensystems wie etwa die wachsende Bedeutung des Formathandels. Mit ihrem Fokus auf LaiendarstellerInnen sind Reality TV-Formate auch ein wesentlicher Faktor der Amateurkultur (Reichert 2015).

Joan Bleicher
Langzeitdokumentation – Langzeitbeobachtung

In dem Beitrag werden verschiedene Formen der Langzeitbeobachtung mit ihren jeweils spezifischen dokumentarischen Ansätzen dargestellt – auch Grenzformen des Reality TV. Insbesondere wird auf Aspekte des Seriellen bei bestimmten Formen der Langzeitdokumentation eingegangen. Insgesamt wird damit – anders als in den meisten Publikationen zur Langzeitbeobachtung – ein weites Begriffsverständnis zugrunde gelegt, um die Formenvielfalt angemessen beschreiben zu können.

Christian Hißnauer
Amateurfilm

Ausgangspunkt des Überblicks über Bewegtbildpraktiken von Amateuren ist die Annahme, dass Technik, soziale Strukturen und das Handeln von Menschen miteinander verwoben sind. Es wird die historische Entwicklung des Amateurfilms dargestellt und auf Motive und Ästhetik desselben eingegangen. Ein weiterer Fokus liegt auf den Funktionen, die dem Amateurfilm in sozialen und politischen Kontexten zukommen. Die gegenwärtigen Bewegtbildpraktiken werden als Ausdruck, Indikator und Katalysator im Prozess der gesellschaftlichen Ästhetisierung verstanden.

Ute Holfelder, Klaus Schönberger
Wissenschaftlicher Film

In der Zeit des frühen Kinos etablierte sich mit der Genrebezeichnung „Wissenschaftlicher Film“ eine soziokulturelle Praxis, die den Film als ein wissenschaftliches Medium zur Herstellung wissenschaftlichen Wissens auszuweisen versuchte. In diesem Zusammenhang hat sich eine metaphorische Imagination des neuen Medium Films herausgebildet, die dem Film eine neuartige Einsicht in die Welt der bewegungsaffinen Phänomene zuschreibt. Auf der anderen Seite bildet der als ‚wissenschaftlich‘ gebrauchte Film kein neutrales Fenster zur Welt aus, welches er aufzeichnen könnte und bleibt oft den ästhetischen und narrativen Rahmenbedingungen des Bewegtbildes unterworfen. Insofern geht die Kernthese dieser Überblicksdarstellung davon aus, dass filmische Narrative experimentelles Wissen herstellen. Filmische Narrative finden sich also nicht erst in der Wissenskonstruktion zweiter Ordnung, das ist im wissenschaftsvermittelnden „Lehrfilm“, der sich durch eine allgemeine Tendenz zur Homogenisierung, zur Kohärenz stiftenden Erzählweise sowie zur Teleologisierung auszeichnet. Entlang dieser Perspektivierung können soziale und kulturelle Kinotechniken in der Verwissenschaftlichung des Wissens nicht bloß als nachträgliche Erzählstrategie der wissensvermittelnden Pädagogik oder Popularisierung, sondern vielmehr als ein wissensgenerierendes Performativ begriffen werden.Wenn davon ausgegangen wird, dass die inszenatorischen Techniken des Kinos die Wahrnehmung im Labor organisieren und erzählerisch regulieren, dann firmieren Narrative nicht als Verunreinigungen des wissenschaftlichen Diskurses, sondern können als Voraussetzung von Wissenschaftlichkeit angesehen werden.

Ramón Reichert

Bezugsfelder der Filmsoziologie

Frontmatter
Starkult

Durch ihre schauspielerische Leistung sowie als öffentlich bekannte Personen bekommen Filmstars klar umrissene Images. Diese dienen der Filmindustrie zur Vermarktung der Filme. Im Film wird das Image zum Teil der Erzählung, wenn die Charaktermerkmale des Stars mit denen der Figur übereinstimmen. Für das Publikum geht die Wirkung weiter und tiefer, da die Images emotionale Bindungen erlauben oder als Idealbilder dienen. Im kulturellen und historischen Kontext verkörpern Stars gesellschaftlich relevante Verhaltensweisen und Bilder der Identität.

Stephen Lowry
Kulturelle Identität

Filme sind Teil des kollektiven Gedächtnisses einer Gesellschaft. Mit bestimmten Filmen werden z. B. nationale Ereignisse bewahrt. Zugleich regen sie zu einer kritischen Auseinandersetzung mit diesem Ereignis an. Ähnlich wie bei anderen Künsten sind auch Filme in der jeweiligen nationalen Kultur verwurzelt und entstehen an einem bestimmten Ort.

Manfred Mai
Laissez faire oder Staatsräson? Eine Soziologie des globalen Hollywoods

Der vorliegende Artikel thematisiert den Mythos von Hollywood als marktliberale Laissez-faire-Industrie. Indem zunächst in allgemeiner Hinsicht die Verstrickungen der US-Regierung mit der Wirtschaft und im Weiteren die speziellen Verbindungen Hollywoods zu Staat und Militär aufgezeigt werden, wird deutlich, dass das System Hollywood in hohem Maße von staatlichen Vergünstigungen und Subventionen abhängig ist und sich der Laissez-faire-Mythos daher nicht aufrechterhalten lässt.

Toby Miller
Gegen Hollywood: Der amerikanische Independent-Film als kulturkritische Bewegung

In den späten 1980er-Jahren bricht der amerikanische Independent-Film aus den winzigen Kunstfilmkinos einiger weniger amerikanischer Großstädte aus und erlangt eine größere Präsenz in der amerikanischen Öffentlichkeit. Independent-Filmemacher_innen sehen sich selbst als Herausforderung an die Hegemonie Hollywoods, sie scheuen Unterhaltungsfantasien wie Vergnügen und ein Happy End. Stattdessen bieten sie raue und ausgefallene Geschichten über das Leben in der gegenwärtigen Gesellschaft. Der vorliegende Artikel konzentriert sich auf Interviews, Podiumsdiskussionen, Fragerunden mit Filmemacher_innen und andere Situationen, in denen Leute, die mit dem Independent-Film zu tun haben, darüber erzählen, was sie zu erreichen versuchen: etwas, das eine Independent-Produzentin einst „Filme von Bedeutung“ nannte.

Sherry B. Ortner
Kinokriege: Film, Politik und Gesellschaft in den USA

Der vorliegende Artikel untersucht die Schnittmenge von Film, Politik und US-amerikanischer Kultur und Gesellschaft anhand einer Vielzahl von Filmen, die während der Bush-Cheney-Ära der 2000er-Jahre produziert wurden. Diese Untersuchung des zeitgenössischen Kinos beschreibt das Hollywoodkino in Zeiten von politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und militärischen Konflikten als ein von konservativen wie auch liberalen Kräften hart umkämpftes Gebiet.

Douglas Kellner
Rassismus

Der Beitrag diskutiert die enge Verknüpfung von Film und Rassismus und zeigt, dass sie seit den Anfängen des Films bestand. Dabei setzte der Film alle Dimensionen historischer Rassismen um. Er bediente sich intensiv der Bilder von Rassen, schloss aber auch nichtrassisch konnotierte Dimensionen des Rassismus ein. Mit seinen Möglichkeiten der Popularisierung rassistischer Stereotype erwies sich das Kino von Beginn an als einer der zentralen Orte negativer Vergesellschaftung.This paper discusses the close connection between film and racism and shows that it existed since the early days of film making. At this, film implements all dimensions of historical racisms. It intensively drew on images of races but also included non-racially connoted dimensions of racism. With its possibilities of popularizing racist stereotypes, cinema from the outset proved to be one of the central locations of negative societalization.

Wulf D. Hund
Zur Analyse von ‚race‘ im US-amerikanischen Kino

Dieser Artikel richtet seinen Blick auf das komplexe Geflecht von „Rasse“ und Ethnie im (Hollywood-)Kino und untersucht die Beziehungen zwischen Film, „Rasse“, Ethnie und Kultur. Auf diese Weise vertieft er unser Verständnis für die Politiken der „Rasse“ und Ethnie sowie für die symbolische Komplexität von Segregation und Diskriminierung. Wie auch die Gesellschaft behandelt das Kino zwar alle Menschen gleich, scheitert aber bisweilen dabei, Diversität, Pluralismus und Multikulturalismus zu definieren und zu realisieren. Denn die Herausforderung liegt darin, Unterschiede von „Rasse“ und Ethnie anzuerkennen und diese Begriffe sowohl im Gegensatz zu als auch im Einverständnis mit den medialen Interpretationen und Repräsentationen der amerikanischen Ordnung von „Rasse“ zu definieren. Dieser Beitrag basiert auf der Übersetzung der Einleitung zu Norman K. Denzins (2002) Buch Reading ‚Race‘ und wird hier mit freundlicher Genehmigung des Autors veröffentlicht.

Norman K. Denzin
Überwachung

Überwachung betrifft nicht exklusiv spezifische Akteure oder Bereiche gesellschaftlichen Handelns, sondern ist in vielgestaltiger Form ein Teil der Alltagskultur geworden. Medien und Künste reflektieren diese Ubiquität und Verwobenheit überwachender Techniken in die Textur des Alltags auf ihre je eigene Weise. Das Kino, insbesondere der narrative Spielfilm, hat im Lauf seiner Geschichte Überwachung und verwandte Motive (Voyeurismus, Schaulust, Beobachtung u. a. mehr) in thematischer Hinsicht ebenso ausgelotet wie als strukturelles Element einer Reflexion auf das Medium selbst. Für Untersuchungen filmischer Überwachung ergibt sich daraus die besondere Herausforderung zweier tendenziell inkompatibler Perspektiven – Filme können zum einen (außen gerichtet) als Spiegel oder Kommentar gesellschaftlicher Entwicklungen begriffen werden, zum anderen (innen gerichtet) als Reflexion auf die eigenen medialen Bedingungen. Traditionelle filmsoziologische Ansätze orientieren sich eher an der ersten, filmanalytische Ansätze eher an der zweiten Perspektive. Der vorliegende Beitrag benennt Stärken und Defizite beider Ansätze und skizziert eine alternative Perspektive, die den „Cultural Studies“ zugerechnet wird.Das Fazit macht zwei Vorschläge, um den bisherigen Forschungsstand zu erweitern: Erstens gilt es, „Film“ (und andere Künste) und „Überwachung“ nicht aufeinander zu reduzieren, sondern neben den Gemeinsamkeiten ebenso die Widersprüche, Differenzen und Inkompatibilitäten zu beschreiben. Zweitens muss die Annahme einer repräsentativen Beziehung zwischen Film bzw. Populärkultur und Überwachung aufgeben werden zugunsten der Annahme einer funktionalen Beziehung beider Bereiche und einer Gleichwertigkeit der technisch-rationalen wie der ästhetisch-affektiven Aspekte von Überwachung.

Dietmar Kammerer
Familie

Das Kapitel befasst sich mit dem Thema „Familie im Film“. Dabei wird auf unterschiedliche Perspektiven der Filmproduktion, die Verschiedenartigkeit der Inhalte, aber auch die historische Auseinandersetzung mit Familiendarstellungen im Film aus film- und familiensoziologischer Perspektive eingegangen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: In welchem Kontext Film und Familie stehen und warum es von Bedeutung ist, dass sich die Familien- und auch Filmsoziologie mit den Repräsentationen von Familie im Film auseinandersetzen sollte.

Ines Iwen
Gewalt

Darstellungen von Gewalt spielen im Film eine bedeutende Rolle, können aber nicht beliebig eingesetzt werden. Die gezeigten Formen an Gewalt sind grundsätzlich normativ und ethisch markiert, weil sie in spezifische Inszenierungspraktiken und narrative Zusammenhänge eingelassen sind. So werden spezifische Legitimationen des Gewalthandelns im Film geschaffen, deren prominentestes die Rache sein dürfte. Diese wirken wiederum zurück auf Gesellschaft, indem deren Ordnungssysteme, wie etwa das Recht, kommentieren und zuweilen kritisieren.

Jörn Ahrens
Filmbildung

Der Beitrag stellt verschiedene Zugänge zu Filmbildung vor und diskutiert deren theoretische Einsätze und Begriffe. Die Auswahl beschränkt sich auf die Arbeiten von Alain Bergala, Bettina Henzler, Benjamin Jörissen/Winfried Marotzki, Olaf Sanders, Hanna Walberg und Manuel Zahn. Diese Arbeiten stehen in Distanz zu einem im Vorfeld bestimmbaren und instrumentalisierbaren Zweck und Einsatz von Film und Kino. Durch diese Distanz ergeben sich Spannungen und Brüche, die als konstitutiver Bestandteil dieser Zugänge mit ins Auge gefasst werden. Zugleich wird auch die Differenz zwischen einer cinephilen Haltung zum Film und den Bildungsinstitutionen aufgezeigt und wie ein möglicher Umgang mit dieser aussehen kann.

Frank Beiler
Film und Bildung

Der Beitrag fokussiert das komplexe Verhältnis von Film und Bildung und betrachtet dabei sowohl theoretische Entwicklungslinien als auch empirisch-methodologische Implikationen für die Bildungswissenschaft. Dabei wird zunächst auf die bildungstheoretischen Entwicklungen hingewiesen, um sodann die Bedeutungsvielfalt des Mediums Film für die erziehungswissenschaftliche Forschung herauszustellen, indem unterschiedliche Analyseverfahren und ihre mögliche Verschränkung diskutiert werden.

Jens Holze, Dan Verständig
Kritische Medienpädagogik

Im folgenden Artikel werden die Beziehungen von Film und kritischer Medienpädagogik näher ausgeleuchtet. Dazu wird zunächst die Relevanz der Cultural Studies für dieses Thema anhand exemplarischer Positionen verdeutlicht, um daraufhin produktive Schnittfelder von kritischer Medienpädagogik und Cultural Studies in der Auseinandersetzung mit Film vorzustellen. Schließlich werden vor dem Hintergrund der sogenannten New Cultural Studies Perspektiven für eine gegenwärtige kritisch-pädagogische Auseinandersetzung mit dem Medium Film dargelegt.

Sebastian Rauter-Nestler
Filmvermittlung

Filmvermittlung ist ein Konzept, das an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis angesiedelt ist, und zwischen der instrumentellen Vorstellung von Kompetenz und dem romantischen Ideal der (Selbst-)Bildung oszilliert. Filmvermittlung ist also eine ebenso soziale wie (medien-)technologische Konfiguration, bei der idealerweise nicht ein vorgegebener Inhalt weitergegeben wird, sondern sich alle daran beteiligten Komponenten im Prozess verändern. Insofern ist die Filmvermittlung anzusiedeln zwischen Theorie und Praxis, zwischen Subjekt und Objekt. Historisch hängt die Filmvermittlung eng mit der Entwicklung der Filmkultur zusammen und kennt ein breites Spektrum an Vermittlungsformen, von der Filmkritik bis hin zum Videoessay.

Malte Hagener
Jugendschutz und Zensur

Der vorliegende Text über den Umgang mit potenziell entwicklungsbeeinträchtigenden Filmen in der Bundesrepublik Deutschland stellt mithilfe eines kurzen Rückblicks zurzeit tätige Institutionen der Medienregulierung in einen historischen Kontext. Als maßgebliche Protagonistin wird dabei die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) identifiziert, deren Filmbewertung im Spiegel des gesamtgesellschaftlichen Wertewandels interessante Rückschlüsse auf zeitweise tabuisierte Inhalte und die in den jeweiligen Jahrzehnten vorherrschenden Moralvorstellungen ermöglicht. Des Weiteren wird thematisiert, ob der restriktive Jugendschutz in Deutschland möglicherweise legitime Unterhaltungsbedürfnisse von Erwachsenen unzulässig tangiert und wie sich in Zeiten neuer technischer Herausforderungen (z. B. einer zunehmenden Digitalisierung) Jugendschutz zukünftig positionieren muss, um seinen protektiven Funktionen weiterhin nachzukommen.

Michael Humberg
Stereoskopisches 3D

Die Entwicklung und Etablierung von Filmtechnologie ist immer auch Resultat gesellschaftlicher Prozesse. Die Einführung eines neuen Verfahrens kann nicht anhand von Technikinnovationen alleine verstanden werden. Dies zeigt sich am Beispiel des Verfahrens des stereoskopischen 3Ds. Während die Möglichkeit der stereoskopischen Aufnahme und Wiedergabe für den Film während der Filmgeschichte prinzipiell immer gegeben war, ist eine phasenweise Verwendung festzustellen. Die Ursachen hierfür sind jeweils spezifisch an den jeweiligen historisch-gesellschaftlichen Umständen festzumachen. Anhand dreier Implementierungsphasen – als Rückgriff Stereoskopie im 19. Jahrhundert, 3D zurzeit der Kinokrise der frühen 1950er-Jahre sowie 3D im digitalen Zeitalter – wird aufgezeigt, dass das Verfahren als Reaktion auf sich ändernde Zuschauerbedürfnisse zu verstehen ist.

Jesko Jockenhövel
Computerbasierte Rezeption

Die neuen, genauer: computerbasierten Formen der Filmrezeption nimmt dieser Beitrag zum Anlass, sowohl die damit adressierten als auch die damit distanzierten Rezeptionsbedingungen in den Blick zu nehmen. Die Verbindung von Film und New Media führt dabei einerseits zur historisch bedeutenden Etablierung der DVD und andererseits zu damit verbundenen Fragen und Mythen von (Inter-)Aktivität, Passivität, Flexibilität und Neuheit. Der wortwörtliche Umgang mit Film, der auf der Basis des Computers durch Medien wie DVD und Blu-ray Disc sowie durch Online-Angebote und Second Screen Apps möglich und herausgefordert wird, modifiziert zwei grundsätzliche Aspekte des Verhältnisses von Film und Gesellschaft: die Aktivität des Publikums und die Anti-Originalität des Films.

Jan Distelmeyer
Filmwirtschaft und Filmförderung

Nach dem Krieg versuchten Bund und Länder mit verschiedenen Instrumenten, die qualitative und quantitative Bedeutung des deutschen Films zu erhöhen. Vor allem durch die Gründung regionaler Filmförderungsinstitutionen in den 1990er-Jahren kam es zu einem Aufschwung des deutschen Films. Trotz der damit verbundenen Fragmentierung der deutschen Produktionen kam es auch zu international beachteten Erfolgen. Dennoch bleibt die deutsche Filmwirtschaft, die maßgeblich von öffentlichen Förderungen lebt, gegenüber der US-amerikanischen zurück.

Manfred Mai
Serialität und Serienformen

Der vorliegende Beitrag geht davon aus, dass Serienforschung heutzutage als Serialitätsforschung zu verstehen ist, die die kulturelle Arbeit von Serien gleichermaßen reflektiert wie ihre Ästhetiken und Erzählverfahren. Defizite der aktuellen Serienforschung werden vor allem in ihrer Verengung auf bestimmte Medien und Erscheinungsformen (insbesondere das sog. Quality-TV) gesehen. Dargestellt werden die Grundformen seriellen Erzählens (Reihe/Anthologie, Episoden- und Fortsetzungsserie) sowie die unterschiedliche Formstruktur fiktionaler und nicht-fiktionaler Serien. Verfahren des Remakings werden als „Serialität zweiter Ordnung“ (Kelleter und Loock 2017) reflektiert.

Christian Hißnauer
YouTube-Videos und ihre Genres

Dieser Beitrag widmet sich YouTube-Videos, indem diese – nach einer kurzen Darstellung der Geschichte und aktuellen Relevanz von YouTube – als Vertreter verschiedener Genres verstanden werden. Insbesondere vor dem Hintergrund der Popularität nutzergenerierter YouTube-Videos sowie der unterschiedlichen Genre-Eigenschaften, ihrer Rezeptionsästhetik und ermöglichten Rezeptionsweisen eröffnet der Beitrag eine filmsoziologische Diskussion von YouTube-Videos.

Alexander Geimer
Musikvideos

Obgleich sich mit der Gattung des Musikvideos ein reiches und ergiebiges Betätigungsfeld für die Soziologie eröffnen würde, gibt es diesbezüglich bislang so gut wie keine Vorstöße. Dies mag an den Herausforderungen liegen, die dem Gegenstand wie auch seinen Rahmenbedingungen in logistischer wie methodischer Hinsicht inhärent sind. Gerade aber in der damit einhergehenden Perspektive, somit auch bislang in sich ruhende Systemtheorien und -entwürfe der klassischen Soziologie produktiv aufzustören, läge die Chance einer solchen Auseinandersetzung mit dem Musikvideo aus soziologischer Perspektive.

Henry Keazor, Thorsten Wübbena
Unternehmens- und Imagefilm

Dieser Beitrag widmet sich der Geschichte des Unternehmensfilms von den Anfängen bis heute. Dabei wird aus soziologischer Perspektive den wandelnden Erscheinungsformen dieses Genres auf den Grund gegangen. Im Fokus stehen die Aspekte der Identität. So stellt sich die Frage nach den sozialen Verabredungen und Handlungsorientierungen, die bei der Konstruktion und Stabilisierung von unternehmenseigenen Selbstdefinitionen wirksam werden und wie diese facettenreich im Film Ausdruck finden.

Wolfgang Lanzenberger
Werbefilm, Werbespot und Virals

Werbefilme bleiben im Gedächtnis. Schon allein deshalb nehmen sie Einfluss. Sie sind Spiegelbild ihrer Gesellschaft und Zeit. In Werbefilm-Geschichten lassen sich Werte, Normen und Konflikte einer Gesellschaft ablesen. Sie versprechen z. B. sozialen Status, Zugehörigkeit und Individualität. Im Internet sind die Storys spontaner, überraschender und konfliktreicher. Der Tabubruch als maximaler Konflikt ist die dramaturgisch beste Option für einen erfolgreichen Viral. Sozialer Tatbestand, Integration, Desintegration, sozialer Wandel und Normen geraten in Wallung.

Albert Heiser
Metadata
Title
Handbuch Filmsoziologie
Editors
Dr. Alexander Geimer
Dr. Carsten Heinze
Prof. Dr. Rainer Winter
Copyright Year
2021
Electronic ISBN
978-3-658-10729-1
Print ISBN
978-3-658-10728-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-10729-1